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Krieg der Götter

Verlorene Krieger
von

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Wieso, weshalb, warum

Mit Block und Stift in den Händen saß Inspektor Suzuki auf dem bequemen, großen Ecksofa der Familie Nakamaru, gegenüber von ihm die Wohnungsbesitzer und Familie Ito. Seine Miene war konzentriert, die der anderen besorgt. Mal ausgenommen die des Rotzbengels, der der Bruder von einer Vermissten war. Er lümmelte auf dem Polster und schaute sich eher teilnahmslos in der Wohnung seiner Nachbarn um.

„Nochmal zu den beiden Mädchen. Sie sind beide 18 Jahre alt, Klassenkameradinnen und gehen auf die Hibiya High School?“

„Ja. Außerdem sind sie beste Freundinnen“, bestätigte Frau Ito mit leicht zittriger Stimme. Ihr Ehemann legte ihr beruhigend einen Arm um die Schulter, wirkte aber selbst nicht viel gelassener.

„Wäre es nicht möglich, dass die beiden einfach mal ausgerissen sind? Die Oberschule ist hart und vielleicht haben sie beschlossen, sich eine kurze Auszeit zu nehmen.“

Von den vier Erwachsenen kam ein einheitliches, inbrünstiges Kopfschütteln.

„Niemals. Suri ist ein diszipliniertes, verantwortungsbewusstes Mädchen. Sie würde niemals das Karatetraining verpassen“, meinte Herr Ito und kassierte von den Umsitzenden einen trockenen Blick.

„Wahrscheinlich ist sie deshalb abgehauen“, brummte der Rotzbengel.

„Was soll das heißen?“, hakte der Inspektor sofort nach.

„Ja, was soll das heißen?“, wiederholte sein Vater die Frage und starrte seinen Sohn verdattert an.

„Dass sie es nicht besonders geliebt hat, in dem Club zu sein.“

„Vollkommener Unsinn. Suri hat für Karate gebrannt. Es war praktisch der Sinn ihres Lebens.“

Der Rotzbengel schnaubte spöttisch und wollte etwas erwidern, doch Inspektor Suzuki kam ihm zuvor.

„Hatte sie Probleme in dem Karateclub? Feinde? Wurde sie gemobbt?“

„Hin und wieder wurde sie verprügelt, aber das ist wohl die normale Härte“, antwortete ihr Bruder schulterzuckend und sofort ergänzte Herr Ito:

„Hauptsächlich hat sie aber die Leute verprügelt, ja?“

„Klar.“ Der Rotzbengel verschränkte die Arme vor seiner Brust und schaute wieder so desinteressiert drein, als ginge ihn die ganze Angelegenheit nichts an. Der Inspektor beäugte die beiden Streithähne missbilligend und wendete sich dann dem Ehepaar Nakamaru zu.

„Was ist mit Ihrer Tochter? Ist sie denn schon mal weggelaufen? Ist sie unternehmungslustig?“

Trotz der unpässlichen Situation lachte Frau Nakamaru auf.

„Wenn sie mit Unternehmungen stundenlanges Sitzen vorm Computer meinen, dann ja.“

„Manchmal unterfordert sie die Schule, aber sie hat nie geäußert, dass sie es dort unerträglich findet“, fügte Herr Nakamaru hinzu und der Inspektor runzelte verwirrt die Stirn. Er hatte noch nie gehört, dass die Oberschule einen Schüler unterfordert hätte. Wenn er an seine eigene Schulzeit zurückdachte und an den Stress, der ihn während der Oberschule begleitet hatte, brach ihm heute noch der Schweiß aus.

„Unterfordert?“, hakte er nach, um auszuschließen, dass er sich womöglich bloß verhört hatte.

„Ja, sie ist sehr intelligent“, wurde ihm erklärt, gefolgt von dem bekräftigenden Nicken der Familie Ito.

„Gruselig“, murmelte Suri Itos Bruder und schnitt eine Grimasse.

