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A Story about a Christmas Tree

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier kommt jetzt das Gegenstück zu Lisas Story von Gestern :)
Ich Bedanke mich auch für die gute Zusammenarbeit und das gemeinsame Ideen entwickeln :D
Und für alle, die Bob nach Lisas OS Ohrfeigen wollten (ich gebe zu, wenn ich die Geschichte von Henry und den Rattenschwanz, der mit diesem Telefonat ausgelöst würde, sehe, will ich es auch >.<), vielleicht könnt ihr ihn nach dieser "kleinen" Story etwas besser verstehen.
Denn wie so oft gibt es kein Schwarz und Weiß, nur unterschiedliche Perspektiven.
Viel Spaß! Komplett anzeigen

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Freitag der 15.

Mit geschlossenen Augen, ließ Mike sich auf einem aufblasbaren Poolsessel im Pool der Correys treiben. Die vorherige Nacht steckte allen noch in den Knochen, doch schien Mike besonders angeschlagen. Träge ließ er Hände und Füße ins kühle Nass hängen, während die Sonne ihm unermüdlich auf den Bauch brannte. Es waren sicherlich 40 Grad und nicht ein bisschen Wind.

„Jetzt wo wir endlich in Freiheit leben, sollten wir irgendwo hin fahren“, hörte er Bob sagen, doch machte Mike keine Anstalten zu antworten. Stattdessen behielt er die Augen hinter seiner Sonnenbrille weiter geschlossen und driftete allmählich immer weiter in Gedanken ab.

„Klar, wie wärs mit dem Norden? Broome oder Darwin?“

„Der Norden? Man Cas, da kann man nicht surfen. Krokodile und so.“

„Wo bleibt dein Sinn für Abenteuer?“

„Ich dachte ja eher an die Goldcoast.“

„Klar, sind ja nur 4500 km.“

„Und? Wir haben 3 Monate frei. Hetzt uns ja keiner.“

„Du vielleicht. Mein Arsch wird spätestens Mitte Januar auf dem Trecker erwartet.“

„Ernsthaft? Cas, du hast deine Alten nicht im Griff. Die haben genug Kohle, sollen sie doch einfach noch jemanden...“

Die Stimmen seiner beiden besten Freunde, drangen immer undeutlicher und leiser zu Mike hervor, bis er schließlich gänzlich in Gedanken abdriftete. Zurück zu letzter Nacht, ihrer Entlassungsfeier an der Schule und dem Telefonat mit seinem Vater, das nicht ganz so erfreulich gelaufen war...
 

Die Party war in vollem Gange. Es war ca. halb 10 und Mike fühlte sich bereits leicht benebelt vom Alkohol. Nachdem sie am Nachmittag in der Schule feierlich ihre Abschlusszeugnisse überreicht bekommen hatten, lief seit 18 Uhr die offizielle Abschlussfeier der Privatschule International School of Western Australia, in einem schicken Restaurant am North Beach. Nicht das er es drauf anlegte sich heute Abend völlig ab zu schießen, doch das ein oder andere Glas Alkohol war bereits geflossen.

In der Hosentasche seiner Anzughose vibrierte sein Handy. Der 18 Jährige zog es hervor und warf einen Blick auf das Display. Dad

Ihm wurde unmittelbar etwas wehmütig zu mute.

„Bin mal kurz draußen“, entschuldigte er sich bei seinen Freunden und verließ den Saal in dem die Feier statt fand. Die Terrasse draußen, die direkt an den Strand grenzte, war ebenfalls mit diversen Girlanden und Lichterketten beleuchtet. Auch hier hielten sich einige Leute auf und die Musik dröhnte dumpf nach draußen, doch war es deutlich leiser, als im Saal.

„Hey Dad“, nahm er das Gespräch schließlich an.

"Hey mein Großer. Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss. Ich bin verdammt stolz auf dich."

„Danke Dad“, antwortete Mike mit einem Lächeln auf den Lippen. Auch wenn ein Anruf nicht dass selbe war, wie die tatsächliche Anwesenheit seines Vaters, so freute er sich doch über diesen. „Ich glaub ich hab noch nicht richtig realisiert, dass heute wirklich mein letzter Schultag war.“ Ein bisschen Sentimentalität klang durchaus in Mikes Stimme mit. Oder ob das am Alkohol lag?

"Da geht es dir genauso wie mir, und es wird sicher auch noch eine Weile so sein", pflichtete sein Vater ihm bei. Da hatte er sicherlich Recht.

"Also, freust du dich schon auf die Uni?", fragte Henry weiter, "In drei Monaten geht´s schon los, oder?"

Mike nippte an der Bierflasche, die er die ganze Zeit schon in der Hand hielt. Im Gegensatz zu den USA, war das konsumieren von Alkohol in Australien schließlich schon ab 18 legal.

„Ja schon irgendwie.. ich meine es wird sicherlich was vollkommen anderes sein, aber ich freu mich drauf“, plauderte er so unbeschwert wie möglich los. Er hätte jetzt noch so viel anderes anreißen können. Welchen Studiengang er belegen würde – Jura – wusste Henry natürlich bereits. Doch bevor sich ein lockeres Gespräch entwickeln konnte, wurde Mike jäh unterbrochen.

„Hey Mikey hast du... oh.. wohowoh ganz ruhig..! Tu jetzt nichts unüberlegtes. Nimm das Handy runter.. ganz langsam...“ Irritiert sah Mike seinen besten Freund an, der soeben auf die Terrasse gestolpert kam. „Warte mal kurz“, sprach er ins Telefon und schenkte seine Aufmerksamkeit dann dem Brünetten. „Was willst du Bob?“

Dieser atmete erleichtert aus, als Mike das Handy tatsächlich vom Ohr nahm. Machte dann einige Schritte auf den Dunkelhäutigen zu und streckte die Hand nach dem Telefon aus. „Du rufst sie doch nicht etwa gerade an? Ich dachte das hätten wir geklärt? Nun gib schon her...“ Mike brauchte einen Moment, um seinem Freund zu folgen, bis schließlich doch der Groschen fiel und er das Handy im letzte Moment doch noch vor Bob weg zog und in die Höhe hielt.. „Was? Du meinst Alicia? Nein man, das ist mein Dad!“ Er hatte jetzt wirklich keine Zeit für so was. Er wusste es ja zu schätzen, dass Bob auf ihn aufpassen wollte und ihn davor bewahren wollte, betrunken seiner Exfreundin hinterher zu telefonieren was die letzten Wochen durchaus vorgekommen war, aber er hatte gerade ein wirklich unfassbar schlechtes Timing. Abgesehen davon machte es auch überhaupt gar keinen Sinn sie an zu rufen, war sie doch im selben Jahrgang seiner Schule und somit ebenfalls heute Abend anwesend. Ein Fakt der den Abend nicht unbedingt einfacher für ihn machte.

