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Happy Holidays

Eine Puppyshipping-Sammlung
von
Koautor:  empress_sissi

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach einer etwas längeren Pause in der Fanfiction-Welt habe ich nun beschlossen, auf Verdacht mal wieder etwas Kleines zum Naschen hochzuladen. Denn tatsächlich ist inzwischen zu jeder meiner Fanfics auch ein neuer Teil entstanden, während ich am Überlegen bin, ob das Uploaden überhaupt noch lohnenswert ist. Vielleicht gibt es ja noch die eine oder andere Yu-Gi-Oh!-Fujoshi, die es liest und todesmutig unter Aufbietung all ihrer verbliebenen Yu-Gi-Oh!-Puppyshipping-Kräfte ein Review hinterlässt. ^^
Habt auf jeden Fall einen schönen Welttag des Buches! Komplett anzeigen

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Missverständnis

Regen, Regen und noch mehr Regen. Gelangweilt besah sich ein gewisser Blondschopf von seinem Sitzplatz im Klassenzimmer aus das Sauwetter draußen, dessen verhangene Wolkendecke bereits in den frühen Morgenstunden den gesamten Himmel verdunkelt hatte. Jonouchi hatte es vorhin in einem olympiareifen Sprint gerade noch geschafft, diesem inzwischen nicht enden wollenden Wolkenbruch zu entgehen. Ärgerlicherweise war er dennoch zu spät zur ersten Stunde gekommen, sodass er diese auch direkt auf dem Flur verbringen hatte dürfen. Natürlich wäre er sowohl dem Marathonlauf als auch der Strafe des Lehrers entgangen, wäre er zur Abwechslung einfach einmal früher aus dem Haus gegangen. Doch das war schlicht unmöglich für ihn, denn dafür hätte er entsprechend eher oder wenigstens pünktlich aufstehen müssen, was unter keinen Umständen verhandelbar gewesen wäre. 

 

Da der Verweis aus der Klasse jedoch vielmehr einer Belohnung als einer Strafe gleichkam, beschloss sein Klassenlehrer, ihn an der zweiten Stunde wieder teilnehmen zu lassen, sodass er die Gelegenheit hatte, sich mit dem tristen Wetter zu beschäftigen, statt dem noch tristeren Unterricht zu folgen. Es kam einem Wunder gleich, dass schließlich die Erlösung in Form der Schulglocke ertönte. Der Blonde riss sich von seinem Tagtraum los und wandte sich nach vorne, um Yuugi zu einem kurzen Gespräch zu animieren, als sich von der Seite plötzlich eine weiße Papiertüte in sein Sichtfeld schob. Direkt dahinter stand Anzu, die ihm die besagte Verpackung vor die Nase geschoben hatte. Darauf waren groß die Worte „Welttag des Buches“ in oranger Schrift zu lesen und der Blonde blickte etwas irritiert zu seiner langjährigen Klassenkameradin auf. 

 

„Guten Morgen, Jonouchi“, grinste sie ihn freundlich an, „Ich habe hier ein paar Bücher für Shizuka zusammengepackt. Sei so gut und gib sie ihr, wenn ihr euch am Wochenende bei deiner Mutter seht.“ Auf ihre Bitte hin schlich sich ein verschwörerisches Lächeln auf Katsuyas Gesicht, während er die Arme vor der Brust verschränkte.

„Und was bekomme ich dafür?“, wollte der Angesprochene direkt eine Gegenleistung einfordern und grinste keck zurück. Kurz überlegte die Braunhaarige, ob es überhaupt einer Gegenleistung bedurfte, da es ja immerhin um seine über alles geliebte Schwester ging und er weder Umwege noch andere Unannehmlichkeiten dabei auszustehen hatte.

 

„Okay, hier mein Angebot: ich bringe dir nachher ein Sandwich aus der Mesa mit“, schlug sie kurzerhand vor, während bei Katsuya bereits die Augen zu leuchten begannen, „wenn du mir das Geld dafür gibst.“ Und schon verflog das eben noch so freudige Strahlen aus dem Gesicht des Blonden wieder. 

„Und was genau ist mein Vorteil daran?“, fragte er mit enttäuschter Miene. 

„Du hast genau den gleichen Vorteil wie ich: einen Botengang umsonst“, grinste Anzu überlegen und schob die Tüte erwartungsvoll weiter in Jonouchis Richtung. 

„Immerhin besser als nichts“, gab sich der blonde Chaot schließlich geschlagen und nahm die Bücherlieferung an sich. 

„Sehr schön“, freute sich Anzu wiederum über die eingeforderte Hilfsbereitschaft, während sich nun auch Yuugi in das Gespräch mit einbrachte und der Braunhaarigen für die Besorgungen in der Mittagspause seine Begleitung anbot. Das breite Schmunzeln auf ihren Lippen, gepaart mit einer deutlichen Freude, war daraufhin unübersehbar, sodass Katsuya die Augen verdrehte. Wie lange konnte das noch dauern, bis sie endlich offiziell ein Paar werden würden? Es war schließlich nicht zu übersehen, dass sie beide einander anhimmelten, wie in einem schlechten Liebesroman.

 

Kurz darauf war Anzu im Begriff, wieder zu ihrem Platz zurückzukehren, als sie sich doch noch einmal umdrehte und den Blonden eingehend und ernst in die Augen schaute. „Jonouchi“, begann sie mahnend zu sprechen, „du sollst die Bücher nur übergeben, nicht lesen!“

„Als wenn ich Interesse an euren Magical Girl Lovestories hätte, in denen alles im Drama versinkt und der tapfere Ritter auf einem weißen Pferd angeritten kommt, um die Prinzessin mit dem Kuss der einzig wahren Liebe zu retten. Nee, danke. Ich verzichte“, winkte dieser nur ab und gab Anzu damit sein Desinteresse zu verstehen, während er die Papiertüte neben seinem Platz abstellte. 

 

Jetzt durfte er sich die nächsten Stunden erstmal mit Kalligrafie vergnügen, bis ihm das Essen aus der Kantine frei Haus direkt vor die Nase getragen wurde. Da der Kalligrafieunterricht zum Glück nicht aus den grässlich langweiligen Erzählungen ihres Lehrers bestand, wie es in den meisten anderen Fächern der Fall war, sondern eher mit handwerklich künstlerischen Tätigkeiten einherging, verflog die Zeit bis zur ersehnten Pause doch schneller als geglaubt. Hin und wieder machte sich gegen Ende der vierten Stunde jedoch ein leises Bauchgrummeln bemerkbar, da der Toast, den er sich am Morgen noch schnell zwischen Tür und Angel in den Mund geschoben hatte, definitiv nicht ausreichend gewesen war. Umso größer war die Freude, als Yuugi mit Anzu wenige Sekunden nach dem Pausenklingeln den Raum verließ und dieses unangenehme Hungergefühl bald der Vergangenheit angehören würde. 

