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Evil Cookie

Adventskalender '21 - Kreativaufgabe
von

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Das zweifelhafte Plätzchen

„Ich frage dich ein letztes Mal, Mike; Was hast du in der Küche getrieben?“

Gyro kam grade erst von seinem letzten Einsatz und hinterließ mit jedem seiner Schritte Betonbrösel während die dicke Staubschicht auf ihm eine kleine Wolke in der Werkstatt verteilte. Verletzungen hatte er keine – leider, wie Michael feststellen musste.

„Ich hab überhaupt nichts gemacht“, verteidigte er sich. Nebenbei legte er den kleinen Schraubendreher zur Seite, mit dem er eben noch einen uralten Recorder auseinander geschraubt hatte. Er brauchte das Innenleben für ein Bauprojekt.

„Das letzte Mal, als du - ach so harmlos - in der Küche hantierst hast, wäre beinahe die Mikrowelle explodiert und ich habe keine Lust plötzlich mit der Kaffeemaschine reden zu müssen.“

'Verständlich, wenn sie intelligentere Konversation führen würde als du'

Michael konnte sich die Worte nur knapp verkneifen. Seine Situation war sowieso schon nicht die Beste, auch wenn er sie sich selbst zuzuschreiben hatte. Manchmal fragte er sich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war.

Sein Alter Ego sterben zu lassen war einfach gewesen, aber im schlechtesten Moment von einer Gruppe Superhelden aufgespürt zu werden musste dann wohl dieses Karma sein, von dem ihm schon öfters erzählt wurde.

Die Entscheidung – Knast oder technische Hilfe im Hauptquartier der Superhelden leisten – war im ersten Moment einfach. Wer wollte schon hinter Gitter? Und trotzdem hatte er seit Monaten kein Tageslicht mehr gesehen. Zumindest nicht ohne einen Bildschirm zwischen ihm und der Außenwelt. Würde Aurora nicht dazu neigen passend zu den Jahreszeiten zu dekorieren, hätte Michael wohl vollständig sein Zeitgefühl verloren.

Das Schweigen schien Gyro nicht zu gefallen. Er stützte die Hände auf die Werkbank und beugte sich soweit vor, das sich beinahe ihre Nasenspitzen berührten.

„Ruth sagt, die Überwachungskamera ist manipuliert worden. Der Einzige hier, der so etwas tun würde, bist du. Ich weiß also das du Dreck am Stecken hast. Raus damit!“

„Ich habe nichts getan, was man in einer Küche nicht tut.“

„Du gibst es also zu!“ Gyro hatte sich so schnell aufgerichtet, das erneut eine Staubwolke um ihn herum schwebte. Michael wedelte sie von sich, um nicht husten zu müssen.

„Was genau gebe ich deiner Meinung nach zu?“, wollte er dabei wissen.

„Vielleicht... hast du das Internet vom Kühlschrank genutzt, um irgendeinem Verbündeten geheimes Material zukommen zu lassen.“

„Der Einzige da draußen, der weiß das ich lebe, ist Pinky. Und wir wissen beide, dass er seine ganz eigenen Wege hat an Informationen zu kommen.“ Auch wenn noch niemand herausgefunden hatte, welche das waren.

„Also steht ihr auch weiter...“

„Hey Jungs!“ Aurora betrat den Raum mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie immer. Ein Plätzchen in Form eines Tannenbaumes in der Hand, dessen Spitze soeben in ihrem Mund verschwand. Sie hob mit der anderen Hand einen kleines Tütchen hoch, in dem noch mehr Plätzchen waren, und reichte ihn ihrem staubverkrusteten Bruder, ein rotes Bändchen hing zwischen ihrem Daumen und dem Zellophan. „Hier, das stand vor deiner Tür“, sagte sie mit vollem Mund. „Ich war so frei sie zu testen: Sind sehr lecker.“ Sie sah zu Michael und zwinkerte. „Wir scheinen einen kleinen Weihnachtselfen im HQ zu haben.“

Gyro sah von Michael zu seiner Schwester zu den Plätzchen und wieder zu Michael. Sein Blick zeigte klar, das er nicht wusste, was er mit dieser Information anfangen sollte.