„Dein Dad?“ „Ja.“ „Er ruft dich an?“ „Ja verdammt, wie betrunken bist du?“ Ganz nüchtern sah sein Freund wirklich nicht mehr aus, die leicht glasigen Augen verrieten ihn. „Geht eigentlich... sollte er nicht hier sein, anstelle an zu rufen? Ich mein ja nur..“ Der Brünette verzog die Mundwinkel und verengte die Augen zu Schlitzen. Auch wenn es sicherlich nicht seine Absicht war, trafen die Worte Mike irgendwie. Er presste die Lippen zusammen. „Sonst noch was?“ „Äh.. hast du Claire gesehen?“ Der Dunkelhäutige schüttelte den Kopf und auch Bob schien nun zu checken, dass er einen wirklich schlechten Moment erwischt hatte. „Dann.. guck ich nochmal drin..“, murmelte er und verschwand kurz darauf wieder. Mike atmete angespannt durch, bevor er sich das Handy wieder ans Ohr hielt. Er hatte keine Ahnung was sein Dad alles mit gehört hatte, doch da Bob direkt vor ihm gestanden hatte, standen die Chancen nicht schlecht, dass er tatsächlich alles mit bekommen hatte.

„Sorry.. das war.. Bob..“ Auch wenn die beiden sich nie persönlich begegnet waren, so hatte Henry schon unzählige Geschichten von und mit seinen engsten Freunden zu hören bekommen. "Alles gut. So ist Bob eben, oder?" Mike strich sich einmal über die kurzen Haare und rang mit sich selbst. Der Brünette hatte gerade ein wirklich sensibles Thema angestochen.

Für kurze Zeit breitete sich ein unangenehmes Schweigen zwischen Vater und Sohn aus, bis Henry schließlich wieder das Wort ergriff: “"Hör zu, Kiddo... ", und das tat er ,"Es tut mir leid. Mikey, ich weiß ich hätte da sein müssen. Das kann ich nicht wieder gut machen."

Mike atmete einmal tief durch. „Schon okay Dad.. ich weiß ja, dass es nicht so einfach ist..“, murmelte er zähneknirschend. War es wirklich okay? Wenn er ehrlich war, dann eigentlich nicht. Ein wenig angespannt, trank er erneut von seinem Bier.

"Ist es nicht! Ich werde es wieder gut machen. Das werde ich. Wirklich, versprochen."

So gerne Mike seinem Vater glauben wollte und das einfach so stehen lassen wollte, diesmal konnte er einfach nicht. „Ja, ist klar“, murmelte er leise. Er war sich nicht sicher, ob Henry ihn verstanden hatte, doch bevor sein Vater ihm noch antworten konnte, setzte er gleich nach, diesmal laut und deutlich: „Versprich einfach nichts was du nicht halten kannst. Wir beide wissen, dass du es nicht tust!“ Er erschrak sich fast selbst vor seinen deutlichen Worten. Wahrscheinlich kam gerade alles zusammen. Die noch recht frische Trennung von Alicia, die eigentlich erwartete Abwesenheit seines Vaters und nicht zuletzt der Alkohol, der ihm bereits durch die Adern rauschte.

"Hey!", erklang die bestimmte Stimme seines Vaters am anderen Ende der Leitung. Am anderen Ende der Welt. "Ich weiß es ist scheiße, aber ich gebe hier wirklich mein Bestes."

War er mit seiner Anschuldigung zu weit gegangen? Vielleicht, doch gerade jetzt wollte er zur Abwechslung nicht vernünftig sein. Bevor er allerdings noch etwas entgegnen konnte, kam Henry ihm wieder zuvor. "Es tut mir leid, Kiddo."

Tat es das? Mike schnaubte leise auf. „Das sagst du immer“, entgegnete er knapp und trocken. Was tat er hier eigentlich? Sich mit seinem Vater streiten, der mal wieder mit Abwesenheit glänzte, während drinnen all seine Freunde und seine Familie ihren, bzw. seinen Abschluss feierten?

„Lass einfach gut sein Dad. Ich muss wieder rein.“ Langsam ließ er die Hand mit dem Handy darin sinken und drückte schließlich auf auflegen. Ob Henry eventuell noch versucht hatte etwas zu sagen, bekam er nicht mit. Noch bevor er das Telefon wieder in seine Hosentasche verschwinden ließ, schaltete er es aus. Er wollte sich nicht weiter die Laune verderben lassen.

Und im nächsten Moment kam er sich schon vor, wie der größte Arsch überhaupt. Sein Dad war vielleicht nicht hier, aber er hatte angerufen. Und er hatte rumgebockt wie ein kleines Kind. Oder nicht? Auf der anderen Seite, hatte er dies nicht ohne Grund getan. Es gab so viele Gründe.

Super, sein schlechtes Gewissen hatte ihn sofort wieder im Griff. Mike presste die Lippen zusammen. Er brauchte dringend Ablenkung. Ja, er brauchte jetzt seine Freunde und vor allem einen neuen Drink!
 

Platsch

Mike wusste gar nicht wie ihm geschah, da zogen sich plötzlich alle seine von der Sonne erhitzten Muskeln zusammen, als er unerwartet im Wasser landete.

Erschrocken nach Luft schnappend, tauchte er wieder auf, wo er vom Gelächter seiner beiden Freunde empfangen wurde. „Spinnt ihr?“, fauchte der Dunkelhäutige, während Bob und Casey weiter lachten und ihre Fäuste aneinander schlugen. „Man Mike, du müsstest dich gerade sehen!“, kam es Bob prustend über die Lippen. „Jaja..“, war die gemurrte Antwort. „Hey! Wir betreiben hier Ferienplanung und du schläfst einfach! Von der Abendplanung will ich gar nicht erst anfangen.“ „Geht gar nicht“, pflichtete auch Cas dem Brünetten, noch immer ein wenig glucksend, bei.

