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Fern der Heimat

von

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Yarik

Yarik schleppte sich durch den Schnee. Er konnte immer noch den Wolf sehen, der sich in Nastjas Kehle verbiss, hörte ihren ersterbenden Schrei und sah das Blut in ihren grauen Umhang sickern.

Er blinzelte mehrfach und zwang sich weiterzugehen.

 

Er wusste, er hatte ihr nicht helfen können, so wie er auch Mila nicht hatte helfen können. Der Angriff war aus dem Nichts gekommen, hatte ihren Schlitten getroffen und er hatte Glück gehabt, dass er nicht genau wie die Stürmerin von dem Gefährt zerquetscht worden war. Dann hatten sie die Drüskelle kommen gehört und waren geflohen. Hinein in den verdammten Schneesturm, der ihre Flucht behindert und ihn so sehr durchnässt hatte, dass er einfach keine Flamme mehr entzündet bekam.

Wütend starrte er auf seinen Mantel hinab. Der graue Stoff war klatschnass und schwer. Trotzdem wagte er nicht, ihn abzulegen oder auch nur eine Hand aus der Tasche zu ziehen. Seine Finger schmerzten vor Kälte, jeder Schritt tat ihm weh und doch wusste er, er durfte nicht stehenbleiben.

Stehenzubleiben bedeutete den Tod.

Er würde erfrieren, oder sie würden ihn finden. Wenn nicht die Drüskelle, dann ihre Wölfe. Unsichtbare Jäger, die ihn töten würden, so wie sie Nastja getötet hatten.

 

Yarik schüttelte den Kopf. Die Heilerin war mutig gewesen, hatte sich dem Biest tapfer entgegengestellt und das, obwohl sie sicher gewusst hatte, dass die Fähigkeiten der Koporalki nicht auf Tiere angewendet werden konnten.

Einen Moment lang dachte er an ihr lächelndes Gesicht. Sie hatte es genossen Schneebälle nach ihm und Mila zu werfen, wann immer sie weit genug von allen feindlichen Siedlungen entfernt gewesen waren, um unbeobachtet dabei zu sein. Kurz glaubte er, die vertraute Kälte in seinem Nacken zu spüren, dann wurde ihm klar, dass das vermutlich sogar stimmte. Der Schnee aus seinen Haaren bröckelte langsam in seinen Kragen hinein und brachte ihn noch stärker zum Zittern.

 

Er musste einen Unterschlupf finden. Einen Ort, an dem er sich verstecken, den Sturm abwarten und trocknen konnte. Eine Höhle oder ein altes Haus. Irgendwas mit einem Dach ...

 

Yarik starrte in das unaufhörliche Weiß vor sich. Es sah nicht so aus, als würde er demnächst etwas mit einem Dach finden. Da war nur Schnee und noch mehr Schnee und natürlich der Schnee, der unaufhörlich vom weißgrauen Himmel fiel.

 

Er seufzte tonlos.

 

Es sah nicht gut aus für ihn. Er fror erbärmlich und es war ihm schier unmöglich, zu sagen, wohin er eigentlich lief. Vielleicht bewegte er sich sogar im Kreis. Dann dauerte es vielleicht noch eine Meile oder zwei und er würde wieder vor ihrem zerstörten Schlitten stehen. Vielleicht lief er auch mitten in die Drüskelle hinein oder in den Wolf, der immer noch damit beschäftigt war, sich durch Nastjas schöne, warme Innereien zu fressen. Yarik kam spontan die Galle hoch. Er musste aufhören, daran zu denken. Zumindest für den Augenblick. Er brauchte einen Plan. Einen Ausweg. Irgendwas das dafür sorgte, dass Nastjas Opfer nicht umsonst gewesen war.

 

Doch seine Gedanken waren schrecklich träge. Seine Zähne klapperten und wann immer er die Augen schloss, sah er Nastja vor sich, die unter dem Gewicht des Wolfes zusammenbrach. Seine Beine wollten nicht mehr gehorchen, bunte Flecken tanzten vor seinen Augen.

 

Und ihm war kalt.

So kalt.



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