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Zauberstunden & Zimtkaffee

15. Türchen
von

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Zauberstunden & Zimtkaffee

„Hier.“ Kyra stellte die kleine Flasche auf den Schreibtisch. „Wasser. Frisch aus der Quelle. Ich hoffe, es war die richtige.“ Sie kam nicht umher, ihre Frustration aus der Stimme durchklingen zu lassen. Sie hatte das ganze verdammte Wochenende damit verbracht, durch das Gebirge zu irren. Dabei kannten die Werwölfe es doch verdammt noch mal besser, als sie es tat. Mal davon abgesehen, dass sie sich langsam verarscht fühlte mit diesen „Aufträgen“. Wollten sie sie nur nerven?

Thia seufzte und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen. „Danke. Wir werden sehen.“ Sie presste die Lippen zusammen. „Solltest du das nicht eigentlich bestimmen können?“

Kyra schnaufte. So eine Fangfrage. Dazu durfte sie doch nichts sagen. Sie zuckte mit den Schultern. „Verschiedene Magierinnen, verschiedene Begabungen.“

„Verstehe“, erwiderte Thia und ließ das Fläschchen in ihre Jackentasche gleiten. „Weißt du, es tut mir leid, dass es nur diese komischen Jobs sind. Es ist nur … Nun, die Ältesten haben bestimmte Anforderungen und du nimmst uns damit Arbeit ab, okay? Also danke.“

Anstatt zu Antworten verschränkte Kyra die Arme. Sie wollte ihre Frustration nicht an Thia auslassen. Alles in allem wirkte die Werwölfin ja okay. Außerdem schuldete Kyra ihr was. Dennoch war das ganze ihr langsam zu bunt. Sie arbeitete seit einem Monat für die Werwölfe und erst hatte man sie nach einem Blatt suchen lassen und jetzt nach Tropfen aus einer Quelle, die im Licht des aufgehenden Polarsterns geschöpft waren. Wozu auch immer. So ganz verstand sie dieses ganze Mumbojumbo nicht wirklich.

„Ich werde zusehen, dass niemand auf die Idee kommt, dich über Weihnachten mit irgendetwas loszuschicken“, meinte Thia vorsichtig. „Ich kann nichts versprechen, aber ich bemühe mich, ja?“

Seufzend nickte Kyra. „Danke.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute Thia dann an. „Wirklich. Danke.“

Thia lächelte matt. „Was machst du, Weihnachten meine ich?“

Versuchte sie gerade so etwas wie Smalltalk?

„Ich fahre zu meinen Eltern“, meinte Kyra. Da würde sie ja auch nicht drum herum kommen. Sie drückte sich vor Besuchen bei den Eltern ohnehin zu häufig, wenn sie bedachte, dass diese nur eine halbe Stunde entfernt lebten und sie technisch gesehen alle paar Tage nur ein paar Straßen vom Elternhaus entfernt Magie übte.

„Ah, verstehe.“

„Und du?“

„Ich feier erst die Sonnenwende“, erwiderte Thia. „Ansonsten … feier ich mit meiner Familie über die eigentlichen Feiertage.“ Sie stand auf. „Ich wünsche dir schon einmal schöne Weihnachten, wenn wir uns vorher nicht mehr sehen.“

Kyra zuckte mit den Schultern und stand ebenfalls auf, um Thia hinauszubegleiten. „Danke.“ Sie folgte ihr zur Garderobe und hielt die Wohnungstür für Thia auf. „Ebenso.“

Auch wenn Thia nett war, so war Kyra froh, wenn sie ging.

Kaum, dass die Wohnungstür sich hinter Thia schloss, erklang ein Winseln aus dem Schlafzimmer und Watson öffnete die Tür. Der gut genährte Bernersennen spähte vorsichtig – sehr vorsichtig – in den Flur.

„Die Werwölfin ist weg“, meinte Kyra und ging zu ihm hinüber. Ob er sich je an die Werwölfe gewöhnen würde? Jedenfalls zog er es erst einmal vor, sich zu verstecken, sobald er auch nur ahnte, dass einer von ihnen herkam.

