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Von Pfauen und Vögeln

von
Koautor: Arcturus

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Von Pfauen und Vögeln

Wenn es nach Lucius ging, dann war das hier nicht mehr als eine morbide Faszination.

Wenn es hingegen nach Xenophilius ging ... nun, wer wusste schon, was Xenophilius dachte?

Also außer Lucius natürlich, der in diesem Moment gemeinsam mit dem Ravenclaw die Schaufensterauslage von Pitcher & Crow begutachtete und jeden seiner Gedanken hören konnte. Vornehmlich, weil Xenophilius jeden davon laut aussprach.

„Denkst du, es ist möglich?“

„Hm?“, antwortete Lucius, den Blick stur auf einen besonders dicken, besonders schwarzmagischen Folianten gerichtet. Die Silhouette seines Begleiters konnte er nur als dürren, petrolgrünen Schemen sehen, der sich im Schaufenster spiegelte. Vielleicht war es besser so, denn tatsächlich interessierte ihn die Antwort auf Xenophilius’ Frage weitaus weniger, als die Antwort auf die Frage, ob der Foliant einen Schulverweis wert war.

„Ein ‘Hm?’ ist keine verwertbare Aussage, Lucius“, schalt Xenophilius ihn in dem gleichen Tonfall, mit dem er sonst seine Hausaufgaben kontrollierte. „Und du weißt, mich interessiert deine Meinung wirklich. Das tut sie immer.“

Langsam wandte Lucius sich von der Auslage ab.

Neben ihm lauerte sein Begleiter bereits darauf, seinen Blick zu erwidern. Und Xenophilius lauerte tatsächlich - so sehr, wie ein Lovegood eben lauern konnte. Seinen Körper hatte er noch immer der Auslage zugewandt. Leicht gebeugt stand er vor dem Schaufenster, die verlotterte Tasche, die er überall mit hin schleppte, über der Schulter und in den Händen das Notizbuch, das vermutlich gerade schuld an allem war. Das einzige, was nicht in Richtung Glas zeigt, war Xenophilius’ Kopf - den hatte er Lucius zugewandt, nahezu im rechten Winkel zum Rest seines Körpers. Mit großen, blauen Augen musterte er ihn wie eine Eule.

Die Ahnung, sich gerade in ein Versuchskaninchen verwandelt zu haben, kroch in ihm hoch und ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. Lucius schluckte, dann tat er das, was er immer tat: Möglichst elegant - und möglichst unbeeindruckt - zog er eine Augenbraue hoch und presste seine Lippen aufeinander, gerade so weit, das sein Gegenüber es sehen musste. Bei jedem Anderen - bei Travers, bei Black, ja verdammt, sogar bei diesem Versager Lestrange - hätte das gereicht, um jede weitere Diskussion zu ersticken.

Xenophilius jedoch erwiderte seinen Blick mit der Entschlossenheit eines halsstarrigen Hippogreifs.

Mit jeder Sekunde, die verstrich - und die sein Gegenüber nicht blinzelte - fühlte Lucius sich mehr wie ein Gartengnom vor dem Nundu. Da war dieses Zucken in Xenophilius’ Ohren, von dem Lucius nie sagen konnte, ob der Andere es bewusst steuerte. Seine Brauen verschwanden nahezu unter dem fransigen Pony. Das Petrol seines Umhangs brannte sich in Lucius’ Augen.

Er knickte ein.

„Was soll möglich sein?“

Jedes Wort schmeckte pelzig auf seiner Zunge. Xenophilius jedoch verdrehte nur die Augen.

„Das fragst du noch?“, Sein Tonfall war nicht laut, aber voller Frustration. „Mehr zu haben, als einen, natürlich!“

Skeptisch warf Lucius einen Blick über seine Schulter. Auf der anderen Seite der Gasse konnte er eine schwarzgekleidete Hexe ausmachen, doch diese besah sich gerade den Preisaushang von Tallow & Hemp und schenkte ihnen keinerlei Beachtung. Er seufzte.

„Mehr zu haben, als einen was, Lovegood?“

„Mehr als einen Horkrux! Was denn sonst?“

Lucius gab einen Laut von sich, der selbst in seinen Ohren klang, wie ein sterbender Pfau. Entgeistert stolperte er nach hinten, sein Blick huschte wieder über seine Schulter, doch die Türglöckchen des Kerzenladens klingelten zur Entwarnung.

