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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

Ein letzter Blick auf ihre Prinzessin und Kyia rannte zurück in Richtung Schloss. Dabei versäumte sie nicht, den beiden Paladinen einen Seitenhieb zu verpassen. Die Männer fluchten, einer folgte dem Bergdrachen, während der andere seine Magie bündelte und in Richtung der Leibwächterin feuerte. Die Verfolgung des einen schien in Kyias Karten zu spielen. Wie Izara den Bergdrachen kannte, war das mit voller Absicht geschehen.

"Wir müssen etwas gegen diese Blitze unternehmen", knurrte Solar, dass sich Izara wieder ganz auf das Geschehen konzentrierte.

Izara drehte sich in Richtung Quelle. Irgendwo am Himmel lauerte der Paladin, doch Izara konnte nichts erkennen.

"Er wird Richtung Hain abgehauen sein", der Blitzdrache hatte seine Augen zu kleinen Schlitzen geformt.

"Ich muss ihn ausschalten." Solars Stimme ließ keinen Zweifel zu.

"Wie willst du das anstellen?", Izara kannte Solars Gedanken. "Du kannst nicht einfach losfliegen und den Paladin im Alleingang bezwingen. Was, wenn es eine Falle ist?"

"Der Paladin ist stark, Izara", entgegnete Solar und lud die Klinge mit seiner Blitzmagie auf.

"Und genau deshalb solltest du-"

"Verstehst du nicht, Izara?!" Er schaute sie an. Wütend. Und flehend.

"Die Blitze kommen von oben! Weißt du, was das bedeutet?"

Der Paladin ritt einen Drachen, Izara verstand sehr gut und ließ die Schultern hängen.

"Drachenreiter sind um Längen stärker als diese Lackaffen hier unten", Solar umklammerte sein Schwert, bis das Weiß seiner Knöchel hervortrat. "Wir dürfen ihn nicht bis zum Schloss vormarschieren lassen."

Wie zur Bestätigung leuchtete der gesamte Himmel auf, rote Blitze ließen die Wolkendecke in Blutfarben baden.

Immer und immer wieder regnete es blutrünstige Paladinmagie. Drachen und Hyrakonden schrien zu gleichen Teilen auf. Schwache Wyvern, jene die direkt getroffen wurden, fielen zuerst auf den Boden, wo sie von verzweifelten Hyrakonden zerfleischt wurden. Izara starrte auf die Szene. Wie ein halbes Dutzend Hyrakonden um den großen schlangenförmigen Wyvern herfielen, als stritten sie um ihre Mahlzeit.

Ihr ganzer Körper zitterte vor Angst. Aber auch vor Wut. Der Mensch in ihr fürchtete den Tod. Der Drache war von Vergeltung und Hass durchbohrt. Die Augen leuchteten, die Stimmbänder vibrierten.

"Aufhören!"

Ein weiterer Blitz zielte auf Izara, Solar packte die Himmelsgöttin und drückte sie auf den Boden. Er selbst lag halb auf ihr, das Schwert dabei nach oben ausgestreckt, ließ er seine eigenen Blitze auf den Himmel los.

"Nicht, Izara", brüllte Solar ihr ins Ohr.

"Ich muss etwas tun", entgegnete Izara, noch immer zitternd. Unter ihrer Nase sammelte sich Flüssigkeit, die langsam ihre Lippen hinabrann.

"Du blutest", rief Solar von oben, als bräuchte es noch weitere Beweise für ihre Unfähigkeit.

Kyia hatte recht. Sie war nicht soweit, ihre Kräfte nur Ballast, wenn es hart auf hart kam. Vielleicht könnte sie die Paladine mit ihrer Magie aufhalten, wenn sie weit genug ginge und ihr Blut als Pfand darbot. Ihr Leben als Preis war nicht das, wovor Izara zurückschreckte. Es waren die anderen. Solar, Kyia...alle, die in und um den Palast festsaßen. Sie würden Izara beschützen, komme was wolle, und sich damit einer noch größeren Gefahr aussetzen. Ihr wurde bewusst, dass sie alles nur noch schlimmer machte, wenn sie glaubte, mitkämpfen zu können. Frust staute sich in ihr auf.

"Bist du okay?", fragte Solar. Langsam kletterte er von ihr heunter und hievte Izara mit seinen starken Armen hoch.

"Geht schon", murmelte Izara, "danke, Solar." Das Lächeln blieb aus, noch bevor Izara den Schmutz von ihren Kleidern abgeklopft hatte, hörte das Blitzgewitter auf.

