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Teenage Love

von

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„Duuu, Sice? Siiiiiiiiice~! Siceysice!“

 

„Was willst du?!“

„Hehe~“

Cinque grinste wie der Sonnenschein persönlich, während sie vor Sices Pult stand und fröhlich hin und her wackelte.

„Also weiiiiiiißt du… Ich hab da was gehört! Mh-hm! Von Cater.“

„Hey, lass mich aus dem Spiel!“, rief es vom vorderen Teil des Klassenzimmers aus, wo Cater gerade dabei war, die Tafel zu putzen. Die Schmiereien, die Jack und Nine dort in einem Zeichenwettbewerb hinterlassen hatten, waren noch halb zu sehen.

Sie waren alle beide grauenhaft schlecht gewesen – wobei Sice sich nicht sicher war, ob Jack das nicht mit voller Absicht gemacht hatte. Er schien seine krüppligen Strichmännchen und absolut nicht erkennbaren Monster zum Brüllen lustig zu finden.

Allem Gelächter nach zu urteilen hatte ein guter Teil der Klasse das ähnlich gesehen.

Sie nicht.

 

Sie war aber auch anderweitig beschäftigt gewesen.

 

Mit dem Liebesbrief in ihrer Schultasche, von dem sie einsehen musste, dass er wohl seinen Zweck verfehlt hatte und sie ihn genauso gut entsorgen konnte.

Irgendwo, wo ihn niemals jemand fand. Vielleicht verbrennen.

Denn so ungern sie das einsah, vermutlich hatte Seven recht – sie musste mit Kurasame sprechen, wenn sie auch nur den Hauch einer Chance bei ihm haben wollte.

Sie würde mit ihm sprechen.

Nur war das Ganze einfach immer noch viel leichter gesagt, als getan.

 

Sie hatte keine Ahnung, wie.

Wann.

Wo.

Zu welcher Gelegenheit.

Mit welchen Worten.

 

„Siiiiiiiiiice!“

Cinques Quengeln unterbrach ihre Gedanken. Mit einem desinteressierten Heben ihrer Augenbraue stützte sie das Kinn auf die Handfläche. Hey, wenn das Mädel reden wollte, sollte sie gefälligst reden. Sie brauchte mal gar nicht zu erwarten, dass Sice ihr irgendetwas aus der Nase zog!

Aber genau das schien sie zu erwarten, denn sie sprach nicht weiter, sondern stand nur ungeduldig da, drückte die Fingerspitzen in einem unregelmäßigen Takt aneinander und schwenkte ihren Oberkörper hin und her.

Immerhin war sie still.

Noch.

Sice wusste, dass Cinque sich genauso wenig abwimmeln ließ wie Trey. So grundverschieden die beiden auch waren, darin waren sie sich viel zu ähnlich – und beide viel zu nervig.

„Sice!“

Da. Da war es wieder. Gleich würde sie gar nicht mehr aufhören damit, ihren armen Namen auf die schrecklichste Art zu verunstalten und zu jammern, bis Sice ihn gar nicht mehr hören konnte und die nächsten fünf Tage das Bedürfnis haben würde, jeden zu meucheln, der sie rief.

„Siiiiicey…“

„Was, verdammt?! Sprich, wenn du was zu sagen hast, oder zieh Leine und lass mich in Frieden!“

 

Cinque verzog das Gesicht zu einer Schmollschnute, während sie träge hin und her schwankte, wie ein Fahnenmast im Wind.

„Hättest du mir zugehört, dann wüsstest du, was ich will…“

Sice schnaubte entnervt. Wenn sie nicht strenggenommen gerade Unterricht hätte – und auch ein eigenständiges Lernen ohne Lehrbegleitung wurde als solcher gewertet. Wenn sie jetzt draußen auf dem Gang erwischt wurde, sie wäre sowas von mit Nachsitzen gestraft –, dann würde sie einfach abmarschieren.

Aber so hatte sie keine Wahl.

