Zum Inhalt der Seite

Schminke und andere Katastrophen

Zuckerguss im Haar
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zuckerguss im Haar

Die Sonne erwärmte die Landschaft, die wie aus einem Märchenbuch geschnitten schien. Glitzernder Schnee, Vögelchen zwitscherten, weiche Schneeflocken fielen vom kristallenen Himmel. Zwei Personen spazierten in dieser traumhaften Märchenlandschaft. Die Ältere plauderte und plauderte, zeigte auf die Schönheit des Winters. Die Jüngere schwieg. Bis sie den Mund aufmachte und einen Satz sagte. „Kannst du auch still sein?“

Es nervte sie einfach. Diese aufgesetzte Fröhlichkeit brauchte doch niemanden. Sie wollte einfach Ruhe haben. In ihrem Schloss. Nur zusammen mit den Geistern und lebendigen Ritterrüstungen. Vielleicht würde der alte Knacker vorbeikommen. Aber Nein… ! Muttchen holte sie ab, um bei den Tantchen die besonnene Winterzeit zu geniessen.

„Schätzchen, sei nicht so mürrisch. Es gibt Plätzchen, Törtchen, heissen Schokolade …“

„… Schleifchen, Kleider, Schminke und all den anderen Kram. Nein DANKE!“ Störrisch blieb Kumatora stehen, verschränkte die Arme. Sie versuchte so böse wie möglich dreinzublicken. Ihre Begleitperson drehte sich lächelnd zu ihr um. Strahlte immer noch über das ganze Gesicht. Als würde es immer fröhlich und glücklich sein. Als würde es nicht verstehen, dass Kumatora schon Erwachsen war und keine Lust hatte, da mitzumachen.
 

Kichernd kniete sich die Magypsy hin. Das Wesen kniff dem Mädchen in die Wangen, amüsierte sich über ihr ruppiges Verhalten. „Die Familie ist wichtig, mein Engelchen. Irgendwann wirst du es verstehen“, sprach die Magypsy langsam und hob das Mädchen hoch. Strampelt versuchte Kumatora sich zu befreien. Schrie, windet sich wie ein Aal und benutzte alle schlimmen Wörter, die sie kannte. Die einzige Reaktion war ein ungläubiges Kichern, ein „Solche Wörter benutzt eine Prinzessin nicht!“ und ein Tätscheln. Der friedliche Spaziergang bekam so eine abrupte Wendung. Das Wesen, weder Mann noch Frau, plauderte weiter, während Kumatora wie eine Wilde brüllte.
 

***
 

„Herzchen! Du bist ja ganz durchgefroren.“

„Sie hat so rote Bäckchen. Hat unser Engelchen Fieber?“

„Ooooh, das kann nicht sein. Wir brauchen eine Decke.“

„Vermutlich hat unsere kleine Kuma sich geweigert mitzukommen.“

Lydia hob eine Augenbraue und streichelte den Arm von Phrygia. Mixolydia war immer noch besorgt wegen des eventuellen Fiebers. Doria tänzelte auf und ab, suchte nach einer Decke. Phrygia gähnte nur und kuschelte sich wieder in das bestickte Kissen. Aolia beobachtete amüsiert die Reaktionen ihrer Gäste. Es war zur Tradition geworden, die Teepartys und andere Treffen bei ihm abzuhalten. Langsam fächerte es sich mit ihrem exquisiten Fächer Luft zu. Nicht einem im tiefsten Winter verzichtete es auf sein Accessoire. „Meine Liebe“, flötete Aolia und zwinkerte der schmollenden Kumatora zu. Sie wurde von den restlichen Magypsies verhätschelt, was dem Mädchen nicht gefiel. Jedoch protestierte das Kind wegen zwei Gründen nicht: Langsam wurde es ihr zu viel und mit Aolia sollte man sich nicht verscherzen.

„Ja, Tante Aoila?“, fragte das Mädchen so höflich wie es konnte. Was für eine Gemeinheit würde es sich noch ausdenken?

Ich will nach Hause. Und dann schlage ich ein paar Sachen kaputt! Japp, das wird toll. Und kein Geist oder Ritterrüstung kann mich stoppen!

Frisch gebadet -weil sie sich sonst erkälten würde! - sowie in einem extra für sie geschneidertes Kleidchen –gekleidet wie eine wahre Prinzessin, unser Engelchen! - sass Kumatora am Tisch und stopfte Kuchen in sich hinein. Ihre Mutter und Tanten sprachen über Dinge, die sie nicht interessierten. Hübschen sich auf, kicherten und tranken genüsslich Tee.