„Xeno!“ Er atmete durch, konzentrierte sich wieder auf seinen Begleiter. „Xenophilius. Xeno- ... Lovegood ... Lovegood! An so etwas solltest du nicht einmal denken“, erwiderte er, vielleicht ein wenig zu laut und ein wenig zu hoch. Sich vage der Tatsache bewusst, dass zwar die Hexe verschwunden war, jedoch jederzeit jemand aus einem der Läden treten konnte, fügte er leiser hinzu: „Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.“

Xenophilius seufzte schwer.

„Du missverstehst mich, Lucius.“

Vollkommen unbeeindruckt stopfte sein Begleiter sein Buch zurück in die Tasche. Einen Augenblick lang blitzte unter dem abgewetzten Leder etwas hervor, das entweder ein Federmäppchen oder aber ein sich windender Tentakel war, doch Lucius hatte gelernt, nicht genauer nachzufragen.

„Was ist daran nicht zu verstehen?“, brummte er, die Augen auf Xenophilius’ dürre Finger gerichtet, die mit den Schnappverschlüssen rangen. Bevor er zu einer weiterführenden Erklärung ansetzte, hob Lucius den Blick, um verstohlen ins Schaufenster zu spähen. Er konnte weder im Raum dahinter jemanden sehen, noch spiegelte sich sonst jemand außer ihnen im Glas. „Wir sind offiziell noch nicht einmal Siebtklässler. Du solltest nicht einmal wissen, was ein Horkrux ist, geschweige denn darüber nachdenken, wie man einen herstellt. Oder mehrere.“

„Verbotene Abteilung, drittes Regal von links, in der Mitte von Fach sieben. Aber ich glaube, sie alternieren das in unregelmäßigen Abständen.“

Noch halb im Wort stockte Xenophilius, fast so, als bemerke er erst jetzt, dass Lucius’ Frage eine völlig andere gewesen war. In der Art, wie er blinzelte - träge, beinahe abwesend - konnte Lucius sehen, wie sich sein Begleiter von der Gewohnheit losriss, nach der Lucius Fragen nach dem Wo, nicht nach dem Warum, stellte. Es dauerte drei weitere Wimpernschläge, dann schüttelte Xenophilius so ruckartig den Kopf, dass sein blondes Haar um ihn flatterte wie ein Heiligenschein.

„Entschuldige. Nicht in der Öffentlichkeit“, antwortete er, ohne dass Lucius auch nur einen Ton gesagt hätte. „Aber wirklich, Lucius. Du missverstehst mich. Ich habe nicht die geringste Absicht, meine Seele in ein Sammelsurium von schwarzmagischen Partikeln zu zerteilen. Nicht einmal, um mir damit eine halbgare Form der Unsterblichkeit zusammenzuhexen. Immerhin, wäre ich unsterblich, könnte ich nicht sterben. Mir würde so viel entgegen! Es wäre unheimlich schade.“

„Oh, ja. Natürlich. Schade.“

Lucius lag eine ganze Reihe anderer Bezeichnungen als schade auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter. Ironie traf, ähnlich wie Lucius’ übrige Freunde (Sarkasmus, Spott und blanker Hohn), bei Xenophilius stets auf taube Ohren.

„Du hast es erfasst! Ich bin auf der Suche nach der Antwort, ob es rein theoretisch möglich wäre. Also würde jemand, der dumm genug ist, es zu versuchen, es tatsächlich überleben?“

„Nun, ähm.“ Lucius machte einen weiteren Schritt zur Seite. „Vielleicht? Ich habe es bislang nicht versucht und ich habe es auch nicht vor. Warum willst du das wissen?“

Xenophilius folgte seinem Schritt, machte die Bewegung damit zu etwas gänzlich anderem: Seiner Richtung.

„Weil ich finde“, sagte er im Brustton der Überzeugung und trat dabei weiter vor und an Lucius vorbei, „dass du niemandem folgen solltest, der dumm genug ist, um es zu versuchen.“

Er öffnete den Mund, doch nichts kam heraus - keine Antwort, kein spitzer Seitenhieb, kein einziger Laut. Einen Moment lang starrte Lucius seinem Begleiter hinterher, verstand, dass Xenophilius nicht auf ihn warten würde, schloss den Mund und beeilte sich, wieder zu ihm aufzuschließen.

