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Black Christmas

Fanfiction-Adventskalender 2017, Türchen Nr. 2
von

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Black Christmas

Uber Nacht war Schnee gefallen und hatte den Boden des provisorischen Trainingslagers in eine nass-kalte Schlammsuppe verwandelt, wie er sie aus New York nicht kannte. Außerhalb der Baracken war es beißend kalt und so kam es, dass er sich nicht beschwerte, als Murphy ihn am Ärmel von den französischen Soldaten wegzog, die gerade den Aufbau eines Maschinengewehrs erklärten. Er konnte mit der No Maj-Technik ohnehin nicht viel anfangen und die Erklärungen auf Französisch verstand er nicht.
 

„Du wirst Augen machen!“, versprach ihm Murphy, während er ihn in die Baracke zog, die ihnen momentan als Schlafsaal diente. Percival war sich da nicht so sicher, trotzdem ließ er sich von seinem Kameraden bis zu dessen Feldbett bringen. Michael D. Murphy war an und für sich ein netter Kerl. Er hatte Ilvermorny erst im Sommer verlassen und gehörte nun zu der kleinen Gruppe aus Magiern, die der 42'ten Division unterstellt worden waren. Einem eilig zusammengeschusterten Haufen aus freiwilligen No Majs und Berufssoldaten, die sich nun irgendwie zu arrangieren versuchten.

 

„Komm, setz dich“, forderte er mit seinem dicken Akzent, der ihn eindeutig als Provinzler kennzeichnete, doch Percival blieb lieber stehen. Als Murphy ihn das letzte Mal gebeten hatte, sich auf sein Bett zu setzen, hatte er ihm einen blauen Fleck mit den Umrissen des deutschen Kaisers zeigen wollen. Eine Attraktion, auf die er nur zu gern verzichtet hätte.

Murphy dagegen war weniger zurückhaltend. Er wartete nur einen Augenblick lang darauf, dass Percival seiner Forderung nachkam, dann zog er die Beine zu sich nach oben. Percival musterte Murphys Stiefel. Die hatten seiner Meinung nach nichts auf diesem Bett zu suchen, vor allem nicht, weil sie nass und schlammig waren, doch er sagte nichts.

 

„Ich hab nachgedacht“, eröffnete Murphy und sammelte nebenbei ein paar braune Haare von seinem Kissen, ganz so, als würde es ihn wirklich interessieren, dass seine Schlafstätte ordentlich war. „Ich glaube nicht mehr, dass wir Weihnachten Zuhause feiern.“

 

Percival schnaubte abfällig. „Weihnachten ist morgen, Murphy“, erinnerte er ihn.

 

„Eben“, stimmte dieser zu, „Selbst wenn ich noch einen Portschlüssel nach New York bekomme, schaffe ich es nicht mehr rechtzeitig von dort bis nach Milwaukee. Die Feiertage sind gelaufen.“

Murphy seufzte und für einen Augenblick bereute es Percival, dass er sich nicht doch zu ihm gesetzt hatte. Vermutlich war es Murphys erstes Weihnachtsfest alleine. Das Erste ohne seine Eltern, seine Geschwister – Für einen Augenblick dachte Percival an seine Brüder, von denen einer bereits auf dem Weg an die italienische Front war. Eilig verdrängte er die Erinnerung.

 

„Vermisst du deine Eltern?“, fragte er stattdessen.

 

Murphy blickte hoch zur Decke. „Meine Mutter macht an Weihnachten immer Ente“, erzählte er mit hoher Stimme, „Es ist die beste Ente auf der Welt.“ Er starrte weiter nach oben und insgeheim vermutete Percival, dass er das nur tat, damit er nicht sah, wie er mit den Tränen kämpfte. Murphy hatte vier jüngere Geschwister. Es musste schwer für ihn sein, damit zu rechnen, dass er sie vielleicht nicht wiedersah.

Sein Freund stieß einen langen Seufzer aus. „Was ist mit dir, magst du Ente?“

 

Percival nickte. „Schon, ja.“

 

„Würdest du dann eine mit mir essen?“

 

Er runzelte die Stirn. Diese Frage kam ihm seltsam vor.

