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Wenn der Winter stirbt

Fanfiction-Adventskalender 2020
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo miteinander

Hier folgt mein Beitrag zum Adventskalender 2020 aus dem Fanfiction-Forum mit Tür 9 – Wenn der Winter stirbt.

Die Charaktere und das Szenario sind eigens für diesen OS entstanden.


Ganondorf Dragmiere Komplett anzeigen

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Wenn der Winter stirbt

Im Radio lief Winter Wonderland gesungen von Joey Nash unter der Leitung Richard Himbers und seinem Ritz-Carlton Orchester.

Dank beheizter Frontscheiben sammelte sich von außen kein Schnee auf dem Glas.
 

Mary saß bereits seit einer Stunde in seinem Wagen.

Einmal hatte er Okes Frau aus dem Haus kommen sehen. Sie hatte den Müll entsorgt. Entdeckt hatte sie ihn nicht. Weder kannte sie ihn, noch war sie in der Lage bis fast ans Ende der Straße zu sehen, wo Oke in seinem nachtblauen Ford saß, als wäre er ein Perverser der seinem Opfer nachstellte.

Ihr letztes Gruppentreffen war drei Jahre her. Sechs Jahre jedoch, an welchem Mary zuletzt dabei war. Es hatte einfach nicht gepasst. Beruflich.

Okes Zettel trug Mary seit ihrem ersten Treffen in seinem Portemonnaie bei sich. Jetzt senkte er zum gefühlt tausendsten Male seinen Kopf, um auf dieses kleine Stück Papier herabzusehen.

Eine halbe Stunde zuvor, seit er schon hier saß, war er durch die Straße gefahren. Langsam. Doch nicht zu langsam damit niemand Verdacht schöpfte. Auch nicht zu schnell.

Einmal um den Block.

Dann hatte Mary sich in die noch immer freie Parklücke gestellt und Okes Haus beobachtet.

Nicht einen Moment hatte er es aus den Augen gelassen. Daniel hatte ihn im College dazu geraten später zur Polizei zu gehen. Wie hatte er sich noch gleich ausgedrückt?

„Du bist der geborene Polizist. Wache Augen, scharfer Verstand. Dir entgeht nichts. Du kombinierst in Sekundenschnelle und du hast sogar das Verschwinden um das Basketball-Maskottchen gelöst.“

Schwer seufzend drehte Mary seinen Kopf zum Radio. Die Uhr stand auf 12:23 Uhr. Der Zettel wurde langsam und sorgfältig gefaltet und wieder ins Portemonnaie gesteckt. Die Heizung wurde ausgestellt, auch Joey Nashs Stimme verklang und mit einem weiteren Seufzen befreite Mary sich von dem Anschnallgurt.

Doch bis er endlich ausstieg, sollte noch eine ganze Viertelstunde vergehen.
 

Knarzend gab das Holz der Veranda nach, als Mary oben ankam und vor der festlich geschmückten Tür stand. Hinter der milchigen Glasscheibe bewegte sich jemand und ehe Mary die Klingel betätigen konnte, öffnete ihm Oke.

Dessen zuvor noch regungslose Gesicht hellte sich binnen Sekunden auf.

„Mary. Komm rein, komm rein.“, forderte Oke und wurde nicht müde so lange mit dem Arm eine Bewegung zu vollführen, als würde er eine Kurbel betätigen, bis Mary im nicht minder festlich geschmückten Flur seines Hauses stand.

„Schön dass du gekommen bist.“

Marys Jacke hängte Oke an die Wandgarderobe und bat ihn die Gästeschuhe anzuziehen. Seine Frau sei etwas kleinlich was Schmutz anbelangt.
 

Von dem langen, breiten Flur führte eine Tür zur rechten in die Küche. Links ging es in ein weiteres Zimmer und der Flur bog erneut um die Ecke ab. Geradeaus blickte man direkt ins Wohnzimmer und auf einen kunterbunt geschmückten Weihnachtsbaum. Mary erkannte sogar Zuckerstangen in dem Tannengrün.

„Meine Frau ist im Keller. Sie kommt gleich. Bitte, setz dich doch. Tee?“

Orangenduft hing in der Luft. Gemischt mit der Süße von Vanillekipferl.

„Kräuter?“

„Anis, Kamille, Ingwer, Fenchel.“

„Ingwer. Danke.“

Erst als Oke in die Küche verschwand, setzte sich Mary auf dem ihm angebotenen Platz auf das Sofa. Obwohl es schon alt sein musste, fühlte es sich nicht durchgesessen an.