„Du gehst auf dieselbe Schule wie deine Schwester und Kaida, richtig?“, fragte der Inspektor und der Bengel nickte. „Hatten die beiden Probleme mit ihren Mitschülern? Ich meine, so ein Genie wird viele Neider haben, die nicht so gut mit dem Schulstoff klar kommen.“

„Nein, man hat sie in Ruhe gelassen. Am Anfang gab es schon ein paar Schüler, die Kaida gehänselt haben. Aber das wurde ihnen zu langweilig, weil das Kaida völlig egal war. Und für Suri interessieren sich auch nur die Langweiler. Gleich und gleich gesellt sich gerne, verstehen Sie?“

„Akeno, würdest du vielleicht mal einen freundlicheren Ton anschlagen?“, zischte Frau Ito ihrem Sohn zu, welcher beleidigt dreinschaute.

„Soll ich nun die Wahrheit sagen oder nicht? Die beiden wurden gemieden, weil sie Freaks waren, okay? Es gab keine Schüler, die sie gemobbt haben, dazu waren sie einfach zu uninteressant. Oder eben gruselig.“

Frau Ito verdrehte verärgert die Augen, Herr Ito und das Ehepaar Nakamaru warfen dem Teenager einen grimmigen Blick zu, Inspektor Suzuki seufzte stumm.

‚Laut Bruder keine Opfer von Mobbing. Keine typischen Ausreißer‘, schrieb er sich in sein Notizblock und setzte seine Befragung dann fort:

„Wie haben sich die beiden Mädchen denn an dem Abend ihres Verschwindens benommen? Ist lhnen da etwas aufgefallen?“

„Nein. Suri ist vom Karatetraining nach Hause gekommen, Kaida kam irgendwann zu Besuch, die beiden haben ihre Hausaufgaben gemacht und sind dann zu den Nakamarus rüber gegangen“, meinte Frau Ito nachdenklich. Der Blick des Inspektors wanderte zu Frau Nakamaru.

„Hier sind sie ziemlich eilig in Kaidas Zimmer gegangen“, sagte diese, senkte ihren besorgten, trübseligen Blick und murmelte: „Das ist das letzte Mal, dass wir sie gesehen haben.“

„Sind sie nicht nochmal aus dem Zimmer rausgekommen? Wann ist Ihnen denn aufgefallen, dass sie nicht mehr da waren?“

„Nein, das ist ja das merkwürdige – sie sind ins Zimmer und danach nicht nochmal rausgekommen. Um 22 Uhr habe ich an ihrer Tür geklopft. Als niemand geantwortet hat, bin ich reingegangen und da waren sie schon nicht mehr da.“

Der Inspektor machte sich ein paar weitere Notizen und fragte:

„Ist es möglich, dass sie an Ihnen vorbeigeschlichen sind?“

„Dann müssten sie schon wahre Ninjas sein. Auf dem Weg nach draußen geht man durch das Wohnzimmer und die Küche und in beiden Räumen hat sich jemand aufgehalten.“

„Aber…“, setzte der Inspektor verwirrt an, doch wurde von seinem Kollegen unterbrochen, der seinen Kopf in das Wohnzimmer streckte.

„Inspektor Suzuki? Können Sie mal eben kommen?“

Der rundliche Inspektor erhob sich von dem Sofa, warf den beiden Familien einen entschuldigenden Blick zu und folgte dem jungen Polizisten in Kaidas Zimmer. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, wendete er sich planlos zu seinem Chef um.

„Ich habe mir den Laptop des Opfers angesehen und es ist mir ein Rätsel.“

„Was ist mit ihm?“

„Sehen Sie selbst“, meinte der Polizist und machte eine auffordernde Geste zu dem Gerät, welches aufgeklappt auf dem Schreibtisch der Oberschülerin stand. Der Inspektor trat näher an ihn heran und betrachtete mit verwirrt gerunzelter Stirn den Bildschirm. Er wurde abwechselnd blau und schwarz, diverse Fenster öffneten und schlossen sich eigenständig und ein Gewirr aus Einsen und Nullen breitete sich im Hintergrund aus.