„Natürlich“, antwortete er deshalb, „aber du weißt ganz genau, dass wir keine Ente haben. Lebensmittel kann man nicht aus dem Nichts erschaffen und selbst wenn ich unser Dosenfleisch in eine Ente verwandele, ist und bleibt es Dosenfleisch. Dein Bauch würde den Unterschied erkennen.“

 

Endlich löste Murphy seinen Blick von der Decke. „Da hast du natürlich recht“, stimmte er ihm zu, „Jedenfalls, wenn du wirklich Dosenfleisch verwendest.“ Ein dünnes Lächeln erschien auf seinen Lippen und Percival atmete innerlich auf. Eigentlich kannte er Murphy nur als durch und durch fröhliche Person. Ihn jetzt so traurig zu sehen, gefiel ihm nicht.

 

„Sie werden uns keine Ente geben und sicher auch keine Gans“, wandte er dennoch ein. Es tat ihm leid, die Hoffnungen seines Kameraden zu zerstören, doch es schien ihm offensichtlich, dass sie von den kriegsgebeutelten Franzosen nichts erwarten konnten. Vor allem kein Festmahl.

 

„Was, wenn sie das nicht müssen?“, fragte Murphy und langte mit der Hand unter sein Feldbett. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er gleich von seiner Liege fallen, dann hob er seinen Stahlhelm auf das Bett und darin lag -

 

„Ist das ein Huhn?“, fragte Percival, obwohl die Antwort eigentlich offensichtlich war.

 

Murphy nickte. „Das größte Huhn, das ich je gesehen hab. Und stell dir vor, es stand ganz allein auf nem Holztisch in der Küche. Ich hab's durchs Fenster gesehen. Da hatten die Franzosen gerade Wachwechsel.“

 

„Und du hast es mitgenommen?“

 

Murphy nickte noch einmal. „Ich dachte, du kannst es bestimmt in ne Ente verwandeln und dann teilen wir sie uns. So zu Weihnachten.“

 

Percival musterte das Huhn. Es war wirklich groß und versprach eine ordentliche Portion weiches, weißes Fleisch. Es würde auf der Zunge zergehen und - Energisch vertrieb er die hungrigen Gedanken. Er würde jetzt hier keine Ente braten. Vor allem keine, die eigentlich ein Huhn war.

 

„Hat dich irgendjemand dabei gesehen?“, fragte er streng.

 

Murphy schüttelte den Kopf. „Nee, bestimmt nicht.“

Aus dem Mund eines Anderen hätte Percival es vielleicht sogar geglaubt, doch als Murphy das letzte Mal „bestimmt nicht“, gesagt hatte … Misstrauisch ließ er den Blick über die Schulterabzeichen seiner Uniformjacke wandern. Sie leuchteten nicht und das war auch gut so. Zwischen all den No Maj im Lager konnten sie es sich nicht leisten, mit schlecht geplanter Magie aufzufallen. Es reichte vollkommen, wenn die Soldaten an der Front mehr sahen, als gut für sie war. Es musste nicht auch noch im Ausbildungslager passieren.

 

„Du weißt, was passiert, wenn du dich irrst?“, fragte Percival kritisch.

 

Murphy zuckte mit den Schultern. „Latrinen putzen ist nur dann ne Strafe, wenn man keinen Zauberstab hat, um es zu tun“, entgegnete er.

 

„Latrinen putzen ist eine Strafe für kleine Vergehen. Stehlen ist keines davon. Diebe stellt man hier an die Wand.“

 

Murphy blinzelte genau drei Mal, dann wurde er blass. „A-An die Wand“, wiederholte er, während ihm das Ausmaß seiner Handlung langsam klar zu werden schien. „Okay-okay, du hast gewonnen. Ich werde das Huhn wegzaubern. Kein Huhn, keine Wand. Richtig?“

 

Percival schüttelte den Kopf. „Leider falsch“, entgegnete er, „Angenommen Jemand hat dich gesehen, dann werden sie glauben, dass du das Huhn genommen hast.“

 

„Aber dann habe ich das Huhn nicht mehr.“

 

Percival seufzte. „Sie werden denken, dass du es aufgegessen hast, oder das einer von uns es hier versteckt. Weißt du was passiert, wenn die No Maj unsere Sachen durchsuchen? Grahams Heilkräuter sind wahrscheinlich noch das Normalste, was sie finden. Wie erklären wir denen die bewegten Photos und die Schriftrollen mit den Zaubersprüchen drauf? Das Huhn muss zurück in die Küche. Sofort!“

Er blickte Murphy fordernd an und dieser griff auch brav nach seinem Zauberstab. Einen Moment lang hielt er ihn unentschlossen in der Luft, dann begann er eine Formel zu sprechen, die das verdammte Huhn zurück in die Küche hexen würde.