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, verkündete er entschieden. Gleichzeitig verwarf er den Gedanken, mit Xenophilius noch einmal die Problematik öffentlichkeitstauglicher Gesprächsthemen zu erörtern. Hatte sowieso keinen Zweck.

Der Blick, den Xenophilius ihm zur Antwort zuwarf, die Augen zusammengekniffen und eine steile Falte zwischen seinen Brauen, war genauso eindeutig, wie das „Papperlapapp!“ das bereits in seiner Unterlippe bebte. Lucius war bereits dabei, die Augen zu verdrehen, doch dann zuckte Xenophilius mit den Achseln.

Der Moment war vorbei.

„Oh. Wenn das so ist. Ich dachte nur...“

„Wie kommst du darauf überhaupt?“

„Dass du dich diesem Emporkömmling anschließen könntest, der in letzter Zeit die alte Leier des reinen Blutes spielt und der mehr Interesse an dem Bankverlies deines Vaters hat, als an dir, deinen faszinierend grauen Augen und der kleinen Narbe auf deinem Handballen?“

Unwillkürlich warf Lucius einen Blick nach unten. Er konnte gar nicht sagen, wann er den alten Schnitt zuletzt gesehen hatte - oder wann selbiger Xenophilius aufgefallen war. Er schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich denke, die Antwort auf diese Frage kennen wir beide. Ich meine das mit den ... Seelenstücken. Dass dieser ... Emporkömmling einen Horkrux geschaffen haben könnte. Oder mehrere.“

„Oh, ach das. Das ist einfach. Man sieht es an seiner Nase.“

„An der Nase.“

Lucius gab sich nicht einmal die Mühe, seine Worte mit einem entgeisterten Tonfall zu unterstreichen. Xenophilius hörte den ohnehin nie - und auch jetzt nickte sein Begleiter nur begeistert.

„Korrekt! Sie bildet sich zurück. Das war schon zu Godric Gryffindors Zeiten nie ein gutes Zeichen - und glaub mir, der war auch keines.“

„Und als nächstes erzählst du mir, Helga Hufflepuff hatte zwei Äxte.“

Noch während er sprach, bereute Lucius seine Worte. Doch zu spät. Sein Sarkasmus tat das, was er immer tat: Er prallte ab wie ein Klatscher. Nur das dieser Klatscher eben keine Nasen brach, sondern vor allem Nerven. Viele Nerven. Seine Nerven.

Lucius duckte sich weg, so als könne er damit dem Rückprall entgehen. Konnte er nicht. Noch in der Bewegung, bevor das Schaufenster von Borgin and Burkes sein gesamtes Blickfeld einnahm, sah er, wie die Begeisterung über das Gesicht seines Begleiters wusch.

„Oh wirklich? Das ist eine fantastische These! Wo bist du darauf gestoßen?“

Gefunden. Zufällig. Irgendwo zwischen Artefakten aus der Zeit von Damocles Rowle auf der einen und singenden Schrumpfköpfen auf der anderen Seite, dachte Lucius bissig. Doch das würde er Xenophilius nicht sagen. Statt sofort zu antworten, warf er einen Blick auf die Auslage. Unscheinbare Holzkistchen. Ringe. Kerzenständer mit blauen Flammen. Eine in purpurnen Stoff gehüllte Puppe, die Lucius nicht einmal berührt hätte, hätte man ihm Gold dafür geboten. Alles - aber leider kein Geistesblitz. Nicht einmal ein fieser Seitenhieb. Er zuckte mit den Achseln.

„Oh, nur so ein ... Gedanke.“

Das grüne Auge der Puppe richtete sich auf ihn. Lucius zog eine Augenbraue hoch, schüttelte dann aber nur den Kopf. Seine Frustration mit Xenophilius’ sozialer Kompetenz mochte an seinen Nerven zehren. Sie war kein Grund, sich mit magischen Artefakten anzulegen, deren Flüche er nicht kannte. Er wandte sich ab.

„Da fällt mir ein: Hast du deinen Hogwartsbrief schon bekommen?“

Xenophilius blinzelte ihn nur im ersten Moment irritiert an.