„Ist das vielleicht ein… wie heißt das noch gleich? Eine Abfolge von Bildern?“, fragte der Inspektor.

„Sie meinen, ein Bildschirmschoner. Das habe ich schon geprüft, aber der Laptop führt keinen meiner Befehle aus.“

Der Inspektor gestattete sich ein entnervtes Seufzen. Wenn er von einem keine Ahnung hatte, dann waren es Computer. Noch heute schrieb er seine Berichte von Hand und Recherchen im Internet ließ er geflissentlich seine Untergebenen erledigen.

„Es ist wirklich merkwürdig“, bekräftigte sich der Polizist, um seinem technikmuffeligen Chef die Schwere begreiflich zu machen. Der Inspektor beschloss, dass seine Mitarbeiter der Sache auf den Grund gehen sollten. Die Mädchen waren seit dem gestrigen Abend verschollen und laut den forensischen Statistiken blieb ihnen nicht viel Zeit, sie zu retten. Waren sie länger als 24 Stunden weg, so bestand die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie tot waren. Er musste den Eltern noch einige Fragen stellen. Vielleicht hatten diese ja Feinde und es ging gar nicht wirklich um die Mädchen? Vielleicht bekamen sie auch noch einen Anruf von einem möglichen Entführer, der Lösegeld verlangte? Obwohl er bezweifelte, dass bei den beiden durchschnittlichen Arbeiterfamilien viel zu holen war.

„Na schön. Dann geht er in die KTU“, meinte er schließlich und der Polizist machte sich mit seinen behandschuhten Händen daran, den Laptop zu konfiszieren.
 

***
 

„Guten Tag, meine Name ist Izzy Izumi und ich habe einen Termin bei Inspektor Suzuki“, begrüßte Izzy die uniformierten Frau hinter dem Tresen des Anmeldebereichs. Mit einem höflichen Lächeln griff sie zum Telefonhörer und erwiderte:

„Einen Augenblick bitte. Ich werde Sie bei Inspektor Suzuki anmelden.“

„Danke“, meinte der Student mit einer angedeuteten Verbeugung und nutzte die kurze Wartezeit damit, sich in dem modernen, eindrucksvollen Foyer des Tokyo Metropolitan Police Departments umzusehen. Uniformierte passierten ihn, die einen gemächlich und plaudernd, die anderen zügig und mit entschlossenen Mienen. Hinter Izzy standen noch zwei Zivilisten, darauf wartend, ihr Anliegen vortragen zu können. Sein Blick blieb schließlich an einem Plakat hängen, auf dem etwas über Kindesentführung stand und seine Miene verzog sich ernst.

„Herr Izumi?“, riss die Polizistin ihn aus seinen Gedanken. Er wendete sich zu ihr um und schaute wieder in ihr höfliches Lächeln.

„Der Inspektor erwartet Sie. Gehen Sie bitte in den vierten Stock und melden sich bei Zimmer 423. Hier, Ihr Besucherausweiß.“

„Vielen Dank“, wiederholte Izzy, nahm den Besucherausweiß entgegen und hängte ihn sich um den Hals. Dann durchquerte er das Foyer und hielt dabei auf die Lifts zu. Eine Fahrt mit dem Aufzug und zwei Gänge weiter hatte er das angegebene Zimmer erreicht.

‚Inspektor Taiki Suzuki, Inspektor Pan Amori‘, wies ein Schild das Büro der Kommissare aus. Izzy klopfte an der Tür und öffnete sie, als ein gedämpftes „Herein.“ zu ihm durchdrang. Zwei längliche Schreibtische standen gegenüber voneinander in der Raummitte. Einer war unbesetzt, an dem anderen saß ein rundlicher, scharfsinnig dreinschauender Mann im mittleren Alter. Ansonsten gab es in dem kleinen, etwas muffigen Zimmer bloß Regale, Schränke und ein Whiteboard.

