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Schneetreiben

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Schneetreiben

Saya kniete neben dem Hibachi . Geschickt glitt ihre Nadel in den Stoff auf ihrem Schoß. Langsam formten die Stiche ein Schutzsymbol. Auf der anderen Seite des Hibachis mühte Satsuki sich mit den Nähten eines Kimonos, den sie nach der Wäsche wieder zusammennähen musste, ab.

Der geöffnete Shoji ließ frische Luft und Tageslicht hinein. Sie brauchten das Tageslicht für ihre Näharbeit.

Allmählich wurde es dunkler, Saya unterbrach ihre Stickerei als Schneeflocken auf den Stoff wehten. Sie hob den Blick zum Himmel. Dunkle Wolken ballten sich zusammen. Aus einzelnen Flocken wurde ein Flockenwirbel. Leise seufzte Saya. Der hereinwehende Schnee und die zunehmende Dunkelheit, machten es unmöglich in ihrer Tätigkeit fortzufahren. Sie steckte die Nadel in den Stoff und legte die Handarbeit zur Seite.

„Schließ bitte die Shoji, Satsuki-chan“, bat sie ihre Tochter, die der Aufforderung gerne nachkam. Ein wenig enttäuschte es Saya, wie ungern ihre mittlere Tochter der Nadelarbeit nachkam. Insgesamt hatte Satsuki eher eine Vorliebe für Magie und Kampfkünste und weniger für sämtliche Hausarbeiten, die sie zwar beherrschte, aber nur gezwungenermaßen tat.

Ein Klopfen an der inneren Schiebewand lenkte Sayas Gedanken von ihrer Tochter fort. „Ja, bitte.“

Der Fusuma wurde aufgeschoben und Isa verbeugte sich. Isa fungierte zurzeit als Dienerin Sayas, die ihre Nichte im Gegenzug dafür, darin unterrichtete Bannmagie in Stickereien einzubinden, was ihre Spezialität war.

Der Haori an dem sie zurzeit arbeitete, war eine Auftragsarbeit. „Was gibt es, Isa-san?“

„Enza-san, sagt, da sei ein Junge, der nach Doktor Ikeda verlangt. Satoshi-sama, hat befohlen ihn in die Küche zu bringen. Er hat sich wohl im Schneetreiben verirrt. Satoshi-sama versucht gerade mehr aus dem Jungen herauszubekommen.“

„Danke, Isa-san. Satsuki-chan, komm.“ Saya bedeutete ihrer Tochter, ihr zu folgen.

In der Küche kniete ein zitternder Jugendlicher nahe dem Herdfeuer, eine Teeschale in der Hand. Satoshi kniete neben ihm und lauschte seinen Worten. Mit einem kaum merklichen Kopfneigen nahm er die Ankunft seiner Mutter und Schwester zur Kenntnis.

„O-ka-san, dies ist Hinoko, Yuki, er sagt, sein Vater hätte ihn losgeschickt Doktor Ikeda zu holen. Es scheint wohl, dass seine kleine Schwester eine Verbrühung erlitten hat. Du erinnerst dich, Hinoko Yukimura war als Zimmermann beim Bau unseres Hauses behilflich. Ich gehe und hole Doktor Ikeda.“, teilte Satoshi ihr mit.

„Danke, Satoshi-kun, dass dürfte das Beste sein.“ Saya lächelte den Jungen an. „Denkst du, du kannst mich zu eurem Haus führen, wenn du dich etwas aufgewärmt hast, Hinoki-kun.“

„Ja, Kami-sama.“

Noch während sie sprachen, verschwand Satoshi aus der Küche. Saya wusste, dass ihr Sohn, wahrscheinlich schneller bei Doktor Ikeda sein würde, als der Junge laufen konnte. Sie beobachtete, wie der Junge hastig den Tee leerte, wobei er sich die Zunge verbrannte. Mit einem Dank reichte er die Teeschale der Köchin und erhob sich.

„Satsuki-chan, du begleitest mich am besten, aber unauffällig.“, sandte sie ihrer Tochter, deren Miene nichts verriet.

„Soll, ich dem Jinrikshamann Bescheid geben, Kami-sama?“, erkundigte sich die Köchin.

„Das werden wir selbst tun, Himura-san. Komm, Hinoki-kun.“ Saya führte den Jungen zum Eingangstor, wo Enza-san, der Gärtner und Takenaga-san miteinander an einem Hibachi im Torhäuschen saßen.

„Takenaga-san, bring uns bitte auf dem schnellsten Weg zum Haus der Familie Hinoki.“, befahl Saya, ehe sie sich in die Jinriksha setzte. Nur zögerlich nahm der Junge neben ihr Platz. Takenaga-san, breitete eine Decke über sie, da das Schneetreiben weiterhin stark war.

Saya bemerkte den Raben auf dem Torpfosten, der aufflog, als Takenaga losrannte. Weil sie wusste, dass Satsuki ihnen folgte, konnte sie den Raben auf dem Weg immer wieder ausmachen. Sie musste ihrer Tochter zugestehen, dass sie in solchen Dingen talentierter war als im Nähen.

Beim Haus angekommen, hörten sie Klagen aus dem Inneren. Der Junge kletterte hastig aus der Jinriksha, verbeuge sich flüchtig und lief hinein.

Der Rabe landete auf der Umzäunung des Hauses, nachdem er es einmal um zirkelt hatte. „Es scheint ein weiteres Unglück gegeben zu haben. Ich sah den leblosen Körper eines Mannes im Raum und einen kleinen Jungen, um den sich Doktor Ikeda kümmert.“, erklang Satsukis Stimme in Sayas Kopf.

„Satoshi? Was ist geschehen?“, erkundigte Saya sich lautlos bei ihrem Sohn.