„Bedaure, ich fürchte nicht.“ In seinen Augen glitzerte noch immer die Frage nach den zwei Äxten. „Aber ich erwarte ohnehin keine interessanten Neuigkeiten. Immerhin - niemand wird mich zum Quidditchkapitän von Slytherin machen. Und du?“

Nein. Niemand, der noch alle Quaffel beisammen hatte, würde ihn zum Quidditchkapitän ernennen. Nicht einmal zu dem seines eigenen Hauses. Doch bevor Lucius das mit einem spitzen Seitenhieb - oder überhaupt mit irgendwas - kommentieren konnte, legte Xenophilius ihm den Zeigefinger auf die Lippen. Viel zu deutlich spürte er die Schwielen auf seiner Fingerkuppe.

„Nein, schon gut! Sag nichts! Ich weiß es!“, verkündete Xenophilius. Seine Hand senkte er dabei nicht. In seinen Augen spiegelte sich das Licht des Kerzenständers, aber vielleicht war das auch der Wahn. „Du willst wissen, ob Dumbledore wirklich einfältig genug war, dich zum Schulsprecher zu ernennen! Korrekt?“

Lucius kniff die Augenbrauen zusammen. Einen Augenblick lang überlegte er, nach Xenophilius’ Arm zu fassen und ihn auf die Distanz zu verweisen, die für Hogwartsschüler in seiner Position schicklich war. Statt dem Impuls zu folgen, ballte er die Hand zur Faust, nur um sie wieder zu öffnen. Er zwang seinen Blick von dem Finger zurück zu Xenophilius’ Lächeln und dem Funkeln in seinen Augen.

„Ich bestreite nicht, dass Dumbledore einfältig ist. Allerdings ist es nicht einfältig, mich zum Schulsprecher zu ernennen.“ Bei jedem Wort strichen seine Lippen über die Narbe unterhalb der Schwielen. Jede Berührung sandte ein feines Kribbeln über seine Haut; erinnerte ihn an den gleichen Finger an anderen Orten. Lucius ignorierte es. „Ich bin seit zwei Jahren Vertrauensschüler von Slytherin. Und einer der Besten, die Hogwarts je hatte, möchte ich anmerken. Es wäre ein Fehler, mich nicht zu wählen.“

„Oh“, antwortete Xenophilius ihm. Als er weitersprach, schwang eine trügerische Unschuld in seiner Stimme mit. „Oh, ja. Richtig. Verzeih mir. Natürlich hast du recht. Dein Vater könnte sich beschweren. Aber - ganz unter uns ...“ Xenophilius lehnte sich vor, so weit, dass seine Nasenspitze beinahe die von Lucius berührte. In jedem seiner Worte, die er viel zu laut flüsterte, klang die gleiche Begeisterung, mit der er ihm sonst seine liebsten Bücher aus der Verbotenen Abteilung vorstellte. „Wäre ich Albus Dumbledore, ich würde Rabastan zum Schulsprecher ernennen.“

„Rab- Lestrange“, antwortete er tonlos. Das feine Kribbeln war einem sanften Druck und dem Bedürfnis gewichen, sich des Fingers auf Pfauenart zu entledigen. „Lestrange. Wirklich. Oh, vielen Dank, Xeno.“

Xenophilius überhörte das Grollen in seiner Stimme.

„Oh, habe ich etwas falsches gesagt? Es hat wieder mit dieser sozialen Kompetenz zu tun, oder? Ich weiß ja, dein Ego mag nicht mit ihm verglichen werden. Ich hätte es nicht aussprechen sollen. Aber ich habe halt recht.“

Hatte er nicht, doch die Chancen, eine richtige Antwort aus Xenophilius herauszubekommen, lagen immer bei fünfzig Prozent. Die ersten Fünfzig waren brillant - die übrigen Fünfzig bestanden aus Mythen, Verschwörungstheorien und einer gehörigen Portion Schwachsinn. Normalerweise mochte Lucius diese Mischung - aber normalerweise erwischte er zumindest bei den wichtigen Fragen auch immer die ersten fünfzig Prozent. Heute war offenbar nicht immer.