„Guten Tag, ich bin Herr Izumi“, stellte der Student sich vor und der Beamte erhob sich.

„Inspektor Taiki Suzuki. Es ist erfreulich, dass Sie kommen konnten. Nehmen Sie doch bitte neben mir Platz.“

Izzy schnappte sich den Stuhl, der etwas verlassen und staubig in einer Zimmerecke stand und tat, wie ihm gesagt wurde.

„Sie haben mich hergebeten, weil zwei Oberschülerinnen verschwunden sind. Ich frage mich, wie ich Ihnen helfen kann“, meinte er.

Der Inspektor seufzte. „Leider haben wir keinerlei Anhaltspunkte, wo die beiden Mädchen stecken könnten. Die KTU hat versucht, auf dem Laptop von einem der Mädchen nach Hinweisen zu suchen, doch der spielt sozusagen verrückt und niemand kann die Störung beheben. Verzeihen Sie mir meine laienhafte Ausdrucksweise, aber ich habe nicht gerade einen Sinn für Computer. Eigentlich wollte ich, dass ein Mitarbeiter aus der KTU bei unserem Gespräch zugegen ist, aber die sind alle vollends ausgelastet.“

„Und meine Aufgabe ist es, den Laptop wieder zum Laufen zu bringen?“

„Korrekt“, sagte Inspektor Suzuki. „Man hat Sie als Experten empfohlen.“

Der Mann musterte ihn prüfend, so als würde er noch nicht so recht glauben, dass ein Student in angewandter Informatik mehr Ahnung hatte als die kriminaltechnische Untersuchung der Tokyoter Polizei. Auch Izzy war sich da noch nicht so ganz sicher, doch bei der knappen Schilderung des Inspektors hatte sich in ihm ein kleiner Verdacht geregt.

„Ich gebe mein Bestes. Haben Sie den Laptop hier?“, fragte er.

„Selbstverständlich“, sagte der beleibte Kommissar und bückte sich leise ächzend nach der Laptoptasche neben seinem Schreibtisch. Izzy nahm sie ihm ab und baute das Gerät mit zackigen, routinierten Bewegungen auf.
 

Schweigend sah ihm der Inspektor dabei zu, erfasste die Konzentration und den Scharfsinn in dem Blick des Studenten und hoffte inständig, dass er seinem Ruf gerecht wurde. Die Mädchen waren seit 65 Stunden verschwunden und die Polizei hatte keinen einzigen Hinweis, wo sie sein konnten und wie sie überhaupt verschwunden waren. Die Spurensicherung hatte keine Einbruchspuren gefunden, die Überwachungskameras des Wohnblocks hatte auch nichts Verdächtiges aufgezeichnet und auf dem Laptop von Suri Ito war nichts, was auf einen geplanten Ausriss hingedeutet hätte. Überall und rund um die Uhr suchten Beamte nach den Oberschülerinnen, doch Ergebnisse gab es nicht. Es war, als wären sie vom Erdboden verschluckt wurden. Um 20 Uhr waren sie zu den Nakamarus rüber gegangen, hatten sich in Kaidas Zimmer zurückgezogen und zwei Stunden später waren sie einfach weg, spurlos verschwunden. Es war ein Mysterium und die allerletzte Hoffnung der Polizei war der Laptop von Kaida Nakamaru. Vielleicht enthielt sein Datenpool des Rätsels Lösung. Als der Student das Gerät einschaltete, zeichnete sich auf dem Bildschirm das gleiche rege Treiben ab, wie auch schon an dem Tag, als die Polizei ihn konfisziert hatte. Nichts hatte sich geändert, die KTU war keinen Schritt weiter gekommen. Er seufzte innerlich und fokussierte sich wieder auf den jungen Mann, ihre letzte Hoffnung. Allmählich ertrug er die Anrufe der besorgten, verzweifelten Eltern nicht mehr, wollte ihnen nicht jedes Mal sagen, dass es keine Fortschritte gab.

