Winter
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Es war Winter, als ich dich zum ersten Mal sah.
Als ich dich erblickte, erkannte ich mein Schicksal.
Ich habe dich immer schon lieber gemocht, als meine anderen Cousins und Cousinen,
denn keiner von ihnen hat mich je so sehr gebraucht wie du.
Seit unserer ersten Begegnung wusste ich, dass du und ich für einander bestimmt sind.
Du hast dich hinter deinem älteren Bruder versteckt,
während mein Bruder und ich dich unbedingt kennenlernen wollten.
Dein Bruder zwang dich, uns zu begrüßen
und du lugtest scheu hinter seinem Rücken hervor,
als drohte dir das größte Unheil der Welt.
Ein helles, rotes Leuchten, das war das einzige, das sich von dir erkennen ließ.
Dein Haar, rot wie der Sonnenuntergang, erschien mir als erstes.
Mit einem Mal konnte ich es kaum mehr abwarten, den Rest von dir zu sehen.
Von diesem Moment an war ich dir verfallen, du wusstest es viel schneller als ich,
hast mich eingesponnen in deine hinterlistigen Pläne
und mich nie wieder in die Freiheit entlassen.
Du stelltest dich uns vor, mit diesem Blick, der mein Herz noch heute quält.
Deine kleinen Hände zitterten so hilflos in der eisigen Kälte
und deine großen, hellen Augen berührten etwas tief in mir.
Ich wusste damals nicht, dass du nicht chronisch krank warst und es kein Leiden gab,
das du alleine durch Bücher und Tauben
für einige kostbare Momente vergessen konntest.
Als du gradewegs in meine Arme gefallen bist,
mir Lüge um Lüge auf die Nase gebunden hast,
dachte ich wirklich, du würdest sterben.
Wie dumm ich doch war.
Ich bin es immer noch.
Hereingelegt von einem Menschen, der viel jünger und viel schlauer ist als ich.
Damals war ich so klein und die Dummheit verzeihlich.
Zu dieser Zeit wusste ich gar nichts über dich, doch ich habe es geändert.
Ich habe dich aus deinem dunklen Zimmer ans Tageslicht gezerrt
und du hast in den weiten Himmel geschaut
wie ein verängstigtes Kaninchen auf der Flucht vor einem Falken.
Ich habe dir eine Welt gezeigt, in der es mehr gibt, als Bücher und gemütliche Betten,
die du trotz meiner Bemühungen immer noch allem anderen vorziehst.
Manchmal frage ich mich heute noch, was ich hätte besser machen können,
aber letztendlich weiß ich, es ist gut so, wie es ist.
Denn ohne deine Abneigung gegen Bewegung und Menschen,
ohne diese tiefen Augenringe und das zottelige Haar,
wärst du nicht du.
Und das könnte ich nicht ertragen.
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