 

Bis es dazu kam, ließ er sich noch einmal kurz von der Schlechtwetterfront ablenken, die Domino City weiterhin im Regen zu ertränken versuchte. Seine stille Hoffnung, dass der Regen doch noch aufhören würde, schwand mit jeder weiteren Minute mehr. Seine Laune schloss sich diesen tristen Gedanken sogleich an und sank parallel dazu ebenfalls. Eigentlich würde er sich die Zeit mit Honda vertreiben und das Sauwetter so gut es ging ignorieren, bis sie beide fluchend nach dem Unterricht unten standen, um den Regen griesgrämig anzuknurren. Doch sein langjähriger Kumpel glänzte bereits die ganze Woche mit Abwesenheit, da er mit einer Erkältung das Bett hüten musste.

Ein Seufzen verließ seinen Mund, als im selben Moment ein Geräusch seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Gerade war einer seiner Klassenkameraden wohl etwas zu nah an seinem Tisch vorbeigegangen und hatte dabei die Büchertüte von Anzu umgerissen, sodass sie umfiel und die Bücher über den Boden verstreut wurden. 

 

„Kannst du nicht aufpassen, Hanasaki?“, grummelte der Blonde etwas genervt zu dem Schuldigen, der sich direkt mit einem „Sorry“ aus der Affäre zog und es sehr eilig zu haben schien, weshalb er auch nicht beim Einsammeln half. Also bequemte sich Jonouchi von seinem Platz und suchte die Bücher wieder zusammen. Ein wertendes Schmunzeln schlich dabei über seine Lippen, da ihm die Cover durchaus bekannt vorkamen und seine vorhin getätigte Aussage Anzu gegenüber bestätigte. Er hielt die ersten Bände von altbekannten Serien in den Händen: Sailor Moon, Inu Yasha, Chobits sowie einen Manga, den er bislang noch nicht kannte. Auf dem Cover waren zwei Männer abgebildet, von denen einer eine Waffe in den Händen hielt und vermeintlich auf den Betrachter des Bildes zielte. 

 

Er drehte den Manga um und las die wenigen Zeilen zur Inhaltsangabe. Er handelte von einem Fotografen, der sich wohl zu weit in die Unterwelt gewagt hatte und sogar mit der chinesischen Mafia in Berührung kam. Vom Inhalt her klang es recht interessant, als er jedoch die erste Seite des Buches aufschlug, fielen ihm beinahe die Augen raus, bei dem, was er dort sah. Räkelte sich da doch nicht gerade wirklich der Kerl, der die Waffe auf dem Cover in der Hand hielt, nackt und gefesselt auf dem Schoß des anderen? Sofort klappte er das Buch mit Lichtgeschwindigkeit wieder zu, während sich ein deutlicher Rotschimmer auf seinen Wangen niederschlug. War das etwa einer dieser besagten Boys Love Manga, von denen er bereits aus aufgeschnappten Wortfetzen von den Mädels gehört hatte? Die Altersempfehlung 18+ war daher wohl keine Einstufung aufgrund von ausufernder Gewalt der Mafiosi, sondern eher wegen den vermeintlich mehr als ausschweifenden sexuellen Handlungen. 

 

Tausend Gedanken schossen ihm dazu durch den Kopf, unter anderem auch dieser eine, der ihm sagte, dass seine wohlgemerkt jüngere Schwester noch VIEL zu jung für solche Freizügigkeiten war. Was hatte sich Anzu nur dabei gedacht, ihr solch einen Schmuddelkram zwischen diese Schmusibusi-Comics zu packen? Woher hatte sie diese Bücher überhaupt? Denn auch, wenn in Japan inzwischen das Erwachsenenalter mit 18 Jahren erreicht wurde, war Anzu noch immer zu jung, um derlei Literatur zu besitzen. Außerdem beschäftigte ihn die Frage, wie oft solche pikanten Übergaben ohne sein Wissen bereits stattgefunden hatten. Immerhin hatte er nicht das erste Mal eine Bücherlieferung von Anzu entgegengenommen. 

 

Argwöhnisch betrachtete er das Cover des Buches, das er noch immer teilweise mit seinen Händen verdeckte. Noch nie zuvor hatte er solch einen Manga in den Händen gehalten und würde wohl auch in Zukunft niemals wieder in diese zweifelhafte Situation geraten. Mit diesem Gedanken ließ er seinen Blick einmal kurz prüfend durch den Klassenraum wandern, um zu sehen, ob jemand von seinem Tun Notiz genommen hatte. Doch keiner seiner Klassenkameraden schien sich für ihn zu interessieren. Die wenigen Mitschüler, die nicht in die Mensa oder nach draußen gegangen waren, unterhielten sich einige Tische weiter sorglos mit ihren Freunden beim Mittagessen. 

 

Jonouchi überlegte. Er hatte noch ein paar Minuten Zeit, bis auch Anzu zusammen mit Yuugi wieder in den Klassenraum zurückkehren würde, und irgendwie weckte dieses pikante Büchlein ein klitzeklein wenig sein Interesse. Auch wenn er das niemals jemand anderem gegenüber zugeben würde. Doch die Neugier schien ein unerbittlicher Feind zu sein, der nur beschwerlich zu überwinden war und ihn zu einer abersinnigen Entscheidung verführen wollte. Nun, Gelegenheit schaffte bekanntlich Diebe, sodass der Blonde beschloss, diesen kurzen, unbeobachteten Moment zu nutzen. Ein weiteres Mal sah er sich im Raum um und vergewisserte sich, dass die wenigen Anwesenden anderweitig beschäftigt waren, als er den Manga erneut aufschlug, um weiter darin zu blättern. 

 

Tatsächlich war die Geschichte auf den ersten Seiten unerwartet spannend aufgebaut, während die Zeichnungen ebenfalls sehr ansehnlich waren. Außerdem war er positiv überrascht, dass der Fotograf so episch aus der ersten Auseinandersetzung mit dem mutmaßlichen Bösewicht entkam, sodass er neugierig weiter las, bis die Geschichte relativ schnell die erwartete Wendung nahm. Denn von einer Seite auf die andere trug der vermeintliche Protagonist wie im ersten Bild keinerlei Kleidung mehr und war dem anderen gefesselt in einer eindeutigen Pose hilflos ausgeliefert. Jonouchi schluckte, während sein Herz mit einem Mal deutlich schneller schlug. Dass sein Interesse nicht unbedingt nur dem weiblichen Geschlecht galt, ahnte er schon länger. Denn während Honda beinahe jedem Mädchen hinterher pfiff, drehte sich der Blonde ab und an auch schon mal nach einer Person des männlichen Geschlechts um. Allen voran waren dies große, dunkelhaarige Typen mit einer schlanken, jedoch muskulösen Figur und einem leicht unnahbaren Ausdruck, die seine Aufmerksamkeit erregten. 