Und bevor Cinque nachher einen ganz kleinkindlichen Wutanfall hatte, der noch die restliche Aufmerksamkeit all ihrer Klassenkameraden auf sie zog…

Sie seufzte geschlagen.

„Du hast was gehört? Na und? Ich hör täglich ne ganze Menge Schwachsinn.“

So wenig sie überhaupt mehr hören wollte, sie machte schon einmal eine mentale Notiz, Cater für den Tratsch zu verprügeln.

 

„Also. Cater hat gesagt–“ – „Cinque! Lass mich gefälligst da raus! Das war so nicht abgesprochen, du olle Petze!“

Sice sah schon den Tafelschwamm fliegen, doch irgendwas – Kings mahnender Blick, Queens Räuspern, oder auch nur Aces blanke Anwesenheit – hielt Cater schlussendlich doch davon ab und sie wandte sich mit einem beleidigten Schnaufen wieder ihrer Arbeit zu.

Cinque grinste unbekümmert.

Sie hatte viel zu viel Spaß. Verdammte Unruhestifterin.

Was hat Cater nun gesagt?“

„Gar nichts hab ich gesagt! Das ist auf Cinques Mist gewachsen!“

„Was auch immer“, murmelte Sice, machte eine wegwerfende Geste. War es nicht am Ende auch egal, wer jetzt genau welchen Mist verzapft hatte? Sie würde ihre schlechte Laune sowieso an jedem auslassen, der ihr zu nahe kam, egal, ob schuldig oder nicht.

„Sie hat gesaaaaaaaaaagt“, begann Cinque, und sie hibbelte immer noch vor dem Pult herum. Ihr unschuldiges Gesicht täuschte absolut nicht über den Schalk hinweg, der in ihren Augen blitzte, „dass Sice und Seven draußen auf der Terrasse Händchen gehalten haben.“

 

Sie würde Cater definitiv verprügeln.

 

„Und dann hat Queen gesagt–“ – „Cinque! Ich habe gar nichts gesagt! Ich habe lediglich eine Theorie aufgestellt.“

„Queen hat dann also gesagt“, fuhr sie einfach unbeirrt fort, jeden Einwurf ignorierend. Sie verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken und lehnte sich vor, bis ihre langen Ringellocken beinahe Sices Nase kitzelten.

Wie einfach es wäre, sie an diesen ollen Haaren zu packen und mal gepflegt–

„Dass sowas nur Pärchen machen. Seid ihr jetzt ein Paaaaaaaar?“

 

„NEIN!“

 

Dass ihre Empörung missverständlich sein könnte, merkte Sice erst, als sich sämtliche Augenpaare in der Klasse zu ihr wandten. Zweifelnd. Skeptisch. Spöttisch. Sogar Nine grinste dämlich.

„Weißt schon, je mehr du’s verleugnest, desto wahrer isses!“, lachte er dreist. Dass der Gedanke leider nicht nur seinem Erbsenhirn entsprungen war, sondern auch den Anderen gekommen war, machte die ganze Sache dazu auch noch viel, viel schlimmer.

 

Mit Nines Blödheit konnte sie leben.

Der Trottel hätte die ganze Sache morgen eh wieder vergessen. Oder eher, in fünf Minuten.

Aber Jack, der Mistclown, der merkte sich alles, womit er noch einen dummen Scherz machen konnte.

Queen merkte es sich. King würde es sich merken, um ihr besorgt zur Seite zu stehen, wenn sie das brauchte – was sie nicht tat, danke auch!

Eight würde es sich merken. Grundlos, außer, sie ärgerte ihn zu sehr, dann wusste sie jetzt schon, was zurückkommen würde.

Deuce würde es sich merken. Alte Tratschtante. Und dann würden sie und Cinque und Cater und Queen das verdammte Thema wieder und wieder aufwärmen, weil irgendeine von ihnen sicher wieder darauf zurückkam.

Trey. Beim Kristall, von Trey wollte sie gar nicht erst anfangen. Trotzdem sah sie zu ihm hinüber, und sie sah, wie es in seinem verdammten Streberhirn arbeitete, wie er die nächste unnötig lange Laberei vorbereitete.

