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Tränen im Schnee

Ares no Tenbin
von

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One-Shot


 

 “Das hier ist nicht so, wie es sein sollte.

Wir werden alles dafür tun, dass der Lauf der Zeit wieder seinen gewohnten Weg geht, aber das bedeutet auch, dass diese Welt verschwinden wird.”

 

Die Worte, die der türkishaarige Junge zu ihnen gesagt hatte, tauchten immer wieder in Shirous Kopf auf. Vielleicht waren sie nicht wortwörtlich so gesagt worden, aber vom Sinn her war es das, was er gehört hatte. Es klang abstrus, denn für ihn war das hier die einzige Realität, die es gab. Für ihn war das hier sein Leben, wie er es all die Jahre gelebt hatte. Es war richtig. Es fühlte sich richtig an, war vertraut. Wie konnte es da nicht die Realität sein? Und wie sollte sie sein?

Das war nichts, was er herausfinden würde, so viel war sicher, dennoch machte es ihm Kopfzerbrechen. Shirou blickte aus dem Fenster, schaute einfach nur zu, wie der Schnee vom Wind umhergewirbelt wurde, bis er irgendwann sein Ziel fand – auf dem Boden, auf einer Nadel der unzähligen Tannen, auf dem Dach des Nachbarhauses. Es hatte etwas Beruhigendes, Hypnotisierendes. Es war ein perfektes Bild, ein wunderschöner Anblick. So perfekt wie dieses Leben für ihn war – er, seinen Eltern, Atsuya, all seine Freunde, Hakurens Fußballmannschaft, die dank ihm und seinem jüngeren Zwillingsbruder erfolgreich war. Dank der Verstärkung von Someoka-kun waren sie nur noch besser geworden. Getroffen hatte er den Jungen zwar erst, als er vor einigen Tagen bei ihnen aufgetaucht war, um das Team zu verstärken, doch er spürte eine gewisse Vertrautheit. Shirou vertraute ihm. Es war eine gar eigenartige Verbindung, die er zu ihm spürte, anders als die zu Atsuya und doch so ähnlich. Sie hatten dasselbe Ziel: Die Football Frontier gewinnen. Und sie waren beide selbstbewusst genug, um das nicht nur für eine Träumerei zu halten. Sie hatten eine Chance und würden sie nutzen.

 

Jedenfalls, sofern es noch dazu kommen würde, denn irgendwo zu diesem Zeitpunkt waren ein paar Jungen und Mädchen aus der Zukunft unterwegs in ihrer Zeit, um diese zu verändern. Was die Auswirkungen dieser Veränderung waren, wusste Shirou nicht. Er konnte sich noch so sehr den Kopf darüber zerbrechen, aber ändern würde es an dieser Tatsache nichts. Er seufzte, während die Schneeflocken so unbekümmert weiter in der Luft herumtanzten. Die von der Fensterscheibe kühle Luft blies ihm sanft ins Gesicht.

 

„So ein Schwachsinn“, hörte er Atsuya sagen, der hinter ihm aufgetaucht war. Shirou hob den Kopf, der bis eben noch auf seinen Unterarmen gebettet lag, sah seinen Bruder an.

„Du glaubst ihnen nicht?“, fragte Shirou und lächelte milde, seine Augen dabei typischerweise ein wenig träge wirkend.

„Natürlich nicht. Zeitreisen gibt es doch nur in Filmen. Nur Idioten würden so einen Schwachsinn glauben.“

Shirou ließ seinen Kopf wieder auf seine Unterarme sinken.

„Ja, du hast recht“, stimmte er seinem jüngeren Zwillingsbruder zu, weiterhin milde lächelnd.

 

 

Atsuya grinste zufrieden, doch diese äußerliche Stärke war nur aufgesetzt. Er redete sich selbst ein, dass es Schwachsinn war, weil er die Wahrheit nicht hören wollte. Er wollte sie nicht glauben, viel zu unangenehm stieß ihm der Gedanke an das Gespräch mit einem der Jungs wieder auf, das sie unter vier Augen geführt hatten.

 

Hast du einen Moment Zeit?“, fragte Tsurugi und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Außenwand der Schule. Der rote Schal verbarg einen Teil seines Gesichts. Atsuya hatte schnell festgestellt, dass dieser Typ der einzig Reife dieser wilden Truppe gewesen war. Wenn man mit jemandem reden konnte, dann vermutlich mit ihm. Das ernste Gesicht, das der Andere machte, ließ ihn amüsiert die Augenbrauen heben.