 

Dieser Tatsache war er bisher nie weiter nachgegangen, um sich nicht mit unliebsamen Gedankengängen auseinandersetzen zu müssen. Doch nun spielte ihm Fortuna diese kleine Versuchung in die Hände, der er nicht widerstehen konnte, obwohl ihn Anzu deutlich gemahnt hatte, keinen Blick in diese Lektüre zu werfen. Dennoch blätterte er auch die nachfolgenden Seiten um, in denen das Treiben immer wilder und ungezügelter wurde. Seine Umgebung hatte er in diesem kleinen Moment komplett ausgeblendet, während er die wenigen Sprechblasen eine nach der anderen gedanklich durchging und dabei unverhofft unterbrochen wurde.

 

„Was liest du denn da Feines?“, hörte er die ungewöhnlich dunkle Stimme Bakuras hinter sich und fühlte sich sofort ertappt, sodass er auf den Schreck hin das Buch sofort schloss und sich umwandte.

„Bakura, hey, sag mal, bist du schon länger hier?“, fragte der Angesprochene nervös und wirkte erschrocken, während er versuchte, das Buch unauffällig verschwinden zu lassen. Das entging auch dem Besitzer des Millenniumsrings nicht, sodass er sich einfach über den Blonden hinweg beugte und ihm den Manga mit der gefühlten Leichtigkeit eines Diebes unter den Fingern weg stahl, um das verräterische Material genauer zu beäugen. Die für Jonouchi unerwartete Reaktion kam so plötzlich, dass er etwas verspätet auf den Diebstahl reagierte und sofort versuchte, das Buch wieder zu bekommen, jedoch dabei mehrfach ins Leere griff. Derweil blätterte Bakura bereits interessiert durch die ersten Seiten und staunte nicht schlecht über den einschlägigen Inhalt, den er nicht unkommentiert lassen konnte. 

 

„Mein lieber Jonouchi-kun. Ich bin doch äußerst überrascht, dass du dich für derlei aufreizende Dinge interessierst.“ Sofort lief Katsuya verlegen an und musste feststellen, dass die eben genannte Fortuna sich sogleich als das schöne Übel namens Pandora entpuppte, die ihre Büchse heute ausnahmsweise nur für ihn großzügig geöffnet hatte. 

„Was? Nein, du verstehst das ganz falsch, ich…ähm…ja, weißt du…öhm….“, versuchte der Blonde sich sogleich stotternd zu verteidigen, während er definitiv nicht die passenden Worte fand. 

„Oh, ich denke, ich habe das schon richtig verstanden. Jeder hat schließlich andere Vorlieben“, grinste der Weißhaarige verwegen, als er den Manga an Jonouchi zurückgab, woraufhin dieser sogleich noch dunkler auf den Wangen wurde und versuchte, die Sache zu erklären. „Ganz bestimmt nicht! Das ist nicht mein Manga. Der gehört Anzu! Ich soll ihn nur an Shizuka weitergeben.“

„Moment. Reden wir hier etwa von deiner jüngeren, minderjährigen Schwester, Shizuka? Sowas gibst du ihr also zu lesen? Du solltest dich schämen, Jonouchi Katsuya”, tadelte Bakura ihn sogleich gespielt besorgt und schien dabei eine gewisse diabolische Freude an den Tag zu legen. 

„Quatsch! Anzu hat ihn einfach ohne mein Wissen mit dazu gepackt“, verteidigte dieser sich sogleich und packte das Buch wieder ganz nach unten in die Papiertüte.

 

„Anzu soll also die Schuldige sein? Interessant“, grübelte der Weißhaarige einen Moment. „Und dennoch packst du das Buch wieder ganz sorgsam ein, damit du es deiner unschuldigen Schwester bei nächster Gelegenheit übergeben kannst?” Der Unterton war deutlich herauszuhören, während Bakuras Blick eine wertende Mimik annahm. Konnte es sein, dass sein Gegenüber ihm nicht glaubte, was er gerade gesagt hatte? Allerdings konnte er der Sache jetzt nicht weiter auf den Grund gehen, da Anzu und Yuugi sich nur einen Augenblick später wieder im Klassenraum einfanden und sich sogleich zu den beiden gesellten, um gemeinsam mit ihnen zu Mittag zu essen. Um nicht noch mehr Aufmerksamkeit, im schlimmsten Fall von der gesamten Klasse, auf sich zu ziehen, beschloss der Blonde, sich erst einmal über diese Sache auszuschweigen. Dass zwischenzeitlich ein weiteres Augenpaar auf die eben präsentierte Szene gerichtet war, bekam dieser durch das freche Verhalten des Weißhaarigen und der damit verbundenen Ablenkung gar nicht mit.

 

Während der restlichen Mittagspause besah Bakura den Blonden mit einem seltsam argwöhnischen und zugleich auffällig wissenden Blick, der diesem wiederum gar nicht gefallen wollte. Um sich sowie seinen Klassenkameraden und Freund davon abzulenken, begann er, nachdem das Sandwich vertilgt war, unauffällig ein Gespräch über die weitere Tagesplanung: „Leute, wie siehts aus, machen wir heut noch was nach der Schule? GameCenter oder so?“ Doch die euphorische Ablenkung wurde jäh ausgebremst, als die Freunde antworteten.

„Sorry, ich muss heut meinem Großvater im Laden helfen“, zuckte der König der Spiele mit den Schultern und sah Katsuya entschuldigend an, während sich auch Anzu zu Wort meldete: „Und ich hab direkt nach der Schule Tanzunterricht.“ 

 

Sein Blick wanderte weiter zu Bakura, der ihn bereits verheißungsvoll anfunkelte. „Ich würde dir sehr gern Gesellschaft leisten, Herzchen. Aber leider bin ich bereits verplant.“ Erneut schwang dabei so ein seltsam verheißungsvoller Unterton mit und das Wort “Herzchen“ schien auch bei Anzu und Yuugi für Verwirrung zu sorgen. Kurz schauten sie sich fragend an, bis die Braunhaarige schließlich die entscheidende Frage stellte: „Sagt mal ihr beiden. Haben wir vorhin vielleicht etwas verpasst?“ Sogleich schlich sich ein breites Grinsen auf Bakuras Lippen und sein Blick glitt zu dem Blonden hinüber, auf dessen Wangen sich erneut ein charmanter Rotschimmer widerspiegelte. Es war einfach zu verführerisch, sodass der Weißhaarige nicht widerstehen konnte und direkt weiter stichelte. 

 

„Wisst ihr, unser lieber Blondschopf hier hat ein kleines Geheimnis, dass er uns bislang nicht verraten hat“, grinste er verwegen vielsagend und Katsuya erkannte direkt, worauf er hinaus wollte. 

„Und was soll das für ein Geheimnis sein?“, hakte Yuugi sogleich nach, da er der Auffassung war, dass Jonouchi ihm stets alles, was ihn beschäftigte, erzählte, wie es bei besten Freunden eben üblich war. 