Vorsichtig strich Kyra durch sein langes Fell, ehe sie ihr Handy herausholte und auf die Uhr sah. Es war bereits nach zwei. „Wir sollten eh los“, meinte sie zu Watson. „Die Innenstadt ist eh zu voll.“

Watson schnaubte und watschelte zur Garderobe hinüber und wartete auf sie, als sie sich die Jacke überzog. Es war ihre zweite Zauberstunde diese Woche. Zauberstunde, Magiertraining oder um es akkurater zu beschreiben: Eine Geduldsprobe. Doch immerhin eine, die versprach, irgendwann eine coole Belohnung mit sich zu bringen. Immerhin: Was sie bisher hinbekommen hatte, war an sich interessant – selbst wenn sie eine Übung mit Feuerbällen bevorzugt hätte. Das oder fliegen.

Dennoch saß sie keine zehn Minuten später in ihrem hellblauen klapprigen CMG, um nach Livingston rüberzufahren. Sie war die halbe Fahrt damit beschäftigt, ihr Gewissen zu beruhigen. Sicher: Ihre Eltern würden sich in Livingston, wenn sie schon einmal da war, auch über einen Besuch freuen, doch die würden sie ja über Weihnachten lang genug sehen. Kein Grund also, sich damit zu belasten. Ein wenig brannte das miese Gewissen dennoch in ihrer Magengegend.

Die andere Hälfte verbrachte sie damit, den Wagen zu verfluchen, da die Heizung immer wieder ausfiel und sie an den überraschend eisigen Winter zu erinnern. Es hatte schon Anfang November angefangen zu schneien und wirklich geschmolzen war der Schnee zwischendrin nicht. Die Temperaturen waren selten über drei Grad Celsius gestiegen. Zu kalt, für Kyras Geschmack. Umso mehr, da Watson immerhin zwei, drei Mal am Tag herauswollte und es sich Maria in den Kopf gesetzt hatte, sie immer wieder mit auf ihre Wanderungen zu zerren. Nun, und weil die Wagenheizung eben nicht wirklich funktionierte.

So kam sie durchgefroren in Livingston vor dem weißen Reihenhaus am südlichen Ende des Edinburgher Vororts an. Sie bibberte, als sie klingelte, wurde aber kurz darauf von dem breit lächelnden Gesicht ihrer Mentorin begrüßt.

Luna Sterling war einen halben Kopf größer als Kyra und war wohl einer der hübschesten Menschen, die Kyra kannte – etwas, das Konzentrationsübungen nicht immer leichter machte. Lunas Haar war lang, seidend und schwarz. Ihre Gesichtszüge waren asiatisch. Ihr Körperbau sehr schlank und irgendwie elegant, selbst wenn sie wie heute einen Strickpulli und eine Art Jogginghose trug. „Da bist du ja, meine süße Schülerin“, flötete sie.

Kyra senkte den Blick, während Watson sich schon an Luna vorbei in die Wohnung senkte. „Bin ich zu spät?“

„Nein. Noch nicht“, erwiderte Luna. „Gerade so nicht.“ Sie zwinkerte und trat zur Seite, um Kyra einzulassen.

Einmal im Haus schlug ein angenehmer Geruch Kyra entgegen. Der Geruch von Tanne und Gewürzen. Ein äußert, äußerst weihnachtlicher Geruch. Sie schnüffelte, während sie aus ihrer Jacke schlüpfte und diese auf der Garderobe unter der Treppe aufhing. Als sie ins Wohnzimmer kam, fand sie hier nicht nur einige weihnachtlichen Zierden, sondern auch einen brennenden Kamin. Ohne groß darüber nachzudenken, trat sie näher und hielt ihre ausgekühlten Finger vor das Feuer. Was hätte sie nicht selbst für einen eigenen Kamin gegeben?

Luna trat hinter sie. „Ich sehe, du geniest das Feuer.“

„Die Heizung im Wagen ging nicht richtig“, erklärte Kyra und rieb sich die Finger. „Es war eisig.“

„Es ist ein kalter Winter“, bestätigte Luna. „Wer weiß, was die Wintergeister dadraußen treiben.“

„Wintergeister?“

„Aber natürlich. Davon solltest du doch lange gehört haben.“ Luna legte eine Hand auf Kyras Schulter. „Was meinst du. Magst du noch etwas essen vorher?“

Kyra zuckte mit den Schultern und schaute in Richtung der Küche, aus der ein Bellen erklang. „Ich würde lieber erst arbeiten und mir danach leid tun. Aber ich glaube Watson nimmt das Essensangebot gerne an.“

„Glaubst du?“ Auch Luna schaute in Richtung der Küche. „Ich fürchte irgendwie, dass dein Hund so nicht abnehmen wird.“

„Vielleicht sollten wir mit ihm noch einmal in den Trossachs. Da rennt er zumindest richtig“, murmelte Kyra.