 

„Stopp!“

 

Murphy hielt mitten in der Bewegung inne. Sein Zauberstab sprühte grüne Funken. „Was ist? Ich dachte, es soll zurück?“, fragte er verwirrt.

 

Percival nickte. „Das soll es auch, aber mir fällt gerade ein: Was, wenn Jemand in der Küche vor dem Tisch steht und dann taucht da plötzlich aus dem Nichts ein Huhn drauf auf? Das können wir so nicht machen.“

 

Murphy schüttelte die letzten Funken aus der Spitze seines Zauberstabs, dann ließ er ihn wieder in seinem Ärmel verschwinden. „Du hast recht“, stimmte er ihm zu, „aber wie machen wir's dann?“

 
 

🍗🍗🍗🍗

 

Percival betrat die Küche, als wäre es das Normalste auf der Welt. Murphy dagegen schaffte es mit jedem Schritt ein wenig schuldbewusster auszusehen. Dabei hatte er noch nicht einmal das Huhn. Percival hatte darauf bestanden, es mehr oder minder sicher zu verwahren und so lag es nun in dem dreifach verhexten Stahlhelm, der es vor neugierigen Augen schützte.

Percival kam sich dumm dabei vor. Jeder No Maj der ihn sah, musste sich fragen, warum er einen leeren Stahlhelm vor sich her trug. Andererseits, besser sie fragten sich das, als warum er ein rohes Huhn in Richtung Küche brachte.

 

Ihr Plan war eigentlich ziemlich simpel und beruhte in erster Linie auf Ablenkung. Murphy würde sich mit all seiner Neugierde auf die Franzosen in der Küche stürzen und ihnen Fragen über Fragen zu dem Weihnachtsschmaus stellen, den es sicher nicht geben würde. Und während die ihn verstört angaffen würden, würde er das Huhn aus dem Helm auf den Tisch plumpsen lassen und dann zusehen, dass er einen Sicherheitsabstand zwischen sich und das gefährliche Stück Geflügel brachte. Kein Problem.

 

Oder vielleicht doch, denn sein Plan schien schon an dem Fakt zu scheitern, dass niemand in der Küche war.

„Hallo?“, rief er sicherheitshalber, doch eine Antwort blieb aus. Er schenkte Murphy einen skeptischen Blick, doch der zuckte nur mit den Schultern.

„Sind vielleicht eine rauchen“, schlug er vor. Percival traute dem Frieden nicht, aber er musste zugeben, dass das eine verdammt gute Gelegenheit war.

„Von welchem Tisch hast du es genommen?“, fragte er und sein Freund deutete auf einen zu ihrer Linken. Das Huhn musste dort wirklich einladend ausgesehen haben. Stumm marschierte Percival an einem großen Berg ungeschälter Kartoffeln vorbei und legte den Stahlhelm auf den Tisch.

„Mach vielleicht besser das Fenster zu“, forderte er von Murphy, „Wir wollen ja nicht, dass es Jemand klaut.“

 

Murphy schenkte ihm ein breites Grinsen. „Na das wär doch was, wenn einer unser entführtes Huhn entführt.“

 

Percival nahm das Huhn aus dem Helm und schüttelte den Kopf. Er würde Murphy jetzt nicht erklären, dass sie das in noch größere Schwierigkeiten bringen würde. Stattdessen musterte er das Huhn. Jetzt wo es wieder da war, wo es hingehörte, konnte er sich einen wehmütigen Blick darauf erlauben. Er hätte wirklich gerne ein Stück von diesem Fleisch geha-

 

„Que fais-tu?“

 

Oh verdammt!