„Warum ausgerechnet Lestrange?“, erwiderte er pikiert. „Der füttert mitten in der Nacht herumstreunende Katzen im Glockenhof.“

„Tut er. Er sterilisiert sie auch. Ohne ihn würden wir jedes Frühjahr von einer Flut aus Kätzchen überschwemmt werden.“ Die Art, mit der er die Worte sang, klang für Lucius’ Geschmack viel zu sehr nach Anerkennung. Anerkennung für satte, zufriedene, sterilisierte Katzen. Und Eulen. Und möglicherweise sogar Kröten. Das Bedürfnis, in den Finger vor sich zu beißen, wurde größer. Sein Gegenüber jedoch sprach unbeirrt weiter.

„Jetzt schau nicht so“, antwortete Xenophilius und stupste ihm bei jedem Wort gegen die Unterlippe. „Es sind rein schulpolitische Beweggründe, die mich zu dieser Annahme bewegen.“

Lucius schnaubte, den Blick starr auf die dünne Narbe unter seinem Auge gerichtet, die Xenophilius einem waghalsigen Experiment und Lucius den Nifflern des Pflege-magischer-Geschöpfe-Kurses zuschrieb. Er leckte sich über die Lippen. Seine Zunge strich über Xenophilius’ Fingerkuppe, schmeckte Salz und halbgebraute Zaubertränke.

„Du spekulierst darauf, dass ich mich auf ihn stürzen werde, wenn er Schulsprecher wird.“

Xenophilius nickte knapp, ohne den Blickkontakt zu brechen.

„Natürlich. Ihr würdet einander die Augen auspicken wie zwei streitlustige Pfaue. Zweifellos würdet euch gegenseitig in Schach halten. Und mit etwas Glück könnte ich etwaige Überreste der Schule verweisen, ohne, dass es auffällt. Aber das ist selbstredend nur eine Vermutung.“

Nur eine Vermutung. Pah. Nur eine Vermutung ihn mal am Pfauenhintern. Lucius schnaubte.

„Es verwundert mich immer wieder, wie perfide du sein kannst, mein Lieber.“

„Tut es das denn noch?“, fragte Xenophilius, ohne auch nur einen Hauch von Spott in der Stimme. „Ich dachte immer, es gefällt dir.“

„Das tut es“, gab Lucius zu. Er tat es vor allem, weil er immer noch den Finger auf seinen Lippen spürte. Und das Kribbeln, das er auslöste. „Aber nur dann, wenn du nicht gerade vorschlägst, mich zur Nummer Zwei zu degradieren. Also? Warum Lestrange und nicht ich? Es würde in beide Richtungen funktionieren.“

Für einen Moment schwieg sein Begleiter. Sachte, Beinahe entschuldigend, strich sein Finger über Lucius’ Unterlippe. Schließlich seufzte er.

„Das ist etwas dran. Allerdings hat er kein Geschwader hexwütiger Slytherins in der Hinterhand. Und, machen wir uns nichts vor, im direkten Vergleich ist er der Gefährlichere von euch beiden.“

„Entschuldige?!“

Hätte die Distanz zwischen ihnen ausgereicht, Lucius hätte die Arme vor der Brust verschränkt. So beschränkte er sich darauf, die Lippen zusammenzupressen.

Xenophilius’ Finger glitt von seiner Lippe, sein Kinn entlang und über die dürren, blonden Bartstoppeln, derer er noch nicht Herr war. Flüchtig brach der Hauptkontakt ab, dann fanden Xenophilius’ Finger den Kragen seines Hemdes und die Haut darunter. Einen Augenblick lang verweilte seine Hand dort, fuhr schließlich über sein Jackett und verharrte dort zwischen ihnen.

„Du“, Xenophilius stieß ihm den Zeigefinger gegen die Brust. Die Berührung war kräftig genug, dass Lucius seinen Nagel durch den Stoff spürte. „Du strebst nach Macht und Einfluss. Gold. Einen Posten im Ministerium, mit dem du möglichst viele Magier mit möglichst wenig Aufwand herumkommandieren kannst. Der Status Quo unserer Gesellschaft tangiert dich nur peripher. Rabastan hingegen? Der ist ein Revolutionär. Noch dazu einer, der weder in Dumbledores Agenda passt, noch Gryffindor genug ist, um sich von ihm vor den Karren spannen zu lassen. Und, verstehe mich bitte nicht falsch, er ist schon sehr Gryffindor.“

Lucius starrte auf die Hand zwischen ihnen.

„Es geht mir nicht um Gold und Einfluss-“

Xenophilius ignorierte seinen Protest.

