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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

"Ich möchte, dass du mir alles zeigst."

"Wie meint Ihr das, Prinzessin?", blinzelte sie die Lóng an.

"Du bist die einzige, die sich all die Jahre um sie gekümmert hat. Bring' mir alles bei, was du weißt. Damit ich ein würdiges Oberhaupt werde, brauche ich deine Hilfe, Sila."

"Meint Ihr das wirklich?"

"Ja."

"Ihr erstaunt mich, Prinzessin", schüttelte Sila den Kopf, um im nächsten Moment das Haupt zu senken. "Ich danke Euch für Euer Vertrauen. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um meiner Rolle gerecht zu werden."

"Danke." Mit einem Lächeln wischte sich Izara eine verirrte Träne aus dem Gesicht. "Komisch, dass ausgerechnet wir beide unsere Herzen einander ausschütten."

"Womöglich sind wir gar nicht so verschieden", entgegnete Sila, ebenfalls mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen. "Auch Ihr könnt zuweilen sehr temperamentvoll sein."

"Das ist erst seit meiner Erweckung so schlimm geworden." Izara wusste nicht, woher die plötzliche Offenheit stammte, aber im Moment genoss sie die Ehrlichkeit, die sie beide miteinander teilten. Sie hatte lange nicht mehr so vertraut mit jemandem reden können und nach all den Wochen ohne Kaia war eine weibliche Stimme wie die von Sila eine willkommene Abwechslung.

"Nun", sagte Sila und deutete scheu auf ihre Prinzessin, "Ihr wisst sicher, was nach Eurer Erweckung mit Euch passiert." So sicher klang Sila eigentlich nicht, aber Izara nahm es ihr nicht übel.

"Ja", entgegnete sie etwas verlegen und zupfte an einer ihrer Strähnen herum.

Mit der Verwandlung ging auch die Geschlechtsreife einher, Izara wusste das, hatte aber bisher keinen Gedanken daran verschwenden wollen. Nicht solange die Ungewissheit gefährlich über allem baumelte.

Sila sah, wie Izara ihre Scham zu verstecken versuchte und lächelte sanft. "Setzt Euch, bitte", sagte sie und deutete auf den Stuhl, auf den sich Izara zögerlich setzte. Dann schritt sie auf Izara zu.

"Darf ich?", fragte die Lóng und zeigte auf den Kamm, der neben all den anderen Accessoires auf dem Frisiertisch lag. Immer noch unsicher, nickte Izara.

"Nach der Erweckung", vorsichtig begann Sila einzelne dicke Strähnen zu kämmen, "reagiert der Körper sensibel auf Berührungen. Er bereitet sich vor." Als wollte er dies demonstrieren, begannen auf ihrer Haut viele kleine Härchen aufzustehen. Besonders die Kopfhaut begann durch den spitzen Kamm unnatürlich zu prickeln.

"Hm", machte Sila, "ich verstehe." Sie ließ die Hand mit den Kamm sinken. Izara hatte nicht das Gefühl als wollte sie verstehen, was ihr Körper damit sagen wollte. So offensichtlich wie es war, musste es nicht auch noch ausgesprochen werden.

"Ihr müsst viel klares Wasser trinken", sagte Sila ernst und steckte die freie Hand in die Schüssel voll Wasser. Vorsichtig zog sie die Finger aus dem kühlen Nass. Das Wasser klebte wie Spinnfäden an ihren Fingerspitzen. Lange, schmale Bänder begannen an ihrer Hand herunterzuhängen.

"Ich habe das Wasser neutralisiert", erklärte Sila, als wäre es ganz selbstverständlich. "Wenn ich es in Eure Haare einarbeite, kann Euer Kopf einen klaren Gedanken behalten."

"Das geht?", fragte Izara verblüfft und beobachtete durch den Spiegel, wie Sila das Haar spaltete, fünf Strähnen auseinander zog und einen strammen Zopf flechtete.

"Die Kopfhaut ist bei uns Drachen ein sehr sensibler Punkt. Vielleicht ist es Euch schon aufgefallen. Manchmal zeigt es sich durch Kleinigkeiten - die einen werden ruhiger, andere hassen es, von Fremden am Kopf getätschelt zu werden."

"Stimmt", murmelte Izara fasziniert.