 

Percival blickte auf, doch was er dann sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Murphy stand keine zwei Schritte neben dem inzwischen geschlossenen Fenster, erstarrt ob des Bajonetts, welches auf seinen Bauch zielte. Am anderen Ende der Waffe stand ein Franzose und blickte skeptisch von Murphy zu ihm und wieder zurück. Gar nicht gut.

 

„Es ist nicht so, wie es aussieht“, beteuerte Percival und machte eiligst einen Schritt von dem verdammten Huhn weg. „Murphy, sag ihm, dass wir hier nichts stehlen wollten.“

 

„Wir-Wir wollten hier nichts stehlen“, wiederholte der.

 

Percival hielt nur mit Mühe ein Stöhnen zurück. „Ich meinte, du sollst es ihm auf Französisch sagen“, präzisierte er.

 

Hätte er vor dem Franzosen gestanden, er wäre versucht gewesen, es auf einen Angriff ankommen zu lassen. Er war schnell mit dem Zauberstab und der Franzose sicher nicht auf so einen Angriff vorbereitet. Aber Murphy war noch ein halber Schüler, kein Auror und seine Reflexe waren bestenfalls fragwürdig. Er würde mit Pech aufgespießt werden, noch bevor der Stupor seine Lippen verlassen hatte.

Und so wie er stand, musste Percival es auch nicht auf Distanz versuchen. Murphy gab dafür einen viel zu guten Schutzschild ab.

 

„I-Ich kann kein Französisch“, gestand dieser gerade und Percivals Verlangen sie einfach beide über den Haufen zu hexen, wuchs.

 

„Du hast mir doch erzählt, du wärst zweisprachig aufgewachsen“, hakte er nach.

 

Murphy nickte vorsichtig. „Bin ich auch. Ich kann Englisch und Irisch.“

 

„Dann sag es ihm auf Irisch!“

 

Murphy schluckte und sagte etwas, was er in der Form schon einmal in Chelsea gehört zu haben glaubte, doch irgendwie bezweifelte er, dass der Franzose das verstand.

Also nutzte er die Chance und musterte ihren Gegner. Seine blonden Haare waren zu lang, um noch den US-Richtlinien zu entsprechen, aber ansonsten war seine Erscheinung tadellos. Die horizontblaue Uniform stand ihm gut, da waren keine Falten an Stellen wo keine hingehörten und seine Stiefel sahen aus wie geleckt. Einzig sein Blick verriet, dass er nervös zu sein schien. Zwei gegen einen. Vermutlich rechnete er gerade seine Chancen aus.

 

„Ich spreche kein Irisch.“

 

Es dauerte einen Moment, bis Percival klar wurde, dass der Franzose auf Englisch geantwortet hatte. Es war komisches Englisch, aber es war Englisch und das hieß -

„Wir wollten hier nichts stehlen!“, beteuerte er eilig und Murphy nickte heftig zur Bestätigung. „Das ist einfach nur'n Missverständnis!“, steuerte er bei.

 

Der Franzose brauchte etwas, um ihre Aussagen zu übersetzen. „Das würde ein Dieb jetzt auch behaupten“, entgegnete er schließlich, „Ich muss meinen Vorgesetzten rufen.“

 

„Nein!“

 

Der Franzose blickte fragend zu ihm. „Non?“, wiederholte er und dieses Mal verstand Percival ihn auch ohne Übersetzung.

 

„Wir haben nichts genommen“, erklärte er noch einmal, „Du kannst uns durchsuchen, aber wenn du niemanden rufst, könnte das hier für uns alle von Vorteil sein. Wir könnten dir helfen, du bist doch sicher nicht zum Spaß hier.“

 

Der Franzose schien zu überlegen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, dann senkte er endlich sein Bajonett. „Ich soll die pommes de terre schälen“, erklärte er, „Wenn ihr mir helft, habe ich euch hier nie gesehen.“

 

Percival atmete auf. Er konnte sich zwar besseres vorstellen, als seine Zeit mit schälen zu verbringen, aber der Handel schien ihm fair. „Sind es die da?“, fragte er und deutete auf die Kartoffeln, die in einer Ecke einen großen Haufen bildeten.