Mike fischte seine im Pool treibende Sonnenbrille aus dem Wasser und setzte sie sich wieder auf die Nase. Das Wasser auf den dunklen Gläsern, ließ ihn alles verschwommen sehen und brachte ihn letztendlich dazu mit zu lachen.

„Heute Abend?“, fragte er nun doch noch nach und kämpfte sich dabei zurück auf den Poolsessel. „Ich weiß nicht, ob ich das überlebe.“

Bob schnalzte mit der Zunge. „Wird schon. North Beach. 20 Uhr. Bring deine Uniform mit. Wir verbrennen die Dinger. Das ist Tradition.“ Bobs Augen blitzten vor-freudig auf, während Mike die Augenbrauen hoch zog. „Tradition?“ „ Ja, Mate! Wir machen es zu einer! Der Rest vom Jahrgang kommt auch. Oder zumindest alle die cool genug sind. Cas, du kannst auch kommen“, richtete er sich beiläufig an den Blonden, was dieser nur mit einem kurzen und trockenen 'Cool', abtat.

Dann tauchte am Beckenrand Bobs jüngere Schwester auf. Elena, genannt Ellie, war 1,5 Jahre jünger, als ihr idiotischer Bruder. Auf dem Arm hatte sie den Nachzügler der Großfamilie, Nesthäkchen Maddison, gerade mal 2 Jahre alt.

„Mom hat gesagt du sollst den Weihnachtsbaum vom Dachboden holen“, richtete sie sich ohne lange Umschweife, bestimmt an ihren Bruder.

„Dir auch Hallo“, schnaubte dieser genervt auf, „und jetzt verzieh dich.“

Die Miene der 16-jährigen verfinsterte sich. Doch bevor sie dazu überging sich mit ihrem älteren Bruder zu streiten, wand sie sich nun mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen, an seine beiden Freunde: „Hi Mike, Hi Cas.“

Während Mike mit einem leisen „Hey Ellie“, antwortete, lächelte Cas der Jüngeren nur zu und salutierte locker.

„Bist du taub?“, mischte Bob sich wieder ein, „hol den blöden Baum halt selber vom Dachboden.“

Er wedelte mit der Hand, um ihr nochmal deutlich zu machen, dass sie verschwinden sollte. Geschwisterliebe.

„Bist du blind? Ich passe auf Maddie auf, Mom ist einkaufen und Dad und Sarah sind arbeiten. Also beweg deinen faulen Hintern und mach dich gefälligst auch mal nützlich!“, entgegnete sie ihm zickig.

Bob stöhnte genervt auf. „Meine Güte Ellie, wir haben noch über 10 Tage bis Weihnachten..“ „Neun.“ „.. ist doch egal! Keiner braucht diesen blöden Baum heute.“

„Mom will ihn aber heute, also..“ sie griff nach der Flasche Sonnencreme auf dem Gartentisch und warf diese gegen die Brust ihres Bruders, „sieh zu! Und vergiss die Dekokartons nicht.“ Bob schnaubte empört auf, während Cas und Mike sich leise lachend über die Szene amüsierten.

Bevor Bob weiter diskutieren konnte, machte die hübsche Brünette auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon. Allerdings nicht ohne noch mal über die Schulter zurück blicken. Mike schob die Sonnenbrille hoch und sah zur Seite. Dieser Blick hatte Cas gegolten, wenn er sich nicht irrte, welcher ein Grinsen auf den Lippen hatte und die Jüngere in ihren kurzen Hotpants und flattrigen, dünnen Shirt ebenfalls zu mustern schien.

Das war auch Bob nicht entgangen. „Alter!“, er boxte ihrem blonden Freund mit der Faust gegen die Brust. „Hast du gerade meine kleine Schwester ausgecheckt?“

Casey lachte leise und hob abwehrend die Hände: „Bitte was? Du siehst Gespenster.“ Damit war das Thema für ihn durch. Er paddelte zurück Richtung Poolleiter. „Also ich muss eh mal aus der Sonne. Jetzt kommt schon, sonst nervt sie gleich weiter.“

Der Blonde hatte den Beckenrand schon fast erreicht, da warfen Mike und Bob sich noch irritierte Blicke zu. „Hab ich was verpasst?“, zischte letzterer, während Mike nur mit den Schultern zuckte. Eine Pause von der Sonne konnte er aber auch gebrauchen und Ablenkung war immer gut. Wenn sie hier weiter so träge herum hingen, fing er nur wieder an über die voran gegangene Nacht nach zu denken.
 

Wenig später fanden die drei sich in trockenen Klamotten vor der noch verschlossenen Dachluke wieder. Bereit die Mission zu erfüllen. Auch wenn Mike genau genommen doch nicht so viel Lust darauf hatte, auf dem staubigen Dachboden herum zu kriechen. Immerhin nisteten sich da besonders gerne Spinnen ein... nicht dass er panische Angst vor den Dingern hatte oder wie ein Mädchen schrie... aber besonders mögen tat er die Viecher wirklich nicht. Zwei Dinge an die er sich wohl nie in Australien gewöhnen würde. Weihnachten im Hochsommer und Teller-große Spinnen.

Kaum hatte Bob die Luke geöffnet und die Leiter ausgeklappt, schlug ihnen ein Schwall stickige, abgestandene, heiße Luft entgegen. Während der Rest des Hauses dank Klimaanlage auf eine angenehme Temperatur herunter gekühlt war, brütete es auf dem Dachboden ohne Lüftung vor sich hin. Der Staub der dadurch aufgewirbelt wurde, brachte Casey bereits zum niesen. „Vielleicht geht ihr da doch besser ohne mich hoch..“, er rieb sich die kribbelnde Nase.

„Nichts da.. du wolltest doch unbedingt sofort loslegen. Ich hätte das so lange ausgesessen, bis es irgendwer anders macht“, murrte Bob und machte sich dann daran als erster nach oben zu klettern.

„Wo er recht hat...“, pflichtete Mike dem Brünetten bei und folgte dann.

Durch die Dachfenster, war der Raum immerhin einigermaßen beleuchtet. Der Boden war von einer dünnen Staubschicht überzogen. An den Seiten waren Kartons und Kisten gestapelt. Sogar ein paar alte, kleinere Möbel hatten hier oben Platz gefunden.

Bob schien zu wissen wo genau sie suchen mussten und visierte zielstrebig ein paar Kartons an.