„Wenn es dich beruhigt-“ Der Druck von seiner Brust verschwand. Lucius sah Xenophilius’ Hand noch an sich hinab gleiten, dann war er plötzlich nah. Zu nah. So nah, dass Lucius das Bier riechen konnte, mit dem der Andere sich die Haare wusch. Viel zu nah, um noch irgendeine Hand zu sehen. Xenophilius’ Schulter stieß gegen seine, sein Arm schlang sich um seine Taille. Lucius spürte den Atem des Anderen auf seiner Haut. Sachte stieß seine Nasenspitze gegen Lucius’ Ohr. „Ich bin gefährlicher als ihr beide zusammen.“

Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. Ein Raunen, das in seinem Ohr kitzelte und ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Lucius spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Nicht aus Angst. Natürlich nicht. Xenophilius mochte von den ausgetretenen Wanderstiefeln bis hoch zu den blonden, strohigen Haaren in seinen schwarzmagischen Projekten versumpfen - er war Forscher, kein Ausübender. Es war die Erwartung - und das leise Glockengeläut des Kerzenladens, mit dem die Hexe von vorhin ihn an ihre Existenz erinnerte. Und an den längst nicht mehr schicklichen Abstand zwischen ihnen.

Lucius trat einen halben Schritt zurück, doch der Griff um seine Taille glich dem einer Teufelsschlinge. Er atmete durch.

„Woran machst du das jetzt fest?“, flüsterte er zurück.

„Ich weiß nicht. Sag du es mir.“

Beinahe auffordernd stieß Xenophilius’ Nase erneut gegen sein Ohr. Suggestiv, wie der Ravenclaw es sicher wieder genannt hätte, hätte er gesprochen, statt nur gegen seine Wange zu atmen. Lucius schloss die Augen, um nicht zu sehen, was kommen würde - vielleicht sah es die Hexe dann auch nicht - und hielt die Luft an.

Die Berührung - Lippen auf Haut, auf Ohr, Wange, Nase, Zähne auf Haut - blieb aus.

Statt das Xenophilius ihm noch näher kam, lockerte sich sein Griff um seine Hüfte.

Lucius öffnete die Augen, gerade weit genug, um die dummen Ideen sehen zu können, die im Blick des anderen flackerten. Wenn sie flackerten. Doch noch, bevor er irgendeine Idee hätte sehen können, spürte er sie bereits.

An seinem Hintern.

Erst strichen Xenophilius’ Finger nur über den Stoff seiner Seidenhose. Gemächlich zogen sie die Konturen seiner Hüfte nach. Die Berührung war so sachte, dass er sie kaum erahnen konnte. Dennoch war er sich jedem berührten Flecken Haut bewusst, als stünden sie gemeinsam in Flammen.

Lucius öffnete den Mund.

Noch bevor er etwas hätte sagen können, packte Xenophilius zu.

Seine Finger schlossen sich um sein Gesäß, fest genug, um blaue Flecken zu hinterlassen. Die Hitze, die unter seiner Haut brannte, schlug augenblicklich um. Heiße und kalte Schauer sprühten zeitgleich hinab in die Oberschenkel und seine Wirbelsäule hinauf bis in den Nacken.

„Nicht-“, Lucius schloss die Augen, nur für einen Moment. „Was tust du da?“

„Oh, ich glaube, das weißt du sehr genau.“

Das tat er in der Tat. Xenophilius zeichnete mit seinem kleinen Finger mittlerweile Kreise in den Stoff seiner Hose. Auch diese Berührung prickelte mehr auf seiner Haut, als der Anstand gebot.

„Hör auf damit.“

Seine Stimme klang heiserer, als sie es hätte tun sollen.

„Bist du dir sicher?“

Da war dieser spielende Unterton, der Lucius daran zweifeln ließ, ob Xenophilius tatsächlich so wenig Sozialkompetenz besaß, wie er ihm normalerweise zugestand. Dennoch - die Bewegungen stoppten. Xenophilius’ Hand löste sich von seinem Gesäß, bis er die Berührung kaum noch spürte. Selbst seine Nase rückte einen Zoll von seinem Ohr ab.

Xenophilius seufzte schwer, in dem gleichen Tonfall, den Lucius sonst immer für ihn reservierte.