Vielleicht würde sie doch einfach abmarschieren.

 

Es war zum Kotzen.

 

„Muss ich euch wirklich daran erinnern, wer hier alles schon Händchenhalten mit mir hinter sich hat?“

 

Sevens Einmischung kam unerwartet – aber nicht unerwünscht. Sice warf ihr einen kurzen, beinahe dankbaren Blick zu. Wie sie da auf ihrem Pult saß, die Beine überschlagen, selbstbewusst und die Ruhe in Person, sah sie als einzige in diesem Raum noch aus, als wäre sie tatsächlich Herrin der Lage.

„Cinque, du alleine hältst doch gern Händchen.“

„Ja aaaaaaaber…“

Ihre Enttäuschung, dass ihr wunderschöner Tratsch gerade wegrationalisiert wurde, war beinahe greifbar.

„Und Cater, was war denn letztes, als du nach der Übernachtungsparty nachts ins Bad musstest?“

Caters Blick entgleiste. Jack grinste. Sice war einfach nur erleichtert, dass der Troll ein anderes Opfer gefunden hatte als sie selbst – und ein bisschen schadenfroh. Vielleicht würde sie sich die Sache mit Cater und Gruselgeschichten und nächtlichen Klogängen auch merken.

„Nine, deine letzte Erkältung.“ – „D-das war total was anderes, Mann!“, protestierte er, im gleichen Moment, in dem aus Eights Richtung ein verdächtiges Husten kam, das verblüffend nach Männerschnupfen klang.

Seven hob nur die Augenbrauen. Sie sah Nine einen langen Moment an, als wollte sie sagen Soll ich weitermachen?, dann wandte sie sich mit genau dem gleichen Blick auch an die Anderen.

 

Es folgte Stille.

Wohltuende, wunderbare Stille, in der Nine sich brummend abwandte, Queen zu ihrem Wälzer zurückkehrte, und Eight Jack einen Schlag auf den Hinterkopf verpasste für sein dummes Grinsen, das von irgendeinem Geheimnis erzählte, das Sice nicht verstand – Eight dafür, offensichtlich, umso besser.

Danke, formte sie wortlos in Sevens Richtung. Das Mädchen schüttelte mit einem sanften Lächeln den Kopf, ehe sie sich selbst wieder abwandte, um was auch immer zu tun. So genau sah Sice dann auch wieder nicht hin.

Lieber funkelte sie Cinque an, die immer noch vor ihrem Pult stand und herumwippte, so enttäuscht, dass sie beinahe schon aussah, als würde sie in Tränen ausbrechen.

„Aber…“

„Kein. Aber. Du hast Seven gehört. Hör endlich auf zu nerven und geh irgendwas Nützliches tun! Wir haben Schularbeiten bekommen, schon vergessen?!“

Auch wenn hier fast niemand seine Schularbeiten machte; die Streber waren schon fertig, und alle anderen hatten gar nicht erst angefangen. Wozu auch? Kontrolliert wurde es sowieso nicht, und für die Prüfungen pauken konnte man bekanntermaßen doch wunderbar auch erst am Abend vorher.

Länger blieb der Schulstoff zumindest bei Sice eh nicht hängen.

Cinque ließ extra geknickt den Kopf hängen.

„Aber Cinque will keine Schularbeiten machen…“

„Dann mach was anderes“, seufzte sie entnervt, „Geh was an die Tafel malen, jetzt wo die wieder sauber ist.“

Cater, die noch den Rest der Woche den Tafeldienst übernehmen durfte, sah so sehr nach Protest aus, dass Sice gehässig grinsen musste. Natürlich protestierte sie nicht.

 

Ihr war gut genug bewusst, dass das noch eine verdammt glimpfliche Rache für ihren Mist war.

 

Und der Vorschlag half – wahrscheinlich auch deshalb, weil Cinque damit noch ein bisschen mehr Ärger machen konnte. Sie nickte nach einem kurzen Moment, und all die Tragik in ihrem Blick wich dem üblichen Kleinmädchenschalk.