„Hinoki, Yukimura ist tot. Erfroren, sagt Doktor Ikeda. Es soll so schnell gegangen sein, dass er wohl schockgefroren ist. Der jüngste Sohn Yukito ist verletzt, sehr kalt und bewusstlos, aber lebendig. Hinoki-san, die Großmutter, war in der Küche und weiß nicht, was geschehen ist. Aber viel wichtiger ist, dass die Tochter Yukimi auch verschwunden ist. Ich versuche mit Doktor Ikeda zusammen mehr herauszufinden. Doch nun sollte nach dem Kind gesucht werden!“ Satoshi klang verwirrt und beunruhigt.

„Danke Satoshi-kun. Ich kümmere mich darum.“ Saya drehte sich dem Raben zu. „Du hast es gehört, Satsuki. Sei so gut und bitte Isa, Satomi und Yuma um Hilfe bei der Suche, so können wir ein größeres Gebiet abdecken. Mizuki soll sich um Satoru und Sakura kümmern.“

Der Rabe neigte den Kopf und flog auf. Seine Schwingen trugen ihn durch Schneetreiben davon.

„Satoshi-kun, wenn ihr im Haus nicht mehr gebraucht werdet, kann ich ein rasches Reinigungsritual für euch durchführen. Richte das bitte Doktor Ikeda aus.“

„Natürlich O-ka-san.“

Saya musterte die ruhige Straße. Takenaga war gelassen geblieben, während sie mit dem Raben gesprochen hatte. „Wir müssen eine Suche organisieren, die kleine Tochter der Familie Hinoki ist verschwunden.“ Die anderen Geschehnisse ließ sie unerwähnt.

Mit Takenagas Hilfe hatte sie rasch einige Nachbarn versammelt. Manchmal hatte es doch etwas Gutes, dass die Menschen Wesen ihrer Art großen Respekt entgegenbrachten. Die Menge hörte ihr zu, während sie ihnen erklärte, wie sie sich die Suche nach dem Mädchen vorstellte. Die Menschen würden den Boden absuchen, während Saya und ihre Familie die Luft abdecken würden, in der Hoffnung so eher etwas zu sehen.

Nachdem alles besprochen war, rief Saya ihre Flügel herbei, breitete sie aus und stieß sich vom Boden ab.

Kalter Wind zerrte an ihrer sorgfältig zu recht gemachten Frisur, doch das war nebensächlich. Wichtiger war das Kind in dieser Kälte schnell zu finden. Sie schauderte bei dem Gedanken an das verletzte, Kind, welches durch die Kälte stolperte.

Der Schlag ihrer schwarzen Flügel verwirbelte die dicht fallenden Schneeflocken noch mehr.

Zunächst überflog Saya das Wohngebiet, wobei sie aus den Augenwinkeln ihre Familienmitglieder ausmachen konnte, die dasselbe taten.

Ein, zwei Mal landete sie vor einem in den Straßen herumlaufendem Mädchen, welches sie dabei verschreckte, leider stellten diese sich als andere Kinder heraus.

Immer wieder erwischte Saya sich, wie sie zu den bewaldeten Hügeln schaute. Sie entschied sich dem Impuls zu folgen.

Über den Baumwipfeln war es schwieriger etwas auf dem Waldboden auszumachen. Kurzerhand verwandelte sie sich in einen Raben und flatterte zwischen die Bäume.

Obwohl die Baumkronen ihn ein wenig abgehalten hatten, war der Boden mit frischgefallenem Schnee bedeckt, der jegliche auffindbaren Fußspuren überdeckt hatte. Harziger Waldgeruch begleitete ihren Flug unter den Baumkronen.

Schnee verfing sich in ihren Federn. Eisiger Wind trieb sie zurück. Der immer stärker fallende Schnee, der sich zu einem Schneesturm auszuwachsen begann, brachte sie dazu ihre Suche abzubrechen und zum Haus der Hinokis zurückzukehren, auf dessen Veranda Satoshi und Doktor Ikeda sie erwarteten.

Mit einer höflichen Verbeugung begrüßte Doktor Ikeda sie, ehe sie wieder eine menschlichere Form annahm.

„Habt vielen Dank, Kami-san.“ Doktor Ikeda musterte, den dichtfallenden Flockenwirbel. „Ich fürchte, die Suche fortzusetzen, würde gefährlich werden, meinen sie nicht auch?“

Saya neigte zustimmend den Kopf. Es brauchte nur eine Minute ihre Familie anzuweisen die Suche abzubrechen und sie zu bitten, dies auch den zu Fuß suchenden Menschen mitzuteilen, so ungern sie das auch tat.

Doktor Ikeda kehrte ins Haus zurück um Frau Hinoki und Yuki von dieser Entscheidung zu unterrichten, als er zurückkehrte, unterzog Saya ihn und ihren Sohn dem Reinigungsritual

um die Verunreinigung durch den Kontakt mit dem so plötzlich Verstorben abzuwaschen.

„Habt vielen Dank, Kami-san. Wenn es nicht zu viele Umstände macht, würde ich sie bitten, mit mir über die Geschehnisse in ihrem Haus zu sprechen.“ Doktor Ikedas ernste Miene verstärkte Sayas Sorgen.

„Selbstverständlich.“

Takenaga, der bei der Bodensuche mitgeholfen hatte, traf bei ihnen ein. Saya konnte sehen, dass seine Finger blau vor Kälte waren, so wie auch ihre.

„Satsuki, komm bitte zu mir.“

Kaum hatte sie ihre Tochter darum gebeten, erschien diese neben ihnen.

„Satsuki, bringst du bitte Takenaga und die Jinriksha nach Hause du beherrscht das besser als ich. Doktor Ikeda, wenn es ihnen Recht ist, nimmt Satoshi sie mit.“

„Sehr gerne.“

In dem Bewusstsein, dass ihre Bitte als der Befehl, der sie war, ausgeführt werden würde, teleportierte Saya sich in die Küche ihres Hauses.

