Epilog
Ich soll über eine berühmte Person schreiben, die mich inspiriert, Gutes zu tun. Anna Michailova, ich weiß ganz genau, dass Sie jetzt irgendwas lesen wollen von wegen Mutter Theresa oder Ghandi oder so. Aber Mutter Theresa war echt ziemlich problematisch und Ghandi war ein frauenfeindlicher Arsch ziemlich frauenfeindlich. Das finde ich jetzt nicht so inspirierend, um ehrlich zu sein, deswegen können Sie sich das abschminken werden Sie hier von jemand anderem lesen. Aber er hat einen Wikipedia-Artikel, der sogar über fünf Fußnoten hat und deswegen finde ich, dass das voll gilt. Außerdem gibt’s Merchandise von ihm und das ist viel geiler als das Merchandise von Ghandi. Ich will nämlich über meinen Bruder Yuriy Nikolajewitsch Ivanov schreiben. Eigentlich ist er nicht mein Bruder, nur mein Halbbruder, aber das spielt keine Rolle, weil er macht keine halben Sachen und ich auch nicht. Außerdem versteh ich echt nicht, wieso so viel Wert auf die Väter gelegt wird, wenn die Mutter einen aus sich rauspresst. Aber Mama hat gesagt, dass das wieder ein anderer Disko Diskus Diskurs ist und ich den hier nicht aufmachen soll, also schreib ich das einfach bei der nächsten Strafarbeit.
Auf Wikipedia steht, dass Yuriy am 08. Februar 1985 geboren wurde. Das heißt, dass er Wassermann ist, aber im Mond ist er eine Jungfrau und das merkt man auch und sein Aszendent ist Widder, und das merkt man noch viel stärker. Er wurde nach Yuri Gargarin benannt und das passt voll, weil er nicht nur von den Sternen träumt, sondern sie sich auch holt (auch wenn er jetzt sagen würde, dass man einen Stern nicht holen kann, weil er nur aus Gas und explodierenden Neuronen oder sowas besteht, irgendwelche Teilchen, die in die Luft fliegen halt). Er verdient sie auch, weil er hart dafür arbeitet. Yuriy lässt sich nämlich nix schenken und glaubt auch nicht dran, dass es im Leben irgendwas gratis gibt. Das könnte einen jetzt voll runterziehen, aber ich finde das nicht und Yuriy sagt, darauf kommt es an, weil die Einstellung prägt die Art, wie wir mit dem Leben umgehen. Ich finde nicht, dass es runterzieht, realistisch zu sein und ich glaube, Yuriy tut das auch nicht. Er nimmt die Dinge eben so, wie sie sind und redet sie sich nicht schön. Aber dadurch kann man mit den Dingen manchmal besser umgehen. Wenn man nämlich zum Beispiel für eine Beförderung arbeitet, dann ist das voll öde anstrengend, aber man hat sich das dafür dann verdient. Und wenn zum Beispiel jemand stirbt, dann ist das voll scheiße traurig, aber es ist besser, gleich drüber zu weinen und ein paar Sachen kaputt zu machen, als es in sich reinzufressen und fett und unglücklich zu werden. Yuriy sagt, das hat er auch erstmal auf die harte Tour lernen müssen und das glaub ich ihm, weil er manchmal echt verkappt ist. Aber ich kenn echt niemanden, der sich so klar drüber ist, dass man manche Sachen halt erstmal lernen muss.
Ich weiß nicht, wie Yuriy war, als er jünger war und das macht mich manchmal traurig. Aber Yuriy ist jemand, der immer nach vorn schaut und selten zurück, und da kann man sich auch ne Scheibe von abschneiden da ist schon ein bisschen was Wahres dran. Man sollte die Vergangenheit nicht vergessen, aber man darf auch nicht drin versumpfen. Und es ist wichtiger, dass ich ihn jetzt kenne, als dass ich ihn früher nicht gekannt habe. Er ist nämlich ein ziemlich krasser guter Bruder, auch wenn er manchmal ziemlich irren Scheiß interessante Dinge macht. Zum Beispiel weiß ich, dass er Grigorij Sergejewitsch vielleicht nicht vor der Schule hätte bedrohen sollen, aber der Arsch hat bekommen, was er verdient er hat es herausgefordert und Yuriy lässt sich nix gefallen, wenn es nicht gerecht ist. Ich finde das sehr inspirierend, weil vieles auf der Welt ist nicht gerecht, schon gar nicht, wenn man ein Mädchen ist. Und gegen Ungerechtigkeit angehen ist Gutes tun, weil es dann den benachteiligten Leuten besser geht.
Am meisten inspiriert mich aber, dass Yuriy nix von Helden hält. Er sagt nämlich, dass Helden – und Heldinnen! - nur idealisierte Leute mit ordentlich Eiern Mut sind und wenn man solche Leute zu viel in die Höhe hebt, bekommen die Menschen das Gefühl, dass sie selber gar nix erreichen können, weil sie ja selber nur Kevins sind nicht so heldenhaft sind. Aber das stimmt gar nicht. Heldenhafte Leute sind einfach nur Checker, die sich mal was trauen. Und das kann jeder von uns. Yuriy hat mir beigebracht, dass man sich nur nicht den Mund verbieten lassen darf, wenn man das System reformieren und Gutes tun will. Gutes tun ist nämlich nicht Hände falten Fresse halten das tun, was einem gesagt wird, sondern dafür sorgen, dass es anderen und einem selber besser geht. Und deswegen stehe ich auch dahinter, das Klassenbuch aus dem Fenster zu werfen, wenn Sie hineinschreiben, dass man sich im Unterricht aufgeführt hat, nur weil man das Geschichtebuch hinterfragt. Bücher sind nämlich auch nur von Menschen gemacht und man muss nicht alles glauben, was einem angedreht wird, weil gerade Geschichte hat viele Blickwinkel und man muss nicht nur dem einen folgen, den die Regierung einem aufzwingen will der einem vor die Nase gesetzt wird. Das habe ich auch von Yuriy gelernt.
Zum Abschluss möchte ich hier noch John F. Kennedy zitieren, der hat nämlich gesagt: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage, was du für dein Land tun kannst.” In dem Sinn will ich sagen: „Frage nicht, wie Schülerinnen von anderen inspiriert werden, Gutes zu tun. Frage, wie du sie selbst dazu inspirieren kannst.” Und da würde ich jetzt mal hart drüber nachdenken, Anna Michailova.