Hinter ihm nieste Casey erneut. „Ihr müsstet hier echt mal sauber machen.“ Schniefend sah auch der Blonde sich um.

Bob räumte indes einen Karton frei und schob ihn über den staubigen Fußboden in Richtung seiner Freunde. „Baum“, meinte er kurz und deutete auf die Kiste.

Mike kratzte sich am Kinn.

„Wirklich. Bäume aus Plastik fühlt sich so unglaublich falsch an. Und Bäume aus Plastik zum zusammenstecken in Kisten erst recht.“

Bob verengte die Augen zu Schlitzen. „Ernsthaft? Sollte das dein Ökoherz nicht höher schlagen lassen? Immerhin musste niemand dafür sterben... Und jetzt hilf mir mal.“

Es fühlte sich immer noch falsch an, auch wenn Bob natürlich einen Punkt hatte. Und echte Bäume würden bei diesen Temperaturen spätestens nach 3 Tagen keine einzelne Nadel mehr tragen, aber es war einfach... nicht richtig. Genau so wie Weihnachten bei 40 Grad im Schatten. Wenn er an Portland zurück dachte, lag um diese Jahreszeit meistens schon Schnee. Auf jeden Fall war es kalt, die Straßen oft glatt. Ok, das war nichts positives, aber es gehörte halt einfach zum Winter dazu.

Mike schüttelte die Gedanken ab und tauschte kurz Blicke mit Casey, der neben ihm stand und schon wieder nieste.

„Ich bring den dann schon mal runter“, meinte der Dunkelhäutige beiläufig und griff nach der Kiste. So konnte er immerhin dem stickigen Dachboden entfliehen. Kaum hatte er sie angehoben, ließ er die Kiste schon wieder erschrocken fallen, als ihm irgendwas haariges, in einem rasanten Tempo, über die Hand krabbelte. Erschrocken zog er die Luft ein und riss den Arm zur Seite, um das Etwas Spinne ab zu schütteln. Das er dabei Casey mit voller Wucht eins drauf gab, realisierte er erst einen Moment später, als das Krabbeltier auf dem Boden gelandet war und jetzt das schmerzhafte Auf-keuchen seines Freundes Mikes Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Alter, bloody scheiße man..fuck!“ fluchte der Blonde, während er sich die getroffene Nase hielt.

„Oh scheiße, sorry Msfate!“

„Was macht ihr denn? Man Mike, das ist doch nur ne Babyhuntsman. Die machen doch nichts.“ Bob deutete auf die noch immer über den Boden huschende Spinne. Tatsächlich konnten die Dinger im ausgewaschenen Zustand Handgroß werden, die da hingegen war vielleicht die Hälfte. Baby

„Gehts?“, harkte Mike nochmal bei Cas nach und überging damit Bobs Einwand über die harmlose Spinne.

Casey wischte sich erneut über die nun blutende Nase. „Ich brauch irgendwas zum drauf drücken. Fuck, hört nicht auf zu bluten. Macht schon mal ohne mich weiter..“

Mit diesen Worten verabschiedete sich der Blonde nach unten. Kurz sah Mike ihm nach, bevor er sich schulterzuckend wieder zu Bob drehte. Auf dessen Lippen lag schon wieder ein amüsiertes Grinsen.

„Hätte nur noch gefehlt, dass du laut los kreischt“, zog er Mike auf.

„Sehr witzig, ich habe mich halt erschrocken.“ „Jaja schon klar.“

Der Brünette drehte sich wieder dem Kartonstapel zu und seufzte dann leise. „Müssen wir wohl zwei mal laufen, jetzt wo du Cas krankenhausreif geprügelt hast.“

Mike verdrehte die Augen, lachte dann aber doch leise auf. „Er wird es sicher überleben.“
 

Mike und Bob brauchten noch einen kurzen Moment, bis alle benötigten Karton ausgemacht waren. Während Bob noch die anderen wieder zurück stapelte, hatte Mike sich schon eine Kiste gegriffen und war auf dem Weg nach unten. Natürlich nicht, ohne diesmal vorher nach zu sehen, ob noch mehr Spinnen dort drinnen hausten.

Als er gerade die Treppe hinunter stieg, vernahm er die Stimmen von Ellie und Cas. Mike wusste selbst nicht genau warum, doch verlangsamte er seine Schritte und hielt inne. Die Tür zum schräg gegenüber liegenden Badezimmer war nur halb offen. Tatsächlich konnte er die Beiden so nicht sehen, allerdings im Spiegel.

Er wollte ihnen wirklich nicht nach spionieren oder sie belauschen. Doch irgendetwas ließ ihn es doch tun. Vielleicht war es der Fakt, dass die Beiden echt dicht beieinander standen?

„Warum bist du da auch mit hoch? So war das nicht geplant.“ Ellie drückte Casey vorsichtig ein Tuch unter die Nase. „Danke“, murmelte der Blonde und nahm es ihr ab.

Er sollte wirklich einfach weiter gehen.

„Dann wollte deine Mutter den Baum noch gar nicht haben?“

Cas Frage ließ Mike nun doch wieder aufhorchen. Jetzt wurde es doch noch interessant.

Ellie seufzte leise. „Ich hab dich für klüger gehalten Mr. Smith. Nein, ich wollte nur meinen idiotischen Bruder und Mike los werden. Dachte du bleibst wegen deiner Allergie dem Dachboden fern.“

Sie legte die Hände an seine Brust und obwohl Mike eigentlich längst klar war, was da lief, konnte oder wollte er es gerade noch nicht glauben. Ellie war immerhin auch irgendwie seine kleine Schwester. Wenn man bedachte, dass er den Großteil seiner Kindheit in Australien eh bei den Correys verbracht hatte, war das wohl auch nicht weiter verwunderlich. Genau wie Bob sah er noch immer das 8 jährige Mädchen mit den zwei geflochtenen Zöpfen, die sich ihnen immer wieder aufgedrängt und genervt hatte, so wie es nur kleine Schwestern konnten.

„Hatte ich vor, hat nicht geklappt. Weih mich nächstes mal halt ein..“ Lächelnd legte Casey die Arme um die Taille der 16 Jährigen, welche indes ihre Arme in seinen Nacken legte. Er beugte sich zu ihr runter und küsste sie.