„Nun, ich weiß nicht, ob ich das einfach so ausplaudern sollte, aber…“, begann der Besitzer des Millenniumsrings zu sprechen, als er mitten im Satz unterbrochen wurde. „Bakura, hör auf Anzu und Yuugi zu verarschen! Am Ende glauben sie dir diesen Mist noch.“ Dabei wurde er etwas lauter, sodass die Vierergruppe die Aufmerksamkeit einiger Mitschüler auf sich zog. Auch Jonouchi bemerkte die neugierigen Blicke der Klassenkameraden, als er sich kurz umsah, und blieb für einen flüchtigen Moment an einem blauen Augenpaar hängen, das ihn seltsam argwöhnisch betrachtete. 

 

„Jonouchi? Ist alles in Ordnung?“, holte Yuugi seinen besten Freund wieder aus seiner geistigen Abwesenheit heraus und sah ihn fragend an. Der Angesprochene fing sich sogleich wieder, als er seinen Namen hörte und war mehr als dankbar darüber, dass das Läuten der Schulglocke die Freunde bald darauf wieder auf ihre Plätze verwies. So wurde die Sache erst einmal unfreiwillig ad acta gelegt, wobei Anzu definitiv mehr hinter dieser für Jonouchi unwillkommenen Offenbarung vermutete. Doch die Aufklärung sollte erst einige Wochen später folgen und den Blonden auf unangenehme Weise bei Anzu in Missgunst bringen. 

 

Die letzten Schulstunden, in denen sich der Blonde des Öfteren beobachtet fühlte, schlichen langsam dahin. Ein prüfender Blick in die Nachbarreihe bestätigte ihm seinen Verdacht, dass jemand ein Auge auf ihn geworfen hatte. Denn jedes Mal, wenn er hinüber sah, traf er auf ein braunes Augenpaar, welches von weißem Haar umrahmt wurde. Bakura schien die Sache nicht auf sich beruhen lassen zu können und schmunzelte verwegen über diese pikante Erkenntnis, die aus Jonouchis Sicht jedoch keine war. Da hielt er das erste Mal ein etwas anstößiges Buch in der Hand, welches er in seinem Alter wohlgemerkt noch nicht einmal käuflich erwerben, geschweige denn lesen durfte, und schon wurde er einfach abgestempelt. Bei nächster Gelegenheit, am liebsten direkt nach dem Unterricht, musste Katsuya dahingehend unbedingt Aufklärungsarbeit leisten. 

 

Als es schließlich zum Schulschluss läutete und die Schülerschaft in ihre Freizeit- bzw. Clubaktivitäten entlassen wurde, verabschiedeten sich Anzu und Yuugi gemeinsam und verschwanden schnellen Schrittes aus dem Raum. Derweil stand der Zurückgelassene ebenfalls von seinem Platz auf und schaute nach draußen, wo noch immer der unaufhörliche Regenguss aus dem grauen Wolkenmeer herabfiel und den Schulhof mit dem kühlen Nass flutete. Bei diesem grässlichen Wetter würde er auf seinem Heimweg keine Freude haben. Wenig später konnte er den himmelblauen Schirm mit den rosafarbenen Kirschblüten draußen erkennen, den Anzu stets benutzte, während neben ihr ein dunkelvioletter aufgespannt wurde, der eindeutig Yuugi zuzuordnen war. Jonouchi hatte leider keinen Regenschirm parat, sodass die nächste Grippe quasi schon vorprogrammiert war, würde er jetzt so nach draußen gehen. Vielleicht würde es sich lohnen, noch ein wenig zu warten, in der stillen Hoffnung, dass der Wolkenbruch etwas nachlassen würde und er lediglich mit einem Schnupfen davonkäme. Bei diesem Gedanken fiel ihm wieder die einschlägige Lektüre ein, die ihn vorhin bei den Freunden beinahe in Teufels Küche gebracht hatte, sodass er sich von den tristen Witterungsverhältnissen abwandte und unvermittelt Bakura in die Arme stolperte, der direkt hinter ihm stand. 

 

Mit einem verschmitzten Grinsen sah er den blonden Irrwisch prüfend an und konnte sich den nachfolgenden, spitzfindigen Kommentar nicht sparen: „Du gehst ja ganz schön ran. Ich hätte nicht gedacht, dass du so direkt bist.“ Doch Jonouchi sah das etwas anders und wand sich sofort aus der unfreiwilligen Umarmung. 

„Jetzt hör endlich auf, Bakura. Das ist nicht mehr witzig. Ich hab dir vorhin schon gesagt, dass du das falsch verstanden hast“, sprach er die eindeutigen Worte klar und deutlich aus und funkelte seinen Gegenüber verärgert an, woraufhin der Weißhaarige gespielt verstimmt antwortete: „Wie schade, habe ich denn gar keine Chancen bei dir? Sag mir, auf welchen Typ Mann stehst du?“, wurde der Träger des Millenniumsrings neugierig, während seine Augen einen gewissen Glanz innehatten. Gerade als Jonouchi zu einer Antwort ansetzen wollte, bemerkte er den Blick des brünetten Firmenchefs, der am anderen Ende des Klassenzimmers stand und im Begriff war, den Raum zu verlassen, weshalb er Bakura fürs erste eine Antwort schuldig blieb. Dieser war aufgrund der plötzlichen Sprachlosigkeit des anderen, der sonst überall für seine Impulsivität bekannt war, ein wenig verwundert und wandte sich zu dem, was ihn so enorm abzulenken schien. 

 

Auch sein Blick fiel auf Kaiba, der sich direkt darauf von dem Geschehen abwandte und den Raum schließlich endgültig verließ. „So ist das also“, murmelte er wissend zu sich selbst und legte ein verschwörerisches Grinsen auf. "Man muss wissen, wann man verloren hat”, sagte er resigniert zu dem Blonden und legte seine Hand auf dessen Schulter. „Viel Erfolg, Jonouchi“, waren die finalen Worte des Weißhaarigen, als er sich abwandte, seine Tasche nahm und Richtung Ausgang ging. „Sollte es nicht klappen, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung“, sagte er zwinkernd und in einem sehr merkwürdigen Tonfall, ehe auch er verschwand. Zurück blieb ein verdatterter Jonouchi, der sich keinen Reim auf Bakuras Worte machen konnte. Wofür zum Geier wünschte er ihm denn auf einmal viel Erfolg? Und wofür stünde er alternativ zur Verfügung? Es schien, als würde der Weißhaarige mehr wissen, als er preisgab. Was auch immer dahinter stecken mochte, etwas anderes war dem Blonden umso klarer, nämlich dass er bei diesem Sauwetter nicht nach draußen gehen wollte. 