Trotz aller Sorgen um Watsons Gewicht, bekam er einige Leckerlis, selbst wenn nur, um dafür zu sorgen, dass er sie beim Unterricht nicht störte. Denn ein hungriger oder viel eher fressgieriger Hund war auch ein lauter Hund. Jedenfalls galt dies bei Watson.

Während er also später auf dem Sofa lag, nahm Luna einen Holzscheit von neben dem Kamin. „Ich dachte, wir probieren es heute mit etwas Feuermagie.“

„Das heißt, ich darf Feuerbälle werfen?“, fragte Kyra.

„Nein. Das heißt, du darfst lernen, Feuer zu kontrollieren, indem du dich konzentrierst.“

Ein Seufzen entglitt Kyra. So etwas hatte sie befürchtet. Dabei fiel ihr die Konzentration eigentlich immer wieder so schwer. Es ging nie besonders lange gut. Sie war damit nie gut gewesen, selbst wenn sie ja verstand, dass es für die Magie wichtig war. Immerhin galt dafür, dass ein Fehler, ein kurzer Moment der Unachtsamkeit richtig gefährlich sein konnte. Ein wenig wie Autofahren in Actionfilmen.

„Ich kann dir noch etwas Tee geben.“ Luna hielt inne.

„Dann lerne ich es ja nie ohne, oder?“

Luna schürzte ihre Lippen und musterte sie für sicher zwei, drei Sekunden. „Nun, vielleicht solltest du auch einfach täglich Tee trinken.“

„Magischen Tee?“

„Ich sage nur, es wäre eine Option.“

Kyra schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass Luna den grünen Tee, den sie ihr servierte, irgendwie verzaubert hatte. Luna hatte ihr auch soviel gesagt. Es half ihr, die Konzentration leichter zu halten, verhinderte damit die Kopfschmerzen. Aber auf Dauer war es ja auch keine Lösung.

Für einen Moment hielt Luna inne. Dann aber reichte sie ihr den Scheit Holz. „Du kannst den kleiner machen, oder?“

„Natürlich.“ Zumindest das fiel Kyra erstaunlich leicht. Holz in allen Formen zu manipulieren war beinahe intuitiv für sie. Schon umschlossen ihre Finger den Scheit, während sie sich auf das Konzept konzentrierte den Scheit entlang der Fasern in vier Stücke zu teilen, um ihn so handlicher zu machen. Sie leitete Energie in dieses Konzept und spürte, wie sich das Holz entsprechend löste, ehe sie die Augen öffnete und vier etwa gleich große Teile in der Hand hielt.

„Das kannst du wirklich ausgezeichnet.“ Luna nahm ihr drei der Stücke ab.

„Wenigstens eine Sache“, murmelte Kyra und ahnte nicht, wie sehr sie damit Recht behalten sollte.

 

Viel von der Magie, die Luna ihr soweit gezeigt hatte – sie hatte immerhin erst sieben Stunden gehabt – hatten sich um Elementarmagie der einen oder anderen Art gedreht. Es hatte sie zu dem Ergebnis gebracht, dass Holzkontrolle, wie die Kontrolle von Pflanzen allgemein ihr allgemein leicht fiel. Das machte sie zu einer geborenen Heilerin, hatten Luna und deren Schwester Lilly festgestellt. Nicht zwangsläufig das, was sich Kyra ausgesucht hätte. Auch Wasser funktionierte ganz gut, weshalb Luna sie bisher am meisten hatte damit übel lassen. Feuer an diesem Tag jedoch war eine ganz andere Sache.

Es brauchte schon viel Kontrolle und viel dieser seltsamen Energie, die Kyra in ihrem eigenen Körper spüren konnte, seit sie mit der Magie begonnen hatte, um eine kleine Flamme am Ende des Stabs entstehen zu lassen. So fingen die Kopfschmerzen bereits an.