Dies war der Moment in dem Mike nicht nur der Mund offen stand, sondern ihm – zum zweiten Mal heute – der Karton mit dem Weihnachtsbaum aus den Händen rutschte. Mit einem lauten Krachen und einem gefluchten „Oh bloody...“ seitens Mike, schlug die Kiste auf der Treppe auf und rollte die letzten Stufen hinunter. Als er wieder auf sah, waren Cas und Ellie bereits auseinander gefahren und die Tür war vollends aufgeschlagen worden.

„Mike!“ Ellies Stimme klang alarmiert. Die Beiden kamen auf ihn zugeeilt.

„Ihr beide.. oh man. Was..“ „Psssst“, unterbrach Ellie ihn ein wenig panisch. Irritiert sah Mike zu Cas hinüber, der sich ein bisschen verlegen den Hinterkopf kratzte.

„Seit wann?“, harkte Mike dann doch noch einmal gedämpft nach.

„Ist doch egal“, zischte Ellie ihm zu und sah die Treppe hinauf, so als wenn sie jeden Moment mit ihrem Bruder rechnen würde. „Sag Bob einfach nichts davon“, flehte sie ihn regelrecht an. „Bitte.“

Mike sah die beiden ungläubig an. „Ihr wisst, dass ich furchtbar schlecht darin bin ihn an zu lügen“, zischte er leise. „Dann gib dir halt mehr Mühe!“

Kaum hatte Ellie die Worte ausgesprochen, hörte Mike die Holztreppe über Ihnen erneut knarren.

Nach einigen Schritten hielt Bob inne. „Hab ich was verpasst?“ Mike drehte sich zu ihm um und sah die Skepsis in den braunen Augen seines Freundes.

„Gar nichts!“, beeilte Ellie sich zu sagen. „Mike hat nur den Baum fallen lassen. Schon wieder.“, sprang Cas gewohnt trocken ein.

Großartig, jetzt wurde das alles noch auf ihn abgewälzt. Bobs Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Was ist nur mit dir heute?“, wollte sein bester Freund von ihm wissen, während er sich wieder wieder in Bewegung setzte und an den dreien vorbei marschierte. Der Karton den er bis dato getragen hatte, wurde auf dem Boden abgestellt und dafür der abgestürzte Karton mit dem Baum unter die Lupe genommen. „Wenn du so weiter machst, schuldest du mir nen neuen Baum.“
 

Auch wenn es Mike unglaublich schwer fiel, sich nicht vollkommen auffällig zu verhalten, hatte er es irgendwie über den Nachmittag geschafft, ohne Cas und Ellie sofort zu verraten. Und dabei war er so unglaublich schlecht im Lügen. Besonders wenn es darum ging Bob an zu lügen. Für gewöhnlich merkte der Brünette immer sofort, wenn etwas nicht stimmte. Heute glücklicherweise nicht. Entweder er wurde tatsächlich besser darin, oder aber Bob steckte ebenfalls noch der vorherige Abend in den Knochen.

Nachdem sie auch die anderen beiden Kisten vom Dachboden geholt hatten zwei mit Deko und eine weitere die mit 'Baum Part 2' beschriftet war, hatten sich die vier doch noch dazu hinreißen lassen das Plastikgestell zusammen zu stecken. Mike blieb zwar dabei, dass es nicht das selbe war wie ein echter Baum – er vermisste den Geruch von Tanne – doch war das Aufstellen des Baumes doch ganz unterhaltsam gewesen. Früher in Portland hatten sie immer einen echten Baum gehabt, den er mit seinem Vater zusammen aufgestellt hatte.
 

Das Thema Henry, sollte Mike diesen Tag einfach nicht los lassen. Als er am frühen Abend wieder zu hause war, lag er in seinem Zimmer auf dem Bett und drehte sein Handy zwischen den Fingern hin uns her. Drei Anrufe in Abwesenheit. Allesamt von seinem Vater. Er hatte es heute morgen mehrmals bei ihm versucht, doch hatte Mike das Handy, nachdem er es in der Nacht ausgeschaltet hatte, noch nicht wieder an gemacht, bzw. zu der Zeit ohnehin noch geschlafen.

Tatsächlich hatte er es später dann einfach zu hause vergessen, bevor er sich auf den Weg zu Bob gemacht hatte. Vielleicht wollte er es auch einfach vergessen und sich noch nicht weiter mit dem Thema befassen.

Jetzt da es in Australien kurz nach 19 Uhr war, war es in Portland mitten in der Nacht. Und um 4 Uhr Nachts wollte er seinen Vater in einer Donnerstag Nacht auch nicht aus dem Bett klingeln.

„Hey, Mate.“ Mike sah auf und entdeckte Cas im Türrahmen lehnen. In der Hand hielt er einen Din A 4 Briefumschlag und wedelte damit herum. Augenblicklich war Mike wieder voll da, vergaß das Handy und Henry für einen Moment und setzte sich auf. Casey schien dies nicht zu entgehen. Er machte einige Schritte in das Zimmer und hielt Mike den Umschlag hin. Der Dunkelhäutige nahm ihm diesen sofort ab.

„Noch keine 24 Stunden wohnst du hier und schon schnüffelst du herum.“

Casey zuckte grinsend mit den Schultern und setzte sich Mike schließlich gegenüber auf das Bett. „Versuch mich nur nützlich zu machen. Wenn deine Eltern schon so nett sind mich hier wohnen zu lassen, bis wir was eigenes gefunden haben... das heißt, wenn der Plan noch steht.“ Er nickte zu dem Umschlag in Mikes Händen. Dieser bekam langsam wieder ein schlechtes Gewissen.

„Außerdem dachte ich mir, dass du vielleicht nicht willst, das deine Eltern den sehen, wenn du schon so ein Geheimnis draus machst... oder sind nur wir nicht eingeweiht?“

Hörte er da einen einen Hauch von einem Vorwurf aus Caseys Stimme? Wahrscheinlich und das auch irgendwie zu recht.