Hohe Decken, ebenso hohe Fenster bis unters Dach, offener Wohnbereich wie Mary jetzt erst erkannte. Im Kamin knisterte Feuer und verteilte seine mollige Wärme im ganzen Haus. Eine Empore führte nach oben. Dort waren nochmals mehrere Türen und es sah recht verwinkelt aus. Mary vermutete, dass oben ein großer Tisch und Sitzgelegenheiten existieren mussten. Denn wenn er sich richtig nach hinten lehnte, konnte er gerade so eine brennende Kerze entdecken.

Oke war schon immer ein Naturmensch gewesen. Doch hätte Mary nie erwartet dass sein Collegefreund in einem Blockhaus wohnen würde. Von außen sah es irgendwie so gar nicht typisch aus.
 

„Hast du gut hergefunden? Wie lange bist du gefahren?“

Mit zwei heißen Tassen auf einem Tablett und einer Schale Plätzchen – Mary wusste dass sie selbstgebacken sind – kehrte Oke in den Wohnbereich zurück und verteilte zunächst Untersetzer und dann den Tee.

„Sieben Stunden.“, erwiderte Mary.

Ja, doch. Es waren sieben Stunden und drei kurze Pausen gewesen.

Ein langes Pfeifen hallte durch den Raum und Oke nahm mit etwas Abstand neben Mary auf dem Sofa platz.

„Doch so lange? Meine Güte. Und dann geht dein ganzes Wochenende auch noch dafür drauf.“

„Urlaub.“, war das einzige was Mary knapp erwiderte.

Von ganzes Wochenende und draufgehen konnte also nicht die Rede sein.
 

„Hier steckt ihr also.“

Okes Frau trug einen cremefarbenen Kuschelpullover, eine schwarze Sporthose und fluffige, hellbraune Hausschuhe. Ihr schmales Gesicht strahlte Vitalität und Jugend aus und ihr schulterlanges blondes Haar fiel ihr geschmeidig um die Schultern. Bei jedem Schritt wippte es auf und ab. Wie bauschige Wolken.

„Ich bin Caroline. Freut mich dich kennenzulernen.“

Carolines warmes Lächeln löste Unbehagen in Mary aus. Er erhob sich und reichte ihr seine Hand zur Begrüßung.

„Manuel. Danke für die Einladung.“

Dann setzte er sich wieder und Caroline hackte sich unter Okes Arm ein und rückte dicht an ihn heran.

„Es ist so schön, dass zumindest einer von Okes Freunden endlich einmal zu Besuch ist.“

Die Verwunderung dass Mary der erste sein soll, ließ er sich anmerken. Zumindest hatte er angenommen, dass Kosta bereits hier gewesen wäre. Kosta war überall gewesen. Immer. Als Erster.

„Du weißt es noch gar nicht.“, begann Oke und sein Ton veränderte sich mit einem Mal.

Genau einzuordnen wusste Mary ihn nicht.

„Daniel hatte anderthalb Jahre vor Beginn des letzten Treffens angerufen und mitgeteilt, dass Kosta bei einem Autounfall gestorben ist. Kostas Schwester hatte Daniel angerufen und ich hatte es dann auf dem Treffen erfahren. War etwas seltsam das vergangene Treffen. Nur Daniel und ich.“

Kein Vorwurf. Doch kurz währende Trauer.

Mary rührte Kostas Tod nicht.
 

Manuel war nie besonders stark gewesen. Oder man hatte es ihm zumindest nie angesehen. Doch in diesem Augenblick durchlief eine ungeahnte Stärke seinen Körper. Kosta fand sich taumelnd und schließlich fluchend auf dem Zimmerboden wieder.

„Was hattest du da grade vor?“, zischte Manuel und ließ Kosta – der ihm schon immer etwas suspekt vorgekommen war und das er einfach so hingenommen hatte – nicht aus den Augen.

„Gar nichts.“

„Lüg nicht! Bist du krank? Oke schläft und ist sturzbetrunken. Raus!“

„Reg dich ab Manuel.“, murrte Kosta und rappelte sich schwerfällig wieder auf.

Er war nicht minder angeheitert. Doch entschuldigte für Manuel dies nicht Kostas Verhalten.

„Raus!“, dieses mal mit mehr Nachdruck.

Kosta verzog den Mundwinkel zu einem grinsen. Lallte etwas unverständliches. Manuel half nach und schmiss ihn aus Okes und seinem Zimmer. Der Schlüssel wurde herumgedreht. Dass Kosta draußen tobte ging an Manuel vollkommen vorbei. Er überprüfte Oke. Dessen Lippen bewegten sich unentwegt, als würde er im Schlaf reden. Seine Augenlider huschten hin und her, ab und an zuckte er wie eine Kakerlake auf dem Rücken zusammen. Sonst war alles okay.

Manuel zog die Decke bis unter Okes Kinn.

„Von wegen Freund.“, schnaufte Manuel bitter.

Freunde taten so etwas nicht.
 