Es brauchte zwei Anläufe, bis wirklich eine kleine Flamme entstand.

„Jetzt sorg dafür, dass die Flamme nicht das Holz verbrennt“, wies Luna sie an.

„Und wie soll ich das machen?“

„Nun, du bist die Magierin. Denk dir etwas aus.“ Luna ging zum Wohnzimmertisch hinüber und nahm eine Zeitschrift herunter. Offenbar wollte sie lesen. Also würde es wieder eine Konzentrationsübung werden. Ja, weil Kyra darauf Lust hatte. Doch natürlich war die Frage genau so wenig hier danach, was sie lernen wollte, wie es in der Schule gewesen war. Ein Feuerball wäre wirklich cooler gewesen.

Ihr erster Versuch war, zu ihren Stärken zu spielen. Sie wollte das Holz heilen, während es verbrannte. Eine Idee, die in ihrem Kopf gut klang, jedoch viel Energie brauchte und am Ende die Flamme auf einmal erstickte.

Sie nahm den zweiten Stab und seufzte. Ihr Kopf schmerzte. Dennoch beschwor sie ein weiteres kleines Feuer und konzentrierte sich dieses Mal anders heran. Anstatt das Holz an die Flamme zu verfüttern konzentrierte sie sich darauf, die Flamme klein und mit ihrer magischen Energie am Leben zu erhalten. Wenigstens das funktionierte. Es laugte aus, doch nicht so sehr, wie der Versuch zu heilen.

Was blieb, war die Konzentration aufrecht zu erhalten. Sie hatten diese Meditationsübung miteinander gemacht, Kyra dies beizubringen. Eine Meditationsübung, die es ihr erlauben sollte, in eine Trance zu verfallen, während sie zauberte. Wenn sie es doch nur schaffen würde, das Summen der Gedanken in ihrem Gehirn zu ersticken. Denn gerade kamen viele Gedanken durch ihren Kopf, die weit interessanter waren, als die kleine Flamme.

Auch das war etwas, das sie zu schmerzlich an die Schule erinnerte.

Irgendwann – endlich – klappte Luna die Zeitschrift zu. „Ich glaube das reicht erst einmal“, meinte sie und riss Kyra aus ihren Gedanken. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass die Flamme angewachsen war.

Wann war das passiert?

Sie seufzte, erstickte die Flamme mit einem Gedanken und rieb sich die verschwitzte Stirn. „Tut mir leid“, murmelte sie und merkte erst jetzt, wie schwindelig ihr war.

„Du überanstrengst dich“, murmelte Luna und seufzte. „Du musst lernen, effektiver mit deiner Energie zu wirtschaften.“

„Ich weiß.“ Kyra zuckte mit den Schultern. „Aber … es ist halt alles nicht so leicht.“

Luna lächelte sanft. „Ich weiß.“ Sie tätschelte ihre Wange in einer übertrieben mütterlichen Geste. „Was sagst du jetzt zu etwas zu essen?“

Kyra nickte. „Gern.“

Damit ging Luna in die Küche, stellte – den Geräuschen nach – die Kaffeemaschine an und kramte dann in einem der Schränke. Etwas später brachte sie Teller hinüber, sowie eine Keksdose. Mit der zweiten Fuhre kamen ein gerolltes Brot – jedenfalls sah es so aus – und die Kaffeetassen.

Kyra bedachte das mit Puderzucker bestäubte Brot, in dem kleine dunkle Punkte, offenbar Rosinen, zu erkennen waren. Sie brauchte einen Moment, um es zu erkennen, einen weiteren, um sich an den Namen des Gebäcks zu erinnern. „Ach, das ist ein Stollen, oder?“

„Genau“, erwiderte Luna. „Nach deutschem Rezept.“

„Deutsch, eh?“ Während Watson, das Essen erschnüffelnd, zum Tisch getapst kam, wartete Kyra darauf, dass Luna ihr ein Stück abschnitt. Sie konnte sich erinnern, schon einmal Stollen gegessen zu haben, aber es musste länger her sein. Wahrscheinlich noch in der Schule.