„Okay! Ich geh jetzt einen Nine malen!“

„Oi!!! Lass das, Weib, du kannst das gar nicht!“

„Kann ich wooooooohl~ Ace sagt, ich male den besten Nine!“

 

„Aber um auf ein anderes Thema zurückzukommen“, begann Cater plötzlich, als sie sich von der Tafel abwandte, um Cinque und ihrem künstlerischen Ausbruch Platz zu machen, „Für wen war der Liebesbrief denn dann?“

„Liebesbrief?“

 

So viel zur Ruhe. Sices Kopf fiel geschlagen auf ihren Tisch.

„Könnt ihr nicht einfach alle die Fresse halten?“

„Nein. Wir wollen dir doch nur helfen.“

Sie glaubte Queen kein Wort.

Immerhin aber – die Sache war einfach. Sie musste die Idioten, ihre Spekulationen und dummen Ideen einfach nur ignorieren, dann hatte sie Frieden. Niemand würde es erraten, Seven würde sie nicht verpetzen, und irgendwie würde sie das bis zum Ende der Doppelstunde überleben.

Und dann würde sie Cater verprügeln. Sie würde Cinque Trey auf den Hals hetzen – die Nachhilfe konnte sie immerhin brauchen. Sie meinte es ja nur gut –, und dann würde sie einfach nur darauf warten, dass das ganze Thema irgendwo versumpfte.

Notfalls würde sie nachhelfen.

Sie war zwar gar kein Fan von Klatsch und Tratsch, aber diese Schule warf genug ab, um etwas zu finden, das ihre dämlichen Klassenkameraden davon abhielt, weiter darauf herumzuhacken, in wen sie denn verschossen war.

Es war okay. Unbeantwortbare Fragen verloren schnell ihren Reiz, das wusste sie aus Erfahrung mit diesen Deppen.

 

Alles besser, als dass man ihr eine Beziehung andichtete. Sie brauchte es nicht, dass dieses Gerücht die Runde machte und Kurasame in seinem Irrglauben bestärkte.

 

„…aha. Jetzt verstehe ich. Das hat es also mit dem wichtigen Brief auf sich.“

 

Sie war nicht schnell genug, um Trey den Hals umzudrehen. Sie war gerade einmal aufgesprungen, um zu ihm hinüber zu hechten, da hatte der verdammte Dreckskerl schon weitergesprochen:

„Es muss Kurasame sein, zweifelsohne.“

Sie wollte protestieren.

Sie konnte nicht. So sehr sie es zu verhindern versuchte, ihr Gesicht entgleiste trotzdem verräterisch. Hilflos öffnete sie den Mund, ließ es dann aber doch bleiben.

Fiel energielos zurück auf ihren Stuhl.

„Ich gebe auf.“

Es war vorbei.

Konnte sie nicht einfach jemand begraben? Warum hatte niemand Gnade mit ihr?

Weil ihre Klasse ein Haufen mieser Sadisten war.

So verdammt mies, dass es am Ende King war. King, der die ganze Bande unter Kontrolle halten sollte, so als Ältester unter den Jungs. Sie zu Vernunft mahnen. All die guten Dinge eben.

Aber er tat es nicht.

Stattdessen verbrüderte er sich mit den Anderen, sah Sice mit einem mitfühlenden Blick an und sprach die Worte, die sie nicht hören wollte:

 

„Keine Sorge, wir helfen dir.“

 

 

 
 

***

 

 

 

„Wir könnten es einfach auf die Tafel schreiben“, schlug Cinque in einem munteren, nachdenklichen Singsang vor. Wie um ihre Worte zu illustrieren, malte sie ein großes Herz mitten auf die Tafel und schrieb in sauberer Mädchenschrift, die ihr in Klassenarbeiten immer abhandenkam, Sice + Kurasame hinein.

„Abgelehnt!“, erwiderte Cater heftig, „Da merk ja sogar ich, dass die Idee nicht taugt! Nein nein, sowas funktioniert nicht. Viel zu kindisch.“

„Oooooch. Ich würde es mögen…“

Genau das ist ja das Problem, Cinque.