 

So setzte er sich wenige Minuten später, nachdem auch die letzten Schüler den Raum verlassen hatten, kurzentschlossen wieder an seinen Tisch, sah sich noch einmal prüfend um und angelte den verheißungsvollen Manga mit dem einschlägigen Genre wieder aus der Tüte, dessen Inhalt eigentlich für seine jüngere Schwester gedacht war. Erneut blätterte er zu dieser pikanten Szene, bei der ihn Bakura vorhin unerwartet unterbrochen hatte, und spürte, wie sich sein Puls sogleich erhöhte. Ob es wirklich so ein unvergleichlicher Genuss war, sich einem anderen Mann hinzugeben und ihm zu Willen zu sein? Im Endeffekt waren das doch auch nur die unanständigen Wunschträume von sabbernden Fujoshis, die sich an fiktiven Charakteren vergingen. Allerdings wollte er nur zu gern wissen, wie diese Geschichte weiterging und ob auch aus solch einer ungünstigen Verkettung von Ereignissen ein positives Ende hervorgehen würde, als er erneut unverhofft dabei unterbrochen wurde.

 

„Und ich glaubte schon, mich verhört zu haben, als Bakura mir soeben diverse pikante Dinge über dein Privatleben offenbarte. Augenscheinlich entspricht es unversehens doch den Tatsachen.“ Bei diesen beinahe geflüsterten Worten, die der Firmenchef der Kaiba Corporation so seltsamen verheißungsvoll in sein Ohr hauchte, lief dem Blonden ein eiskalter Schauer über den Rücken, sodass ihm die Seiten den Buches aus den Fingern glitten und es sich automatisch schloss, als es auf den Tisch fiel. Die Anspannung war deutlich bei Jonouchi zu erkennen, woraufhin sich ein amüsiertes Schmunzeln im Gesicht des Älteren abzeichnete. Was Bakura zu Kaiba gesagt hatte, wusste Katsuya natürlich nicht. Jedoch konnte er nicht leugnen, dass er gerade eine einschlägige Lektüre in den Händen gehalten hatte und die aufgeblätterte Szene keinesfalls als jugendfrei zu bezeichnen gewesen war. Wobei der Schein auch nur teilweise trügte, denn ein gewisses Interesse hegte er insgeheim schon daran, auch wenn es nur aus reiner Neugier entstanden war. 

 

Jonouchi überlegte fieberhaft, wie er sich aus dieser ungünstigen Ausgangssituation wieder herausmanövrieren und das Missverständnis, das Bakura wieder befeuert hatte, aufklären konnte, als er erneut die Stimme des Brünetten vernahm: „Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der Bonkotsu solch eklatanten Freizeitaktivitäten nachgeht. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Lesen bildet den Geist und formt den Charakter. Ob dir allerdings gerade dieses Thema in deinem Leben weiterhelfen wird, wage ich doch zu bezweifeln. Insbesondere, wenn es lediglich auf theoretischer Basis beruht und einem zugegeben äußerst detailreichen Comic entstammt. Allerdings kenne ich deine Qualitäten dahingehend natürlich nicht und kann daher nur mutmaßen." Mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht wartete er gespannt auf die Reaktion des anderen, der seinen Stuhl abrupt nach hinten schob, aufstand und sich mit einer leichten, jedoch unübersehbaren Röte im Gesicht zu dem Firmenchef umwandte.

 

„Was auch immer dir Bakura erzählt hat, ist definitiv eine glatte Lüge! Der Manga stammt von Anzu und ist für Shizuka gedacht…“

„Deine minderjährige Schwester, Shizuka?“, warf der Brünette direkt ein und hatte dabei ebenso wie auch Bakura einige Stunden zuvor diesen gewissen Unterton in der Stimme, während er ihn mit einem argwöhnischen Blick bedachte. Anscheinend war Anzu wohl die einzige, die diese Sache mit dem Alter nicht zu interessieren schien, was den Blonden letztendlich in diese verquere Situation gebracht hatte. „Wie kommt es dann, dass ich ausgerechnet dich noch dazu in der Schule mit dieser nicht jugendfreien Lektüre in der Hand erwische?“

„Ich hab doch schon gesagt, dass du das falsch verstanden hast.“

„Ich wüsste nicht, was es daran falsch zu verstehen gäbe. Aber gut, da du so vehement darauf bestehst. Offenbar ist Bakura als Informant weniger vertrauenswürdig als anfangs gedacht, sodass man seinen mehrdeutigen Worten keinen Glauben schenken kann“, sagte der Brünette schließlich und trat einen Schritt zurück. 

 

Okay. Das war wahrlich etwas Neues, ein Verhalten, das er bei dem Firmenchef zu keiner Zeit erlebt hatte. Er schien mit einem Mal überraschend schnell desinteressiert und akzeptierte ungewohnt streitlos diese in seinen Augen grob fahrlässige Lüge. Eine Reaktion, die den Blonden zusehends verwunderte und ihn dazu verleitete, noch einmal im Detail nachzuhaken.

„Was genau hat Bakura dir denn erzählt? Nicht, dass es mich irgendwie interessiert oder so“, wollte er sogleich sein merkliches Interesse an der hoffentlich umgehend folgenden Antwort herunterspielen. Die Neugier stand ihm dabei jedoch deutlich ins Gesicht geschrieben, sodass sich ein überlegenes Schmunzeln auf Kaibas Lippen schlich und er beschloss, den blonden Chaoten ins Bild zu setzen und dabei gleich ein wenig zu foppen. 

 

„Nun, er sagte sinngemäß, dass mich ein pikantes Abenteuer hier im Klassenraum erwarten würde, welches definitiv von äußerst befriedigender Natur sein würde“, raunte der Brünette verheißungsvoll und trat wieder etwas näher an seinen Gegenüber heran. In den eisblauen Augen war ein seltenes Funkeln zu erkennen und hinter dem anrüchigen Schmunzeln verbarg sich eine kleine Täuschung. Sein freies Zitat seinem Lieblingsstreithammel gegenüber war nicht ganz ehrlich, denn in Wahrheit hatte Bakura andere Worte benutzt:  „Du hast etwas Wichtiges im Klassenzimmer vergessen. Geh lieber schnell zurück und hol es dir, bevor noch jemand wie ich auf die Idee kommt, Ansprüche darauf zu erheben und es sich zu eigen zu machen.“ Neben der Tatsache, dass er die Aussage des Weißhaarigen sehr großzügig abänderte, unterschlug Kaiba ebenfalls, dass wohl auch Bakura ein gewisses Begehren an dem Bonkotsu zu haben schien, was dieser jedoch nicht zwingend zu erfahren brauchte. Nun würde er seine eigenen Interessen durchsetzen und wollte der Sache noch etwas mehr Nachdruck verleihen. 

 

Er lehnte sich nach vorn, griff an dem Blonden vorbei und nahm den Manga vom Tisch, um flüchtig durch die Seiten zu blättern. „Wenn ich mir deinen offenherzigen Lesestoff so anschaue, habe ich auch eine vage Vermutung, um was es sich dabei handelt.“ Als er wieder zu seinem Klassenkameraden schaute, hatte dessen Gesichtsfarbe bereits einen dunkelroten Ton angenommen. Die gerade gehörten Worte geisterten in seinen Gedanken umher und verschafften ihm eine Gänsehaut, während er sich fragte, ob er den Firmenchef gerade wirklich richtig verstanden hatte oder ob es wieder eine seiner fiesen Sticheleien war. Jedoch war die Art, wie er diese pikanten Worte so ruchlos aussprach, sowie der Ausdruck in seinem Gesicht diesmal nicht von spöttischer Natur. Zudem war niemand außer ihnen anwesend, der seine Überlegenheit gegenüber Jonouchi hätte hören können. Was allerdings am faszinierendsten dabei war, und das war das größte Problem für den Blonden, war die Tatsache, dass etwas so Schmutziges, Pikantes gleichzeitig auch so aufregend verführerisch aus dem Mund dieses sonst so kalten und unnahbar wirkenden Menschen klingen konnte.

