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Tiefsinniger Tanz

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Tiefsinniger Tanz

Jodie hatte sich bereits mehrere Tage auf die abendliche Veranstaltung gefreut. Sie mochte derartige Veranstaltungen, aber nicht weil sie gern tanzte, sondern weil sie sich gerne rausputzte. Welche Frau mochte das nicht? Ein schönes Kleid tragen, Schminke auflegen, sich eine neue Frisur machen lassen und mit netten Männern flirten, Komplimente hören und sich wertvoll fühlen.

Am liebsten hätte sie Shu gefragt, ob er nicht auch mitkommen wollte, doch James hatte ihr klar und deutlich gemacht, dass er nur sie dafür vorgesehen hatte. Dabei hatte sie es sich so schön ausgemalt. Sie in einem langen Kleid und Shuichi im schwarzen Anzug. Dazu kam, dass sie beiden Masken tragen mussten, die ihr Gesicht verdeckten. Aber Jodie würde Shu immer erkennen. Selbst als er sich als Subaru ausgab, spürte sie eine gewisse Vertrautheit, die sie sich nicht erklären konnte. Und letzten Endes kam sie der Wahrheit damals immer näher.

Nachdem Jodie den großen Saal betrat, sah sie sich um. Die Menschen trugen verschiedene Arten von Masken. Einige lagen nur an den Augen an, andere hingegen bedeckten das gesamte Gesicht. Bei diesen Masken konnte sie tatsächlich nicht erkennen, wer sich dahinter verbarg. Andererseits kannte sie auch niemanden an diesem Ort. Zumindest glaubte sie das.

„Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte eine männliche Stimme.

Eine Gänsehaut legte sich auf Jodies Körper. Sie erkannte die Stimme, doch konnte sie ihrem Instinkt auch trauen? Langsam drehte sich Jodie um und blickte in seine smaragdgrünen Augen. Er hatte sogar auf seine schwarze Mütze verzichtet. Wie sie oft war sie von seinen Augen fasziniert und schien sich darin nahezu zu verlieren. Jodie konnte ihr Glück nicht fassen. „J…a…“, murmelte sie. Sie reichte ihm ihre Hand und machte einen Schritt vorwärts. Mit einem Mal fühlten sich ihre Beine so schwer an. Sie zitterte. Aber warum? Weil sie Shu wieder so nah sein würde, wie damals?

Instinktiv hielt er sie fest. „Geht’s?“

Jodie lehnte ihren Kopf an seine Brust. „Ja…alles gut…“, wisperte die Agentin leise.

Shuichi spürte die Blicke einiger Gäste auf sich. „Lass uns jetzt tanzen“, entgegnete er.

„Ja“, murmelte Jodie ein weiteres Mal. Sie legte ihre Hand langsam in seine Hand, während Shuichi seine Hand an ihre Hüfte legte.

Sie tanzten zu einem langsamen Lied. Jodie wirbelte und kreiste unter seiner Führung. Sie tanzten, als wäre es sowohl ihr erstes, als auch ihr letztes Mal zusammen. Es war atemberaubend und emotional.

„Shu…?“, begann die Agentin leise. „Du bist es doch…nicht wahr, Shu?“

„Mhm…?“

Aber was wollte sie ihm eigentlich sagen? Am liebsten hätte sie gewusst, ob er noch etwas für sie empfand. Doch sie hatte vor der Antwort Angst. Was, wenn er sie lediglich benutzte, um seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen? Es wäre nicht das erste Mal seit ihrer Trennung. Aber sie liebte ihn trotzdem. Und sie würde ihn immer lieben, egal was er tat.