An seiner Stelle kam ein lautes, klagendes Schreien. Izara kannte das Geräusch, und auch Solar spannte sich an.

Der Schrei eines Drachen konnte bis in die Knochen vordringen. Der Schrei eines Drachen in Knechtschaft drang sogar noch tiefer ein.

"Drachenmensch!", lachte eine Stimme von Weitem auf sie herab. Erneut kreischte der Drache, ein Zeichen des hoffnungslosen Widerstandes einer Kreatur, die seine Freiheit verloren hatte. Aus einem schwarzen Nebelgemisch trat seine Silhouette hervor, und auch sein Meister zeigte sich.

Die ganze Zeit über hatte er sich dort oben aufgehalten, hatte gelauert und die Nacht zu seinem Vorteil genutzt.

Mit den Flügeln schlagend schwebte der Drache nahe des Hains. Seine grau-roten Schuppen waren aus der Entfernung kaum zu erkennen. Er war ein Mischblut, etwas zwischen Erd- und Feuerdrache, wie es sie zu hunderten gab. Nichts Halbes und nichts Ganzes - Mangelware, so drückten sich Paladine gerne aus, denn bis auf ein paar Feuerballen oder Gesteinsbrocken brachten Mischblüter nichts zustande, geschweige denn genügend Kraft auf, um sich gegen einen Paladin aufzubäumen.

"Oh, Drachenmensch", summte die Stimme, lachte erneut, dass es über das Schlachtfeld donnerte.

Die Kämpfe zwischen Hyrakonden und Drachen stoppte. Auch die Paladine blieben erstaunlich ruhig. Langsam kam der Drache näher, dass Izara zwei Gestalten ausmachen konnte. Der Paladin war unverkennbar. Seine goldene Rüstung war aus den Überresten eines Blitzdrachen geschaffen, den Helm hatte er abgesetzt, dass sich seine roten Haare wie Stacheln aufstellten. Das Grinsen war aus dieser Entfernung nicht auszumachen, dennoch ließ Izara das gehässige und von Wahnsinn getriebene Lachen die Nackenhaare zu Berge stehen.

"Sieh' mal, was ich hier habe", trällerte er und zeigte auf seinen Vordermann, der von einem schwarzen Umhang fast gänzlich verschlungen wurde. Der Paladin schlang seinen Arm um dessen Hals, die Kapuze fiel und ließ nur vage den Knebel und die Schlinge erkennen. Aus dieser Entfernung war der Mensch kaum auszumachen; für Izara reichte es aus, um dem Unbekannten einen Namen zu geben.

Sie hatte sich viele Szenarien ausgedacht - gute wie schlechte. Die Tage hatten eine Phantasie nach der nächsten geschaffen, doch die Realität schlug wie ein Meteoritenschauer auf sie ein. Ihre Ohren begannen zu Fiepen, Taubheit legte sich um ihren Körper.

"Levis!!!", kreischte sie, in der Hoffnung, dem Gefangenen irgendeine Regung zu entlocken.

Seinen Namen laut zu brüllen, fühlte sich falsch und schmerzhaft an, Izara hatte Mühen, ihrer eigenen Stimme Herr zu werden.

Die Regung blieb aus - natürlich! Der Paladin ließ nicht los, sein Griff packte den Nacken, der restliche Körper war mit Fesseln zugeschnürt worden.

"Levis?!" Auch Solar konzentrierte sich auf den gefesselten Mann. Er schien Zweifel zu hegen, behielt sie aber für sich.

"Habe ich deine Aufmerksamkeit, Drachenprinzessin?", der Paladin lachte ohne Unterbrechung. Unter dem Gewusel schien er Izara nicht gefunden zu haben, und Izara bezweifelte, dass er überhaupt eine Ahnung hatte, wie sie aussah.

"Wenn du die kleine Wildkatze siehst", sagte der Paladin, sein Lachen war zu einem Glucksen geworden und seine Rüstung klapperte im Takt des Sturmes, der von Westen herankam, "richte ihr aus, die Aufgabe gilt als erfüllt. Mutter und Nichte brauchen sich nicht mehr zu verstecken."

Wind peitschte ihnen um die Ohren. Doch das Lachen knallte lauter als jede Sturmböe.

"Und was ihren geliebten Gatten betrifft." Er legte den Kopf schief, dass sich die roten Strähnen wie morsche Äste bogen, "wie der Großmeister versprochen hat, lassen wir ihn natürlich auch frei."