„Und hier stehe ich und dachte, dir würde es gefallen, wenn ich die Initiative ergreife.“

„Ich.“ Das Gefühl der Finger, die durch den Stoff nach ihm griffen, brannte noch immer über seine Haut. „Ich sage nicht, dass ich es für gewöhnlich nicht tue. Aber nicht, wenn es jemand sehen kann.“

Sein Gegenüber antwortete ihm mit einem Lächeln.

„Es kann aber niemand sehen“, flötete er, „nicht, solang du diesen glitzernden Vorhang hier nicht beiseite ziehst.“

Als hätte es irgendeiner weiteren Erklärung bedurft, zupfte Xenophilius an dem Seidenumhang, den Lucius über seine Schultern drapiert hatte. Der Stoff fiel in silbernen, schimmernden Wellen bis hinab zu seinen Waden und flatterte so sehr in der Bewegung, dass er ganz sicher nichts verbarg.

Lucius schnaubte.

„Xenophilius!“

Sein Begleiter schnaubte zurück.

Xenophilius! mich nicht, Lucius. Die alte Hexe, um die du dir solche Sorgen machst, ist zu sehr mit ihren Kerzen beschäftigt, um sich mit deinem silbernen Gesäß zu befassen. Die beiden Magier vor E.L.M and Wizards haben sicher ganz andere Sorgen, Mr. Burke Jr. ist gerade in seinem Lager verschwunden und Rosier wirst du schneller verhexen, als er den Mund aufbekommt, selbst wenn er etwas sehen sollte. Was ich nicht glaube, weil ich denke, dass er sich vor seiner Mutter versteckt. Siehst du? Ich passe auf.“

Statt zu antworten, blickte Lucius nur die Straße hinab. Rosier hatte er nicht einmal bemerkt. Verdammt.

Xenophilius indes strich zog den Seidenumhang glatt.

„Nun?“

„Manchmal frage ich mich, warum ich mich überhaupt auf dich einlasse.“

„Weil wir beide wissen, dass du das hier“, er strich mit einem Finger über Lucius’ Hose, sachte, so dass jede Berührung durch den Umhang verborgen blieb „nicht mehr bekommen wirst, sobald du in die Besenkammer der Ehe einfliegst. Machen wir uns nichts vor - die Kandidaten, die deinem Vater als standesgemäße Partien vorschweben, sind entweder stille Mädchen, die springen werden, wenn du pickst, oder Blacks. Und in letzterem Fall wirst du betteln müssen, um überhaupt zum Stich zu kommen.“

„Ich werde nicht betteln.“

„Siehst du? Das ist dein Problem.“ Xenophilius schenkte ihm ein unschuldiges Lächeln. „Also? Habe ich dich überzeugt oder soll ich dich in die Seitengasse dort drüben ziehen?“

„In die-“ Der Instinkt, sich umzudrehen, war da, doch Xenophilius’ Hand war es auch. Also keine unnötige Bewegung. Schon gar keine, die seinen Umhang in Schwingung versetzte. „Igitt.“

Xenophilius lachte.

„Igitt? Komm, sie ist sauber. Also so sauber, wie eine Gasse halt sein kann, wenn sie die Mülltonnen vor den Zugang stellen. Aber wenn es dir lieber ist, können wir auch in den Mocking Herald gehen.“

„In den Herald? Hast du- Oh. Nein. Nein, nein, nein, nein.“ Lucius schluckte. Es gab zwei betretbare Schankhäuser in der Nokturngasse - wenn man mit der Klientel umzugehen wusste. Im White Wyvern vertickten sie Hehlerware und wenn man nicht aufpasste, schoben sie einem irgendwelche Zaubersubstanzen unter, aber das Lamm war vorzüglich. Und der Herald ... der hatte seinen ganz eigenen Ruf. „Nein.“

„Warum nicht?“, säuselte Xenophilius, die Stimme voller Unschuld und dreckiger Versprechen.

„Ich werde uns kein Zimmer mieten!“

„Ich dachte eigentlich auch eher das Ehrenloch, mein Lieber.“

„Ich werde uns auch kein Ehrenloch mieten!“

Wieder lachte Xenophilius und dieses Mal war sich Lucius sicher, ihm auf den Leim gegangen zu sein.

