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The Decisions of Tomorrow

the first duty of love is to listen
von

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Perspectives

 

Kapitel 2: Perspectives
 

Mit schnellem Atem hastete Harry durch die Korridore von Hogwarts. Er musste sich beeilen, fühlte sich gehetzt und achtete kaum auf seine Umgebung. Endlich, er hatte so lange auf diese Möglichkeit gewartet. Noch immer die Karte des Rumtreibers fest mit seinen Händen umklammert erreichte er die Toilette, legte ein Ohr an die Tür und lauschte.
 

Das rasende Klopfen seines Herzens ignorierend hörte er die beschwichtigende Stimme der maulenden Myrte, die an den Wänden des Badezimmers widerhallte. Leise öffnete er die Tür, betrat den Raum und versuchte den Wasserlachen auf dem Boden auszuweichen, während er sich langsam den Geräuschen näherte.
 

»Ich kann das nicht … es wird nicht klappen …«, unterbrach eine Stimme Myrtes nachdrückliche Versuche, auf die Person einzureden.
 

Der platinblonde junge Mann stand, den Rücken zu ihm gewandt, an einem der verdreckten Waschbecken der Toilette, und Harry empfand plötzlich eine Art Triumphgefühl. Sein Körper bewegte sich fast wie von selbst, er trat näher, um bloß keinen einzigen Moment zu verpassen, und hielt dennoch schlagartig inne, als er in aufgerissene sturmgraue Augen blickte.
 

In diesem Moment fuhr ihm ein Schauer durch den Körper. Das triumphierende Gefühl, ihn endlich erwischt zu haben, verschwand und das Licht, welches sich am gefluteten Boden brach, ließ die Tränen in den Augen des Mannes vor ihm leicht schimmern. Malfoy weinte.
 

Keuchend erwachte Harry. Schweißperlen liefen seine Stirn hinab. Er brauchte einen kurzen Moment, um zu realisieren, wo er sich befand. Er war nicht in Hogwarts. Dies war nicht die Toilette, auf der er Draco Malfoy fast getötet hatte. Sein Herz schlug kräftig gegen seinen Brustkorb.
 

Er tastete nach seiner Brille, welche er auf dem kleinen Nachtschränkchen abgelegt hatte, und schaute sich um. Die Luft stand erdrückend im Zimmer und lag schwer in seiner Lunge. Der Staub, der sich auf den Möbelstücken gesammelt hatte, tanzte durch die Luft, und als Harry dem Lichtstrahl der Morgensonne mit seinen Augen folgte, sah er in das faltige Gesicht eines alten Hauselfen, der ihn mit gerümpfter Nase beäugte, so, als wäre er alles andere als begeistert von seiner Anwesenheit.
 

Harry nahm sich einen kurzen Moment, um seinen Atem zu beruhigen. Wieso träumte er jetzt von Malfoy? Er hatte schon sehr lange nicht mehr an seinen ehemaligen Rivalen gedacht. Eigentlich bis zu diesem einen Tag, an dem er einfach unvorbereitet wieder in sein Leben getreten war.

 

Der Minister hatte ihn sprechen wollen. Ein weiteres langes Gespräch in Form von sich wiederholenden Versicherungen, sein Bestes zu tun und möglichst kein Aufsehen zu erregen. Aus purem Zufall war er an der Anzeigetafel für die anstehenden Gerichtsverhandlungen vorbeigegangen. Malfoys Namen dort zu lesen hatte ihn irritiert. Auch wenn es eigentlich vorhersehbar hätte sein müssen, wenn man seine Rolle im Krieg bedachte.

 

Seufzend strich er sich mit seinen Fingern durch das strubbelige rabenschwarze Haar und rieb sich kurz die Stelle zwischen seinen Augen.
 

»Meister Potter hat Besuch«, sagte Kreacher und riss ihn aus seinen Gedanken. Der Hauself verdrehte die Augen, ehe er erneut die Nase rümpfte.
 