„Cas, ich..“ „Schon gut“, wurde er schnell unterbrochen, „dein Leben, deine Entscheidung.“

Für einen Moment schwiegen sie Beide, bis der Blonde erneut das Wort ergriff: „Portland also, hm?“

Mike drehte den braunen Umschlag in seinen Händen hin und her. „Nicht ganz, aber Oregon. Die Oregon State University liegt etwa 100 km südlich von Portland.“

„Hm..“, machte Cas erneut, „warum hast du nichts erzählt?“

Mike zuckte etwas unschlüssig mit den Schultern. „Weiß nicht. Vielleicht weil ich noch immer nicht weiß was ich machen will. Ich hab nur mit Alicia drüber geredet aber das...“ Er knirschte mit den Zähnen. „Wahrscheinlich haben sie mich eh nicht angenommen. Das erste Semester läuft in den USA schließlich schon 2 Monate. Keine Ahnung, ob ich auch zum März dort anfangen kann.“

„Mach ihn auf, dann weißt du´s.“

Casey nickte erneut auffordernd in Richtung des Umschlages. Die Neugier in seinen Augen war nicht zu übersehen.

Er hatte ja Recht und doch sträubte sich Mike innerlich dagegen jetzt sofort die Antwort zu erfahren. Nach kurzem Zögern gab er schließlich doch nach und öffnete den Brief. Er zog einige Papiere hervor und überflog schnell die ersten Zeilen des Anschreibens. „Angenommen“, verkündete er nüchtern.

„Cool.. und das ist jetzt.. gut oder schlecht?“ Casey schien von seiner Reaktion verunsichert. Mike war sich tatsächlich selbst nicht so sicher, ob er sich darüber freuen sollte, oder nicht.

Er hatte sich nicht ohne Grund in Amerika in der Nähe seiner Heimatstadt beworben. Ob es der innere Drang war, doch noch einiges mit seinem Dad nach holen zu müssen, bzw. zu wollen? Doch nach dem gestrigen Abend war die Bereitschaft alles hinter sich zu lassen und wo anders wieder neu an zu fangen um einige Prozentpunkte gesunken. Dabei war es vorhersehbar gewesen. Er wusste vorher, dass er nicht da sein würde, wie auch zu seinen Geburtstagen nicht. Oder Weihnachten. Einfach nie. Er sah ihn nur, wenn er ihn besuchte. Auch wenn er wusste, dass es seinem Vater Finanziell nicht all zu gut ging, konnte und wollte er nicht glauben, dass seine gut verdienende Mutter nicht auch für den Flug zahlen könnte und würde. Doch wich sie solchen Gesprächen stets aus. Er kannte seinen Vater, wahrscheinlich war er zu stolz sich von seiner Exfrau und deren neuen Lebensgefährten helfen zu lassen.

„Mike?“, riss Casey ihn wieder aus seinen Gedanken. Er löste sich aus seiner Starre und ließ das Anschreiben wieder in dem Briefumschlag verschwinden.

„Keine Ahnung. Ich hab.. einfach noch keine Ahnung was ich machen will“, antwortete er ehrlich.

„Okay..“, sagte Casey kurz, „also wenn du willst, dass ich die Klappe halte, bis du weißt was du willst, dann mach ich das. Ich schweige wie ein Grab. Auch Bob gegenüber.“

Mikes Augen verengten sich zu Schlitzen, als er die Betonung des Namen Bob hörte.

„Und du hast doch geschnüffelt“, stellte der Dunkelhäutige trocken fest. Casey setzte zwar seine Unschuldsmiene auf, doch konnte er Mike so leicht nicht täuschen.

„Du willst dir mein Schweigen wegen Ellie erkaufen. Oder eher erpressen? Du hältst die Klappe so lang ich die Klappe halte, richtig?“

Cas lachte leise auf. „Naja, klingt doch nach nem fairen Deal.“

„Cas!“

„Komm schon, du weißt das es das beste ist, wenn Bob nichts davon weiß. Von beiden Sachen. Zumindest noch nicht. Er regt sich sowieso nur darüber auf. Und du kannst mir auch nicht erzählen, dass du ihn nicht anlügen kannst, denn das tust du ja offenbar schon ein paar Wochen lang.“

Da hatte der Blonde leider einen Punkt und Mike presste die Lippen zusammen.

„Er wird es früher oder später trotzdem raus kriegen.“

„Klar wird er das. Spätestens, wenn dein Arsch drüben in Amerika ist, wird er was merken“, feixte Casey zurück. „Zumindest so lange bis wir Beide wissen, was wie wollen. Ich mag Ellie. Aber ich will sie erst mal richtig kennenlernen, ohne das er ständig dazwischenfunkt und das wird er. Das weißt du. Und du kannst deine Entscheidung unabhängig treffen.“

Mike seufzte leise. Er wusste das Cas Recht hatte, genau das war schließlich auch sein Grund gewesen niemandem etwas davon zu erzählen. Außer Alicia. Trotzdem breitete sich schon jetzt das schlechte Gewissen aus.

„Er wird uns hassen. Uns beide.“

Casey zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Das hält er eh nicht lange durch. Zumindest bei dir nicht.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Und jetzt komm, wir müssen langsam los. Schulsachen verbrennen.“

Mike seufzte leise, entschied dann aber, dass ein wenig Ablenkung wohl nicht schaden könnte. Auch wenn sie sich bei dieser Aktion wieder haufenweise Ärger einhandeln würden. So wie immer, wenn Bob mit irgendeiner herausragenden Idee ankam. Doch meistens war es das wert.

Er ließ den Umschlag mit den Uniunterlagen in einer Schublade verschwinden und steckte sein Handy ein. Er rechnete zwar nicht wirklich mit einem weiteren Anruf seines Vaters in den nächsten Stunden, aber nur für den Fall. Sie würden das klären, so wie immer eben. Ob er ihm von seiner Zusage an der Oregon State University erzählen würde? Wahrscheinlich nicht, ehe er sich dazu entschieden haben würde auch dort hin zu gehen. Und das war bisher alles andere als sicher, bekam er nach gestern Nacht nicht immer mehr das Gefühl, dass sein Platz hier in Perth war.
 

15.12.2084 / 02:11 Uhr Nachts

Stumm starrte Mike auf das dunkle Meer und lauschte dem Pazifik, der unaufhörlich seine Wellen gegen die Brandung drückte. Über ihm funkelten die Sterne und der Mond. Einige hundert Meter weiter links von ihm, fackelte ein Lagerfeuer und einige Leute saßen darum herum. Gelächter und Gitarrenklänge drangen immer wieder leise zu ihm herüber. In seiner Hand hielt er eine Flasche Jack Daniels, die er von der Bar aus dem Saal der Abschlussfeier geklaut hatte.