Sicher.“

 

Atsuya wusste zwar nicht, was ihn erwartete, aber mit den Worten, die er schließlich hörte, hatte er nicht gerechnet.

Soweit wie ich informiert bin, wirst du als Kind von eine Lawine verschüttet und sterben. Hab länger darüber nachgedacht, ob ich dir das sagen soll oder nicht, aber... Ich hab selbst einen Bruder und wäre ich in deiner Situation, hätte es mir viel bedeutet, mich ordentlich verabschieden zu können.“

 

Ihm waren die Worte ausgeblieben. Aber der Typ meinte das offensichtlich vollkommen ernst. Atsuya durchfuhr ein Schauer, ihm wurde übel. Aber nichts davon drang nach außen, stattdessen wurde sein Grinsen nur breiter und überheblicher – fast ein bisschen spöttelnd.

Bestimmt werde ich das“, gab er amüsiert zurück. „Ich weiß nicht, was für Substanzen ihr Vögel genommen habt, aber ihr seid doch allesamt nicht ganz dicht. Zeitreisen, veränderte Zukunft, Typen, die den Lauf der Welt mit Fußball verändern wollen. Wäre das ein Drehbuch, dann für den schlechtesten Film, den je ein Mensch gedreht hat.“

 

Tsurugi verzog keine Miene, stieß sich von der Wand ab und steckte die Hände in die Jackentaschen.

Es ist deine Entscheidung, was du draus machst.“

 

Er hatte entschieden.

 

„Komm mit, Shirou. Lass uns Fußball spielen oder willst du den ganzen Tag hier rumsitzen und Schneeflocken beobachten?“

 

Der angesprochene schüttelte den Kopf und erhob sich von seinem Stuhl. Ob Schnee, Kälte oder Regen. Nichts hielt die Brüder vom Fußballspielen ab. Sie waren eins mit den umher tanzenden Schneeflocken, wenn sie auf dem Platz standen, bewegten sich elegant dribbelnd umher, waren gemeinsam wie der Wind. Keine Schneeflocke war gleich, genauso wenig waren sie es, Zwillinge hin oder her. Aber zusammen waren sie das stärkste Duo – Perfektion.

 

Atsuya wünschte sich, dass diese Realität nie enden würde.

 

 
 

* * *

 

Langsam trudelte eine kleine Schneeflocke vom Himmel herab, tänzelte mal nach links, nach rechts. Shirou hielt in der Bewegung inne, fixierte sie mit seinem Blick. Sie war nicht alleine. Mehrere, vereinzelte Schneeflocken ließen sich vom Wind gen Boden treiben.

„Es fängt wieder an zu schneien“, stellte Someoka fest und vergrub sein Gesicht mehr in seinem Schal. „Hokkaido ist echt ein Winterparadies.“

Er stutzte, als Shirou nicht mehr mit ihm Schritt hielt und blieb ebenfalls stehen, drehte sich zu ihm um. Es kam auch keine Reaktion von ihm. Someoka zog seine Augenbrauen zusammen, ein grimmiger Anblick, viel grimmiger als er gemeint war.

„Fubuki?“ Eine Frage, eine Hand auf seiner Schulter, rissen ihn schließlich aus seiner Trance. Erst jetzt bemerkte er, wie die Kälte sein Gesicht herunterkroch. Seine Augen waren feucht.

„Bist du okay?“, fragte Someoka schließlich besorgt – natürlich konnte er seine Tränen sehen. Shirou lächelte aus wässrig schimmernden Augen, nickte bestätigend.

„Ja.“

 

Es war eine seltsame Angewohnheit, die ihn neuerdings immer heimsuchte, wenn er Schneeflocken sah. Seine Augen begannen zu tränen, ohne jeden ersichtlichen Grund. Dabei war er glücklich. Shirou griff in seinen Schal, der einst Atsuya gehört hatte. Sie waren nicht mehr allein, hatten Freunde gefunden, hatten Someoka gefunden.

Schnell schloss er zu seinem neuen Freund auf, der ihm in so kurzer Zeit so schnell vertraut geworden war, wischte sich die Tränen aus den Augen und strahlte ihn sachte an. Kurz färbten sich Shirous Augen dabei orange, so als spiegelte sich die untergehende Sonne auf deren feuchter Hornhaut.

 

Sie drei waren wieder zusammen, ganz so, wie es sein sollte.



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