 

Der Franzose nickte. „Genau die, fürchte ich.“

 

Percival seufzte, während Murphy sich prompt die Ärmel hochzukrempeln begann. „Das ist doch kein Problem“, verkündete er mit einem breiten Grinsen, „Meine Mutter lässt mich Zuhause auch immer Kartoffeln schälen. Ihr werdet sehen, ich bin ein Meisterschäler.“

Der Franzose schaute überfordert und Percival war sich nicht sicher, ob er versuchen sollte, ihm Murphys Gebrabbel zu erklären. Wäre er an seiner Stelle gewesen, er hätte es vorgezogen, den Inhalt dieser Worte nicht zu kennen.

Mit skeptischem Blick beobachtete er, wie Murphy zu den Kartoffeln stapfte und sie neugierig beäugte. „Ah, ich seh schon, ich seh schon“, murmelte er dabei.

Der Franzose sah ihn fragend an und Percival zuckte als Antwort mit den Schultern. Nein, er verstand dieses Verhalten auch nicht. So wie Murphy die Kartoffeln anguckte, musste man ja meinen, er wollte –

 

Oh Merlin!

 

Er wollte!

 

Percival machte einen Satz nach vorne, doch es war schon zu spät. Murphy hatte seinen Zauberstab aus dem Gürtel gezogen und irgendeinen Spruch gesagt. Im ersten Moment bemerkte Percival keine Veränderung, dann begann eine der Kartoffeln zu schweben.

 

Aus einer wurden zwei.

 

Dann drei.

 

Percival starrte die Kartoffeln an und der Franzose machte es ihm nach. Ganz langsam begannen sechs Kartoffeln sich in der Luft zu drehen und dabei ihre Schalen zu verlieren. Percival blinzelte mehrfach. Das hatte er nicht –

 

Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung war und erwachte so aus seiner Schockstarre. Der Franzose streckte seine Hand nach einer der Kartoffeln aus. Für einige Sekunden hielt er sie fest, dann öffnete er die Faust und die Knolle hob erneut ab.

„C'est ...“, begann er, dann schien er sich daran zu erinnern, dass sie ihn so nicht verstanden und er brach ab.

 

Percival atmete tief durch.

Sollte er sich rausreden? Konnte er sich rausreden?

Gab es überhaupt eine glaubhafte Ausrede für fliegende Kartoffeln? - Vermutlich nicht.

Aber wenn es keine gab, dann bedeutete das ...

 

„Der ist klasse, oder?“, plapperte Murphy, der ihre Fassungslosigkeit offenbar mit Interesse verwechselte, „Wenn ihr wollt, zeig ich euch den Zauber. Er ist auch ganz einfach. Ihr müsst nur euren Zauberstab nehmen und dann – Was ist?“

 

Percival schaute zu dem Franzosen und der schaute interessiert zurück.

„Willst du es ihm sagen?“, fragte er nüchtern.

 

Der junge Mann nickte langsam. „Ich habe keinen Zauberstab“, erklärte er knapp.

 

Für einen Moment war das einzige Geräusch, jenes von zu Boden fallenden Kartoffelschalen. Dann japste Murphy und alle sechs Kartoffeln klatschten auf einmal auf den Boden.

„Percy, Percy! Er ist 'n No Maj!“, platzte es aus ihm heraus.

 

Percival erlaubte sich ein Schnauben. „Ich weiß.“

 

„Was ist ein No Maj?“

 

„Das ist eine Abkürzung. Sie steht für 'Nicht magische Person'“, erklärte Percival hilfsbereit.

 

Der Franzose nickte verstehend, während Murphy prompt noch einmal japste. „Percy, was machst du denn da? Das darfste ihm doch nicht erzählen!“

 

Percival zuckte mit den Schultern. „Ja, was soll ich denn machen?“, fragte er, „Du hast ihm doch schon alles Wichtige verraten.“

 

Murphy wurde prompt noch blasser. „D-Dann müssen wir sein Gedächtnis löschen. Er darf das nicht wissen. D-Du bist doch Auror. Du kannst das, oder?“

 

Percival schüttelte den Kopf. „Gedächtniszauber sind schwierig und ich hab das erst ein oder zwei mal allein gemacht.“

 

„Aber du kannst's?“ Langsam klang Murphy ein bisschen panisch.