„Ja.“ Luna legte ihr ein Stück auf den Teller. „Andrew hängt sehr daran.“

„Ah.“ Wieder einmal wusste Kyra nicht genau was sie dazu sagen sollte. „Ihr habt früher in Deutschland gelebt, oder?“

„Lilly und ich nur für eine Weile. Aber Andrew ist dort aufgewachsen.“

Schon lag Kyra eine Frage nach dem „Warum“ auf der Zunge, aber sie schaffte es, sich zu beherrschen. Eigentlich ging es sie nichts an, selbst wenn ihre Neugierde sich wie so oft in den Vordergrund zu drängen suchte. „Wie lange wart ihr da? Also Lilly und du?“

„Drei Jahre in etwa“, erwiderte Luna. „Dann sind wir hierher gezogen.“

„Verstehe.“ Während ihre Mentorin ihr etwas Kaffee einschenkte, brach Kyra eine Ecke der Stollenscheibe ab, da sie nicht wusste, wie sie es sonst essen sollte. Misstrauisch musterte sie es. Da waren Rosinen drin, aber auch irgendwelche anderen gelblichen Fruchtstücke oder so. Es roch außerdem alles ziemlich gewürzlich.

Noch immer schmerzte ihr Kopf, weshalb sie nicht sicher war, ob ein solcher Kuchen – war es überhaupt Kuchen? – die richtige Idee wäre, aber wenigstens den Zucker konnte sie wahrscheinlich gebrauchen. Also biss sie in ihr kleines Stück und kaute vorsichtig. Etwas, das einen amüsierten Blick von Luna erntete. „Es ist nicht vergiftet, weißt du?“

„Ich bin mir nicht sicher.“ Kyra grinste halb, während sie kaute. Was auch immer das für Fruchtstücke waren: Sie waren sehr zäh. Immerhin schmeckte es nicht so würzig, wie sie gedacht hatte. Eher süßlich.

„Wie ist es?“

„Ungewohnt“, erwiderte Kyra.

„Ungewohnt gut oder ungewohnt schlecht?“

„Ungewohnt.“ Kyra zuckte mit den Schultern. Sie seufzte. „Aber nicht schlecht.“

„Zumindest etwas.“

Kyra griff nach dem Kaffee und trank vorsichtig. Eigentlich war sie eher ein Teetrinker, doch wahrscheinlich hatte es einen Grund, dass Luna Tee serviert hatte. Wahrscheinlich weil die Deutschen, soweit sie wusste, ja nicht so viel Tee tranken.

„Wir müssen zusehen, was wir wegen deiner Konzentrationsproblemen machen“, meinte Luna, offenbar im Versuch das Gespräch wieder auf die Magieübung zu lenken.

„Ich wäre bei Feuerbällen sicher konzentrierter“, erwiderte Kyra und entlockte Luna damit ein leicht genervtes Seufzen.

„Solange du dich bei einfachen Übungen nicht unter Kontrolle hast, werde ich dir nicht erlauben potentiell explosive Magie zu üben, meine süße Schülerin.“

„Nicht?“

„Wir würden das Haus gerne behalten. Wir brauchen es.“

Wozu wusste Kyra noch immer nicht. „Mich wundert es, dass du es so geschmückt hast“, meinte sie, um das Thema wieder zu wechseln.

„Nun, wir sind immer mal wieder hier. Und ich mag es. Den Schmuck und so.“

„Feiert ihr eigentlich Weihnachten?“

„Eigentlich feiern wir Yule. Na ja, eine Mischung aus Yule mit einer Priese deutscher Weihnachtstraditionen. Vornehmlich für die Kinder.“

„Ah.“ Kyra presste die Lippen aufeinander. „Warum ausgerechnet Deutsche?“

„Wegen Andrew. Wie gesagt. Er ist dort aufgewachsen. Das war für ihn sein 'normales' Weihnachten.“

„Hat er dann kein Yule gefeiert?“

„Offenbar nicht.“ Luna zuckte auf eine Art mit den Schultern, die Kyra deutlich machte, dass es keine weiteren Antworten dazu gab.

