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Two Couples - Two Christmas Lovestories

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26. Dezember

Belleville, 26. Dezember 2016, 10:14 Uhr

 

Mit argwöhnischem Blick musterte Henri den Japaner, was dem immerhin direkt auffiel.

„Was ist? Hab ich was im Gesicht?“, fragte er ein wenig verunsichert, lächelte aber trotzdem viel zu glücklich, so als wäre es ihm gar nicht peinlich, selbst wenn er wirklich etwas dort hatte. Henri vermutete, dass er sich tatsächlich mehr darüber freute, dass er seine Aufmerksamkeit hatte.

 

„Nicht im Gesicht“, verneinte Henri zum Teil seine Frage – er deutete aber damit ebenfalls an, dass er woanders etwas hatte, das seine Aufmerksamkeit erregte. Und das war nicht positiv, ganz und gar nicht. Aguri forderte das nur dazu auf, näher zu kommen und ihn neugierig anzusehen.

 

„Was ist dann?“

 

Als Henri den Blick zur Seite abwendete, folgte der Japaner ihm mit dem Gesicht und blickte ihn wieder mit einem genau so blöden Gesicht wie vorher an. Unfassbar, dass der Kerl überhaupt nichts von Abstand verstand. Viel zu nah kam er ihm, was Henri nur wieder dazu bewegte, den Kopf zu drehen. Aguri schien es völlig gleich zu sein, kicherte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Ernsthaft? Als ob er ihn so zu einer Antwort bewegen könnte...

 

„Nun sag schon“, forderte Aguri und legte die Hände an Henris Hüften. Eines musste man ihm lassen: Dieses Mal behielt er seine Finger anständig. Andererseits hatte Henri ihm auch schon längst genug für den Rest des Jahres gegeben. Hier würde er es ganz sicher nicht nochmal tun. Unwahrscheinlich allerdings auch, dass Aguri mehr auf Tuchfühlung ging – so mitten im Flur. Hier konnte sie schließlich jeder sehen, der von der Küche ins Wohnzimmer wollte oder anderswohin.

Bevor Aguri noch aufdringlicher wurde, ergab sich Henri und antwortete sinnvoll.

 

„Du hast diesen furchtbar hässlichen Pullover an.“

 

„Was?! Das ist doch ein voll cooler Ugly Christmas Sweater!“

 

„Es ist ein Ugly Christmas Sweater – natürlich ist er furchtbar hässlich.“

 

Aguri wirkte nicht gerade zufrieden mit dieser Aussage, schaute runter und besah sich den rosafarbenen Pullover mit Schachbrettmuster und Schneeflocken. So lange, wie er guckte, bekam Henri den leisen Verdacht, dass er ernsthaft die Hässlichkeit in dem Pullover suchte, was ihm ein resignierendes, schweres Seufzen entlockte. Es erinnerte ihn an vorletzte Woche, als Aguri mit diesem furchtbaren Teil beim Training aufgetaucht ist und ihm selbst noch einen Ugly Christmas Sweater schenken wollte.

 

„Ich finde ihn gut. Du solltest deinen auch anziehen, immerhin ist heute der letzte Weihnachtstag, oder nicht?“

Aguri sah ihn an, als suchte er die Bestätigung dafür, dass er ausnahmsweise mal gut recherchiert hatte. Dass er nicht wusste, wie man in Kanada Weihnachten feierte, war ja nicht schlimm. Ihm seine Welt zu zeigen, war schließlich Henris Aufgabe. Es wäre vollkommen ausreichend so, doch Aguri selbst musste sich ja immer irgendwelche komischen Gerüchte – er nannte sie Informationen – aus dem Internet ziehen. Oder er verstand es nicht ansatzweise so, wie es gemeint war.

Aber Moment mal...

 

„Meinen?“, fragte Henri ungläubig, als er die tiefere Bedeutung von Aguris Aussage bemerkt hatte. Es war ihm neu, dass er so einen Pullover besaß.

 

„Ja, den, den ich dir doch gekauft habe.“

 

„Du solltest den zurückbringen! Hab ich dir doch gesagt!“

Er empörte sich wirklich sehr darüber, dass Aguri ihn scheinbar überhaupt nicht umgetauscht hatte. Wie undeutlich hatte er sich damals ausgedrückt? Henri war sich sicher, er hatte es klar und deutlich gesagt, das konnte er doch gar nicht missverstanden haben.

 

„Hast du? Aber Lynn meinte zu mir-“

 

Henri schnaufte, die Empörung wuchs. Lynn? Er hatte ernsthaft auf Lynns Worte gehört? Wie naiv war er bitte? Natürlich hatte er Aguri absichtlich etwas völlig Falsches erzählt, nur, damit er seinen Spaß daran hatte. Selbst wenn er jetzt nicht hier war, so wusste er, dass dieser Moment vor ihnen lag und allein die Vorstellung musste Lynn seit Tagen oder gar Wochen amüsieren. Dieser elende Mistkerl.