Warum bin ich hier? Das sie mich wieder wie ein Püppchen behandeln können? Ärger kroch in ihr hoch. Wenn sie ja eine Prinzessin ist, müssten nicht alle nach ihrer Pfeife tanzen?

Bevor sie mit voller Lautstärke ihren Gedanken verkünden konnte, sprach die pink gekleidete Magypsy: „Mein Herzchen, ich würde mich glüüüüüüklich schätze, eine so liebe Mutter zu haben. Hier bei deiner Familie zu sein. Also sei artig, ja?“
 

Die Wirkung dieser honigsüss gesprochenen Worte war zu viel für das herausgeputzte Mädchen. „Hör auf mit deinen miesen Tricks! Nur weil du eine alte Schabracke bist und besser mit Magie umgehen kannst, ärgerst du mich. Verdammt, ich bin keine von euch dämlichen … dämlichen Schabracken!“ Die Reaktionen der Anwesenden waren so unterschiedlich, wie ihre Vorliebe für Farben.

Doria quietschte laut auf, packte Lydias Arm und seufzte tief. Sehr tief. Es hörte sich wie das Brummen eines Bären an. Lydia tätschelte den Arm des Gastes und versuchte ihn zu beruhigen. Phrygia, jetzt hellwach, biss sich auf seine geschminkten Lippen. Sollte Kumatora getadelt werden? Aber wer sollte es tun? Und was ansprechen? Es blickte auf Mixolydia. Die Magypsy war den Tränen nahe. Aeolia blickte kurz in die Runde, bevor es Ionia kurz zunickte. Ionia packte die wieder vor sich hin schimpfenden Kumatora. Es verging einige Sekunden. Leise hörte man das Schniefen der blau gekleideten Magypsy, die tröstenden Worte von Lydia. Aolia rührte mit einem wissenden Lächeln in ihrem Zitronentee.

Von den Magypies war es einer der Einflussreicheren. Wissend und lenkend wartete es auf die Zeit. Nur Locria wusste, wie es über vieles Bescheid. War dies der Grund über sein verschwinden? Und vielleicht auch einer der Gründe, weshalb Kumtora in letzter Zeit so ein Verhalten an den Tag legte. Mit Locira verstand sich das Mädchen gut. Ob es daran lag, dass sie beide gleiche Interessen hatten oder dass Locria weniger aufgeplustert wie die restlichen Magypsies war?

„Kumatora. Du gehst vor die Türe und denkst still über deine Worte nach.“ Ionias Blick duldete keine Widerrede, das spürte das Mädchen. Zischend lief die Prinzessin aus dem Häuschen in Form einer Muschel hinaus. Ohne ihren anderen Tanten ins Gesicht zu blicken, aber mit einem gewaltigen Rumms, warf sie die Türe zu. Eine Tasse und einige der Leckereien fielen zu Boden. Dank des sehr flauschigen Teppichs in Pastellfarben gab es keine Scherben.

„Wir sollten ihr …“, fing Mixolydia leise an, tupfte seine Tränen weg. Phrygia beendete den Satz gähnend: „… Zeit lassen.“

„Meine Liebsten, kein Grund zur Sorge“, kicherte der Gastgeber und schnippte mit den Fingern. Das Geschirr verschwand wie von Zauberhand. Bevor die anderen Wesen reagieren oder fragen konnten, legte Aeolia einen Finger an ihren hellpinken geschminkten Mund.
 

***
 

Der dreiundzwanzigster Treffer! Stolz grinste das Mädchen und nickte dem Frosch zu. Diese speziellen Fröschchen dienten den Magypsies für alles Mögliche und Unmögliche. Deswegen froren oder schwitzen diese Tiere nicht, konnten mit den Menschen reden und sich an jeden Ort teleportieren. Unruhig quakte der Frosch und mahnte das Kind, sich zu benehmen. „Ach, was! Ich denke über meine ach so bösen Worte nach. Ich bin brav und bleibe in der Nähe des Hauses.“ Auch der nächste Schneeball traf die Spitze der Tanne.

Sie war so in ihrem Spiel vertieft, dass sie Ionia nicht bemerkte. In seinem kurzen grünen Kleid und den eleganten Schuhen schien es in dem Schnee fehlplatziert. Das Wesen seufzte leise. Es war noch immer enttäuscht über das ungehobelte Benehmen ihrer Tochter. Dennoch wollte es ihr niemals eine tyrannische Mutter sein.

Irgendwann bemerkte Kumatora, dass sie beobachtet wurde. Das Mädchen drehte sich um. Ihre Wangen vom Toben rot gefärbt, ihre Frisur zerzaust und mit Schneeflocken verziert. Schnell hüpfte das Fröschen zu dem Wesen zu, es kniete sich hin und öffnete seine Hände. Kumatora hielt die Luft an, wollte gerade nicht schon wieder ausgeschimpft werden.