Jodie schüttelte den Kopf. Es zählte das hier und jetzt und sie wollte den Abend genießen. Als sich das Lied seinem Ende neigte, verfluchte Jodie die kurze Dauer. Sie wollte mehr, wollte noch länger mit ihm Tanzen. Aber würde sie ihn tatsächlich zu einem zweiten Tanz bekommen? Sie sahen einander an. Es dauerte, bis Jodie reagierte. Langsam legte sie ihren Kopf an seinen Brustkorb und lauschte seinem Herzschlag. Er gab ihr das Gefühl sicher zu sein. Ein Gefühl, welches sie das letzte Mal in ihrer Kindheit verspürte.

Ein langsamer Walzer begann. Sofort bewegten sich ihre Füße im passenden Rhythmus. Jodie freute sich über ihre zweite Chance und lächelte. Oder hatte er doch nur instinktiv gehandelt?

Nach einer Weile blickte sie nach oben zu ihm. Seine Augen waren besonders. Sie spiegelten so viel wieder – Trauer, Leid, Hass, Stärke. Er war schon immer etwas Besonderes gewesen.

Doch der Tanz war wieder viel zu schnell zu Ende gegangen. „Shu?“, fing sie erneut leise an.

„Was ist?“

Jodie nahm all ihren Mut zusammen. „Beantworte mir bitte eine Frage. Und sei ehrlich zu mir. Bitte.“ Dieses Mal war ihre Stimme stark und energisch. Es gab keinen Zweifel, keine Ungewissheit. Nur die Entschlossenheit.

Shuichi nickte. Irgendwas in ihm fürchtete sich vor ihrer Frage, denn er wusste, dass er nicht lügen würde. Es nicht konnte.

„Hast du…hast du noch Gefühle für mich?“

Die Frage überraschte Shuichi trotzdem. Er öffnete den Mund, schloss ihn aber kurz darauf wieder. Er hatte sich schon oft eine Antwort auf diese Frage überlegt, sie dann in Gedanken wieder verworfen und sich selbst zur Ruhe ermahnt. Erst mussten ihre Feinde besiegt werden, dann konnten sie weiter darüber reden.

Seine Augen blickten gefesselt auf sie herab. Sie hatte ihm eine einfache Frage gestellt, aber die Antwort war alles andere als leicht. Würde er nun tatsächlich die Wahrheit sagen, würde dies alles zwischen ihnen ändern.

„Ich…“, fing er an. Ich liebe dich, wollte er Antworten, aber er brachte diese Worte einfach nicht über seine Lippen. Es ging einfach nicht.

„Schon gut“, kam es von Jodie. „Vergiss die Frage. Ich hätte sie nicht stellen sollen.“ Sie schien gemerkt zu haben, dass ihm die Antwort Probleme bereitete.

Für einen kurzen Augenblick irritierte es ihn, dass sie zurückruderte. Aber andererseits sollte es ihn nicht wundern. Jodie wirkte nach außen immer stark, doch er war sich sicher, dass sie oft traurig war und sich manchmal sogar in den Schlaf weinte. Unglücklicherweise war er die Person, die ihr am meisten Leid brachte. Dass Jodie immer noch Gefühle für ihn hatte, wusste er immer und trotzdem war er nicht auf Abstand gegangen. Wie auch? Sie arbeiteten zusammen und agierten gemeinsam gegen die Organisation. Weder er noch Jodie würden den Fall so einfach aufgeben. Und deswegen hatte er einfach weitergemacht und Jodies Gefühle für sich genutzt – auch wenn es ihm schwer fiel. „Jodie, ich…“

Sie legte ihren Finger auf seine Lippen. „Schhh…du musst nichts sagen“, meinte sie ruhig. Solange es nicht ausgesprochen war, hatte sie immer noch eine Chance bei ihm. Bevor das nächste Lied erklang, beugte sich Jodie nach oben zu ihm und berührte seine Lippen mit ihren. Sie schloss ihre Augen und versuchte den Moment in all seiner Schönheit einzufangen. Mir egal, ob er mich verletzt. Aber ich bin zufrieden damit wie es ist. Weil ich ihn liebe.



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