Für einen Moment überlegte Kyra, was sie über Yule wusste. Es war nicht viel, selbst wenn sie mal in der Schule darüber gesprochen hatten. Sicher hätte ihr Mitbewohner ihr mehr dazu erzählen können, doch dieser war seit fast zwei Wochen verschwunden. Also seufzte sie. „Muss ich Yule feiern, wenn ich … Magierin werde?“

„Nein. Es ist keine Aufnahmebedingung“, erwiderte Luna mit einem matten Lächeln. „Letzten Endes ist es nur ein Teil des religiösen Aspektes der ganzen Sache. Was mich aber wieder dazu bringt, dass wir wirklich schauen müssen …“

„Ich weiß.“ Kyra stopfte sich ein größeres Stück des Stollens in den Mund. Sie hasste es darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass sie nicht besonders schnell darin war zu lernen. Es war immer wieder frustrierend.

Luna musterte sie für einige Sekunden. „Hör zu Kyra. Du bist wirklich begabt. Ich mache mir nur Sorgen, dass du dir mit deiner Magie selbst wehtust, verstehst du? Deswegen ist Konzentration wichtig. Und damit will ich dir helfen, weißt du?“

Ihrem Blick ausweichend, nahm Kyra das letzte Stück des Stollens und aß es. Sie seufzte. „Ich weiß es ja. Es ist nur immer wieder frustrierend.“

„Du weißt, dass du außergewöhnlich gut damit bist, ja?“

„Womit?“

„Magie. Was du soweit kannst ist für sieben Stunden wirklich außergewöhnlich.“

Kyra fixierte die Kaffeetasse vor sich. Das sagte Luna nur so. Sie kannte diese Aufmunterungsversuche ja auch gut genug.

„Wirklich Kyra. Du hast einiges Talent. Ungewöhnlich viel Talent für dein spätes Erwachen. Die Konzentration ist ein davon getrenntes Problem.“ Sie holte tief Luft, leckte sich über die Lippen und wartete, dass Kyra sie direkt ansah. „Schau. Ich denke, du hast vielleicht etwas wie eine Konzentrationsstörung. Vielleicht auch einfach in Folge der ganzen Sache letzten Monat. Ein Beinahe-Tod kann solche Folgen haben, weißt du?“

Kyra nickte matt.

„Ich meine das ernst, Kyra. Deswegen auch das Angebot. Ich könnte dauerhaft einen Zauber auf dich legen, der dir erst einmal damit hilft“, sagte Luna und klang dabei betont sanft. „Aber ich glaube nicht, dass du das unbedingt willst. Daher der Angebot mit dem Trank. Mit einem Trank, der vielleicht ein wenig hilft deine Gedanken zu beruhigen, und ein wenig mehr Meditationsübungen sollten dir diese Dinge alle ein wenig leichter fallen.“

Erst jetzt merkte Kyra, dass sie wieder angefangen hatte auf ihrer Unterlippe zu kauen. „Meinst du wirklich?“

„Ja, meine ich wirklich. Ich würde dich nicht anlügen, meine süße Schülerin.“ Luna zwinkerte ihr zu.

Kyra seufzte. Das ganze klang ein wenig zu sehr danach Drogen oder sowas einzuwerfen. Dann wiederum würde sie wegen magischer Zaubertränke wohl kaum ein Problem bekommen. „Wir können es probieren. Wobei ich erst einmal einen Zaubertrank gegen die Kopfschmerzen bevorzugen würde.“

„Ich fürchte mein üblicher Zaubertrank dafür heißt Ibuprofen“, erwiderte Luna. „Soll ich dir ein Glas Wasser dafür bringen?“

Kyra nickte matt und spähte zu der Keksdose hinüber.

Offenbar bemerkte Luna ihren Blick und öffnete die Dose. Darin waren braunliche Kekse in verschiedenen Formen, die an Tiere erinnerte, jedoch nicht nur an den Seiten geformt waren, sondern auch eine Textur hatten.

„Spekulatius“, erklärte Luna. „Aber lass mich dir erst eine Ibu holen.“

Vorsichtig nahm Kyra einen der Kekse aus der Blechdose heraus und schnüffelte daran. Diese rochen noch stärker nach Gewürzen. Zu vielen, um sie alle zu benennen. Aber irgendwie wunderte sie sowas gar nicht bei Luna. Immerhin hatten sie und Lilly auch oben im Arbeitsraum einen halben Kräuter- und Gewürzgarten.