 

Natürlich musste er irgendwie auf diese Aussage reagieren und das am besten so, dass der Brünette es nicht falsch verstehen würde. Also rief er sich selbst zur Raison und versuchte die wirren und durchaus unanständigen Gedanken einstweilen zu unterdrücken, denn so genau konnte er gar nicht ausmachen, wie viel Wahrheit tatsächlich in Kaibas Aussage steckte. 

„Nein, ganz sicher nicht! Ich steh doch gar nicht auf sowas!“, fuhr er seinen Gegenüber überreizt an, nur um ein geflüstertes „…glaube ich zumindest“ anzuhängen. Letztere Worte murmelte er wiederum so leise vor sich hin, dass der Ältere ihn wohl nicht verstehen konnte, und schien selbst mehr als verwirrt über diese gesamte Situation zu sein, während er nachdenklich mit seinem Blick zur Seite auswich. Was er da eben gelesen hatte, war für ihn neu, doch er konnte sich selbst gegenüber nicht leugnen, dass die Vorstellung, das Bett mit einem Mann zu teilen, sein Blut zum Pulsieren brachte. Ein Gedanke, den er weder Bakura noch Kaiba gegenüber zugeben konnte. Mit einem Schlucken starrte er auf die Stuhllehne neben sich und sah daher nicht, wie sich ein immer breiter werdendes Grinsen in das Gesicht des Brünetten schlich. Jedoch bemerkte er, wie sich der Firmenchef erneut näherte und ihm das Buch auffordernd hinhielt, sodass er es nur noch annehmen musste. 

 

Als er der stummen Aufforderung nachkam, lehnte sich der Brünette sehr nah an den Jüngeren, sodass dieser den Atem des anderen beinahe schon auf seiner Haut spüren konnte, und presste dabei den pikanten Manga fest an seine Brust. „Jammerschade Bonkotsu“, raunte der Firmenchef in einem verlockenden Tonfall, „Ich hätte dir durchaus wertvolle Praxiserfahrung zu deinen theoretischen Recherchen geben können.“ Mit diesen Worten stieß er sich langsam vom Körper des Blonden ab und betrachtete einen Moment lang das irritierte Gesicht seines Gegenübers, der die Worte offenbar noch verarbeiten musste. Hatte Jonouchi ihn gerade richtig verstanden und, was noch viel wichtiger war, sollte er das etwa wörtlich nehmen? Erneut trat in diesem gedanklichen Chaos diese grässliche Neugier in den Vordergrund, denn als Kaiba sich zum Gehen wandte, war es Katsuya, der im Affekt nach seinem Handgelenk griff und ihn daran hinderte. 

 

„Warte mal. Was hast du da gerade gesagt?“, wollte er es nun doch genau wissen und sah Kaiba antwortsuchend mit seinen honigbraunen Augen an. Der Blick war zweifeld, unruhig und es wirkte beinahe so, als würde die Auflösung dieses Missverständnisses von immenser Bedeutung für den sonst so sorglos wirkenden Blondschopf sein. Dieser Ausdruck war dem Brünetten nicht unbekannt, jedoch war es das erste Mal, dass er in diesem speziellen Zusammenhang allein ihm galt. Was im ersten Augenblick eine positive Überraschung darstellte, wandelte sich sogleich in eine Möglichkeit, eine Chance, die er nutzen würde. Nur zu gern ließ er sich von diesem Blick zu einer Antwort verführen und stellte erfreut fest, dass sein Plan, den blonden Irrwisch mit seinen verheißungsvollen Aussagen zu locken, vollends aufgegangen war.

 

„Ich bin mir sicher, dass du mich genau verstanden hast, und ja, ich meine es genau so, wie ich es gesagt habe”, sprach der Brünette die Worte erneut so vielsagend verführerisch aus und näherte sich mit unverkennbaren Absichten, „Doch vielleicht wäre unter Anbetracht der Umstände eine Kostprobe eher nach deinem Geschmack.” In einer fließenden Bewegung legte er seine Hand in das blonde Haar, glitt mit seinen Fingerspitzen langsam durch die wirren Strähnen und wanderte streichelnd über die erhitzte Haut der geröteten Ohren weiter zu den Wangen, die ebenfalls einen deutlichen Rotton annahmen. Der Blonde schien wiederum wie paralysiert und war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Muskel zu rühren. Sein Körper versagte ihm jede noch so kleine Regung, während sein Blick von den verheißungsvoll leuchtenden Augen des anderen eingefangen wurde. Eine Reaktion, die der Firmenchef durchaus begrüßte, hatte er den Blonden doch selten so sprachlos erlebt. Also beschloss er, diesen günstigen Moment von Jonouchis Unachtsamkeit zu nutzen und verführte selbigen zu einer kleinen Sünde, die alles zwischen ihnen verändern könnte. 

 

Im Bruchteil einer Sekunde überwand Kaiba die letzten Zentimeter zwischen ihnen und berührte hauchzart die Lippen des anderen mit seinen. Und auch wenn die Absichten des Brünetten klar abzusehen waren, traf es Jonouchi dennoch unerwartet und jagte ihm einen aufregenden Schauer durch den angespannten Körper. Sein Puls wurde schlagartig in ungeahnte Höhen getrieben, während sein Herzklopfen immer heftiger wurde, dass es beinahe zu zerspringen drohte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zu Kaiba hinüber, der seine Eisblauen bereits geschlossen hatte. Jonouchis Verstand begehrte aufgrund dieses dreisten Übergriffs auf und schrie nach einer sofortigen Abwehrreaktion. Doch sein Körper versagte ihm unerklärlicherweise noch immer jedweden Dienst, sodass er sich dieser ungeahnt zärtlichen Berührung nicht entziehen konnte. 

 

Nur einen Augenblick später bemerkte der Blonde, wie sich die Lippen des anderen bewegten, sich leicht öffneten und ihn dazu nötigten, es ihm gleich zu tun. Das Blut rauschte in seinen Ohren und überdeckte die Stimme in seinem Kopf mit diesem ungeahnten Glücksgefühl immer mehr, sodass er nach kurzem Zögern der Versuchung aus einem angenehmen Impuls heraus schließlich nachgab. Langsam öffnete auch Jonouchi seinen Mund einen Spalt breit und bemerkte, wie Kaibas Zunge spielerisch über seine Oberlippe fuhr und schließlich in die unbekannte Mundhöhle hinein glitt, um seine unverhohlen zu berühren. Die honigbraunen Augen, die bis eben noch weit aufgerissen waren, schlossen sich beinahe automatisch, während er den Manga, den er noch immer in seinen Händen hielt, deutlich fester umklammerte und an die Stelle presse, an dem sein unbändiger Herzschlag deutlich zu spüren war. Er gab sich diesem verführerischen Lippenbekenntnis hin und versank immer mehr in dieser völlig neuen Emotion, die ihn zu dieser süßen Dummheit verführte, von der nur sie beide wussten. Und noch bevor es richtig begonnen hatte, war dieser flüchtige Moment auch schon wieder vorüber. 