„Das musst du nicht mieten“, verkündete er und tätschelte sein Gesäß. „Es ist ein Loch in der Trennwand zwischen zwei Toilettenkabinen. Auf angemessener Höhe, versteht sich. Erst betritt der eine die eine Kabine, dann der andere die andere und ... Hach. Ich bin mir sicher, du bist nicht halb so prüde, wie du sein müsstest, um dir den Rest nicht ausmalen zu können.“

Lucius antwortete mit Schweigen und einer hochgezogenen Augenbraue.

„Ich habe mal meine Hand hindurch gestreckt, da war ich sieben.“

Er schloss die Augen.

„Zu viele Informationen, Xeno.“

„Oh, tut mir leid.“

„Tut es nicht“, antwortete Lucius trocken. „Und ich sage es ungern, aber ich werde mein bestes Stück sicher nicht durch ein Loch in irgendeiner Toilettenwand stecken.“

„Oh, das ist schade.“

Das war es vielleicht - für Xenophilius. Doch wo Xenophilius an Unterhaltung dachte, dachte Lucius an Holzsplitter. Er warf seinem Begleiter einen Blick zu. Neben ihm wirkte Xenophilius ernsthaft zerknirscht. Den Blick gesenkt, starrte er auf die Auslage von Borgin & Burkes.

Lucius seufzte schwer.

„Ich werde es nicht tun“, wiederholte er mit dem nötigen Nachdruck. Sanfter, und mit dem Wissen, dass er es noch bereuen würde, fügte er hinzu: „Aber wir könnten zumindest etwas essen gehen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Mission: Das erste Mal in "Borgin and Burkes" (als Jugendliche)

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lepakka
2019-11-08T10:11:07+00:00 08.11.2019 11:11
Ich bin nur zufällig auf dieses Pairing gestoßen, weil ich nach Stories mit Lucius gesucht habe und bin voll von den Socken :D das ist so klasse und intensiv geschrieben, dass ich sehr sehr sehr gerne mehr davon lesen würde. Deine (für Fanfics) ungewöhnliche Wortwahl hat mich sehr beeindruckt.
Die beiden werden gleich mal zum neuen Lieblingspairing ernannt :D dankef
Antwort von: Arcturus
08.11.2019 17:29
Hey,

danke für deinen Kommentar. :)
Die beiden haben mich auch geflasht. Sie passen erschreckend gut zueinander, womit ich so auch nicht gerechnet hätte.

lG
Arc
Von:  YouLi
2019-01-09T07:50:17+00:00 09.01.2019 08:50
Oh mein Gott, ich hab mich so gefreut! Das kam total überraschend *_*
Erstmal vielen, vielen Dank für die tolle Story! Das Pairing ist echt toll geworden, Xenophilius und Lucius als Jugendliche!
So wie ich mir die beiden vorgestellt habe! Und Xenophilius hat es ja echt faustdick hinter den Ohren, hehehe :3
Mir gefallen die beiden zusammen und ihre Konversation richtig gut!
Aber sie haben es nichtmal ins Burgin und Burkes geschafft, hahaha xD
Auch die Beschreibung der Winkelgasse und ihres Hogwartslebens ist sehr realistisch, besonders Lucius' Rivalität zu Rabastan fand ich sehr interessant.
Ach, ich würde ehrlich gesagt sehr gern mehr in dieser Richtung lesen, wie Lucius z.B. tatsächlich immer mehr Tom Riddles Einfluss gerät und Xenophilius anfängt immer kritischer zu denken.
Da ist noch so viel Potential zwischen den beiden.

Mission: accomplished <3

Antwort von: Arcturus
09.01.2019 20:36
Gern geschehen. Ich habe mich über den Vorschlag ja auch gefreut. :D

Und nein, sie haben es nicht in den Laden geschafft und auch nicht zum Spaßhaben in das Kabinett, was da herumsteht. (Vielleicht zum Glück. x'D)

Danke für deinen Kommentar. ♥
Von:  MorganMidnight
2019-01-02T17:54:49+00:00 02.01.2019 18:54
Ein wirklich ungewöhnliches Pairing! !!!!!!!!!
Ja Xeno kann schon unberechenbar sein und ich denke das macht ihn so gefährlich! !!!!
Und das er das mit den Horkruxen einfach so anspricht!!!!!
Super Kapitel!!!!!!
Antwort von: Arcturus
02.01.2019 19:46
Hey, danke für deinen Kommentar.
Und ja, genau das macht ihn so gefährlich. :D


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