Nach dem irgendwie völlig falsch gelaufenen Telefonat mit seinem Vater und auch dem Anblick seiner Exfreundin, die als Absolventin des selben Abschlussjahrgangs natürlich ebenfalls an der Feier teilnahm, wollte die Stimmung bei dem Dunkelhäutigen sich einfach nicht mehr so richtig retten lassen. Also hatte er sich nach ein paar Stunden, in denen er zumindest versucht hatte sich zu amüsieren zwischenzeitlich war ihm dies auch gelungen, doch zurück gezogen.

Und nun saß er hier am Strand, hörte dumpf die Musik der Veranstaltung zu sich herüber dringen, die schiefen Gitarrenklänge irgendwelcher fremder Leute und natürlich das rauschen des Meeres. Letzteres gefiel ihm immer noch am besten.

Er setzte an und nippte erneut an der Flasche Whiskey, nicht ohne das Gesicht zu verziehen. Dann spürte er, wie sich ihm jemand näherte. Er musste nicht auf sehen, um zu wissen wer es war.

„Ach hier steckst du“, ertönte die Stimme seines besten Freundes, der sich gleich darauf neben ihn in den Sand setzte.

„Mhm“, machte Mike leise und nahm einen weiteren Schluck. Tatsächlich war er auch auf Bob gerade nicht all zu gut zu sprechen.

Davon ließ sich der Brünette natürlich nicht beeindrucken. Kommentarlos nahm er Mike die Flasche aus der Hand, was dieser auch zu ließ, und nahm ebenfalls einen Schluck.

Für einen Moment saßen sie schweigend nebeneinander und starrten aufs Meer.

„Sorry.. wegen vorhin meine ich“, ergriff Bob schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit das Wort. Mike sah zu ihm herüber, seufzte leise und nickte dann leicht.

„Schon okay. Du hast ja recht“, pflichtete er ihm zähneknirschend bei.

„Naja eigentlich ist es nicht okay.. willst du drüber reden?“

Bob nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche, ehe Mike sie ihm wieder abnahm. „Eigentlich nicht“, murmelte er leise und trank ebenfalls.

Er war nicht der Typ der groß über Gefühle oder seine Sorgen quatschte. Das war nichts neues, weshalb Bob wohl auch nicht weiter nach bohrte.

Vielleicht war es der Alkohol, aber irgendwas brachte Mike nach einem weiteren Moment des Schweigens dann doch zum Reden.

„Ich meine du hast Recht, es ist nicht Okay. Es ist nicht okay, dass er nie da ist. Es ist nicht okay, dass ich ihn das letzte mal vor 2? oder 3? Jahren gesehen habe! Und es ist nicht okay, dass er damals nicht mit gekommen ist! Und trotzdem bin ich der, der jetzt ein schlechtes Gewissen hat, weil ich ihm das gesagt habe. Und das nicht mal so direkt...“ Er strich sich übers Gesicht. Ob es am Alkohl lag, das er jetzt so emotional auf das Thema reagierte? Es war immerhin nichts neues.

„Naja“, begann Bob vorsichtig, „er ist halt trotzdem dein Dad. Da hasst man sich halt nicht. Egal wie viel scheiße einer gebaut hat. Ihm geht’s wahrscheinlich nicht anders.“

Ein wenig erstaunt sah Mike zu Bob hinüber. „Und solche Worte aus deinem Mund. Ich dachte du hasst ihn.“

„Ich hasse ihn nicht.. ich kenne ihn ja nicht mal. Ich hasse nur das es dich so fertig macht, dass er am anderen Ende der Welt lebt. Das ist alles.“ Bob griff wieder nach der Flasche und Mike ließ sich diese abnehmen.

„Hah“, machte er leise. Das machte Sinn. Irgendwie.

„Aber ich hoffe du weißt, dass du auch auch jede Menge Familie hier hast, klar? Abgesehen von deiner Mum und Josh natürlich. Du bist wie mein Bruder und das wirst du auch immer sein. Egal was passiert. Du gehörst bei uns genau so zur Familie.“ Bob nippte erneut an der Flasche. Das er nicht mehr nüchtern war, verrieten nicht nur die leicht emotionalen Worte, sondern auch sein bereits glasiger Blick. Und auch Mike fühlte sich betrunken.

„Und ich könnte mir keinen besseren vorstellen“, stimmte er ebenfalls etwas sentimental zu. Dann legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. Bob hatte recht, egal wie sehr er seinen leiblichen Vater hin und wieder vermisste, und gerade an solchen Tagen war es meist so weit, so wusste er doch, dass der Großteil seiner Familie, auch wenn viele davon nicht mit ihm Blutsverwandt waren, doch genau hier waren. Hier gehörte er hin.

„Gut“, murmelte Bob, als seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt wurde. Leise lachend näherten sich zwei Mädchen aus ihrem Jahrgang. Natürlich in wunderschöne Abendkleider gehüllt.

„Hey Ladies“, rief Bob ihnen zu und hob die Flasche kurz an. Die beiden lachten erneut und steuerten die beiden Jungs an.

„Was ist, kommt ihr mit Nachtbaden?“, wollte die blonde Katie wissen, während sich das andere Mädchen, welches Mike als April erkannte, bereits an den Reißverschluss an der Seite ihres trägerlosen Kleides fasste und diesen angetrunken kichernd, herunter zog.

Noch bevor Mike dazu kam irgendwie zu reagieren, war Bob bereits etwas schwankend aufgesprungen. „Aber sowas von!“, antwortete er übermütig und griff sich an die schon länger nicht mehr richtig sitzende Krawatte. Das Hemd des Brünetten hing ihm schon seit kurz nach der Zeugnisübergabe locker aus der Hose.

„Na komm schon Mike.“ Sein bester Freund klopfte ihm auffordernd aufs Knie, während die beiden Mädchen bereits lachend vor liefen. Die Kleider landeten kurz vor dem Wasser im Sand, ehe sie sich kreischend in die Fluten stürzten.

Mike, der den beiden eben noch nachgesehen hatte, griff nun endlich nach Bobs ausgestreckter Hand und ließ sich von ihm wieder auf die Füße ziehen.

„Na dann los..“, murmelte Mike schmunzelnd, ehe er sich selbst von der Krawatte befreite.