„Haben Sie eine Ahnung, was das für eine Störung ist?“, fragte der Inspektor nach ein paar Minuten. Der junge Mann sah nur flüchtig zu ihm auf und hatte etwas in seinem Blick, das den Polizisten wachsam werden ließ.

„Nein, leider nicht. Ich müsste den Laptop vielleicht mit in mein Büro nehmen, wenn das möglich wäre“, sagte er und vermied dabei den forschenden Blick des erfahrenen Beamten, hielt seinen stets auf den Bildschirm des Geräts gerichtet. Als ihm eine ganze Zeit nicht geantwortet wurde, fügte er hinzu:

„Vielleicht habe ich aber einen Verdacht.“

„Und der wäre?“, fragte der Inspektor sofort und Herr Izumi presste kurz seine Lippen aufeinander, ehe er antwortete.

„Ich möchte ihn ungern äußern. Erst, wenn ich mir sicher bin, dass es so ist. Kann ich den Laptop mitnehmen?“

Der Inspektor war mit seiner Reaktion alles andere als zufrieden, doch wie es schien, war er nun mal von ihm abhängig. Der Bildschirm hatte sich verändert, er arbeitete nicht mehr selbstständig und zeigte keine wirre Zahlenfolge. Das, was die KTU seit Stunden versucht und nicht bewältigt hatte, hatte der angehende Diplom-Informatiker in wenigen Minuten bewerkstelligt. Finster betrachtete er Herrn Kazumi, der immer noch seinen Blick mied und seine Finger in einer unglaublichen Geschwindigkeit über die Tastatur gleiten ließ.

„Ich muss das erst beim Staatsanwalt beantragen“, brummte der resignierte Polizist schließlich und zog sein Handy. Nach einem kurzen Telefonat bekam er die Einwilligung zur Freigabe des Laptops an eine dritte Person. Außerdem wurde ihm nochmal verdeutlicht, dass es gut für ihn, seine Karriere und sein gesamtes Team wäre, wenn er den Fall bald lösen würde. Die Medien beobachteten sie und schlachteten ihre Misserfolge genüsslich aus. Das ließ den Inspektor schließlich auch noch die letzten Bedenken über Bord werfen, die er im Hinblick auf den verschwiegenen Studenten hatte. Sollte er ihn doch ein wenig entlasten, solange das Ergebnis stimmte.

„Sie dürfen den Laptop mitnehmen. Kann ich Ihnen im Gegenzug noch einen Gefallen tun?“, fragte er und Herr Izumi grinste schief.

„Ich hätte gerne noch ein Glas Wasser.“

Kaum verwunderlich bei der sommerlichen Hitze. Es war Ende Juni und in zwei Wochen würde die Sommerferienzeit in Japan anbrechen. Hoffentlich konnten auch Suri Ito und Kaida Nakamaru sie genießen.

„Natürlich“, meinte er und führte den jungen Mann zum Wasserspender auf dem Gang. Nach einem Becher kühler Soda verbeugten sich die beiden voreinander und der junge Mann machte sich auf dem Weg zu den Aufzügen. Kurz bevor er in den nächsten Gang verschwand, hielt der Kommissar ihn jedoch noch einmal auf.

„Herr Izumi, ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Halten Sie mich auf dem Laufenden, es ist sehr wichtig. Ich weiß, dass Sie bereits Hinweise haben, die sie vor mir nicht äußern wollen. Ich bin zwar nicht gerade technikaffin, aber kein Dummkopf. Aber in erster Linie geht es mir darum, die Mädchen wieder bei ihren Familien zu wissen.“

Der Student schaute ertappt drein, öffnete seinen Mund zu einer Erwiderung, um ihn prompt wieder zu schließen und nickte letztendlich lediglich, ehe er seinen Weg zügig fortsetzte. Einen Moment stand Inspektor Suzuki noch im Gang und grübelte vor sich hin. Letztendlich nahm er auch einen Becher voll Wasser und ging zurück in sein Büro. Es war 16 Uhr und in drei Stunden würde seine Schicht offiziell enden. Doch der Fall würde ihn mindestens bis 22 Uhr in Beschlag nehmen und wenn er dann seinen Feierabend antrat und nach Hause zu seiner Frau ging , würde er sich auch dort noch weiter den Kopf zerbrechen. Das war das harte Los seines Jobs.
 