Himura-san, die Köchin sah auf und hängte sofort einen Kessel mit Wasser über das Feuer. Mizuki, die neben Sakura gesessen hatte, erhob sich und holte eine Haori, denn sie Saya überlegte. Unaufgefordert übernahm Satoru es, Sakura bei ihren ersten Flechtversuchen zu helfen.

„Doktor Ikeda, kommt gleich. Himura-san, bereiten sie einen warmen Eintopf und heißen Tee vor.“

„Satomi und Yuma, sind heimgekehrt. Nadeshiko-sama wird sicherlich dafür sorgen, dass sie sich ordentlich aufwärmen“, teilte ihr Mizuki mit. „Außerdem ist ein Paket von Seiji-sama eingetroffen.“

„Danke, Mizuki-kun. Das Paket kann warten.“ Saya war erleichter zu hören, dass Satomi sicher mit ihrem Sohn heimgekehrt war. Sie stimmte Mizuki darin zu, dass Satomis Schwiegermutter sich der beiden Durchgefrorenen annehmen würde. Ihr eigenes Zittern, kam nur zum Teil von der äußerlichen Kälte.

Obwohl sie noch fror, ging Saya in den Eingangsbereich, wo Satoshi Doktor Ikeda gerade ins Haus ließ.

„Willkommen in unsere Heim, Doktor Ikeda.“, begrüßte Saya ihn, wie es sich gehörte und führte ihren Gast ins beste Zimmer des Hauses, welches normalerweise einen Blick auf den wunderschön gestalteten Garten ermöglichte. Wegen des Schnees waren die Shoji jedoch zugeschoben. Im Raum stellte Isa gerade kleine Lacktischchen auf. Mizuki kam und brachte Hibachi, die sie so platzierte, dass alle, wenn sie saßen, davon gewärmt würden.

Doktor Ikeda erhielt den Ehrenplatz am Kopfende. Saya setze sich rechts neben ihn an den Tisch. Satoshi auf die andere Seite. Weil sie bei der Suche mitgeholfen hatte, durfte Isa mit am Tisch sitzen, wie auch Satsuki. Die Sitzanordnung führte Saya Seijis Fehlen deutlich vor Augen.

Mizuki, brachte das heiße Teewasser, so dass Saya dem Doktor den Tee bereiten konnte, ehe Mizuki ihr und Satoshi Tee bereitete. Satsuki musste ein wenig warten, bis auch ihr von Mizuki der Tee serviert wurde. Ausnahmsweise wurde Isa ebenfalls von Mizuki bedient, die im warmen Haus bei den Kindern geblieben war.

Noch während Saya sich die Hände an ihrer Teeschale wärmte und den herben Duft genoss, trug Himura-san den heißen Eintopf auf. Saya, war glücklich, dass ihre Schwiegertochter und auch die Köchin, mitgedacht hatten und den Eintopf begonnen haben mussten, als die Suche begann.

Erst als alle, die erste Schale heißen Eintopfs gegessen hatten, ergriff Doktor Ikeda das Wort.

„Satoshi-kun, hat ihnen sicherlich mitgeteilt, dass Zimmermann Hinoki, erfroren ist.“

Saya neigte den Kopf.

„Yuki-kun hat etwas mehr erzählt, was vorgefallen ist, bevor er loslief, mich zu holen. Laut ihm, hätte sein Vater aus Versehen heißes Wasser über Yukimi geschüttet. So laut wie sie geschrien hat, war deutlich, dass sie es schlimm war, also ist Yuki losgerannt. Das erklärt jedoch nicht, weshalb Herr Hinoki tot ist und der jüngste Sohn Yukito schwer unterkühlt. Yukito ist einmal zu sich gekommen. Er hat, aber nur davon phantasiert, dass seine Mutter gekommen wäre.“

„Wenn ich fragen darf, aber was ist mit der Mutter der Kinder? Weshalb sagten sie, er hätte phantasiert?“, erkundigte Saya sich.

„Die Mutter ist vor ein paar Jahren fortgegangen, das war noch bevor sie hierher kamen Kami-san.“

„Verstehe.“, behauptete Saya, obwohl sie es nicht nachvollziehen konnte, wie eine Mutter ihre Kinder verlassen konnte.

Satoshi ergriff nun das Wort. „Es gab keinerlei Spüren, im Schnee, die gezeigt hätten, dass ein Kind fortgelaufen wäre. Und wie weit hätte sie verletzt kommen können?“

Doktor Ikeda nickte. „Das bereitet mir Sorgen, neben der Art wie Hinoki-san gestorben ist. Es muss sehr schnell gewesen sein, sein Köper war komplett steifgefroren. Unter normalen Umständen, bräuchte es Stunden, bis ein Körper durchgefroren ist.“

„Und der Junge?“, wollte Saya wissen.

„Schwer unterkühlt und eiskalt, als hätte auch er Stunden in eisigen Temperaturen zugebracht.“

„Der Hibachi, war von außen kalt, aber das Feuer darin brannte.“, steuerte Satoshi bei.

„Das ist seltsam.“

„Ja, das ist es. Vor allem, wenn man bedenkt, dass schon der Vater von Hinoki-san erfroren ist. Es ist schon tragisch, dass seine Mutter nun auch ihren Sohn auf diese Weise verliert.“

„Wann war das?“, wollte Satoshi wissen.

„Vor etwa achtzehn Jahren bei einer Pilgerreise.“, antwortete Doktor Ikeda.

„Dann wird es wohl kaum hiermit in Verbindung stehen.“

„Oder doch. Dieser Schneefall ist auffällig und ungewöhnlich. Ich habe viele Winter in dieser Gegen verbracht, wenn es einmal im Winter geschneit hat, war das viel, für hier. Solch einen Schneesturm hat es schon seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.“

„Ich fürchte, solche Überlegungen sind zurzeit müßig. Viel mehr Sorgen mache ich mir um das arme verletzte Kind, da Draußen.“, Saya wies in Richtung des Gartens. Auf den Shoji zeichneten sich die Schatten wildbewegter Äste ab.