„Probier. Die sind lecker!“, forderte Aurora ihn erneut auf.

„Ich werde nichts essen, was der da gemacht hat! Wer weiß was da alles drin ist.“

„Mehl, Zucker, Butter...“, zählte Michael auf.

„Und bestimmt sehr viel Liebe. Immerhin backt man immer mit Liebe, richtig?“

„Ich enthalte mich einer Aussage“, nuschelte Michael und nahm den Schraubendreher, um etwas in den Fingern zu haben, womit er beschäftigt tun konnte. Er hatte nicht gewollt das irgendwer herausfand das er seine Zeit mit etwas anderem als seiner Technik verbracht hatte. Darum wurde ja auch das Videomaterial von ihm gelöscht. Sie sollten nicht glauben, dass er hier nicht an wirklich alle Daten kommen konnte. Er musste es halt nur wollen. Für gewöhnlich tat er es halt nicht, da sich das Vertrauen zwischen ihnen auf sehr dünnem Eis befand. Wie auch Gyro mit seiner erneuten Darbietung klarmachte.

„Du kannst sie behalten“, murrte Gyro seiner Schwester entgegen und würdigte Michael keines weiteren Blickes. „Wenn mich jemand sucht, ich geh duschen.“

Aurora seufzte leise und schenkte Michael einen entschuldigenden Blick. Er zuckte nur mit den Schultern und widmete sich wieder seinem Projekt.
 

Aurora huschte aus der Werkstatt und hinter ihrem Bruder her. Sie mochte es nicht wenn Gyro die Versuche von Michael so nieder machte. Natürlich war er jahrelang ihr Gegenspieler gewesen, aber bereits da hatte er nie mit dem Leben anderer Leute gespielt. Nachdem bei einem ihrer Kämpfe einige Unschuldige verletzt worden waren, hatte er sich sogar vollkommen zurückgezogen und war nur wieder aufgetaucht, um seinen Tod zu inszenieren.

Was auch immer Michael mit all dem bezweckte, es war nicht, weil er ein böser Mensch war oder Reichtum anhäufen wollte.

Sie sollten ihm diese Chance geben.

Die Möglichkeit zu zeigen, dass er Gutes tun konnte. Mit seinem Wissen und seiner Begabung die Dinge, die er sich ausdachte auch tatsächlich bauen zu können.

Leider war es für Gyro scheinbar sehr schwer das auch so zu sehen.

„Mey hat schon welche von den Plätzchen gegessen und es geht ihr blendend. “ Gyro schnaubte und wollte bereits ins Bad abbiegen, als sich Aurora vor ihm aufbaute. „Du könntest wenigstens ein klein wenig netter zu Mike sein. Er gibt sich Mühe.“

„Einen Teufel tut er.“

„Er hat die Drohnen von Bomber deaktiviert, als der damit ein Einkaufszentrum in die Luft jagen wollte. Er hat unser System auf den neusten Stand gebracht und abgesichert. Er hat deinen Wagen repariert, als Ruth schon aufgegeben hatte und er hat selbst dir unausstehlichen Miesepeter wirklich leckere Plätzchen gebacken. Ich erwarte wirklich nicht viel, aber wenigstens ein kleines 'Danke' oder 'Gut gemacht' könntest du ihm ruhig mal gönnen.“ Als könnte sie ihn damit überreden schwenkte sie die offene Tüte vor seinem Gesicht und lächelte aufmunternd. Seine Reaktion war jedoch ernüchternd.