Auch Watson hatte mittlerweile die Kekse entdeckt und hatte offenbar beschlossen, dass er lange genug brav gewesen war, um sich ein Leckerli verdient zu haben. Deshalb legte er nun seinen Kopf auf Kyras Schoß und warf dem Keks einen sehnsüchtigen Blick zu.

„Ich bin mir nicht sicher, ob das gut für dich ist“, meinte Kyra und strich Watson über den Kopf.

Er legte die Ohren an, fixierte weiter den Keks und wimmerte leise.

„Du hast sowieso genug gegessen.“

Watson war deutlich anderer Meinung, zog seine Stirn etwas hoch, um sein allerbestes Betteln zum besten zu geben.

Derweil kam Luna aus der Küche zurück und legte Kyra eine Ibu hin, ehe sie auch ein Glas Wasser dazu stellte. „Watson hat schon wieder Hunger?“

„Watson ist nur sehr gierig“, erwiderte Kyra und warf die Tablette ein.

„Er ist wirklich ein sehr eigener Hund.“ Luna schüttelte den Kopf.

Kyra nahm wieder den Keks. „Was ist darin?“

„Zimt. Nelken. Muskatnuss. Koriander. Kardamon. Wenn es das ist, was du fragst.“

„Also eine halbe Gewürzfabrik.“

Luna grinste halb. „Probier. Die sind eigentlich recht lecker. Vor allem mit Kaffee.“ Sie nahm selbst einen Keks und dippte ihn kurz im Kaffee, ehe sie hineinbiss.

Etwas misstrauisch tat Kyra es ihr nach. Das Ergebnis war ein noch immer knuspriger Keks und eine wilde Mischung unterschiedlicher Geschmäcker. Vielleicht ein wenig zu viel für sie gerade.

Watson wimmerte.

„Er ist echt beharrlich.“

„Natürlich ist er das.“ Kyra dippte die zweite Hälfte des Keks und aß ihn ebenfalls, verzog dann aber das Gesicht. „Das ist mir zumindest gerade ein wenig zu viel.“

Luna musterte sie. „Aber Plumpudding würdest du essen, eh?“

„Nicht wenn ich Kopfschmerzen habe“, murmelte Kyra.

„So schlimm?“

„Schlimm genug.“

„Dann müssen wir wirklich zusehen, dass wir eine Lösung dafür finden, oder?“

„Ja.“ Kyra seufzte. Sie hasste es darüber nachzudenken. Aber vielleicht würde das mit dem Trank ja irgendwie funktionieren.

Gedankenverlorend und versuchend, Watsons Wimmern zu ignorieren, griff sie nach ihrer noch immer halbvollen Kaffeetasse und trank einen Schluck, hielt dann aber inne.

„Was?“, fragte Luna.

Kyra schnüffelte am Kaffee, stellte ihn dann ab. „Jetzt schmeckt selbst der Kaffee nach Zimt.“

Luna ließ ein leises Lachen übrig. „Ich glaube, jetzt bist du etwas überempfindlich.“

„Weihnachten in Deutschland muss anstrengend sein“, murmelte Kyra und ignorierte damit Lunas Kommentar.

„Nur, wenn du dich dabei mit Werwölfen herumschlagen musst. Glaub mir.“ Luna leckte sich über die Lippen, als würde sie überlegen mehr dazu zu sagen. „Magst du vielleicht lieber noch ein Stück Stollen?“

„Gern“, erwiderte Kyra.

„Ich könnte dir auch eine heiße Schokolade kochen“, bot Luna an.

„Mit Zimt?“

„Ganz wie du wünscht.“

Kyra lächelte, wusste sie doch, dass es ernstgemeint war. „Dann ohne Zimt, aber mit Marshmallows.“

„Ich schaue mal, was sich zaubern lässt.“

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Taroru
2019-12-15T10:35:58+00:00 15.12.2019 11:35
also, so komme ich doch gerne aus meiner nachtschicht XD
ich hab in der beschreibung nur kyras namen gelesen, und musst jubeln XD
ich gebe zu sieh hat mir schon gefehlt *lach* ich hoffe doch sehr, das da noch mal was zu kommt, und man auch noch mal mehr über die zwillinge und andrew erfährt, neugierig bin ich da immer noch, nach wie vor XD
(und ganz viel liebe für watson XD )


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