Doktor Ikeda neigte den Kopf. „Ich danke ihnen für ihre Gastfreundschaft. Bitte, verständigen sie mich sollte, irgendetwas Ungewöhnliches vorfallen.“

„Es war uns eine Ehre sie bewirten zu dürfen.“, erwiderte Saya gewohnheitsgemäß, ehe sie Doktor Ikeda zur Tür begleitete. „Soll Satoshi, oder Satsuki, sie bringen?“, erkundigte sie sich beim Anblick, des zugeschneiten Hofes vorm Haus. Eisige Böen zerrten an ihrem Kimono

„Danke für das Angebot, aber ich finde sicher Heim, außerdem hat das Schneetreiben nachgelassen“, womit er Recht hatte, es fielen weniger Flocken herab, als zuvor.

Saya beobachtete Doktor Ikeda, wie er den Hof überquerte, wo ihm Takenaga das Tor öffnete. Von der Straße stieg ein riesiger grüner Drache in den Himmel auf. Beruhigt kehrte Saya ins Haus zurück, wo Mizuki sie erwartete.

„Ich habe Enza angewiesen, heißes Badewasser zu machen. Er teilte mir mit, es hätte gerade die richtige Temperatur, Kami-san.“

„Danke, Mizuki-kun. Satoshi, Satsuki und Isa, sollen auch noch baden.“

„Selbstverständlich.“

Saya lächelte Mizuki, schwach an und folgte ihr ins Bad. Dort hatte ihre Schwiegertochter, schon alles, auch neue angewärmte Kleidung, bereitgelegt.

Ein wenig bedauerte Saya, ihre Frisur auflösen zu müssen, sie war teuer gewesen. Allerdings hingen schon Strähnen heraus. Diese Art von Frisur, war nicht für Flüge durch Schneestürme gedacht. Nachdem sie die Frisur gelöst hatte, entkleidete Saya sich. Sie wusch sich und rieb sich mit Irisblättern ab, ehe sie ins heiße Wasser stieg. Erleichtert atmete sie aus, während die Wärme ihren ganzen Körper durchdrang. Sie lehnte den Kopf zurück und wisperte: „Habe ich das Richtige getan, Seiji?“

Ach, könnte sie doch nur mit Seiji über die Geschehnisse sprechen, aber dafür war er zu weit entfernt. Sie wünschte er wäre hier und nicht in Cambridge. Saya seufzte. Doch er war in England und sie in seiner Abwesenheit Familienoberhaupt.

Sie lauschte dem Heulen des Windes ums Haus, was ihr nur verdeutlichte, wie glücklich sie sich schätzen konnte, ein heißes Bad zu nehmen.

Schweiß bildete sich auf ihren Nasenflügeln und ihrer Stirn. Es war Zeit das Wasser zu verlassen. Während sie sich abtrocknete, beschloss sie das Paket noch heute zu öffnen. Schließlich war der letzte Brief Monate her und er fehlte ihr genau jetzt.
 

Es stellte sich heraus, dass das Paket eine große Holzkiste war, die sie in den Raum transportierte, wo sie mit Doktor Ikeda gegessen hatten. Saya und Mizuki suchte ein Brecheisen und arrangierten die Kiste so, dass alle Familienmitglieder sich darum versammeln konnten, während Satoshi badete. An das eigentliche Öffnen gingen sie erst heran, nachdem auch Satsuki ihr heißes Bad gehabt hatte.

Satoshi war derjenige, der die Nägel aus der Kiste löste, ehe er den Deckel abnahm. Das Innere war mit Wachspapier ausgekleidet und mit Papier und verschiedenen farbigen Stoffballen ausgepolstert. Zuoberst lag ein großes, flaches Bündel, das in Wachspapier eingewickelt war. Eine Schnur war darum gewickelt und Saya erkannte Seijis Schrift auf dem Wachspapier.

Behutsam entknotete sie die Schnur und entfaltete das Wachspapier. Darin befanden sich mehrere Briefe und Tuschezeichnungen Cambridges, die Seiji angefertigt hatte. Saya händigte jedem Familienmitglied, seinen oder ihren Brief, abgesehen von Sakura, der sie den für sie bestimmten kurzen Brief vorlas. Die Briefe für Satomi und Yuma legte sie ebenfalls zur Seite.

Wie alle Briefe von Seiji, drückte Sakura auch diesen an sich, waren sie doch der Beweis dafür, dass es ihren Vater wirklich gab und er nicht nur in Erzählung der anderen existierte.

Eine Weile war nur das Rascheln von Papier und Sayas Stimme beim Vorlesen zu hören. Ihr eigener Brief musste warten, bis die Auspackaktion beendet war.

Schließlich gingen sie daran den weiteren Inhalt des Pakets zu erkunden. Unter den Stoffballen erkannte Saya zwei Seidenstoffe und weißes, leichtes Baumwollgewebe. Die zwei Ballen festeren Stoffes, bestanden aus einem Material, welches ihr nicht bekannt war und fühlten sich auf der Haut leicht rau an.

Das Paket enthielt ein Buch über die Gartenbaukunst Linnés für Satoshi, einen Wurfdolch aus Toledostahl für Satsuki, einen Spielreifen und eine Stoffpuppe für Sakura, ein Buch über keltische Bannzeichen mit viele Darstellungen für Satoru, eine kleine Pappschachtel mit dem Logo eines Uhrmachers für Yuma und zwei längliche Pappschachteln mit dem Symbol eines Juweliers, eine davon für Satomi, die andere für Mizuki. Mizuki entdeckte in der Pappschachtel eine schöngearbeitete Haarnadel mit einem Granatkopf. Außerdem fanden sich darin „The Keystone Guide to Jacket and Dress Cutting“ und ein Buch mit dem Titel „Bertha Banner’s Household Sewing with Home Dressmaking“, welche offensichtlich für Saya bestimmt war. Zu guter Letzt kam noch ein hölzernes, aufklappbares Kistchen mit englischen Nähutensilien wie Nähnadeln, Schneiderkreide, Schneiderschere, Maßband und Stecknadeln zum Vorschein. Ein Lineal und eine Kurvenschablone steckten neben dem Nähkästchen.