 

„Hab ich was falsch gemacht?“

 

Immerhin erkannte Aguri es mittlerweile an seinem Schnaufen, wenn er wieder Mist gebaut hatte.

„Natürlich hast du. Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass Lynn nicht zu trauen ist?“

 

„Oft. Eigentlich finde ich ihn aber ganz nett.“

 

Ernsthaft?

„Er tut doch nur so. Und Idioten wie du fallen reihenweise drauf rein.“

 

„Dann gibt es also gar keinen jährlichen Ugly Christmas Sweater Contest?“

 

„Natürlich nicht!“, sagte Henri für seine Verhältnisse nicht mehr besonders ruhig, auch wenn man ihm nach wie vor kaum eine allzu starke Emotion anmerken konnte. Das war eben seine Art. Doch für Aguri, der ihn mittlerweile lange genug kannte, musste klar sein, dass er wirklich außer sich war wegen seiner Dummheit. Allein der Klang seiner Stimme war heller als die trägen, ruhigen Laute, die er sonst von sich gab, wenn er den Mund aufmachte. Wie konnte jemand überhaupt so naiv sein und nicht misstrauisch werden, wenn Lynn sowas sagte? Nach wie vor war es Henri unmöglich, die Gedankenwelt von Aguri vollends zu verstehen.

 

„Ich dachte wirklich, du brauchst einen. Eigentlich wollte ich nur helfen. Außerdem finde ich, dass er dir wirklich sehr gut stehen würde. Gib ihm eine Chance!“

 

„Was soll denn das jetzt werden? Du klingst wie ein schlechter Kuppler“, merkte Henri träge an. Er hatte wirklich genug von dem ganzen Thema. Nach wie vor wollt er den Pullover nicht – es war für Frauen und hatte lächerlicherweise Eisbären gestrickt.

 

„Ich bin auch dafür, dass du ihm eine Chance gibst, Henri“, mischte sich seine Mutter ein, was Henri nicht gerade freudig aufnahm. Natürlich war sie auf Aguris Seite, sie waren sich schließlich sehr ähnlich. Beide waren naiv, beide mochten peinliche Sachen. Sie war schon völlig begeistert gewesen, als Aguri ihr kitschig verziertes, japanisches Essen gezeigt hatte. Kirschblüten, die man aus Karotten schnitzte zum Beispiel. Henri hatte schon eine böse Vorahnung, was seine Mutter die nächsten Wochen so auftischen würde, von daher war er froh, dass er nicht mehr lange blieb.

Mit wenig Begeisterung blickte er seine Mutter an, die ihm liebevoll entgegen lächelte. Sie war natürlich schon völlig abgehärtete von dem Blick und auch Aguri war auf einem verdammt guten Weg dahin. Damit wurde sein Unmut ignoriert.

 

„Komm schon, zieh ihn an. Ich möchte sehen, was für einen wundervollen Pullover Aguri dir gekauft hat~“

 

„Siehst du, er ist wundervoll!“, mischte sich Aguri wieder ein, der sich von seiner Mutter natürlich bestätigt fühlte. Und jetzt würden die beiden sich hochschaukeln und Henri so lange nerven, bis er den Pullover anprobierte – ganz sicher. Er musste nachgeben, wenn ihm seine Nerven lieb waren.

 

„Wie ihr wollt...“

 

So kam es, dass Henri den Ugly Christmas Sweater doch noch zu Weihnachten trug und damit nicht nur Aguri ein tolles, zusätzliches Weihnachtsgeschenk machte. Auch Lynn bekam seines in Form eines Selfies auf Aguris Instagram-Account.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Puppenspieler
2018-12-27T13:22:46+00:00 27.12.2018 14:22
Lynn likes. :>
Antwort von:  Aphrodi
27.12.2018 14:24
Natürlich tut er das.
Von:  lula-chan
2018-12-27T10:44:24+00:00 27.12.2018 11:44
Hehe. Da hat Aguri ja doch noch seinen Willen bekommen.
Ein tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir.

LG
Antwort von:  Aphrodi
27.12.2018 12:53
Ja, das hat er. Das ist sowas wie die goldene Regel: Aguri bekommt am Ende immer seinen Willen. Sonst wäre Henri jetzt gar nicht mit ihm zusammen, sie würden nie heiraten und Kinder haben. XD
Danke, dass du die FF bis zum Ende verfolgt und fleißig kommentiert hast.


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