"Natürlich gäbe es noch andere Dinge, um Euer Wohlbefinden zu steigern. Angenehmere Dinge." Die letzten Worte betonte die Lóng und sah durch den Spiegel in Izaras errötetes Gesicht. "Das ist eines der Vorzüge, wenn man einen geeigneten Gefährten während der Erweckung an seiner Seite hat. Glaubt mir, ich weiß genau, wovon ich rede. Wäre Feydrin nicht gewesen…", ihre Gedanken drifteten ab, ein nostalgisches Lächeln, von Trauer durchzogen, schlich sich in Silas Gesicht. "Ich will damit nur sagen, die Erweckung kann durchaus seine schönen Seiten haben." Das Lächeln erstarb, als wäre die Erinnerung mit ihm gestorben.

"Ich wüsste nicht, wie das in meinem Zustand möglich gewesen wäre", nuschelte Izara und sah zu den Utensilien auf ihrem Tisch.

"Es gibt immer eine Gelegenheit. Darum bleiben die Weibchen auch mehrere Tage fort. Viele von uns zeugen noch vor dem ersten Mondwechsel ein Kind. Das Erstgeborene kurz nach der Erweckung wird mit außerordentlichen Fähigkeiten geboren." Zaghaft legte Sila eine Strähne über die andere, dann lachte sie leise auf. "Aber Trias wird kaum der Richtige gewesen sein. Egal, was für ein Lustmolch er sein kann, wenn es um seine Pflichten geht, ist er steifer als ein Stock."

"Trias?", Izara schaute auf.

"Er war es doch, der-", Sila hielt in ihren Bewegungen inne. Mit einem kaum hörbaren »das erklärt einiges« fuhr die Lóng mit ihrer Arbeit fort. In Izara entstanden nur noch mehr Fragezeichen, und weil die Stille drückend auf den beiden Weibchen lastete, gab sie sich einen Ruck und schüttete der Lóng ihr Herz aus.

"Sila", sagte Izara und kämpfte gegen ihre inneren Gefühle an. Einerseits unsicher, was sie sagen sollte, waren da die Hemmungen, die seit ihrer Ankunft auf ihr lasteten. Doch wenn sie Gewissheit haben wollte, dann musste sie jetzt fragen. "Der König und du - habt ihr euch geliebt?"

Ein weiteres Mal stockte Sila. Perplex schaute sie zu Izara hinunter, deren Worte geradezu aus ihr heraus gequetscht werden mussten. "Ich meine, in dieser Nacht hast nicht nur du deine Kinder verloren, und…und ihr habt viel Zeit zusammen verbracht…naja, bis ich gekommen bin."

Die Augen der Lóng wurden immer größer, bis sie aus heiterem Himmel zu lachen begann. Ein herzliches Lachen, Sila hielt sich die Hand vor dem Mund und entschuldigte sich aufrichtig.

"Was ist so lustig?", Izara zog die Augenbrauen zusammen.

"Verzeiht, Prinzessin. Ich vergaß, dass Ihr unter Menschen groß geworden seid." Schmunzelnd knotete Sila das Ende des Zopfes mit dem letzten Wasserfaden fest. "Es ist wahr, die Eier in der Schlucht sind auch Nachfahren unseres Königs. Es ist seit Urzeiten Tradition, dass der Himmelsdrache die Nachfahren der Elemente beschützt. Damit wird der Erhalt unserer Spezies gewährleistet. Himmelsblut ist stark, und vermischt es sich mit anderem Drachenblut, werden gesunde, starke Nachkommen geboren."

"Kyia hat mal etwas Ähnliches erwähnt", Izara erinnerte sich an die erste unangenehme Unterhaltung und schluckte ihre Emotionen herunter.

"Es ist notwendig", fuhr Sila nickend fort, "aber die Zeugung ist keineswegs romantischer Natur. Ihr scheint nicht zu wissen, dass Drachen auf zwei Arten Kinder gebären können." Izaras ungläubiges Gesicht war Antwort genug.

"Neben der Geburt aus dem Mutterleib, der durchaus ein Akt der Liebe und Leidenschaft ist, verhält es sich mit den Eiern vollkommen anders. Dafür ist nicht einmal Körperkontakt vonnöten."