Kopfschüttelnd betrachtete Saya diese Sachen. Sie hatte zwar in einem ihrer Briefe erwähnt, dass sie mehr über die englische Art der Schneiderei wissen wollte, doch Seiji hatte mal wieder übertrieben.

Sakura hätte den Reifen am liebsten sofort ausprobiert, aber die Erwachsenen stimmten überein, dass dafür zu viel Schnee lag und es kein Spielzeug für das Hausinnere war. Mit vorgeschobener Unterlippe, ihre neue Puppe und dem Brief fest an sich gepresst, zog sich Sakura in eine Ecke des Raumes zurück, wo sie sich hinkniete und den Erwachsenen hin und wieder finstere Blicke zuwarf.

Satsuki, welche von ihrem neuen Dolch fasziniert war, glitt zu ihrer kleinen Schwester und nahm sie in den Arm.

„Ich kümmere mich um Sakura, O-Ka-san.“, teilte sie Saya mit, die dies zum Anlass nahm sich von der restlichen Familie zurückzuziehen, um endlich ihren Brief lesen zu können. Saya neigte leicht den Kopf, ehe sie den Raum wechselte.

Nun allein öffnete sie den Shoji ein wenig, um mehr Licht zu haben, auch wenn dies bedeutete zugleich kalte Windböen und Schneeflocken hereinzulassen.

Sie entfaltete den Brief. Der Anblick von Seijis geschmeidiger Schrift brachte ihr Herz dazu schneller zu klopfen.

Cambridge den 14. September 1874
 

Ich erlaube mir Ihnen zu schreiben, da Sie Mich darum baten Ihnen regelmäßig über mein Leben in Cambridge und Meine Studien zu berichten. Wie Sie sicherlich schon entdeckt haben, habe Ich allen Familienmitgliedern geschrieben. Ich hoffe sehr, es befinden sich alle wohlauf. In Meiner Zeit hier fehlt Mir die Familie am meisten und besonders Ihre praktische Art und Ihr kühler Kopf.

Was Mein Studium betrifft habe Ich gute Neuigkeiten. Ich habe die Zwischenprüfungen bestanden. Leider ist es Mir nicht gelungen eines der Stipendien zu ergattern, Ich hoffe Sie sehen es Mir nach und fahren fort Mich weiterhin zu unterstützen.

Wenn dieser Brief Sie erreicht, werde Ich die Winterferien bei den Greens verbringen. Francis Green ist noch immer eine hervorragende Unterstützung in diesem ganzen Unternehmen. Dadurch, dass er Meine Zeichnungen weiterhin vertreibt, bin ich in der Lage mehr Kosten Meines Aufenthalts selbst zu tragen.

Er verkauft sie zu dem handelsüblichem Preis, den die Zeichnungen erbringen würden, würde Er sie aus Japan importieren. Seine Erklärung dafür ist, dass er sie als original japanische Tuschezeichnungen verkauft und da Ich Japaner bin, sie das auch dann noch seien, wenn Ich mich zufälligerweise in England aufhielte. Durch die Blume meinte Er damit wohl, Ich solle aufhören Mich darüber zu beklagen, schließlich wäre es zu Meinem Vorteil.

Ich weiß Sie werden denken, Ich hätte Mich für die Geschenke nicht in Unkosten stürzen sollen, doch müssen Sie verstehen, dass Ich Meine Familie zumindest mit kleinen Geschenken verwöhnen möchte, wenn Ich schon so lange von Ihr entfernt leben muss.

Mrs. Green hat Mir geholfen, die Stoffe, sowie die Nähanleitungsbücher und ein paar der Nähutensilien zu besorgen.

Den Dolch für Satsuki habe Ich bei einer Studienreise in der sommerlichen vorlesungsfreien Zeit auf den Kontinent in Toledo erworben. Bei dieser Reise habe Ich Meine Lateinkenntnisse zu schätzen gelernt, ermöglichten Sie Mir doch zumindest etwas zu erahnen, was die Leute in Italien, Frankreich und Spanien sagten. Mit Griechisch stehe Ich noch immer auf Kriegsfuß, doch zumindest habe Ich die Prüfung darin bestanden, ohne Sie wiederholen zu müssen.

Einer der Professoren hier hält spannende Vorträge über mittelalterliche Waffen. Und dadurch kam Mir die Idee Unserer kriegerischen Satsuki etwas aus Toledostahl zu schenken.

Ich war Mir sehr sicher, dass Ich Satoshi mit einem Gartenbaubuch eine Freude bereiten kann. Ich hoffe, dass Yuma etwas mit der Taschenuhr, die Ich für Ihn ausgesucht habe anfangen kann. Wie Sie sehen habe Ich mir beim Aussuchen der Geschenke viele Gedanken gemacht.

Das Nähkästchen, die hier feste Bestandteile des Haushalts sind, hat Mir Ihr Vater auszusuchen geholfen und bezahlt. Ich weiß Sie werden sich wundern, was Ihr konservativer Vater in Großbritannien zu suchen hatte.

Er besuchte Ihren Bruder Saku, welcher ebenfalls hier studiert. Ich schätze, um sich über Sein Verhalten zu erkundigen. Da Er in der Zeit, die Er sich für Mich nahm, versuchte Mich dazu zu überreden, den Aufpasser für Saku zu geben.

Im Wissen um Ihre Abneigung Ihrem Bruder gegenüber, habe Ich höflich abgelehnt und erklärt, Wir würden Uns in völlig unterschiedlichen Kreisen bewegen. Dies entspricht der Wahrheit, ist Ihr Bruder doch äußerst selten in einem Seminarsaal anzutreffen.