»Im Salon befindet sich die muggelstämmige Freundin des Meisters. Die Herrin wird wütend sein.« Er senkte den Blick und haderte anscheinend mit sich, nicht auf der Stelle wieder zu verschwinden.

 

»Was hat Kreacher getan, dass Meister Potter ihn mit seiner Anwesenheit beehrt? Kreacher hat sich gekümmert. Hat alles getan, um der Herrin zu dienen.« Kreacher blickte ihn mit großen Augen an, und für einen Moment wusste Harry nicht so ganz, was er ihm antworten sollte. Er überlegte kurz, doch sammelte dann seine Klamotten vom Boden zusammen und zog sich hastig an.
 

Seine Pflicht getan, schüttelte der Hauself nur den Kopf, murmelte Etwas, was Harry nicht verstand, und verließ den Raum.
 

Ob er wohl jemals ihn als seinen Herren ansehen würde? Kreacher sprach Harry immer nur als Meister an. Wenn er von seiner Herrin sprach, so meinte er die alte Walburga Black, deren Porträt unten in der Eingangshalle hing. Als er vor einer Woche nach dem Streit mit Ginny hierher appariert war, hatte sie ihn noch übel beschimpft, doch Harry empfand es mittlerweile als eine Art Begrüßung, wenn er das Haus betrat, und hatte es akzeptiert.
 

Harry hatte sich verkrochen. Er hatte den Grimmauldplatz Nr. 12 nur für das Notwendigste verlassen, da er Kreacher bisher noch nicht dazu gebracht hatte, ihm etwas zu essen zu bringen. Er hatte es, um ehrlich zu sein, auch nicht wirklich versucht. Sich hier verstecken zu können, reichte ihm. Es tat ihm viel zu gut, dem drohenden Streit mit Ginny aus dem Weg zu gehen und ganz für sich zu sein. Auch wenn das Haus langsam in sich zusammen fiel und Harry bei dem Knarren der Decke letzte Nacht kurz Angst hatte, diese würde einstürzen und ihn unter sich begraben.
 

Allerdings wusste Harry, dass er diese Rechnung ohne Hermine gemacht hatte. Während er die Treppe hinunterstieg, sah er sie bereits am Küchentisch sitzen, zwischen dreckigem Geschirr und einer großen Tüte, die sie offenbar mitgebracht hatte. Sie beobachtete ihn mit wachem Blick. Wie lang sie schon dort wartete, war ihm nicht klar. Kreacher hätte sie schließlich ebenso gut stundenlang warten lassen können.
 

»Warst du shoppen?«, fragte Harry sie und zog eine Augenbraue in die Höhe.

 

Sie lächelte sanft, öffnete voller Stolz mit einer fließenden Bewegung die große Tüte und offenbarte ihren Inhalt. Ein Haufen Bücher, sowie einige neue Federkiele und ein sorgfältig zusammengefalteter Umhang kamen zum Vorschein.
 

»Dass du etwas anderes als Bücher mitbringst, hatte ich eh bezweifelt«, seufzte Harry, schob den Barhocker zur Seite und setzte sich neben sie.

 

»Was soll ich da, Hermine? Es fühlt sich sinnlos an, an diesen Ort zurückzukehren. Ich brauche meinen Abschluss nicht. Ich habe genug Perspektiven.« Schnaubend dachte er an die vielen Eulen, die ihn nach dem Krieg erreicht hatten und die beachtliche Anzahl ungeöffneter Briefe, welche sich in der untersten Schublade des Eichenschranks im Flur stapelten. Dass Harry sie alle ignoriert hatte, brauchte Hermine ja nicht zu wissen.
 

»Du kannst dich nicht ewig hier verstecken«, antwortete Hermine auf seine Gedanken.

