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sweet summerchild

Schneeballschlacht um Mitternacht
von

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21.25 Uhr.
 

Seufzend warf Lissa ihre Handschuhe ab, als sie das Patientenzimmer verließ.

“Lissa? Lissa, haben Sie noch etwas Zeit für mich?”, kam es schwach aus dem Zimmer. Mitten in der Bewegung hielt sie inne, seufzte erneut auf und öffnete die Tür.

“Wie kann ich dir helfen, Luna?”

“Es wäre schön, wenn Sie sich einfach zu mir setzen könnten..”, murmelte eine verschlafene Kinderstimme. “Es ist einsam, wenn man hier alleine rumliegt und den Sternen zuschaut..”

Lissa runzelte die Stirn. Eigentlich hatte sie noch Medikamente zu verteilen und ihre Kontrollrunde stand auch noch an. Sie war zwar nicht alleine, aber ihren beiden Kollegen noch zusätzliche Arbeit aufbrummen wollte sie auch nicht.

“Bitte, Lissa.. nur sitzen”, wiederholte das junge Mädchen.

Ergeben rieb Lissa ihre Stirn und nickte langsam. “In Ordnung, ich zieh mir nur eben die Kleidung über. Ich bin gleich für dich da, ja?” Leise lehnte sie die Tür hinter sich zu und kramte aus dem unsortierten Isolationswagen einen Kittel, Mundschutz, Handschuhe und Schuhüberzieher hervor.

“Sollen wir deinen Bruder anrufen?”, fragte Lissa vorsichtig und zog bereits das Telefon aus dem Nachttisch. So energisch, wie Luna nur konnte, schüttelte sie den Kopf. “Nein. Lucas ist bestimmt arbeiten oder am Schlafen. Ich möchte ihn nicht stören!” Sie überlegte für einen Moment und strampelte dabei die Bettdecke von sich weg, um besser aufsitzen zu können.

“Aber ein Memo! Das könnte ich ihm bestimmt aufnehmen..”, stieß sie freudig aus. Im selben Moment weiteten sich ihre Augen und ein unkontrollierbares Husten brach aus ihr heraus. Er schüttelte ihren Körper und zwang sie dazu, eine seitlich liegende Position einzunehmen, um den Schleim gefahrlos ausspucken zu können.

Lissa stand bereits mit feuchten Tüchern bereit und wischte ihr nach dem Anfall den Mund vorsichtig sauber. Lunas Atem ging schwer und rasselnd, ihre Augen waren mit Tränen gefüllt. “Wir sollten einen Gang runterschalten, findest du nicht?”, fragte Lissa sanft und strich mit der Hand vorsichtig durch das zerzauste, schwarze Haar. “Legst du dich auf die andere Seite? Dann reib ich dir den Rücken ein.”

Mit einem Grummeln schloss Luna die Augen und drehte Lissa unter Anstrengung den Rücken entgegen.

Zurückhaltend striff Lissa Lunas Krankenhaushemd zurück und legte den schmächtigen, dünnen Körper des Kindes frei. Während sie ihren Rücken erst mit einem Waschlappen abrieb und anschließend mit einer nach Teebaumöl und Eukalyptus duftende Salbe eincremte, beruhigte sich Lunas Atem.

“Lissa.. wie lange bin ich jetzt hier?”, fragte Luna dumpf, denn ihr Gesicht lag halb im Kissen vergraben.

“Es müssten jetzt 47 Tage sein. Warum fragst du?”

“Das sind 47 Tage, seitdem Lucas alleine zuhause ist..”

Lissa stockte in der Bewegung. “Er ist doch nicht alleine. Er kommt dich ganz oft besuchen und eure Eltern sind ja auch noch da”, antwortete Lissa zögerlich. “Von der Spätschicht wurde mir auch übergeben, dass sie heute wieder gemeinsam kommen wollten. Ist doch schön, so kurz vor Weihnachten, oder?”, startete Lissa den nächsten Aufmunterungsversuch.