Aber genug von Ihrem Bruder. Ihr Vater war so nett, das Nähkästchen, welches Er im Schaufenster eines Schneidergeschäfts, bei Unserem Spaziergang entdeckte, zu erwerben, nachdem Ich Ihm erklärt hatte, was es ist.

Ich verstehe noch immer nicht, warum Er es, anstatt es mitzunehmen und Ihnen direkt zu überreichen, durch Mich mit einem Schiff schicken ließ, welches drei Monate dauert.

Manchmal, besonders, wenn Ich an Sie und Unsere Kinder denke, wünschte Ich, Meine magischen Talente lägen in der Teleportation, wie bei Ihrem Vater und Satsuki und nicht in der Bannmagie. Ich gestehe Ich beneide Ihren Vater darum, aus einer Laune heraus einen Abstecher nach England für einen Nachmittag machen zu können.

Nun es ist, wie es ist und Wir haben Uns gemeinsam für Mein Studium hier entschlossen. Ich bin Ihnen noch immer sehr dankbar, dass Sie Mich darin unterstützen, doch gleichzeitig bedauere Ich zutiefst nicht bei der Geburt Unserer jüngsten Tochter zugeben gewesen zu sein und Ihre ersten Lebensjahre miterleben zu können. Ich verspreche Ihr der beste Vater zu sein, wenn Wir Uns endlich treffen können und Wir wieder zusammenleben.

Ich befinde Mich gut, auch wenn Ich dem Essen hier noch immer nur wenig abgewinnen kann. Um der Luftverschmutzung in der Stadt zu entkommen, unternehme Ich nun Flüge ins Umland, so lerne Ich gleich noch ein wenig mehr die ländlichen Gegenden kennen. Ich weiß in Meinem letzten Brief, habe Ich Mich sehr über die Rauchglocken, die hier über den Städten, insbesondere London hängen, beklagt, deswegen hier nichts mehr davon.

Ich hoffe alle sind gesund und munter. Ein paar Zeilen von Ihrer Hand verfasst, würde Mich sehr erfreuen.
 

Ihnen zutiefst verbunden, Ihr liebender Ehemann
 

Seiji Kami.
 

Saya senke das Blatt Papier. Seinen Brief zu lesen, ließ sie seine Abwesenheit noch deutlicher spüren. Seiji mochte exzentrisch sein und oftmals zu gutmütig, er war dennoch die Person, die sie zu lieben gelernt hatte. Selbst, dann wenn seine Eigenarten sie aufregten. Gerade die Erwähnung ihres Bruders machte ihr bewusst, welch ein Glück sie gehabt hatte, als sie die mit Seiji arrangierte Ehe als Fluchtmöglichkeit aus ihrer Familie ergriffen hatte.

Über die Jahre war es ihr gelungen ihren Eltern zu verzeihen, Saku hingegen nicht. Was sollte sie also mit dem Nähkästchen anfangen, dass ihr Vater sich nicht getraut hatte ihr direkt zu schenken?

Sie beschloss es zu behalten und herauszufinden, wie nützlich oder unnütz es war. Schneiderei war in der westlichen Welt um einiges komplizierter als in Japan, zumindest wenn es um den Schnitt der Kleidung ging. Sie könnte es eventuell zum Anlass nehmen, ihren Vater zu bitten, sie auf einem seiner Tagesausflüge nach England mitzunehmen.

Sie faltete Seijis Brief zusammen und legte ihn in das Holzkästchen, wo sie all seine anderen Briefe lagerte. Kurz überlegte sie, ihm direkt zu antworten, entschloss sich jedoch dagegen. Ein Brief an ihn wäre sinnvoller, wenn sie alle mehr Zeit gehabt hatten, seine Geschenke auszuprobieren.

Ein Windstoß riss den Shoji weit auf. Saya sprang auf die Füße, die Kampfächer bereit.

Auf der Veranda im tiefen Schnee stand eine blasse Frau, in weißem Kimono mit hellblauem Unterkimono. In den Armen hielt sie ein etwa sechsjähriges, regloses Mädchen. Eis umschloss leuchtend rote Flächen auf der Haut des Kindes.

„Was wollen sie hier?“ Saya sah der Frau direkt ins bleiche Gesicht. Sie wusste, dass die Frau die Bannkreise um das Grundstück nur durchquert haben konnte, wenn sie ohne die Absicht gekommen war, jemandem zu schaden. Dennoch konnte die Frau zur Gefahr werden, sollte sie sich, nun innerhalb der schützenden Bannkreise entschließen, anzugreifen.

„Bitte, helfen sie meiner Tochter. Ich sah, wie sie nach ihr suchen.“ Die Frau legte das Kind ab und sank in eine tiefe Verbeugung.

Viele verschiedene Antworten kreuzten Sayas Geist. Sie wollte der Frau entgegen schleudern, was die sich dabei gedacht hatte ihre Familie zu verlassen. Denn ihr war klar, dass dies wohl die Frau von Yukimura Hinoki sein musste, die ihn vor ein paar Jahren verlassen hatte. Sie atmete tief durch und brachte hervor: „In diesem Haus gibt es keinen Heiler.“

„Bitte, sie stirbt.“

„Wundert mich nicht, sie wurde verbrüht und stundenlang hat das niemand behandelt!“, ging Saya durch den Kopf. „Warum haben sie, sie nicht zu Doktor Ikeda gebracht?“, fragte sie statt ihren Gedanken auszusprechen.

„Er ist mir nicht sonderlich zugetan.“

Saya war kurz davor zu schnauben. „Wenn sie erlauben, hole ich ihn, da er die einzige Person ist, die ich kenne, die sich angemessen um diese Art von schweren Verletzungen kümmern kann.“

Die Frau kniete sich auf der Veranda im Schnee. „Wenn sie meinen, dass das der beste Weg ist.“

„Tue, ich. Entschuldigen sie mich für einen Moment.“ Saya wusste, dies war kein Moment für weitere Nettigkeiten, also teleportierte sie sich vor Doktor Ikedas Haustür, wo sie die Fächer in ihren Ärmeln verbarg, ehe sie klingelte.