Weder damals, am nächsten Tag nach Okes durchzechter Nacht, noch irgendwann sonst hatte Oke erfahren was passiert war. Daniel hatte es als einziger gewusst – und geschwiegen. Kosta im Glauben gelassen nie was zu wissen, noch gemerkt zu haben. Doch er hatte es von Manuel erfahren.

Vieles war anders geworden danach.

Kosta stichelte Manuel wo er nur konnte, gab dumme Sprüche von sich. Daniel hatte stets darauf geachtet dass es nie Überhand nahm und die Gruppe nicht zerbrach. Obwohl auch ihn Kostas Art nicht länger gefiel.

Doch er und Manuel waren Okes Sandkastenfreunde seit der Vorschule gewesen. Irgendwie hatte Oke auf sie beide immer wie jemand gewirkt, auf den man Achtgeben musste.

Oke selbst hatte zwar Kostas und Manuels ungewöhnliches Verhalten mitbekommen, schob dies aber auf einen Streit der sogar bis zum vorletzten Treffen angedauert hatte. Wie eine Fehde.

Bis heute hatte er keine Ahnung. War unwissend und irgendwie genauso naiv wie damals im College. Vielleicht täuschte dies auch einfach nur.
 

Neben einer Hausführung – Mary erfuhr dabei dass Caroline Innenausstatterin war – und einen Spaziergang in den Garten, saßen sie zu dritt am viel zu großen Esstisch zu Mittag.

Caroline war eine hervorragende Köchin und die gebratene Gans das beste Geflügel, welches Mary bis heute gegessen hatte. Selbstgemachter Kartoffelstampf mit Orangennote – am liebsten hätte Mary darin gebadet. Ein Feldsalat aus eigenem Anbau und zum Dessert etwas Süßes.

Rundum gelungen.

Und wer vom Dessert immer noch nicht satt war, der bediente sich der Plätzchen. Caroline freute es, dass Mary zugriff.

„Man könnte meinen, du bekommst nie etwas so gutes.“, scherzte Caroline und Mary verschluckte sich beinahe an seiner vierten Teetasse.

„Es ist wirklich überaus köstlich Caroline.“

Caroline schürzte die Lippen und stach ihrem Mann mehrfach mit dem Ellenbogen in die Seite.

„Überaus köstlich sagt unser Gast. Ich sollte den Mann wechseln und Manuels Frau werden. So nette Worte habe ich in fünfzehn Jahre Ehe nicht von dir gesagt bekommen.“

„Ach, ich weißt nicht Schatz.“, begann Oke und zwinkerte Mary zu „Mary ist Berufskraftfahrer. Viel unterwegs. Das würde dir nicht gefallen.“

„So? Meinst du?“, erwiderte Caroline gespielt schnippisch.

Oke nickte und lachte.

„Oder was sagst du Mary?“

Die Tasse von den Lippen setzend, lächelte Oke Caroline entgegen. Es wirkte noch etwas unbeholfen, schüchtern.

„Caroline und ich wären eine gute Partie. Ihr Essen würde umso besser schmecken, je länger ich von daheim weg wäre.“

„Siehst du? Siehst du!“

Caroline streckte ihre Arme wie eine Raubkatze über den Tisch aus und legte ihre Hände auf Marys.

„Wir besprechen unsere Zukunftspläne wenn Oke den Abwasch macht.“

„Wie Abwasch?“

Verdatterte sah er seine Frau an.

„Ich habe gekocht, du machst sauber. Ach Schatz, dass hatten wir doch schon. Eheliche Gleichberechtigung. Jeder macht etwas und am Ende sind wir beide glücklich..“

Mary nickte einfach nur schweigend.

Besser er überließ das Feld Caroline. Nicht dass er am Ende noch für die Scheidung verantwortlich gemacht wurde.
 

Dank dem Heizpilz war es draußen im Garten gar nicht wirklich kalt. Der Schnee verschwand seit zwei Wochen immer mehr. Bereits jetzt zeigten sich auf dem Rasen grüne Flächen.

Eine Heiße Schokolade für jeden von ihnen, ließen Oke und Manuel den Tag ausklingen. Morgen stand ein reiner Männertag an. Oke wollte seinem Freund die Gegend zeigen. Caroline blieb alleine zuhause.

„Danke.“

Oke spielte an seiner Tasse herum und sah zum Nachthimmel auf. Was er damit meinte, blieb unbeantwortet.

„Danke.“, erwiderte nun Mary und auch diese Bedeutung blieb offen.

Vielleicht begann er nun endlich wieder aufzutauen.

Nach all den langen Jahren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  me-luna
2021-02-21T00:10:13+00:00 21.02.2021 01:10
Danke dir für das stimmungsvolle und rundum schöne Weihnachtskapitel, freue mich sehr darauf, von dir mehr zu lesen.


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