Die Laken knirschten, als Luna ihre Fäuste darin vergrub. “Nein, ist es nicht!”, spie sie aus und klang erneut so, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. “Also, nicht, dass ich mich nicht freuen würde, aber… aber.. Ich will einfach wieder nach Hause.. Es ist so unfair!”, stotterte sie mit zitternder Stimme

Lissa seufzte wieder auf und deckte Luna sacht zu. “Ich weiß, Liebes, ich weiß”, antwortete sie leise und griff nach der Bürste, die immer auf Lunas Nachttisch lag. Es gab wenig, was das Kind mehr mochte, als ein bisschen Normalität. Haare kämen, beim Essen sitzen, Socken selber anziehen, Bettwäsche von zuhause.

Mit geübten Handgriffen zauberte Lissa aus Lunas schwarzem Vogelnest seidig glänzende Haare. “Können Sie auch flechten?”

Lissa lachte leise. “Ja, soll ich?”

Lunas Kopf wackelte zustimmend.

“In Ordnung.”
 

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bevor Lissa aus Lunas Zimmer herauskam. Es fiel jeden Tag ein bisschen schwerer, mit der Schutzkleidung auch die negativen Gedanken abzuwerfen.

Luna war eine der Patienten, die sie bisher am längsten betreute und deren Schicksal ihr am nächsten ging. Sie kam ursprünglich aus einem anderen Krankenhaus und von der Kinderintensivstation und wurde ihnen mit einer Lungenentzündung übergeben. Dass sie sich im weiteren Verlauf so sehr verschlechtern würde, ahnte zu dem Zeitpunkt niemand.

Leise zog Lissa die Tür hinter sich zu und machte sich daran, ihre Kontrollrunde fortzusetzen.
 

“Und?” Einer ihrer Kollegen tauchte neugierig hinter Lissa auf.

“Ihr Zustand wird schlechter, vermute ich. Die Abstände der Anfälle werden immer kürzer und sie wirkt so, als würde sie selbst die Kraft verlieren.” Lissa schüttelte nachdenklich den Kopf. “Ich glaube, das wird dieses Jahr ein trauriges Weihnachten.”
 


 

22.16 Uhr.
 

Mit geröteten Augen starrte Lucas auf das leuchtende Weckerdisplay. Müde legte er den Handrücken über seine Augen. Er hatte vergessen, wie schwer die Nächte alleine sein konnten.

Mit einem undefinierbaren Laut richtete sich Lucas auf und schwang die Beine aus dem Bett. Nützte alles nichts. “Da kann ich auch arbeiten gehen..”, murrte er schläfrig, griff nach der fast leeren Energydose auf dem Boden und trank sie aus. Beiläufig wählte er mit der anderen Hand die Nummer seiner Chefin.

“Hey, Alice.. Ja, hier ist Lucas. Braucht ihr noch HIlfe?” Er schwieg, während er versuchte, ihr zuzuhören. “Warte, warte, mach mal langsam. Was ist los?”, fragte Lucas stirnrunzelnd nach, weil er ihre sich überschlagende Stimme kaum verstehen konnte. Der laute Bass im Hintergrund machte es absolut nicht besser.

“Wäre super, wenn du kommst! Jamie geht hier unter und die anderen beiden Aushilfen sind quasi nur am Toiletten putzen!”, brüllte Alice erneut.

Jamie hatte Schicht. Augenblicklich hellte sich Lucas’ Miene auf. “Bin in dreißig Minuten da!”, antwortete er hocherfreut und warf das Handy beiseite.

Innerhalb von Sekunden sprang Lucas auf, schlüpfte in saubere Unterwäsche und kramte seine Arbeitsklamotten aus dem riesigen Haufen Wäsche hervor, der sich quer über seinen Schlafzimmerboden verteilte. Da er allerdings weder seine schwarze Hose, noch das schwarze Hemd fand, entschied er sich für private Klamotten. Etwas schwarzes in seinem Kleiderschrank zu finden war zwar eine ziemliche Herausforderung für ihn, aber letzten Endes schwang er sich mit farblich passender Kleidung auf sein Fahrrad.
 