Innerhalb kürzester Zeit wurde ihr von einem Diener geöffnet. „Sag Doktor Ikeda Saya Kami braucht seine Hilfe, für Yukimi Hinoki.“, teilte sie dem Diener ohne die üblichen Begrüßungsformeln mit. Der Diener verbeugte sich hastig und rannte zurück ins Innere.

Saya wartete nur einen Moment im Schneesturm bis Doktor Ikeda erschien. Er nickte ihr zu, woraufhin sie, sie beide zurück in ihr Haus teleportierte.

Saya schwankte ein wenig. Doktor Ikeda zu transportieren war recht Kräfte zehrend, auch ihr Talent lag nicht in der Teleportation.

Der Doktor beugte sich über das bewusstlose Kind auf den Tatamimatten und wirkte seine Magie, ohne die auf der Veranda wartende Mutter weiter zu beachten.

Saya, die Hände um die Griffe ihrer Fächer verkrampft, kam es vor, als bräuchte Doktor Ikeda Stunden, bis er sich aufrichtete und dem Kind half sich aufzusetzen. „Wo ist O-to-san? Ich glaube ich habe ihm weh getan.“

„Er ist Zuhause, ruhe dich jetzt erst einmal aus.“, hörte sie Doktor Ikeda murmele, ehe er das Kind mit einem Schlafzauber belegte. Er drehte sich der wartenden Mutter zu. „Und was gedenken sie nun zu tun?“, wollte er von ihr ohne jegliche Freundlichkeit wissen.

„Sie mit mir nehmen. Sie braucht die richtige Unterweisung.“, antworte die Frau kalt.

„Waren sie dort als es passierte?“, bohrte er weiter.

„Nein. Als ich spürte, dass er Yukimi wehtat, eilte ich hin, aber da war ihre Magie auf Grund des Schocks der Verletzung schon über alle im Zimmer hinweggefegt. Ich hatte ihn davor gewarnt, die Kinder schlecht zu behandeln.“

„Laut ihrem ältesten Sohn Yuki war es ein Unfall.“, warf Saya ein.

Die Frau musterte sie nur kühl. „Und? Was geht mich das an?“

„Was es sie…?“, Saya war sprachlos.

„Yukimura hat das Versprechen, welches er mir gab gebrochen, es war mein gutes Recht ihn zu verlassen.“

„Und ihre Kinder, die die Unterweisung durch sie brauchten auch.“, murmelte Saya.

Das Gesicht der Frau blieb kalt. „Das hatte ich ihm angekündigt, sollte er sein Versprechen brechen, also war es sein eigener Fehler.“

„Und ihre Tochter, was werde sie ihr sagen, wenn sie wieder nach ihrem Vater fragt?“, wollte Doktor Ikeda wissen.

„Die Wahrheit.“, war die gelassene Antwort.

„Denken sie nicht, dass es sie entsetzen wird.“, meine er.

„Wir sind, was wir sind, das wird sie akzeptieren müssen.“

„Und Yukito, sorgen sie sich nicht um ihn?“, fragte Saya bestürzt.

„Er ist fein. Er wird es überleben. Jungen haben nicht unsere Macht, aber sie können, einen Ausbruch unserer Macht überleben. Mädchen müssen unterwiesen werden oder sie töten wieder.“

Doktor Ikeda blickte sie ernst an. „Das tut euresgleichen auch dann, wenn ihr in eurer Macht unterwiesen wurdet.“

„Nicht alle. Vielleicht wird ihr, das Erwachen ihrer Macht als Warnung dienen und sie, wird eine von uns, die Menschen in Ruhe lässt.“

Saya verfolgte das Gespräch der beiden und Furcht breitete sich aus. „Verstehe ich das richtig. Yukimi hat ihren Vater getötet?“

Doktor Ikeda wandte sich ihr zu. „Junge Yuki Onna, entwickeln ihre Macht normalerweise beim Übergang zur Frau oder, durch Unfälle. Der Schock des kochenden Wassers, dürfte Yukimis Magie ruckartig zum Leben erweckt haben. Ja, ich fürchte es war Yukimi, die ihren Vater schockgefroren hat.“

„Das heißt, jetzt muss sie lernen ihre Magie zu kontrollieren“, stellte Saya fest und betrachtet die Frau auf der Veranda, die nickte. Saya blickte von Doktor Ikeda zu der Frau.

„Uns bleibt nur sie mit ihr gehen zu lassen“, stellte Doktor Ikeda fest. Saya sträubte sich innerlich, das Kind mit der Frau auf der Veranda, obwohl sie Yukimis Mutter war, gehen zu lassen. In ihren Augen war die Schneefrau mitschuldig an der Tragödie, weil sie ihre Kinder verlassen hatte, wegen eines gebrochenen Versprechens. Sie schluckte. Es war nicht an ihr diese Entscheidung zu treffen, immerhin war die Schneefrau Yukimis Mutter und Saya war sich sicher, dass Yukimi eine noch größere Gefahr für ihre Umwelt darstellte, wenn sie ununterwiesen blieb, als wenn sie ihrer Mutter mitgegeben wurde.

Saya drehte sich weg und senkte den Blick auf die Tatamimatten. Sie hörte wie Stoff raschelte als Doktor Ikeda das Kind hochhob und es der Schneefrau in die Arme legte. Er murmelte etwas und sie blickte gerade rechtzeitig auf um die Schneefrau und das Kind in einem Schneeflockenwirbel verschwinden zu sehen. Direkt danach legte sich der Schneesturm und der Himmel klarte auf. Erst jetzt ließ Saya ihre Fächer los.