 

„Ja, ich kann“, gab er also zu, „aber ich darf es hier nicht tun.“

 

„Was?“

 

Percival seufzte. „Er ist Franzose. Er fällt unter die Zuständigkeit des französischen Ministeriums und wir sind hier in Frankreich. Ich bin nicht befugt.“

 

„Willste ihn so lassen?“

 

„Willst du, dass ich eine Straftat begehe?“

 

Einen Moment lang starrten sie einander an, dann räusperte sich der Franzose.

„Ich bin sehr dafür, mich so zu lassen wie ich bin“, mischte er sich ein, „ und übrigens „er“ hat auch einen Namen. Er lautet Gabriel.“

 

Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie finster an. Mit Blick darauf, dass sie gerade darüber diskutiert hatten, ob sie sein Gedächtnis löschen sollten, war das vermutlich nur gerecht. „Das hier ist Murphy“, erklärte Percival als kleine Wiedergutmachung und dieser setzte prompt sein allerbestes Lächeln auf.

 

„Meine Freunde nennen mich Mike“, verkündete er strahlend und hätte er es nicht besser gewusst, Percival hätte geschworen, dass Murphy nie auf die Idee gekommen wäre, Jemanden mit einem Gedächtniszauber belegen zu wollen.

 

Der Franzose – Gabriel – entspannte seine Schultern. „Très heureux, Murphy“, entgegnete er und seine Mundwinkel zuckten verdächtig dabei.

 

Kurz wirkte Murphy mit den unbekannten Vokabeln überfordert, dann beschloss er, sie einfach zu ignorieren. „Sein Name ist Percy“, plapperte er weiter, „er kommt aus New York. Darum ist er manchmal ein bisschen -“

 

„Ein bisschen was?“, unterbrach ihn Percival und Murphy verstummte eiligst.

 

„Très heureux, Percy“

 

„Mein Name ist Percival“, verbesserte er Gabriel, doch das Funkeln in dessen Augen verriet, dass es schon zu spät war. Der grässliche Spitzname hatte sich eingebrannt und würde zumindest in seinem Kopf vorhanden bleiben.

Mit einem Seufzer wandte sich Percival den Kartoffeln zu. Er hatte ja versprochen, dass sie sie schälen würden und daran wollte er sich auch halten. Skeptisch blickte er zum Fenster, dann zückte er seinen Zauberstab. Ein Tarnzauber würde verhindern, dass ein neugierig hereinschauender Private etwas anderes als beschlagene Scheiben sah. So musste er nur die Tür im Auge behalten und da es nur eine gab, würde das so schwer nicht werden.

 

„Komm, zeig mir noch mal deinen Schälzauber“, forderte er von Murphy, während er sich so vor den Kartoffeln aufstellte, dass er in jedem Fall den Eingang sah.

 

Murphy nickte begeistert. „Er ist wirklich ganz einfach“, beteuerte er noch einmal.

 

Percival beobachtete seine Bewegungen, verfolgte, wo sie weich und anschmiegsam und wo eher harscher und konsequent zu sein hatten. Dann hob er seinerseits den Stab.

Kartoffeln erhoben sich in die Luft, begannen sich zu drehen und Schalen abzuwerfen, ganz so wie sie es zuvor auch schon getan hatten. Zunächst waren es nur zwei, dann stiegen immer mehr von ihnen auf, bis schließlich zehn große, dicke Kartoffeln in der Luft hingen.

 

„Wahnsinn“, staunte Murphy neben ihm, „Ich schaff nur sechs und ich schäl schon mein halbes Leben.“ Percival erlaubte sich ein Lächeln. Der Zauber selbst war nicht das Problem. Er war einfach, da hatte Murphy recht. Es war die Konzentration, die man halten musste und Jemand wie Murphy, der ständig etwas Neues ausbrütete und mit seinen Gedanken überall war, war dafür einfach nur bedingt geeignet.

 

„Wenn Ihr so weiter macht, sind wir hier ganz schnell fertig“, lobte Gabriel, während er seinerseits nach einer Kartoffel griff.