 

Der Brünette löste sich wieder von den vollen Lippen, die vom Speichel benetzt leicht glänzten und ein wenig geschwollen waren, und fasste hinter den Blonden in dessen Federtasche, um einen beliebigen Stift herauszufischen. Mit einem Kugelschreiber in der Hand lehnte er sich wieder zurück und suchte den Blick des Jüngeren, der inzwischen realisiert hatte, was gerade vonstatten gegangen war. Dessen Wangen waren noch immer deutlich gerötet, während sein Gesicht einen entzückend verunsicherten Ausdruck innehatte. Die Atmosphäre schien seltsam aufgeladen zu sein, während Kaibas sonst so kalte, eisblaue Augen einen etwas dunkleren und deutlich weicheren Ton angenommen hatten als sonst. Dennoch wirkte sein Blick verwegen, als er nach dem Manga in Jonouchi Händen griff und diesen an sich nahm. 

 

Er schlug die erste Seite mit dem pikant colorierten Bild auf und nahm den Stift zur Hand, den er sich zuvor ungefragt ausgeliehen hatte, um etwas hineinzuschreiben. Direkt darauf klappte der Brünette das Buch wieder zu und gab es mit den verheißungsvollen Worten „Falls du deine Meinung ändern solltest, lass es mich wissen“ wieder zurück an den aktuellen Besitzer, der ihn fragend ansah. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte sich der Firmenchef von dem Blonden ab, nahm seine Tasche und verschwand aus dem Raum. Dies war eine durchaus interessante Begegnung gewesen, für die er Bakura wohl letztendlich doch so etwas wie einen Dank oder eine etwaige Gegenleistung schuldete. Obwohl seine Handlungen der Situation geschuldet und aus einem Impuls heraus entstanden waren, bereute er jedoch keine Sekunde davon. Denn dieses deutlich verlegene Gesicht des immer frechen, blonden Chaoten über den Diebstahl dieses verlockenden Kusses war definitiv unbezahlbar gewesen und nötigte den Brünetten dazu, zukünftig weitere Schandtaten dieser Art zu begehen. Doch für dieses Mal wollte er es bei diesem einfachen Lippenbekenntnis belassen und genoss die Erinnerung an die verwirrte Verlegenheit, die Jonouchi überdeutlich ins Gesicht geschrieben gestanden hatte.

 

Der besagte Irrwisch starrte derweil noch immer zur Tür, durch die Kaiba soeben verschwunden war und konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Bedächtig legte er seine Finger auf die Lippen, die vor wenigen Minuten noch die des anderen berührt hatten, fuhr gedankenverloren über die weiche Haut und spürte erneut die Hitze in seinem Körper aufsteigen. In was für eine absurde Situation war er da nur geraten? Morgen würde er definitiv sehr früh, oder wenigstens pünktlich, aufstehen und Anzu noch vor der ersten Unterrichtsstunde zur Rede stellen. Denn streng genommen war es ihre Schuld, dass all das passiert war und sowohl Kaiba als auch Bakura nun annahmen, dass er ein gewisses Interesse am gleichen Geschlecht hegte. Sein Blick fiel auf den Manga in seinen Händen, in den der Brünette eben noch etwas hineingeschrieben hatte. Vermutlich würde er Anzu nun zu allem Übel auch noch einen neuen besorgen müssen. 

 

Neugierig öffnete er das Buch und sah eine Zahlenfolge sowie eine kleine verräterische Zeichnung in Form eines Herzchens daneben. War das eine Telefonnummer? Etwa Seto Kaibas private Handynummer? Sofort zückte er sein Smartphone und tippte hektisch alle Ziffern ein, um zu sehen, ob sie vergeben war und welches Profilbild angezeigt werden würde. Erfahrungsgemäß dauerte es einige Sekunden, bis das Foto geladen wurde und jede einzelne davon fühlte sich wie eine kleine Ewigkeit an. Als das Bild schließlich erschien, fühlte er sich in seiner Annahme bestätigt, während er in die blauen Augen des weißen Drachen sah. Kaiba hatte ihm offenbar wirklich einfach so seine Nummer überlassen. Sofort hallten dessen letzte Worte in seinem Kopf wider und zauberten ihm einen verlegenen Rotschimmer zurück auf die Wangen. „Falls du deine Meinung ändern solltest…“ War das etwa sein Ernst? Dafür hatte er ihm seine Nummer gegeben? Sofort wurde er noch eine Spur dunkler im Gesicht und überlegte, ob er die Kontaktdaten längerfristig speichern oder direkt wieder löschen sollte. Nach einem kurzen Hin und Her schloss er schließlich sein Telefonbuch und vertagte diese Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt. Derweil ließ auch der strömende Regen langsam nach, sodass der verwirrte Blondschopf seine Sachen packen und endlich den Heimweg antreten konnte.

 

Am nächsten Morgen war er wie geplant pünktlichst in der Schule angekommen und konfrontierte Anzu im Klassenraum mit seinem gestrigen, unerfreulichen Fund in Form dieses anstößigen Lesestoffs. Wie konnte sie nur so ein Buch an seine jüngere Schwester weitergeben? Doch die braunhaarige Klassenkameradin ließ sich davon nicht beeindrucken, das wäre eine Sache zwischen ihr und Shizuka. Wenn er nicht bereit wäre, seiner Schwester das Buch zu überbringen, wollte sie es wieder zurück haben. Jetzt war Katsuya in die zweifelhafte Lage geraten, die sein Herz unangenehm höher schlagen ließ, und er musste Anzu gestehen, dass er ihr ebendiesen Manga aufgrund einer ungünstigen Verkettungen von Ereignissen leider nicht aushändigen konnte. Natürlich war seine langjährige, gute Freundin nicht sonderlich erfreut über diese Beichte und warf ihm wütend erneut die Tatsache vor, dass der Blonde sein Versprechen gebrochen hatte und die Bücher, vor allem dieses eine spezielle, offenbar gelesen hatte. 