 

Es war so dämlich. Sice konnte immer noch nicht recht fassen, dass ihre Klassenkameraden wirklich beschlossen hatten, ihr helfen zu wollen.

Oder so etwas Ähnliches zumindest – von Wollen konnte noch lange nicht bei jedem die Rede sein. Eight sah nicht aus, als wäre er begeistert von der ganzen Situation.

Nine konnte sich ganz offensichtlich auch Schöneres vorstellen, als hier herumzuhängen.

„Ich denke, wir können uns einig darin sein, dass es besser ist, direkt mit ihm zu reden, als Nachrichten zu hinterlassen, oder?“

Seven glitt von ihrem Platz auf ihrem Pult herunter, trat zur Tafel hinüber. Es war ein Balsam für Sices geschundene Seele, dass sie Cinques neuestes Kunstwerk wieder wegwischte.

„Wieso machen wir dann überhaupt Kriegsrat draus?“

„Sei kein Trampel, Eight. Bei solchen Sachen, da fehlen eben schon mal die richtigen Worte. Die richtige Situation. Du weißt schon. Romantik. Stimmung.“

Jack lachte herzlich, je entgeisterter und ablehnender Eights Gesicht wurde.

 

„Hier, ich hab sogar eine richtig gute, stimmungsvolle Idee.“

Hatte er definitiv nicht.

„Abgelehnt“, erwiderte Sice nur trocken – sie brauchte ihm nicht zuzuhören. Das war Jack. Jack hatte nie gute Ideen. Sie erinnerte sich noch an viele Pläne, die auf seinem Mist gewachsen waren, und sie erinnerte sich vor allem daran, wie oft sie Ärger, Nachsitzen oder Strafarbeiten eingebracht hatten – oder einen gepflegten Tritt in den Arsch.

„Och, Sicey… lass mich wenigstens ausreden. Hier!“

Er erhob sich schwungvoll, drehte sich zu seinen Klassenkameraden um und breitete die Arme aus.

„Wir schreiben einen Song! Das nächste Schulfest kommt doch sowieso, und dann können King, Trey und ich den auf die große Bühne bringen. Wenn das nicht romantisch ist?“

 

„Es ist vor allem peinlich. Würdest du wollen, dass die ganze Schule sowas mitbekommen würde?“

 

Cater, offensichtlich, wollte es nicht. Jack hingegen lachte nur und zuckte unbekümmert mit den Schultern, als er erklärte, er würde seine Liebe natürlich auch in die ganze Welt hinausschreien. Das gehörte doch dazu?

Nein, gehörte es nicht.

Abgelehnt“, stöhnte Sice noch einmal.

„Wir können hier auch gleich aufhören, da kommt eh nichts Gutes mehr bei rum.“

Und obendrauf: Sie wollte keine Hilfe! Wozu auch? Sie hatte sich längst entschieden, mit Kurasame zu reden. Auch wenn es stimmte, dass das Wie und Wo durchaus noch ausbaufähig waren – sehr ausbaufähig… –, mit diesen Idioten sammelte sie höchstens Ideen, was sie nie im Leben tun würde.

 

Aber sie kannte ihre Klasse – ihre Worte stießen auf taube Ohren. Und im Grunde hatte sie sich längst damit abgefunden.

Aus dieser Folter kam sie nicht heraus, bevor sie nicht vorbei war.

Und vielleicht, ganz vielleicht, war sogar so etwas wie eine taugliche Idee dabei.

 

„Nun, ein Song mag vielleicht etwas übers Ziel hinausschießen, aber du könntest es mit einem Gedicht versuchen. Keine andere Form der Sprache ist so stark mit Gefühlen verwoben wie Lyrik und Poesie. Schon in alten Zeiten–“

„ABGELEHNT!“, rief es im Chor. Sice konnte gar nicht sagen, wer alles beteiligt war, aber es war nachdrücklich genug, dass Trey tatsächlich den Mund hielt und sich mit fest zusammengekniffenen Lippen beleidigt zurücklehnte.