„Ich kann ihm nicht trauen und wir alle sollten es auch nicht so einfach! Aber stattdessen finden ihn alle ganz toll und sogar meine eigene Schwester traut diesem Schwerverbrecher mit ihrem Leben – irgendjemand muss ihn in seine Schranken weisen.“

Aurora ließ die Plätzchen sinken und seufzte leise. „Ihr seid gar nicht so verschieden, weiß du das? Ihr seht nur das schlechte in den Leuten und glaubt deswegen immer alles selbst in die Hand nehmen zu müssen. Ich erwarte wirklich nicht, das ihr dicke Freunde werdet, aber ich bin mir sicher das Mike einen Freund gebrauchen kann. Jemand der ihn auf einer Ebene versteht, die ich nicht erreichen kann. Bitte versuche es wenigstens, Ben.“

Gyro schüttelte den Kopf und schob Aurora sanft zur Seite. „Ich muss dringend duschen“, redete er sich raus, verschwand im Raum und schloss die Tür schneller, als Aurora noch etwas erwidern konnte.
 

Kaum allein im Bad erwachte das Licht flackernd zum Leben und mit ihm ein Display auf dem Spiegel.

'Weil du mir sonst nicht glaubst', stand da und kurz darauf wurde das Überwachungsvideo der Küche abgespielt. Michael war da zu sehen, wie er ein Rezept las, anschließend Zutaten zusammensuchte und anfing alles abzuwiegen und zu mischen. Es wurde mit jedem Moment chaotischer.

Gyro schaltete das Video ab und schüttelte den Kopf. „So machst du es nicht besser.“

„Ich weiß“, ertönte es über den Lautsprecher. „Aber wenn du es sehen willst, es ist auch auf deinem Rechner. Dann kannst du ganz sicher gehen, dass nichts in den Teig gekommen ist, was nicht hinein gehört. Aber ich befürchte Aurora hat bis dahin alles aufgegessen.“

„Das kann sie ruhig. Ich möchte keine.“ Gyro lehnte am Waschbecken und befreite seine Haare von den gröbsten Betonbröseln.

„Gibt es etwas, das du lieber magst? Lebkuchen vielleicht? Oder Vanille Busserl?“

„Ich brauche nichts. Überhaupt, was soll das? Was willst du damit erreichen?“

„Ganz ehrlich? Ich konnte einfach nur nicht schlafen.“

Einen Moment wurde es ruhig im Raum und Gyro musste zugeben, das es einfacher war mit Michael zu reden, wenn er ihn nicht sehen konnte. Das war ihm bereits bei den Missionen der letzten Wochen aufgefallen.

„Verrätst du mir warum ausgerechnet backen?“

„Nein. Nicht jetzt... vielleicht irgendwann mal. Aber du wolltest duschen und ich habe hier noch ein paar Bauteile, die auf mich warten.“

„Okay“

Gyro wusste nicht was er noch erwartet hatte, doch als lediglich ein kurzes Rauschen zu hören war, gefolgt von Stille war klar, das die Verbindung abgeschaltet war.

Wenn er sich jetzt nur erklären könnte, wieso es sich so komisch anfühlte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Puria
2023-01-06T17:18:14+00:00 06.01.2023 18:18
Mit einem Jahr Verspätung, endlich der versprochene Kommentar!
Asche auf mein Haupt. Tatsächlich hab ich ihn einfach vergessen und, dass ich eher selten hier online war, hat sein Übriges getan.
 
Dafür nun zum Evil Cookie!
So ein Schurke hat es aber auch schwer, wenn er sich schon auf der 'road to redemption' befindet! Zumal ich auch lieber bei den Helden die Böden wischen würde, als hinter Gitter zu landen. Mike ist da also ganz nach meinem Geschmack!
Es ist schön, dass man via Aurora und Gyro die zwei Sichtweisen beleuchtet bekommt. Wobei Auroras Willen, Mike eine zweite Chance zu geben, dann etwas mehr auffällt. Dabei wirkt es nicht, als würde sie leichtfertig vergeben, sondern mehr, als hätte Gyro mit Mike noch ein ganz anders Hühnchen zu rupfen?
Wer weiß, wer weiß!


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