"Willst du damit sagen, der König und du… ihr habt nie-"

"Wo denkt Ihr hin", Sila stemmte die Hände in die Hüften, aber nach einer Weile fügte sie seufzend hinzu, "vielleicht hatte ich diese Hoffnung - früher. Natürlich wäre es für mich von Vorteil gewesen, wenn der König Interesse an mir gehabt hätte. Aber meine Gedanken gelten in erster Linie dem Erhalt meines Klans. Ich muss die Zukunft der Lóng bewahren, alles, was ich tue, tue ich für den Schutz meiner Familie. Ich komme aus einem fernen Land, wisst ihr? Meine Sippschaft ist klein und es werden immer weniger", sie schüttelte den Kopf, "viele fürchten sich, Kinder in die Welt zu setzen. Die Angst vor dem Ungewissen ist groß und durchaus berechtigt. Paladine breiten sich wie Ungeziefer aus. Die Lage ist ernst. Umso wichtiger ist es, dass ich hier bin und für die Zukunft kämpfe." Ihre Augen flammten auf, die Leidenschaft überwältigte Izara. Eine kurze, bröckelnde Flamme, bevor ein freches Grinsen seitens Sila den Augenblick verfliegen ließ.

"Ihr braucht Euch also keine Sorgen machen, Prinzessin. Weder ich noch die anderen stellen irgendeine Konkurrenz für Euch dar."

"Was?!", Izara schüttelte den Kopf, "so meinte ich das nicht. Ich wollte nur-"  

"Ihr könnt Euch rausreden, wie ihr wollt", Silas Grinsen wurde noch breiter, "aber mir könnt Ihr nichts vormachen. Ich verstehe jetzt, warum ihr damals so gefühlt habt, als wir uns in der Schlucht trafen - Euren Missmut uns gegenüber."

"Ich verstehe nicht."

"Ihr habt es vehement abgestritten, aber Ihr konntet die Wahrheit nicht verbergen. Ihr wünschet, ich und die anderen würden verschwinden."

"I-ich-"

"Schon gut", Sila lächelte breit und klopfte Izara behutsam auf die Schulter. "Eure Aura hat Euch verraten. Ihr müsst wissen, dass ich darauf spezialisiert bin, die Gefühle anderer zu analysieren. Das ist ein Erbe meines Klans. Vielleicht habt Ihr es selbst nicht gespürt, aber Ihr ward ganz eindeutig missgestimmt auf mich und die anderen. Jetzt würde ich sagen, Ihr seid eifersüchtig gewesen."

"Eifersüchtig?!", rief Izara etwas zu laut aus. Sie drehte sich zu Sila um.

"Da ist doch nichts dabei", winkte diese ab, "als seine Gefährtin ist es ganz natürlich, sein Revier zu verteidigen."

Izara sprang auf, rempelte den Stuhl an und verzog das Gesicht. Letzteres weniger wegen des blauen Flecks, der bald kommen würde. "Ich bin nicht seine-" Das Wort blieb ihr im Hals stecken.

"Wisst Ihr überhaupt, was-"

"Ja", murmelte Izara und sah betreten zur Seite. Sie wollte das Thema nicht anschneiden, aber sie selbst hatte nun mal damit angefangen. "Ein Gefährte ist ein Partner fürs Leben. Ähnlich wie ein Seelenverwandter, den die Großen Drachen für uns erwählt haben. Aber", Izaras Stimme wurde immer dünner, "Gefährten haben dieselben starken Gefühle füreinander. Das beruht nicht nur auf Einseitigkeit."

"Warum denkt Ihr, Eure Gefühle werden nicht erwidert?" Sila klang ehrlich verwirrt.

"Weil ich es weiß." Es war furchtbar, daran zurückerinnert zu werden, in ihrer Brust staute sich alles zusammen, woran sie die letzten Tage nicht hatte denken wollen.

"Ich habe ihm eindeutige Signale gesendet", gab Izara zu, "aber er hat nicht darauf reagiert."

"Ihr habt ihm Eure Pheromone gesendet und er hat nicht-" Sila riss die Augen auf, sie schüttelte den Kopf, dass die lose geflochtenen Strähnen aus dem Zopf fielen. "Das könnt Ihr nicht auf Euch beruhen lassen, Prinzessin!", sprach Sila als ginge es um ihre eigene Ehre, "der König ist viel zu vorsichtig mit Euch. Ihr müsst ihn darauf ansprechen, sonst wird er Euch noch die nächsten Jahre wie ein rohes Ei behandeln."

"Aber", Izara fehlten die Worte. Sie konnte doch nicht zu König Devon gehen und ihn auf diesen peinlichen und zutiefst verletzenden Augenblick ansprechen!