Jedoch hatte sie langsam Hunger und irgendwie fühlte sie sich ein wenig schuldig. Die Leier von Familie und Geborgenheit hörte sie nicht zum ersten Mal. Sogar die Geister in ihrem verwunschenen Schloss plapperten ab und zu davon.

Unbewusst lächelte das Mädchen, was die Person vor ihr das Herz erwärmte. Als Ionia nun auch ihr die rechte Hand hinstreckte, lief Kumatora auf es zu. „Meine Herzchen“, sprach das Wesen gütig und strich ihr über die Wangen: „Wir haben eine Überraschung für dich vorbereitet.“
 

Aufgeregt tänzelte sie um den Tisch. Phrygia hörte auf zu zählen, wie vielen Runden es schon waren. Nach der zehnten hatte es aufgehört. Doria klatschte vergnügt in die Hände, während Mixolydia Kumatora versuchte anzusprechen. Ein Schürzchen mit Rüschen hielt das Wesen in der Hand. Ionia und Aeolia lachten, witzelten über ihre Ausdauer. Es war, als hätte das Mädchen nie nach draussen zum Nachdenken müssen.

Irgendwann stoppte das Mädchen und guckte ihre Mutter an. „Ich muss nicht baden oder sowas?“, fragte Kumatora und verengte ihre Augen argwöhnisch. Das Gelächter der Anwesenden ignorierte sie dieses Mal. „So lange du dich nicht wie ein Kuchen mit Puderzucker dekorierst“, sprach ihre Mutter und führte ihren Schützling zu der schüchtern lächelnden Mixolydia. Es nahm die nun gutgelaunte Kumatora in den Arm und zog ihr geschickt das Schürzchen an. Es dauerte ein paar Minuten, zuvor musste jede einzelne Magypsy bekunden, wie goldig die Kleine aussah, bis sie endlich den Tisch inspizieren konnte.

Ausstechformen in verschiedenen Grössen lagen geordnet da, bereit für den Einsatz. Eine mit Blumenornamenten verzierte Waage stand in der Mitte des Tisches. Ein Nudelholz und Mehl zum Teig ausrollen. Genügend Backbleche, um die Plätzchen zu backen. Ein Ort, um das Gebäck abzukühlen, war auch schon freigeräumt. Und das Wichtigste: Bunte Essperlen, farbiger Zuckerguss und geraspelte Schokolade für die Dekoration.
 

Es ging genau eine Stunde und 33 Minuten gut. Und niemand hätte erahnen können, wie und wie schnell die Stimmung sich änderte.

Das Mädchen schlug konzentriert und behutsam das Eiweiss, vermengte Zimt darunter ohne ihre selbsternannte Improvisiasionskünste. Die Teige ruhten abgedeckt vor dem kleinen Fenster. Unter dem wachsamen Auge ihrer Tanten bereitete sie verschiedene Teige vor. Die Schokolade für die Nussplätzchen war schon geschmolzen und köchelte vor sich hin. Kumatoras Lieblingsmarmelade war schon geöffnet und in einer Schüssel mit ein wenig Sahne verrührt. Hin und wieder gab eine der Magypsies der Kleinen einen Tipp oder fragten mit gesäuselter Stimme nach, was sie denn tue oder ob sie nicht doch Hilfe gebrauchen könnte.

Der kühle Wind wirbelte die Schneeflocken auf die Schüsseln, es war nun später Nachmittag. Kumatora machte gerade eine kleine Pause. Mit einem heissen Kakao sass sie auf dem Schoss von Doria und erzählte, wie sie die Plätzchen verzieren wolle. „Mein süsse Kleine“, quietschte das Wesen mit dem langen Zopf und pikste das Kind in die Wange. „Möchtest du nachher was anderes machen? Basteln?“ Gespannt blickte Doria in das nachdenkliche Gesicht des Mädchens. „Basteln?“

Es klang langweilig. Malen und basteln war eine Beschäftigung für kleine Kinder. Lydia kicherte, es konnte in dem Gesicht des Kindes sehen, was sie dachte. Und da Doria wieder lieber Kumatora herzte, gab es einige Vorschläge. Sternenlichter, Kerzen oder Dekorationen fürs Fenster basteln? Orangen mit Nelken bestecken oder gleich ein Duftsäckchen selbst machen?