Und er ließ ihn frei. Packte seine Schultern und schubste ihn vom Rücken des Tieres.

Die Augen weit aufgerissen, verfolgte Izara den Sturz wie aus einer kleinen Luke. Das Bewusstsein sickerte wie Sand durch eine Sanduhr. Das Glas platzte, die Sandkörner stürzten heraus und ließen einen einzigen Impuls zurück: Izara rannte. Ihre Beine setzen sich in Bewegung und trieben sie aus dem Schlossgelände.

"Izara, halt!", Solar streckte den Arm aus. Izara schlüpfte hindurch, hechtete weiter über die Trümmer der Schlosstore, vorbei an fauchenden Hyrakonden und brüllenden Drachen.

"Warte", schrie der Blitzdrache dicht hinter ihr. Izara hörte ihn nicht. Sie rannte weiter. Immer weiter. Zwischen Bäume und Sträucher, über feuchte Erde und umgestürzten Stämmen. Sie rannte. Rannte, dass ihr die Lunge brannte. Nur nicht stehenbleiben! Wenn sie nur schnell genug rannte, nicht halt machte, dann...

Die Bäume rückten näher zusammen, Izara war inmitten des Hains, Wind und Gestrüpp versuchten den Drachenmenschen am Weiterlaufen hindern zu wollen. Wurzeln verfingen sich in Izaras Beinen, die sich von nichts aufhalten ließ. Sie musste weiterrennen. Immer weiter. Durch die Lichtung, entgegen der Blätter, die vor ihrem Gesicht herum wirbelten, als wollten sie die Sicht auf das nehmen, was ihr kleines, flattriges Herz nicht verkraften konnte.

Es war ein Körper. Izara wurde langsamer. Das war nicht, was sie zu sehen geglaubt hatte: Gebeine ragten in die Höhe, Gelenke waren verdreht - wer Menschlichkeit suchte, wusste nichts von der Rauheit des freien Falls. Steine drapierten das Gerüst von einem Leib. Vom Kopf war nichts mehr zu erkennen, da gab es nur noch Blut, dass sich fächerartig ausbreitete, die Steine hinunter floss und tropfenförmig in den Boden sickerte.

"Ne-", ihre Kehle schluckte die Worte hinunter. Der Schrei erstickte, der Körper sog alles in sich auf, bis nichts mehr übrig war.

Ein Glucksen aus ihrem Bauch wurde zu einem heißen Brodeln unterhalb ihres Nabels. Dann entsandte ihr Innerstes ein tiefes, brüllendes Klagen. Nichts Greifbares und schon gar nichts Menschliches. Die Erde erzitterte, der Wind blies die Vibrationen von sich, verteilte sie über das ganze Gebiet.

Izaras Schmerz war zu etwas Himmlischen geworden. Menschliche Emotionen wurden von dem Drachen in ihr verbannt. Keine Träne rann ihre Augen hinab, kein Flehen und Wimmern stießen die Lippen aus. Es gab nur den Drachen in ihr, das Klagelied einer Himmelsgöttin, die um ihren Vater trauerte.

"Levis", Izara setzte sich in Bewegung.

"Nein!", Hände packten sie am Oberarm. Solar hatte sie eingeholt, er keuchte, die Nüstern bebten und so fest er nur konnte, hielt er Izara fest.

"Du kannst nichts mehr für ihn tun." Die Worte erreichten sie nicht. Izara wehrte sich, schüttelte mit dem Kopf.

"Ich muss zu ihm", stieß sie keuchend aus.

"Izara, das willst du nicht. Er-"

"Ich kann ihn nicht liegen lassen! Er braucht meine Hilfe, ich muss...ich muss..."

Beide Arme um Izara geschlungen, drückte Solar sie mit dem Rücken an seinen Oberkörper.

"Izara, er ist-"

"Sprich es nicht aus!", kreischte sie, "wage es nicht, auch nur daran zu denken! Levis ist nicht...er darf nicht..."

Schlagartig hörte sie auf, sich zu wehren. Der Druck auf ihrer Brust drohte sie von ihnen zu zerreißen. Schlaff ließ sie die Schultern hängen.

Es endete immer mit dem Tod. In diesem Leben schien es keine Gnade für diejenigen zu geben, die das Himmelsblut zu schützen versuchten. Das also hatte Kaia gefühlt, als sie von Verzweiflung zerfressen worden war. Es raubte ihr alles an Energie, alles an Lebenswillen.