Sie seufzte, beinahe befriedigt.

Es geschah ihm sowas von recht.

 

Treys – eigentlich gar nicht so dummer, wäre sie ein Mensch, der irgendeine sprachliche Begabung und ein Bedürfnis nach kitschiger Romantik hätte – Idee folgte erst einmal nur Schweigen. Wer schon eine Idee vorgebracht hatte, schien nur noch darauf zu warten, was die Anderen sagen würden, während eben diese Anderen zumindest teilweise aussahen, als würden sie auch wirklich nachdenken.

 

Lange hielt die Stille nicht.

Cinque wurde es offensichtlich langweilig, zu langweilig, als dass sie sich weiter damit beschäftigen konnte, Kaktoren auf die Tafel zu schmieren, die etwas auf dem Kopf hatten, das vage an Nines Frisur erinnerte. Mit federnden Schritten durchquerte sie den Raum, bis sie direkt vor ihrem Opfer stand und sich zu ihm hinunterbeugen konnte, wo er auf dem Pult lümmelte.

„Niiiiiiiiiine. Und wie würdest du das machen?“

„Warum fragst du ausgerechnet mich?!“

Sie blieb ihm jede Antwort schuldig, grinste nur.

„Also?“

„Na ja…“

Nine kratzte sich am Hinterkopf, setzte sein bestes Denkergesicht auf – das Denkergesicht, das nichts weiter war als Alibi, während sein Hirn im Leerlauf lief.

Nach einer kurzen Weile, die er geradezu karikativ nachdenklich ausgesehen hatte, verschränkte er die Arme vor der Brust und reckte stolz das Kinn vor.

„Nach einem Trainingskampf natürlich!“

 

„Abgelehnt“, gab Queen sofort naserümpfend zurück. Sice hätte es sogar in Erwägung gezogen, hätte sie eine ansatzweise Chance gegen ihr Gegenüber – in irgendeiner Form von Wettkampf. Aber Kurasame war nicht nur älter und erfahrener als sie, er war auch einfach viel zu talentiert.

Es war ausgeschlossen, dass sie sich nicht total vor ihm blamieren würde.

„Du bist ein unromantischer Klotz.“

„Hah?! Dann mach’s doch besser, Streberin!“

Dass Queen grinste, während sie ihre Brille hochschob, war nicht besonders beruhigend.

„Nun, sie könnte ihn einfach küssen“, erklärte sie, und in ihrer Stimme schwang eine ganz unheilvolle Art von Zufriedenheit bei der Idee mit, die Sice so überhaupt nicht gefallen wollte. Ihr Magen krampfte nervös zusammen und Hitze schoss ihr in den Kopf.

Der skandalöse Vorschlag ließ Deuce die Hände vor den Mund schlagen und Cinque völlig fasziniert „Ooooooooh!“ machen.

Irgendein pubertärer Vollpfosten lachte.

 

„Ehrlich gesagt, die Idee ist gut; macht doch mehr Sinn, als an den eigenen Worten zu ersticken.“

 

„Kaum zu glauben, dass du so ne Skandalnudel bist, Eight“, flötete Jack vergnügt. Ein ausgesprochen unfreundlicher Blick schoss in seine Richtung und vorsorglich rutschte er noch ein Stück weiter aus Eights Reichweite.

Und sah dann grinsend zu Sice hinüber.

„Und was sagst du~?“

 

„NUR ÜBER MEINE LEICHE!“

 

Er lachte. Er war nicht der einzige. Sie hätte gerne jeden einzelnen von diesen Verrätern gepackt und einmal gepflegt vermöbelt.

Zu dumm, dass sie in der Unterzahl war.

Frustriert fuhr sie sich mit beiden Händen über das rotglühende Gesicht, versteckte sich für einen Moment hinter ihnen, bis sie wenigstens das Gefühl hatte, ihre Gesichtsfarbe würde sich wieder normalisieren.

„Noch mehr hirnlose Ideen? Oder können wir uns langsam den sinnvollen zuwenden?“

Als ob es in dieser Klasse sinnvoll gäbe.