 

»Ich weiß...«

 

Sollte er tatsächlich nach Hogwarts zurückkehren? An einen Ort, den er mal seine Heimat genannt hatte. Das wiederaufflackernde Bild toter Menschen, die im Krieg für ihn gestorben waren, zerriss die Erinnerung von grünen Ländereien, durch die er einst zu Pflege magischer Geschöpfe geeilt war. Damals, im Kampf, gab es nur noch Asche. Ein todbringender Ascheregen, welcher die Körper unter sich begrub, die in die zerklüftete Erde getrampelt wurden. Er vergrub die Zähne in seiner Unterlippe.
 

»Er ist freigesprochen worden«, sagte Hermine.
 

»Was?« Verdutzt erwiderte Harry den prüfenden Blick seiner besten Freundin.
 

»Ginny hatte Recht, du warst dort, oder? Bei Malfoy. In seiner Verhandlung. Du hast für ihn ausgesagt. Was ist nur mit dir los? Der Tagesprophet wollte einen Artikel veröffentlichen, doch Arthur konnte sie gerade noch aufhalten, da er die Information vom Minister am selben Abend erhielt.«

 

Es hatte also gereicht, schoss es ihm durch seinen Kopf

 

Er wusste nicht, was er ihr antworten sollte, war er sich doch selbst unsicher, warum er überhaupt so für seinen Rivalen eingestanden hatte. Doch Harry fühlte das erste Mal seit Wochen eine Erleichterung. Er verstand nicht ganz, wieso es ihn überhaupt kümmerte. Allerdings war er in diesem Augenblick froh, dass sein Erzrivale, der ehemalige Todesser Draco Malfoy freigesprochen worden ist. Und für einen kurzen Moment genoss er dieses Gefühl ohne es zu hinterfragen.

 

Jetzt kann ich endlich damit abschließen, dachte er sich. Der Gedanke, seinen Schulfeind in Askaban zu sehen, hatte ihn auf eine absonderliche Art beunruhigt und ihn erneut überstürzt handeln lassen. Aber nun, da er wusste, dass selbst Malfoy eine Chance auf ein besseres Leben hatte, war er erleichtert. Hermine betrachtete ihn nachdenklich.
 

»Hör zu, Ginny übertreibt es meiner Meinung nach ein wenig mit ihrem Hass. Aber du musst sie auch verstehen. Sie hat es sehr schwer, ihre Familie wurde für immer auseinandergerissen. Sie hat den ganzen Abend geweint, weil sie das Gefühl hatte, dass du dich jetzt auch von ihr entfernst«, sagte sie schließlich als seine Antwort ausblieb.
 

»Ich muss mit Ginny reden, denke ich«, beschloss Harry. Vielleicht konnte er die Wogen noch glätten.
 

Hermine sah ihn lange an, und Harry fiel es schwer, ihren Blick zu deuten.

 

»Das solltest du. Also kommst du morgen mit in die Winkelgasse? Wir wollten im Tropfenden Kessel übernachten und dann am nächsten Morgen zum Bahnhof fahren.« Sie stand auf und schloss ihn kurz in die Arme. Harry war froh, dass sie es nicht weiter hinterfragte, warum er sich überhaupt für ihren ehemaligen Feind eingesetzt hatte.
 

»Wir haben uns diese Zukunft verdient, Harry. Aber wir brauchen den Abschluss, auch du. Selbst wenn jeder deinen Namen kennt, zählt am Ende, was in deinem Lebenslauf steht.« Sie schmunzelte. »Und ich glaube nicht, dass Horkrux-Jagd so aussagekräftig ist.« Hermine lachte, und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
 

»Ich scheine wohl keine Wahl zu haben«, sagte der Gryffindor, griff nach einem seiner neuen Schulbücher und schaute es sich demonstrativ abfällig von beiden Seiten an. »Auch wenn ich die UTZe wahrscheinlich eh nicht bestehen werde.«
 

»Da werde ich dich und Ron schon auf Trab halten, vertraut mir. Aber ich muss jetzt auch los, Harry.« Ihre warme Hand umschloss kurz seinen Arm. Sie griff in ihre Manteltasche, um einen kleinen Beutel mit Flohpulver herauszuholen.