Er würde sich wegen dieses dummen Streits nun nicht den Abend verderben lassen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Chucks
2019-02-02T21:10:47+00:00 02.02.2019 22:10
„Du vielleicht. Mein Arsch wird spätestens Mitte Januar auf dem Trecker erwartet.“

Dieser Satz. Ich liebe ihn. Ich weiß nicht mal genau wieso, aber ich liebe ihn.
Aber abgesehen von dieser Abartigkeit von Spinne, mit der du mich aus dem nichts konfrontiert hast (mal im Ernst... gurl... die Vorstellung... ich hätte dieses Haus nie wieder betreten und alles verbrannt...) und der Tatsache, dass ich nun einen ziemlich harten Crush auf Casey habe (der Tommy in mir guckt mich verständnislos an, aber... ich bin auch nur ein Mädchen... und ich mag seine Art. Sehr. *formt mit den Lippen ein tonloses ‚Call me‘ in Caseys Richtung*)... das Telefonat mit Henry hat mich so berührt und irgendwie durch die ganze Story noch fertig gemacht. Ich mag sehr, wie du die (nun mal wirklich nicht einfache) Beziehung der beiden beleuchtet hast und ich Mikes Verletztheit schon auch gespürt habe... und ich mag sehr, dass du Henry halt nicht als „bösen dad“ hingestellt hast, denn das ist er ja nun mal nicht. Die Beziehung der beiden ist so viel mehr und ich freu mich sehr drauf, wenn die beiden im rpg mal aufeinander treffen. Ich hoffe sie leben dann noch... (und davon abgesehen: ich liebe die Szene wo Bob Mike beim telefonieren stört. Ich war so sehr mit ihm genervt.)
Von: abgemeldet
2017-12-27T00:14:22+00:00 27.12.2017 01:14
Ich fand die Verknüpfung zu Lisas 'Bargeschichten', bzw den Wechsel der Sichtweisen eine super Idee und auch sehr gelungen.
Dieser Konflikt mit dem Gedanken 'wo gehöre ich eigentlich hin' fand ich auch sehr schön; irgendwie hat mich das Mike gefühlt ein wenig 'näher gebracht'.
Wie du die Freundschaft der Jungs beschrieben hast, hat sich mit meiner ursprünglichen 'Interpretation / Vorstellung' gedeckt.
Zwischendurch ging es mir beim Lesen ähnlich wie Sarah, sehe es aber auch so, dass du ein schönes Ende gefunden hast :)

Hab beim Lesen außerdem einen Anflug von Fernweh verspürt, woran sicher nicht der Plastikbaum Schuld trägt :')

Eine süße Geschichte:)
Von:  Mondtaenzerin
2017-12-18T07:52:55+00:00 18.12.2017 08:52
Erstens finde ich die Verknüpfung von Lisas und deiner Story eine sehr tolle Idee! Zweitens gefällt mir, etwas mehr über Bob und Cas zu erfahren, bis dato waren sie für mich immer etwas undurchsichtig (vielleicht, weil sie noch nicht ganz so lange dabei sind und ich leider noch nie in einer Gruppe mit ihnen war ;-D), was sich hiermit sehr geändert hat. Von Mike war ich ja immer schon ein Fan und ich konnte von Anfang an seine Reaktion verstehen. Klar, Henry hat es auch nicht leicht, aber das machte diesen Konflikt ja so interessant.
Ich hatte zugegebenermaßen etwas Angst, dass du in der Story nicht mehr "die Kurve kriegst", doch das Ende war sehr schön abgerundet. :') Abgesehen davon löste Weihnachten in Australien bei mir auch ein befremdliches Gefühl aus - Mike, I feel you!
Antwort von:  Keinseier
18.12.2017 12:58
Ich weiß was du meinst mit dem kurve kriegen. .. so hab ich mich beim schreiben auch gefühlt. Man hätte das ganze sicher auch kürzer und mehr auf den Punkt machen können, aber dafür schreib ich die drei wohl zu gerne 🙈
Freut mich aber, dass es trotzdem gefallen hat :)
Von:  XxChrissixX
2017-12-16T11:00:34+00:00 16.12.2017 12:00
Ich steh ja sowieso auf die Drei. Und obwohl ich Bob auch nach 'Bargeschichten' nicht gehasst habe, weil alles im allem auch nach der Kettenreaktion, die er auslösen hätte 'können' - er ja irgendwie recht hatte und es immer noch Henrys Entscheidung gewesen wäre - bekommt das ganze dennoch nochmal eine andere Sichtweite.
Von Cas hat man so auch nochmal eine andere Seite erlebt und ich wurde sehr gut unterhalten. Ich finde diesen inneren Heimat/Freundschaft/Familien-Konflikt von Mike auch wahnsinnig interessant. Denn obwohl er sich an der Uni in Oregon beworben hat und dafür auch gewisse Gründe hat, hat er sich letztlich doch an etwas anderes gehalten...
Und was das angeht, sollte man immer auf sein Herz hören ♡ Es geht auch um dich selber. Verletzt wird immer irgendwer - aber man sollte einfach wissen, was einem selbst gut tut..
Antwort von:  Keinseier
18.12.2017 12:53
Hass wäre vielleicht auch ein zu starkes Wort und ja er hat ja auch recht... Trotzdem dachte ich mir beim Lesen von Lisas story die ganze Zeit 'du dummer junge' 🙈😂
Den Satz hat er von seiner Mutter bestimmt auch hin und wieder gehört...
Ach mal sehen, vielleicht Fang ich irgendwann mal eine fortlaufende ff mit den dreien an... Über ihren Europatrip oder einfach OS Sammlungen. Ideen über die Eskapaden aus ihrer Vergangenheit hab ich genug 😅
Von:  lisarellax
2017-12-15T05:39:20+00:00 15.12.2017 06:39
Okay, Henry war wirklich mega fertig, aber ich habe Bob so eben vergeben ♡ super Gegenstück zu 'Bargeschichten' (immer noch ein super einfallsreicher Name xD) Mike hat sich in einer Uni in Oregon geworben!? Henry wäre ausgeflippt vor Freude ♡ Super Geschichte. Auch bezüglich Cas (der kleine Erpresser ♡) und Ellie :'D hast du wirklich super gemacht :3
Antwort von:  Keinseier
18.12.2017 12:21
Danke für das Feedback 😊
Ja Cas hat eine berechnende Ader. Wenns hart auf hart kommt, hätte er zwar trotzdem dicht gehalten, aber man kann es ja für sich nutzen 😂


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