„Du könntest es ihm durch die Blumen sagen“, schlug King vor.

„Zweifelhaft, dass er Blumensprache versteht“, entgegen Seven sofort, „Wirkt nicht so, als wäre das gerade Kurasames Fachgebiet.“

„Rote Rosen versteht jeder.“

„Trotzdem abgelehnt.“

Sice wollte keine roten Rosen! Oder grüne Rosen, oder was auch immer für ein Grünzeug! Das war ja noch peinlicher als ein Liebesbrief – und genauso wenig aussagekräftig genug.

Nein, sie würde nicht riskieren, dass Kurasame sie noch einmal falsch verstand.

 

„Hmmmm… Wie wäre es mit einem Spaziergang im Mondschein? Das Akademiegelände ist so schön bei Nacht. Besonders die Pärchenallee.“

„Dafür müsste sie ihn erst einmal um ein Treffen bei Nacht bitten, Deuce.“

„Oh. Ja, das könnte ein Problem sein. Und wir haben ja auch eine Ausgangssperre… jetzt im Sommer wird es vielleicht gar nicht früh genug dunkel, um das voll auszukosten.“

Sice seufzte müde.

„Also auch abgelehnt.“

Aber sie würde es sich merken – wenn sie im Winter immer noch einen Plan brauchte, dann konnte sie das mit dem Mondscheinspaziergang durchaus mal probieren. Es klang nicht ganz so schlecht.

 

Und im Dunkeln sprach es sich meist leichter.

 

Deuce entschuldigte sich, dass auch ihre Idee nicht gut genug war, gab die Frage danach, was man tun könnte, aber auch sofort weiter.

„Ich denke, es ihm einfach zu sagen, ist das Sinnvollste. Ohne großes Drumherum, ohne große Vorbereitung und Inszenierung.“

Seven war einfach zu pragmatisch. Und es war nicht hilfreich. Sice konnte nicht einfach sagen, worüber sie schon in Gedanken stolperte. Wenn sie wenigstens irgendetwas hätte, das ihr die Sache erleichtern würde!

Die Dunkelheit der Nacht.

Ein auswendig gelerntes Gedicht, das sie von spontanem, freien Sprechen befreite.

„Nah. Das ist viel zu platt. Aber… wie wäre es, wenn du ihm einfach was kochst? Liebe geht doch bekanntlich den Magen! Und ich muss ganz ehrlich sagen, ich würde mich ja viel eher auf einen Kerl einlassen, wenn er kochen kann.“

 

Vielleicht würde sie Cater doch nicht ganz windelweich prügeln.

Vielleicht.

 

„Hm? Kein abgelehnt?“

 

Korrektur, sie würde das süffisant grinsende Mädchen sowas von verprügeln!

„Sei nicht so selbstzufrieden“, schnaubte sie abwehrend, „Da ist auch nichts dabei, bei so viel Mist eine halbwegs taugliche Idee zu haben!“

„Die einzige taugliche Idee“, erwiderte Cater selbstzufrieden. „Und das wird so bleiben, wetten?“

Sie grinste nur noch breiter, trat zu Ace hinüber und baute sich selbstbewusst vor ihm auf.

„Sag doch mal, Herr Klassensprecher, was würdest du tun?“

„… Was?“

„… Oooh, komm schon! Sag nicht, du hast hier alles verpasst!“

„Ich war in Gedanken versunken.“

„Offensichtlich!“, Cater verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „Egal, das heißt nicht, dass du vom Haken bist. Also erzähl. Wie würdest du jemandem deine Liebe gestehen? Und wo?“

Ace sah nachdenklich drein, zuckte dann aber mit den Schultern. Er schien mehr darüber nachzudenken, ob die Information nun wirklich notwendig war, als darüber, was er eigentlich antworten wollte.

 

„Auf der Chocobo-Ranch, irgendwo zwischen Federpflege und Kükensitting.“

 

Sice wusste nicht, was an der Aussage eigentlich das Schlimmste war.



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