 

Verlegen suchte Jonouchi nach einem Ausweg, denn er konnte ihr ja schlecht sagen, dass Kaiba ihr Buch mit seiner privaten Telefonnummer und diesem verräterischen Herzchen entweiht hatte. Eher würde er die Schule wechseln, als dieser Furie etwas erklären zu müssen, das er selbst noch nicht ganz verstand. Es war Anzu, die ihm das Gestammel ersparte und klare Forderungen stellte: Wenn er das Buch so unbedingt behalten wollte, müsste er auch für Ersatz sorgen. Also versprach er der jungen Frau, ihr den Manga zu ersetzen, sodass sie sich vorerst damit zufrieden gab und er weiteren Wutanfällen entkam. Die Frage, ob es nicht das erste pikante Buch war, das er unwissend an Shizuka weitergeben hatte, verkniff er sich, als sie noch einmal darauf hinwies, dass es unbedingt die Erstauflage sein müsse. Schließlich war es Yuugi, der die Aufmerksamkeit wieder auf sich zog, sodass sie sich lieber diesen fröhlicheren Ereignissen mit ihrem Geliebten widmete, statt sich über den blonden Chaoten zu ärgern.

 

Derweil nahm Jonouchi mit einem resignierten Ausdruck sein Handy zur Hand, welches er vor sich auf dem Tisch liegen hatte, und begann mit der Suche nach besagtem Boys Love Manga. Da Honda noch immer krank im Bett lag und seine beiden anderen Freunde mit ihrer offensichtlichen Liebelei beschäftigt waren, konnte er sich an seinem Platz dieser pikanten Recherche widmen, bevor der Unterricht begann. Mit mäßigem Erfolg, wie er wenig später bestätigt bekam. Denn wie sich herausstellte, konnte der Manga nicht so einfach ausgetauscht werden wie anfangs erhofft. Hierbei handelte es sich nämlich um eine seltene Erstauflage, die aufgrund der späteren Indexierung nur sehr schwer zu beschaffen war. Ein weiteres Problem war, dass er mit einer Alterseinstufung ab 18 Jahren gekennzeichnet war, wodurch Jonouchi ihn aufgrund seiner Minderjährigkeit nicht ordern konnte, selbst wenn er ihn im World Wide Web finden würde. Die gute Pandora hatte offenbar ganze Arbeit geleistet und noch keinerlei Anstalten gemacht, ihre unheilbringende Büchse wieder zu schließen. Mit einem Seufzen gab er vorerst auf, denn das Erscheinen des Lehrers rief ihm in Erinnerung, wo er sich befand. Dieses Buch hatte ihn schon gestern in Verlegenheit gebracht. Da er aber auf keinen Fall Anzus Zorn auf sich ziehen wollte und ärgerlicherweise eine gewisse Mitschuld nicht leugnen konnte, musste er später eine Lösung dafür finden. Dringend!

 

Nachdenklich legte er den Kopf auf seiner Handfläche ab und ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen, bis er schließlich an einem leuchtend blauen Augenpaar hängen blieb, dessen Besitzer ein wissendes Schmunzeln aufgelegt hatte. Bei diesem Anblick schlich sich sofort ein sichtbarer Rotschimmer auf Jonouchis Wangen, woraufhin sein Herz einen kleinen Satz machte und er den Blickkontakt abrupt unterbrach. Dass diese Verlegenheit von dem gestrigen Vorfall herrührte, war ihm natürlich glasklar. Jedoch, wenn er es recht bedachte, entsprach Kaiba genau dem Typ Mann, dem er schon des Öfteren hinterher gesehen hatte. Außerdem war der Firmenchef vor gut einer Woche volljährig geworden und hatte sicher einige hilfreiche Beziehungen, die ihm die Suche deutlich erleichtern würden. 

 

Abgelenkt von der Frage des Lehrers, ob er denn heute noch Interesse an dessen Unterricht hatte, gab er reflexartig von sich, dass er dann beim spannenden Teil zuhören würde und verdiente sich dafür glatt eine Strafe. Mit hochrotem Kopf verkrümelte er sich nach draußen, denn auch seine Entschuldigungen halfen nicht. Trocken bekam er die Antwort, dass er zum spannenden Teil wieder hinein gerufen würde. Zerknirscht stand er mit glühenden Wangen vor dem Klassenraum und grübelte. Kaiba hatte ihm seine Nummer gegeben und konnte die Lösung für sein Problem mit Anzu sein. Aber dafür würde der Firmenchef sicher etwas fordern und irgendwie ahnte er bereits, in welche Richtung das gehen würde. 

Falls du deine Meinung ändern solltest… Mit einem Schlucken begannen seine Gedanken die Frage zu stellen, ob das auch nur im Entferntesten Ähnlichkeiten mit dem hatte, was in dem Manga zu sehen war. Die Hitze stieg in seine Wangen und zwei Gefühle brachten sein Blut gleichermaßen zum Kochen: Angst und Erregung. 

 

Den restlichen Tag versuchte er zu verarbeiten, dass die vagen Anzeichen, die er bisher gekonnt ignoriert hatte, und seine Reaktion auf den Kuss nur einen Schluss zuließen. Er stand auf Männer, Männer wie Kaiba! Und er war im Besitz dieser Handynummer, die ihm gleich mehrere Probleme zu lösen versprach. 

Erst am Nachmittag, als er sich müde streckte und einen Blick aus dem Fenster warf, schlug eine weitere Erkenntnis in seinen Verstand ein. Er hatte den Brünetten gerade unten auf dem Schulhof gesehen, wie er in seine schwarze Limousine einstieg und begriff: Er stand nicht nur auf Kaiba, sondern der offenbar auch auf ihn! 

 

Diese Erleuchtung erleichterte ihm die vorher noch so schwierig fragwürdige Entscheidung. Er würde ihn anschreiben. Die Nachricht selbst zu senden, war jedoch eine ganz andere Herausforderung. Mit klopfendem Herzen, zitternden Händen und nahe einem Nervenzusammenbruch sendete er noch am selben Abend die vorher millionenfach editierte Anfrage, ob der Brünette ihm bei einem Problem helfen könnte, für das er eigens verantwortlich war. 

Und tatsächlich erhielt er schon am nächsten Tag eine positive Antwort darauf, die, wie zu erwarten, nicht ohne Forderungen daherkam. Doch so konnte er Anzu in der darauffolgenden Woche den Manga gegen ein gleichwertiges Exemplar in Erstauflage ersetzen und damit wenigstens ihrem Zorn entgehen. Die noch ungeklärte Sache mit ihr und Shizuka würde er ein andermal angehen, denn natürlich forderte der brünette Firmenchef nur wenig später eine entsprechende Entlohnung für diesen nicht erwähnenswerten Gefallen ein. Ob es dieses Mal auch bei einem einfachen Kuss bleiben würde, stand dabei auf einem ganz anderen Blatt. 
 

 

Ende


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach einem dezenten Hinweis meiner lieben empress_sissi, dass dieses unbeschriebene Blatt vielleicht keines sein sollte, bin ich nochmal in mich gegangen und habe überlegt, ob es nicht eine Side Story mit der entsprechenden Entlohnung oder alternativ eine neue Little Sweet And Indecent Episode mit Bakura im Frightshipping geben sollte. Sollte man diese fixen Ideen noch umsetzen? Komplett anzeigen

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