„Ich werde den Hinokis mitteilen, was sich ereignet hat. Außerdem werde ich in den nächsten Tagen mit den anderen Zimmermännern der Gegend sprechen, ob sie die Jungen als Arbeitskräfte annehmen können. Gehen sie zu ihrer Familie und erfreuen sich an ihren Kindern Wenn es ihnen hilft, sprechen sie mit ihren älteren Kindern und ihrer Schwiegertochter über die Geschehnisse.“, riet Doktor Ikeda ihr. Er verbeugte sich und schritt durch den verschneiten Garten zum Tor. Der Garten, den Satoshi so mühevoll angelegt hatte, dass er Bannzauber beherbergte. Diese Mal sah Saya ihm nicht hinterher, sondern wandte sich ab, um ihre Fächer aus ihren Ärmeln verschwinden zu lassen und Seijis Brief aus dem Kästchen zu holen.

Ehe sie seinen Rat beherzigte, las sich Saya erneut den Brief durch. Mehr denn je, wünschte sie sich, er wäre hier und sie könnte sich an ihn schmiegen und bei ihm Geborgenheit finden. So wie es war, musste sie sehen, wie sie ohne ihn zurechtkam. Mit dem Brief in der Hand kehrte sie in das Zimmer zurück, wo Satsuki die schlafende Sakura wiegte und schlug vor, wenn es den anderen Recht wäre, Seijis Briefe vorzulesen, um seine Worte und Liebe für sie alle miteinander zuteilen. Ihr Vorschlag traf auf Zustimmung. Ein wenig legte sich die Bedrückung in ihrem Herzen, während sie Satoshi lauschte, der Seijis Brief an ihn vorlas, indem Seiji Londons Hydepark und andere Gartenanlagen beschrieb, die er besucht hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier noch ein paar Worterklärungen und ein paar Bücher die ich gelesen habe, um mir das passende Hintergrundwissen anzueignen.


Worterklärungen:

Hibachi - tragbare Holzkiste, die mit Metall ausgekleidet ist, in der Kohle brennt.
Shoji - Raumteiler oder auch Schiebewand aus Holz und lichtdurchlässigem, hellem Papier, die auch als Außenwände verwendet wurden.
Fusuma - Schiebetür, Schiebewand besteht aus einem Holzrahmen mit dickem, eher lichtundurchlässigem Papier.
Haori - Kimono-Überjacke, die meist mit dem Familienwappen bestickt war.
Jinrikshamann - Dienstbote, der eine Jinriksha zieht. Eine Jinriksha, ist ein Gefährt mit zwei Rädern und Dach, welches statt Kutschen und Sänften in Japan verwendet wurde.


Literatur:
Bacon, Alice Mabel: „Japanese Girls and Women“, Reprint der zweiten Ausgabe 1902, Erstausgabe 1891.
Bornoff, Nicholas: „Things Japanese. Everyday Objects of Exceptional Beauty and Significance“, Tokyo, Vermont, 2002.
Morse, Eward S.: “Japanese Homes and their Surroundings”, reprint 1961, Erstausgabe 1885.
Koyama, Noboru; Ruxton, Ian: “Japanese Students at Cambrdige University in the Meiji Era, 1868-1912. Pioneers for the Modernization of Japan. (800th Anniversary Limited Edition), Cambridge 2009, Erstausgabe im Taschenbuch 2004.
Yoda, Hiroko; Alt, Matt: “Yokai Attack! The Japanese Monster Survival Guide. Reviewed Edition with 16 new Pages all in full-color for the first Time!”, 2012, Erstausgabe 2008. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Votani
2020-02-14T14:59:37+00:00 14.02.2020 15:59
Hey du, ich dachte, ich les mal in deine Geschichte rein und ich fand sie sehr spannend. :D Man merkt richtig, wie viel Arbeit du dir mit der Recherche gemacht hast, da du das japanische Setting total gut eingefangen hast. Ich mochte auch das Fantasieelement, welches du hast mit einfliessen lassen, als waere das total natuerlich. Richtig gut gemacht! :D Ich haette gern mehr ueber die Magieelemente erfahren.
Ich fand auch die Familiendynamik sehr interessant, auch wenn es teilweise (anfangs) so viele verschiedene Namen gewesen ist. Erst etwas spaeter, als sie die Kiste ihres Vaters geoeffnet haben, wurde mir klar, dass sie doch ganz schoen viele Kinder haben. *lach* Aber ich finds passend und mag solche "riesigen" Familien sehr. Vielleicht habe ich es ueberlesen, aber was studiert Sayas Ehemann eigentlich?
Ich kann mir die Geschichte als etwas Laengeres irgendwie total gut vorstellen, btw. :) Nur hin und wieder hast du Kommas an merkwuerdigen Stellen, aber dein Schreibstil ist ansonsten echt schoen. Hat mir Spass gemacht, die Geschichte zu lesen. Ich werde mir auch die Buecher mal abspeichern, die du im Nachwort hast, weil das irgendwie ein interessantes Thema zum Nachlesen ist. :D

Liebe Gruesse!
Antwort von:  Salix
14.02.2020 17:15
Votani
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar.
Die Magieelemente sind in dieser Geschichte weniger ausgeführt, weil es nicht die Hauptsache ist. (Ich habe mir mehr dazu überlegt, kann in anderen Geschichen des Universums irgendwann vorkommen und einfließen.)
Ich freue mich, dass mir die Familiendynamik gelungen ist. Es sind so viele Kinder und Diener im Haus, weil Familien im 19.Jhd. generell größer waren, auch wegen der hohen Kindersterblichkeit und Diener völlig normal waren. Sayas Ehemann studiert westliche Bannmagie und Windmagie in Cambridge.
Sie hat die Länge, weil mir die Zeit davonlief. Vielleicht werde ich mit der Familie irgendwann eine längere Gesichte schreiben. Es ist ein interessanter Clan.
Kommata sind mein größtes Problem, wenn es um Rechtschreibung geht, und ehrlich gesagt hatte ich keinen Betaleser, der mir da helfen könnte und ich übersehe sie, schätz sie falsch ein...
Mach das mit den Büchern, sie sind lehrreich.

Liebe Grüße.


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