Kaum hatte Izzy das Department mit dem fremden Laptop verlassen und befand sich in der Tokyoter Sommerhitze, kramte er auch schon sein Handy hervor und wählte eine Nummer, die er mittlerweile schon auswendig kannte.

„Izzy, altes Haus, wie geht’s?“, ertönte Tais Stimme nach zweimaligem Tuten am anderen Ende der Leitung.

„Hey Tai. Alles gut bei mir und wie geht es dir?“, fragte das Genie den Geographie-Studenten der höflichkeitshalber, obwohl es in ihm brannte, ihm sein Anliegen vorzutragen.

„Ja, alles gut. Du hast Glück, ich bin gerade auf dem Weg zum Fußballtraining. Ein wenig später und du hättest mich nicht erreicht. Was gibt’s?“

„Wir müssen uns unbedingt treffen. Es geht um die Digiwelt oder eher um zwei Mädchen, die höchstwahrscheinlich in der Digiwelt verschwunden sind, wie auch immer sie das angestellt haben“, antwortete Izzy, nachdem er sich angespannt nach unerwünschten Zuhörern umgesehen und keine gefunden hatte. Sein langjähriger Freund und ehemaliger Anführer ihrer Gruppe gab einen verblüfften Laut von sich.

„Wie bitte? Hast du nicht gesagt, dass du eine bombensichere Firewall errichtet hast?“

„Eigentlich schon. Nur das Militär und der Japanische Geheimdienst wissen, wie man sie umgeht. Deshalb ist es ja so merkwürdig“, erwiderte er, seufzte und fügte hinzu:

„Wir werden in die Digiwelt gehen müssen, um die Mädchen zurückzuholen. Und sag bloß niemandem etwas. Der Polizei habe ich auch nichts verraten, damit die nicht durchdrehen. Sie halten Digimon ja immer noch für das größte Übel der Welt.“

„Natürlich. Sind es die Mädchen, über die ständig was in den Nachrichten läuft?“

„Ja. Suri Ito und Kaida Nakamaru. Ich werde jetzt noch die anderen informieren. Wann ist dein Training zu Ende?“, fragte Izzy und Tai antwortete:

„So um 19 Uhr.“

„Dann schlage ich vor, treffen wir uns um 20 Uhr bei mir im Büro. Bring ein bisschen Gepäck mit. Ich weiß nicht, ob ich die beiden per GPS finden kann. Wenn nicht, dauert die Suche womöglich länger.“

„Einverstanden. Bis dann!“

„Bis dann!“, verabschiedete sich Izzy und legte auf. Dann ging er die Kontaktliste seines Handys durch und rief auch noch die anderen Digiritter an. Letztendlich wurde ihm von Mimi, Joe und Matt zugesagt, weniger als gedacht. Kari und T.K. hatten als Abgänger der Oberschule üblen Prüfungsstress und Sora war für ihre Modedesignausbildung vorübergehend in Europa. Aber die Tatsache, dass es wahrscheinlich nur um eine Suche ging, tröstete Izzy über ihr Fehlen hinweg. Außerdem hatten sie immer noch ihre Digimon und mit denen würden sie es wohl schaffen. Er steckte sein Handy wieder ein, atmete tief durch und fädelte sich dann in das rege Treiben der Großstadt ein, um sich auf den Weg zur U-Bahn zu machen.
 

Endlich in seiner kleinen Wohnung angekommen, vertrieb er sich die Zeit bis zum Zusammentreffen der Digiritter mit dem Laptop des Mädchens. Er selbst hatte dafür gesorgt, dass ein Zutritt zur Digiwelt beinahe unmöglich war. Was hatte den Laptop also dazu bewegt, das Portal zur Digiwelt für die Oberschülerinnen zu öffnen?