 

Murphy grinste. „Ich hab doch gesagt, wir sind Meisterschäler!“, verkündete er stolz, dann beobachtete er mit großen Augen wie der No Maj das Messer ansetzte.

 

„Wie kommt es, dass du dir dabei nicht in die Finger schneidest?“, fragte er neugierig und seine Kartoffeln vergaßen vor lauter Interesse sich weiter zu drehen. Percival hüstelte dezent.

 

„Ich nehme an, ich habe es auf die gleiche Art gelernt, wie du“, erklärte Gabriel, „Ich habe pommes de terre geschält.“ Percival hüstelte noch einmal und dieses Mal schien Murphy es zu bemerken.

 

„Haste was im Hals?“, fragte er skeptisch. Doch als Percival zusätzlich mit der linken Hand nach oben deutete, schien es Murphy aufzugehen.

 

„Oh Mist!“, entfuhr es ihm. „Das sollten doch keine Scheiben werden.“ Sein Zauberstab sauste durch die Luft. Ein eiliger Versuch die letzten Schnitte zu korrigieren. Percival schüttelte den Kopf,

 

„Passieren solche Sachen öfter?“, wollte Gabriel wissen und kurz war er versucht, ihn zu fragen, ob er die Antwort bezüglich seiner oder Murphys Zauber hören wollte. Doch dann sah er Murphy Kartoffeln zusammen zaubern und er verwarf diesen Kommentar.

 

„Magie ist eine Wissenschaft“, erklärte er stattdessen, „Es schleichen sich schnell Fehler ein und Murphy mag es ohnehin gerne unkonventionell. Letzte Woche hat er sich die Schulterabzeichen verzaubert, damit sie leuchten. Hat mich zwei Stunden gekostet, ihm zu erklären, dass das nicht seine beste Idee war.“

 

„Ich hab mich doch entschuldigt“, maulte Murphy neben ihm. Offensichtlich hatte er die Kartoffeln erfolgreich wieder zusammengehext und konnte sich nun wieder auf ihr Gespräch konzentrieren.

 

„Hast du und ich hoffe immer noch, dass du es nie wieder tust.“

 

„Ja, Mama“, antwortete Murphy mit einem Augenrollen, das Percial dazu brachte, unzufrieden zu schnauben. Und Gabriel? Der lachte amüsiert.

 

„Ich habe von einer Illusion d'optique im Speisesaal gehört, aber scheinbar war es eigentlich Magie. Très drôle.“ Er lachte weiter und schaffte es dabei tatsächlich seine Kartoffel weiter zu schneiden, als hätten sie einfach nur einen besonders guten Scherz gemacht.

 

„Du nimmst das alles ziemlich locker. Magie, Zauberstäbe... Unser Ministerium erwartet eigentlich, dass No Maj sich über so etwas aufregen. Oder das sie ihren Geisteszustand hinterfragen“, bemerkte Percival vorsichtig.

 

Murphy nickte. „Du hast das wirklich ziemlich schnell verdaut“, stimmte er zu, „Woher kommt das?“

 

Gabriels Messer hielt inne. Für einen Moment sah er einfach nur die Kartoffel an. „Wisst ihr“, erklärte er dann, während er die Kartoffel auf den Stapel mit den Geschälten legte, „Früher hätte ich euch kein Wort geglaubt, aber dann kam la guerre und mit ihm viele Dinge, die ich für unglaubhaft gehalten habe. Außerdem – Würde es etwas ändern, würde ich mich aufregen? Ihr würdet weiter magisch sein, ich dürfte es weiterhin nicht wissen und ihr würdet weiter überlegen, ob ihr mir genug vertrauen könnt, um meinen Kopf in Ruhe zu lassen.“

 

„He, sorry“, platzte es aus Murphy heraus und seine Kartoffeln wackelten gefährlich über ihm, „Es ist nur... Die stecken uns in den Knast wenn das herauskommt. Da versteht der MACUSA keinen Spaß.“

 