"Bitte, Izara", flüsterte Solar, "beruhige dich. Wir sind nämlich nicht allein." Hinter ihr knurrte der Blitzdrache. Es kostete Izara Mühe, zu ihm aufzusehen. Er hatte sie losgelassen. Mit der Hand schob er sie erst zur Seite, dann trat er ein paar Schritte vor Izara.

"Beweg' dich nicht", flüsterte Solar und richtete sein Schwert nach vorne aus. Die Blitze an dessen Spitze erhellten die kleine Lichtung, legten die Sicht auf die Person frei, die langsam aus dem Schatten der Bäume heraustrat.

Ein Mann. Ein großer Mann. Sein Blick war auf die beiden Drachen gerichtet - in seinen Augen blitzte es gefährlich auf. Verlangen und Gier wurden von einem ungesunden Blutdurst heimgesucht.

"Solar, dort drüben", hauchte Izara, die ihren Blick nach links schweifen ließ. Dort kamen zwei weitere Männer hinter den Bäumen hervor. Und auch von links - zwei Männer und eine Frau. Ihre langen, dunklen Mäntel verbargen nur spärlich die Waffen an ihren Hüften. Das schwere Leder war Izara seit Kindertagen vertraut. Dass sie ohne ihre Rüstung aufgekreuzt waren, unterstrich nur, wie überlegen sie sich fühlten.

"Was haben wir denn da?", säuselte einer von ihnen. Hungrig blickten die Paladine zu Izara herüber. Diese packte Solar am Ärmel. Sie wollte nicht, dass er noch einen weiteren Schritt nach vorne machte, sie spürte das Knistern, den Hunger nach Tod und Quälerei.

"Paladine", knurrte Solar, das Schwert in seiner Hand schien zu pulsieren. Warme, kleine Blitze tanzten auf der Klinge.

"Bleib' hinter mir, Izara."

"Wie putzig", sagte die Frau und legte ein schiefes Lächeln auf. "Der Welpe versucht das Weibchen zu beschützen."

"Er glaubt, er hätte eine Chance", lachte ein anderer.

"Ob der Blitzdrache zu Flatsch gehört? Sein Gesicht hätte ich nur zu gern gesehen. Wenn ich diesem Vieh eigenhändig die Haut abziehe..."

"Wenn wir ihn vor ihren Augen sterilisieren-"

"Bitte, die Herrschaften, etwas mehr Contenance", der Mann vor ihnen zückte ein paar Handschuhe aus seiner Manteltasche. Langsam zog er den ersten über. Finger für Finger steckte er mit Sorgfalt ins Leder.

"Wo bleiben Ihre Manieren?" Die Stimme war ruhig - ein Messer, das mit sanften Berührungen das Fleisch durchtrennen konnte.

Izara war nie gut darin, Drachen, geschweige denn Menschen an ihren Fähigkeiten zu erkennen, doch dieser Mann war der Inbegriff von Angst. Die Anderen verstummten ob seiner dahergesagten Worte und das war weitaus beunruhigender als Izaras Intuition.

"Und nun zu euch zwei", grüne Augen visierten sie an. Izara spürte ein eigenartiges Ziehen im Nacken.

"Es gibt genau zwei Optionen", begann der Mann und sah auf seine behandschuhten Finger. "Option eins: die Himmelsgöttin ergibt sich freiwillig."

"Niemals!", Solar fletschte mit den Zähnen.

"Aber, aber, Jungchen", der Mann schnalzte mit der Zunge, "hat dir deine Mutter denn nicht beigebracht, dass man die Leute erst ausreden lässt?"

Als Antwort gab Solar ein leises, gefährliches Knurren von sich. Das brachte ihm ein müdes Lächeln ein, auch die restlichen Paladine grinsten amüsiert.

"Option Nummer zwei", fuhr der Mann fort und streckte Zeige- und Mittelfinger aus, "wir töten deinen Beschützer und nehmen dich dann mit. Ich denke, so schwer ist diese Entscheidung nicht." Er deutete auf die leblosen Überreste ihres Ziehvaters. Izara biss sich auf die Lippe.

"Keine Sorge", sprach Solar ganz ruhig, "ich werde nicht zulassen, dass sie dich bekommen."

"Eine dumme Entscheidung, Drache", der Mann zuckte mit den Schultern, schließlich ließ er seine Leute von der Leine.



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