"Das geht nicht", entgegnete Izara und spürte leichte Panik in sich aufkommen. "Ich weiß doch selbst nicht, was ich fühle, wie soll ich da den König nach seinen eigenen Gefühlen fragen?" Izara biss die Zähne in die Unterlippe, bis der erste Blutstropfen auf den Teppichboden landete. "Das ist alles ein großes Missverständnis. Wenn ich erst einmal meine Kräfte unter Kontrolle habe…" Wird dieses Chaos in meinem Kopf aufhören - daran musste Izara einfach glauben.

"Nein, Prinzessin", versuchte es Sila, diesmal eine Spur ruhiger, "ich habe Euren Blick gesehen…ich sehe ihn auch jetzt. Glaubt mir, Ihr werdet keine Ruhe finden, wenn Ihr Eure Gefühle weiterhin verdrängt."

"Aber was, wenn der König mich wieder abweist?" Sie sah hinauf zu der Lóng. "Sila, ich will das nicht noch einmal durchmachen. Ich muss akzeptieren, dass er mich nicht will." Die letzten Worte waren bloß ein Hauchen, zu nahe war sie den Tränen, um sich die Realität ins Gesicht zu schlagen.

"Das glaube ich nicht", sagte Sila, nachdem die beiden stillschweigend ihren Gedanken nachgegangen waren, "der König ist sehr besorgt um Euch."

"Weil ich eine Himmelsgöttin bin", entgegnete Izara ein wenig trotzig.

"Das glaube ich nicht. Warum sollte er Euch während der Erweckung zur Seite stehen, wenn es ihm nur um das Himmelsblut ginge? Dasselbe gilt für jene Nacht." Die linke Hand umfasste Izaras Zopf, zärtlich legte sie ihn über die Schulter ihrer Prinzessin und lächelte. "Er hat Eure Wunden versorgt, obwohl es ihm selbst nicht gut geht."

Moment!

"Was hast du gesagt?", fragte Izara wie in Trance, "der König war hier?"

Als wären die Bandagen der Beweis blickte sie auf ihre Arme hinab.

"Ja, er ist hier", bestätigte Sila, "er ist noch in derselben Nacht zurückgekehrt."

"Und das", Izara zeigte auf die Stellen, an denen die Wunden nicht mehr als blasse Erinnerungen waren. "Habe ich ihm zu verdanken, dass die Wunden so schnell verheilt sind? Die Regeneration…das war er?" Wo noch Kummer und Unsicherheit ihre Gefühle beherrschten, plagten sie erste Gewissensbisse. Nie hatte jemand so viele verschiedene Gefühle in ihr hervorgerufen, so viele Hochs und Tiefs binnen weniger Augenblicke ausgelöst. Gerade fühlte sie sich elend. Weil er wieder einmal zur Stelle war, ihren stillen Retter gespielt hatte, ohne dass er je eine Gegenleistung dafür verlangt hatte, während Izara über seine mangelnde Zuneigung jammerte. Kindisch kam sie sich vor. Wie jedes Mal, wenn sie sich vor dem König blamierte.

"Ich muss zu ihm", entschied sie, jegliche Zweifel verdrängend. Auch wenn er keine Gefühle für sie hatte, wollte sie ihm seine Dankbarkeit zeigen - das war das mindeste, das sie für ihn tun konnte.

"Das geht nicht", erwiderte Sila ernst und Izara meinte eine Sorgenfalte oberhalb der Augen gesehen zu haben. "Der König ist nicht in der Lage, jemanden zu empfangen."

"Wie meinst du das?", es verging einen Augenblick ehe Izara realisierte, was Sila ihr vor einigen Minuten noch gesagt hatte. Dem König ging es nicht gut? Was, wenn er all seine Reserven an Izara verschwendet hatte und nun selbst in Gefahr schwebte?

Wegen ihr.

Warum, dachte Izara gequält, warum tat er das für sie?

"Bitte, Prinzessin", sagte Sila, die Izara die ganze Zeit mit Sorge betrachtete, "beruhigt Euch."

"Nein", Izara schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen. Man hatte ihr schon viel zu oft gesagt, dass sie sich beruhigen sollte. Gerade dann, wenn Grund zur Besorgnis stand. Sie würde sich nicht von ein paar daher gesagten Worten abhalten lassen, den König zu sehen.

Die Lòng spürte Izaras Gedanken und hielt sie am Ärmel fest.

"Nein, Prinzessin, Ihr könnt jetzt nicht zum König."

"Doch", Izara war sich nie sicherer gewesen. Sie entriss sich Silas Griff und stürmte davon.

"Halt, Prinzessin!", rief Sila. Doch zu spät.



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