 

22.37 Uhr.
 

Laute Musik hämmerte schon seit Stunden aus den Boxen neben der Bar auf Jamie ein. Allerdings war es nicht die bescheuerte Musik die ihn am meisten störte, sondern zwei Kerle, die ihn zwar seit geraumer Zeit mit Trinkgeld bewarfen, dafür aber ihre Sympathie gegen Alkohol tauschten. Immer wieder zog es die Männer zurück an den Tresen, um Jamie dichter auf die Pelle zu rücken.

“Hey, Jamie!” Eine kleine, zierliche Gestalt boxte sich an den Betrunkenen vorbei an die Theke, belegte einen der Hocker und stützte die Ellenbogen auf die klebrige, schmierige Holzoberfläche.

“Bringst du mir bitte ein Wasser mit Zitrone?” Die braunen, kurzen Haare fielen in verschwitzten Strähnen in ihr Gesicht. Kaum beendete sie ihren Satz, stand bereits das Glas vor ihrem Gesicht.

“Rette mich, Sally”, stöhnte Jamie, wobei er seinen Oberkörper so weit nach vorne neigte, dass ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten.

Mitleidlos kicherte Sally auf. “Nein, das kannst du vergessen! Du wolltest einen Job, ich hab ihn dir besorgt. Leb’ damit.” Ihre Stimme klang heiser und ihre Wangen wiesen eine starke Rötung auf. Es musste eine ziemliche Hitze auf dem Dancefloor sein, doch hier an der Theke spürte Jamie kaum etwas davon.

“Hey, Babe!”, lallte der Betrunkene links von Sally. Bereit, dem Typen direkt eine zu verpassen, drehte sich Sally beinahe erwartungsvoll um, brach jedoch bloß in lautes Lachen aus, als der Betrunkene an ihr vorbei torkelte und an Jamies Hand langte. “Süßer, wann hast du ‘n Feierab’n, hm?”

Jamie verzog angewidert das Gesicht. “Wenn du nichts zu trinken willst, zisch ab!”, raunzte er.

Noch bevor der Betrunkene erneut den Mund aufmachen konnte, wurde er von hinten weggezogen und zurück auf die Tanzfläche gestoßen.

“Der Barkeeper ist nicht zum Verkauf!”, rief Lucas erheitert und klemmte sich sein Serviertablett unter den Arm.

“Uff, danke! Meine Rettung!”, stöhnte Jamie erleichtert auf. “Was machst du hier?”

Übermütig warf sich Lucas über den Tresen auf Jamies Seite und balancierte dabei das Tablett vorsichtig vor sich her. “Alice hat mich angerufen und gefragt, ob ich unseren Aushilfen helfen kann”, antwortete er schmunzelnd. “Und offenbar bin ich wohl gerade zur rechten Zeit gekommen!”

Sally klopfte mehrfach auf den Holztresen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. “Jungs! Ihr solltet erstmal anfangen, das Chaos zu beseitigen, hm?” Diffus fuchtelte das angetrunkene Mädchen in die Richtung der Tanzfläche, auf der sich übermäßig viele Gläser, Flaschen und Strohhalme stapelten. “Und das dringend, bevor noch irgendeiner in die Scherben trampelt. Bis später!” Mit einer überdramatischen Umdrehung wirbelte Sally mehrfach um sich selbst und tänzelte mit erhobenen Händen auf die Tanzfläche zurück.

Mit einem aufmunternden Nicken verabschiedete sich Lucas mit mehreren Eimern und mit Gummiehandschuhen bewaffnet von Jamie.
 

Das würde noch eine lange Schicht werden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das ist Teil 1 meines Beitrags für den Adventskalender. Im Laufe der nächsten Tage lade ich noch die nächsten Parts hoch. :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2018-12-13T15:25:53+00:00 13.12.2018 16:25
Interessante Idee. Gefällt mir. Sehr gut geschrieben. Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht.

LG


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