„Hast du schon etwas rausgefunden?“, hörte er Tentomon fragen, welches sich gerade damit beschäftigte, die vernachlässigte Ordnung seines Wohnzimmers wiederherzustellen. Unter emsigem Gebrumm sammelte das Digimon herumliegende Kleidungsstücke auf und schmiss sie in seinen Wäschekorb. Wäre Izzy nicht so fixiert auf den Laptop, so hätte ihn das wohl verlegen gemacht. Immerhin war Tentomon sein Partner und nicht sein Bediensteter.

„Nein, noch nicht. Aber ich komme des Rätsels Lösung näher. Glaube ich zumindest“, brummelte er also lediglich und vertiefte sich weiter in seine Arbeit.

„Merkwürdig. Eigentlich hat man ja nur über dein Büro Zugang zur Digiwelt. Und Zugriff auf uns“, meinte Tentomon und Izzy entgegnete:

„Das stimmt nur bedingt. Wenn ich euch auf meinen Laptop transferiere, hat man auch außerhalb meines Büros auf euch Zugriff. Und Sora habe ich vor ihrer Abreise erklärt, was sie machen muss, um ihr Digimon zu sich holen zu können.“

'Allerdings weiß ich nicht, ob sie mich wirklich verstanden hat', dachte er bei sich. Er hatte sich damit abgefunden, dass er das Computergenie der Digiritterrunde war. Ohne Überheblichkeit oder Frustration war ihm bewusst, dass er das funktionierende Bindeglied zwischen der Digiwelt und seinen Freunden war. Das machte ihn zwar zu einem unverzichtbaren Mitglied, aber nicht zum Anführer. Tai war dafür zuständig, die Gruppe zusammen zu halten und zu führen. Sora wiederum behielt das Mitgefühl der anderen im Auge und T.K. war der Hoffnungsträger und machte Mut, wenn alle bereits ihre Köpfe in den Sand gesteckt hatten. Jeder von ihnen hatte seine Aufgabe und war zu seinen Teilen für das Wohlergehen der Gruppe verantwortlich. Und Izzy war nun mal der, der das meiste Wissen hatte und damit die anderen unterstützte. Doch gerade fühlte er sich von seinem Wissen im Stich gelassen und murmelte säuerlich:

„Was ist denn nur mit diesem Laptop los? Warum sind sämtliche Daten verschlüsselt?“

Seine Finger schlugen unablässig auf die Tasten ein, Fenster wurden geöffnet und frustriert wieder geschlossen und der Student holte alles an Fachwissen raus, was er sich in seinem Leben angeeignet hatte. Erst nach einer Stunde konzentriertem Tüfteln konnte er die Verschlüsselungen aufheben – und klappte prompt seinen Mund vor Ungläubigkeit auf, als sich plötzlich eine Warnmeldung auf dem Bildschirm öffnete:

‚Fick dich und drücke in den nächsten zehn Sekunden F5 oder alle Daten werden gelöscht und überschrieben.‘

„Verdammt“, fluchte er, mehr erschrocken als alles andere und drückte rasch die F5-Taste. Alle Verschlüsselungen bauten sich wieder auf und fassungslos starrte der Student auf den Bildschirm. Die Erkenntnis, dass nicht der Laptop, sondern seine Besitzerin für die ganzen Sicherungen und Verschlüsselungen verantwortlich war, wog schwer und ließ ihn vorerst verharren. Warum er das nicht eher in Erwägung gezogen hatte, war ihm schleierhaft, denn ein Computer machte bekanntlich nur das, was man ihm auftrug. Vielleicht war er ja doch überheblicher als gedacht? Zumindest hatte er die Oberschülerin gewaltig unterschätzt.

„Wer ist dieses Mädchen?“, murmelte er kopfschüttelnd. Seine Motivation, sie zu finden, veränderte sich schlagartig. Er wollte sie nun nicht mehr bloß in die reale Welt zurückholen, sondern sie vor allen Dingen kennenlernen.



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