„Ich überlege es mir, Tante Lydia“, murmelte Kumatora zwischen zwei Schlückchen Kakao. Sie hüpfte von dem Schoss und kümmerte sich um ihre Plätzchen. Oder wollte es. Wäre da nicht ein vorwitziges Fröschen auf die Idee gekommen, in der Sahnemarmelademischung ein Bad zunehmen.
 

Zischend schüttelte die kleine Bäckerin die Schüssel, beleidigte das Tier und wollte mit ihrer Psykraft ihren Willen durchsetzen. Wäre Ionia nicht sofort aufgesprungen und hätte die Schüssel ihr aus der Hand genommen, wäre ein Unglück passiert. Ein strenger Blick genügte und Kumatora warf dem Frosch lieber Worte nach, statt dass sie ihn an die Wand klatschte.

„Schätzchen, sei brav und …“

„Ja, ja, ich hole die Schokolade.“

Ihre gute Laune verschwand. Sie verstand nicht, weshalb der Frosch keine Lektion bekam. Aber sie wollte keinen Streit anfangen. Ausserdem konnte Kumatora den Frosch verstehen. Die Marmelade war einfach zu köstlich, um ihr zu widerstehen. Einmal tief Luft geholt und schon war sie wieder fleissig dran, die Plätzchen fertig zu machen. Ausserdem wollte das Mädchen unbedingt einige ihrer selbstgemachten Köstlichkeiten probieren. Bevor ihre Tanten alle wegknusperten.
 

***
 

„ER soll weg, bevor …“ Wild mit den Händen fuchtelt, und Schokoladenspritzer verteilend, starrte Kumatora den fröhlich quakenden Frosch an. Gerade wollte ihre Mutter den Eindringling entfernen, und weitere Spritzer vermeiden, da machte er einen gewaltigen Sprung.

Einen Herzschlag herrschte Stille, nachdem die Schüsseln und einige der geformten und ausgestochenen Plätzchen auf den Boden fielen. Einen weiteren Herzschlag später wagte es Lydia sich zu räuspern und mit kleinen Schritten auf das Mädchen zuzugehen. Mixolydia hielt seine manikürten Händen vor das Gesicht, Doria tänzelte wieder einmal auf und ab. Jedes der Wesen verhielt sich auf seine Weise, wollte das Kind auf ihre Art trösten.

„Wartet“, sprach Aeolia, warf einen dominierenden Blick auf den stirnrunzelnden Ionia. Es war nicht einverstanden mit dem, was Aeolia im Sinn hatte.
 

„Ich bin so … so … VERFLUCHT WÜTEND!“ Die Plätzchen, welche noch essbar gewesen wären, wurden regelrecht in den Boden gestampft. Die Dinge auf dem Tisch, die noch auf dem Tischchen standen, warf das Kind um sich herum. Mit völliger Gelassenheit blickte die Magypsy im pinken Kleid der Tobenden zu, seine Gäste fragten nicht oder taten was.

„Ist dein kleiner, süsser Wutanfall vorbei?“ Statt zu antworten, knurrte die Gefragte nur. So eine Antwort hatte Aeolia erwartet. Tadelnd erklärte es in allen Einzelheiten, was Kumatoras Unartigkeiten waren. Zum Abschluss sprach das Wesen schnippisch: „Mein Liebling, hättest du deine destruktiven Kräfte im Zaum gehalten, hättest du trotz allem ein paar deiner niedlichen Konfekte gehabt.“ Da es keine Antwort erwartete, räumte der Gastgeber mit einem Schnippen das Chaos auf.

Das auf dem Bodensitzende Mädchen, die mit ihren Tränen kämpfte und vollgesaut war, murmelte was vor sich hin.

„Wer von euch Hübschen möchte noch etwas Tee? Mixy, deinen mit Zucker und Sahne, nicht wahr?“ Seufzend nahm Ionia ein Taschentuch, kniete sich vor Kumatora hin. Aeolias Angebot und Verhalten verärgerte das Wesen. Der Besuch hatte es sich anderes vorgestellt. Kumatora sollte lernen, was Familie bedeutet. Doch … vielleicht hatte alles einen tieferen Sinn und Kumatora lernte ein bisschen was.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  lula-chan
2018-12-05T19:23:21+00:00 05.12.2018 20:23
Eine schöne Geschichte. Gut geschrieben. Hat mir gefallen.

LG
Antwort von:  lula-chan
05.12.2018 20:24
*Das Thema wurde wirklich gut getroffen.
Antwort von: Lupus-in-Fabula
02.01.2019 18:29
Verzeih, ich habe dein Kommentar nicht vergessen, sondern einfach übersehen Q__Q

Vielen Dank für dein liebes Kommi.
Ich habe mich gefreut, wenn es dir ein wenig den Dezember versüsst hat :)


Zurück