 

»Kann ich hier flohen? Ich war mir nicht sicher, ob du den Kamin angemeldet hast, also bin ich appariert. Aber ich glaube, wenn ich noch einmal so zurückreisen muss, esse ich heute Abend nichts mehr.«
 

»Ja, Remus hat den Kamin damals angemeldet, damit ich mit Sirius Kontakt halten konnte.«

 

Der Gedanke an seinen Paten rief eine Unruhe in seinem Inneren hervor. Harry hatte das Gefühl, egal, über wen er sprach, es beinhaltete immer Menschen, die er verloren hatte. Vielleicht hatte Hermine Recht und er sollte einfach versuchen, zu leben. Hogwarts könnte hierbei eine große Hilfe sein, vor allem wenn es darum ging, seinen geregelten Alltag wieder zu finden.
 

»Bis morgen, Harry.« Ihr warmes Lächeln erstrahlte, und Harry war in diesem Moment froh, dass sie noch lächeln konnte. Sie warf das Pulver in den Kamin, worauf eine grüne Flamme entfachte. Hermine sagte mit klaren Worten »Fuchsbau!«, drehte sich und verschwand.
 

Für einen kurzen Moment ergriff die Stille den Raum. Harry starrte auf die Flammen, welche sich langsam in die Holzscheite zurückzogen, und fragte sich, was das letzte Jahr in Hogwarts für ihn bereit halten würde.

 

 
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  MarrowMoon
2024-01-29T20:46:54+00:00 29.01.2024 21:46
Man merkt richtig wie Harry innerlich erstarrt ist und sich nicht traut überhaupt einen Weg zu beschreiten, gut das Hermine treffsicher zur Stelle ist, um ihm einen kleinen Schubs zu geben. :)
Antwort von:  Refaye
30.01.2024 00:24
Hermine ist eine wichtige Ratgeberin für Harry. Er hat irgendwo damit zu kämpfen, dass er nicht weiß, wie er mit dieser neu gewonnenen selbst bestimmten Freiheit umgehen soll. Ein langer Weg.

Liebe Grüße
Refaye
Von:  _Delacroix_
2023-01-09T17:03:11+00:00 09.01.2023 18:03
An dem Kapitel hat mir wirklich gut gefallen, dass man als Leser mitbekommt, dass Harry die ganzen Ereignisse der letzten Jahre nicht einfach so weggesteckt hat. Das er zögert nach Hogwarts zurückzukehren, auch wenn es einer der wenigen Orte war, an denen er in seiner Kindheit glücklich war.
Es ist auch schön, dass Hermione ein weiteres Mal versucht, ihn aus dem selbstgewählten Asyl zu locken und das sie in der Sache mit Hogwarts beharrlich bleibt. Außerdem ist es positiv, dass sie in der Sache Malfoy neutral ist und halt wirklich den Eindruck erweckt, dass sie einfach nur Harrys Bestes will. 

Vermutlich könnte Harry ihr erklären, dass er Drachenjäger werden will und sie würde das zwar nicht gutheißen, ihn aber dennoch mit allem ausstatten, was man braucht, damit man nicht gefressen wird. Eine gute Freundin eben, die vielleicht nicht immer die gleiche Meinung hat, aber trotzdem immer mit einem Lexikon bereit steht, wenn man sie braucht.
Antwort von:  Refaye
10.01.2023 20:20
Keine Beschreibung könnte mehr auf Hermine passen als deine. Ich freue mich sehr, dass dir der Charakter gefällt und du es authentisch findest. Da geht mein Autorenherz auf, haha.
Liebe Grüße
Von:  Roterflokati
2022-12-04T20:09:39+00:00 04.12.2022 21:09
Dein Schreibstil ist wirklich gut. Ich freue mich schon auf die ganze Geschichte
Antwort von:  Refaye
05.12.2022 21:52
Danke, hoffe du wirst sie mögen. :)


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