„Und wir wollen nicht in den Knast“, stimmte Percival ihm zu, auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass man ihn dafür nicht einsperren würde. Seine Eltern waren hohe Tiere im MACUSA. Seine Familie sehr bekannt. Sie würden sich für ihn einsetzen und er käme mit einer Rüge davon. Besonders weil es ja nicht sein Zauber gewesen war, der sie hatte auffliegen lassen. Murphy dagegen -

„Seht es so“, erklärte er, „Wenn der MACUSA davon erfährt, sind wir in Schwierigkeiten, aber das gilt für uns alle drei. Uns wird man anklagen und Gabriel löschen sie das Gedächtnis, was übrigens mit jedem Tag der vergeht, riskanter wird. Das französische Ministerium ist da vielleicht nicht ganz so hinterher, aber auch die werden sein Gedächtnis löschen, sollten sie den Eindruck gewinnen, dass er eine Gefahr für die Geheimhaltung ist. Wir sitzen also in einem Boot.“

 

„Aber solange wir nichts erzählen, ist alles gut?“

 

Percival nickte. „Wir werden beim zaubern besser aufpassen, damit es nicht noch Jemand bemerkt, aber drei paar Augen sind besser als zwei, also -“

 

„Können wir jetzt alle Freunde werden?“, fiel ihm Murphy ins Wort. Er strahlte sie breit an und die Kartoffeln über ihm machten einen begeisterten Salto in der Luft. Percival guckte zu Gabriel und der guckte skeptisch zurück.

 

„D'accord“, murmelte er schließlich, in den Mundwinkeln immer noch der Hauch eines Lächelns, „Ich denke, es spricht nichts dagegen. Zumindest nicht, wenn ihr es wollt. Wie wäre das? Wir schälen die pommes de terre zu ende und dann besorge ich uns was von dem Rotwein hier. Davon geben sie uns eine ganze Menge. Und dann müsst ihr mir erklären, was genau dieser MACUSA ist und wie das mit der Zauberei so funktioniert.“

 

Percival nickte. „Gerne. Und dann erklärst du uns, woher du so gut Englisch kannst.“

 

„Und wie man das mit dem Messer macht!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: Arcturus
2018-01-27T22:12:32+00:00 27.01.2018 23:12
Murphy Meisterschäler. Oh yeah.
Das gibt noch Wut und Tränen, fürchte ich.

Ansonsten - ich mag die Chaotentruppe, aber das weißt du ja schon. Brainstormen dafür hat wirklich Spaß gemacht und das Ergebnis ist super geworden. Murphy und die Kartoffeln. Auch wenn es leider kein Eifelturm geworden ist, den er da schält.
 
Antwort von:  _Delacroix_
27.01.2018 23:17
Was nicht ist, kann ja noch werden. XD
Von:  Votani
2017-12-09T22:03:16+00:00 09.12.2017 23:03
Wahrscheinlich muss ich nicht mehr sagen, dass ich deine Geschichten und deinen Schreibstil mag, aber das trifft bei dieser Geschichte wieder mal zu. Ich find gut ausgearbeitete OCs in FFs wirklich interessant, was diese Story so toll macht. Die Idee mit dem Huhn ist wirklich amuesant, wobei meine Lieblingsstelle eindeutig der Moment ist, in dem Murphy die Kartoffeln vor Gabriels Augen schneidet und er Percival nach dem Zauber zum Gestaendnisloeschen fragt. Das war genial! :D
Antwort von:  _Delacroix_
09.12.2017 23:06
Danke.^^
Das Lob freut mich wirklich sehr.^^
Von:  Yusuka
2017-12-03T22:39:04+00:00 03.12.2017 23:39
Ein wirklich sehr origineller Einfall für das 2. Adventskalendertürchen ;) Eine wirklich schön ausgearbeitete Geschichte und die Ausarbeitung der Charaktere ist wirklich gelungen. Auch deine OC wirken durch und durch symphatisch und es ist erstaunlich wieviel von diesen in dieser kurzen Story rüberkommt. Auch das Setting ist interessant gewählt. Ich hätte persönlich nichts dagegen gehabt, hätte die Geschichte noch länger angedauert ^^
Antwort von:  _Delacroix_
04.12.2017 00:13
Danke sehr^^
Nun, vielleicht schreib ich irgendwann mal eine Fortsetzung.


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