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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Devon

"Ihr wollt aufbrechen?"

Devon war gerade dabei, die Kartographien in seine Manteltasche zu stopfen, als Sila aus dem Krankenflügel gelaufen kam. Die Hand mit einem weißen Leinentuch abgetrocknet, sah sie zu Devon und seinen zwei Schwertern hinunter. Erschöpfung und Trauer spiegelten sich in ihren hellblauen Augen wider. Die ganze Nacht hatte sich die Lóng um die Verletzten gekümmert. Sie hatte das Blut der Überlebenden getupft, faulige Gebeine abgesägt und entzündete Stellen gesäubert. Die schwer Verletzten, diejenigen, die diese Nacht nicht überstanden hatten, hatte Sila einen angenehmen Tod beschert. Das Mindeste, das diese tapferen Krieger verdient hatten.

"Wie geht es dem Blitzdrachen?", fragte er stattdessen und heimste sich ein Augeverdrehen ein, das schnell wieder verblasste.

"Er wird es überstehen", antwortete die Lóng und klemmte sich das Tuch unter ihrem Gürtel. "Die Wunde ist nicht so tief, wie sie aussieht… anders als bei Euch, Hoheit", dem letzten Satz schwang ein leichter Unterton mit, den Devon nicht weiter ergründen wollte.

"Wenn du mir von einer Reise abraten willst - bemühe dich nicht. Ich habe Trias alles gesagt, und ich möchte mich nicht wiederholen müssen."

"Natürlich", die Lóng verbeugte sich, "dann lasst mich wenigstens Eure Nähte betrachten."

Als Antwort gab es ein Schnauben. Auf Ausreden, weshalb er die Abreise verzögern sollte, hatte er keine Lust. Seine Dienerschaft wusste das. Dennoch wäre es töricht, Silas Angebot auszuschlagen. Eine Heilerin wie die Lóng wusste, was sie tat.

Devon wandte sich Sila zu und gab ihr die stumme Erlaubnis, sich seine Wunde ansehen zu dürfen. Sila nickte, mit der rechten Hand deutete sie in Richtung Ostflügel, der in die Zimmer der Weibchen führte. Die Stirn kraus gezogen, folgte er der Lóng in ihre Gemächer. Gemächlichen Schrittes bewegte sie sich vorwärts. Er war sich sicher, dass sie Zeit schindete; wie die Füße fast andächtig den Boden berührten, hatte sie Ähnlichkeit mit den Priestern von Raj. Meist alte, weise Drachen, die einen ausgeprägten siebten Sinn besaßen, schlichen sie oft über die hiesigen Flure des Himmelspalastes. Sie schmückten sich mit langen, weißen Gewändern, mit kurzen Ärmeln und einer langen Schleppe - genauso wie Sila, wenn auch das Blut anderer Drachen auf ihrem Rock klebte und die Ärmel nicht kurz sondern hoch gekrempelt waren, damit sie nicht von den Tinkturen und Tränken durchnässt wurden. Devon steckte die Hände in die Manteltaschen, damit niemand die Äderchen auf seinen Handrücken auffielen. So viel Wut hatte er seit Langem nicht mehr verspürt. Der Zorn war immer mit einer gewissen Melancholie einhergegangen, doch seit dem Überfall auf das Schloss war seine innere Ruhe abhanden gekommen. Und wenn er noch daran dachte, dass Izara in den dreckigen Händen dieses Sadisten gefangen war-

"Halte deine Untersuchungen kurz", brummte Devon, den Schritt beschleunigt, dass Sila keine Wahl blieb, als sich dem anzupassen.

"Natürlich", entgegnete Sila, die Hände vor dem Schoß gefaltet, "doch bedenkt, dass ich nur Euer Bestes im Sinn habe. Und das unserer Prinzessin, natürlich", fügte Sila trüben Blickes hinzu.

"Hm", brummte Devon zurück. Gegen einen geübten Blick auf seine Wunde konnte Devon nichts sagen, und eine gewisse List konnte er in Silas Absichten auch nicht erkennen.

Er konnte es nicht leugnen, der Makel, der ihn einiges an Kraft kostete, könnte ihm noch viel Ärger bereiten. Es war besser, den Schnitt von einer Expertin begutachten zu lassen, bevor sich Devon einer kampferprobten Schar Paladine stellte. Mit einem Wink lud Sila ihn in ihr Zimmer ein. Die Räumlichkeiten der Lòng waren elegant und hell möbliert. Es gab einen kleinen Springbrunnen und einen Arbeitstisch, auf den sie fein säuberlich ihre [style type="italic"]Werkzeuge[/style] gestellt hatte - hauptsächlich medizinische Instrumente und verschiedenste Proben aus den Gewässern Medaniens.

Das war natürlich nicht sein erster Besuch. Schon einige Male hatte Sila mehr als nur ein paar Heilkräuter benötigen müssen, um einen Himmelsdrachen wieder auf Vordermann zu bringen. Die Lóng allein wusste, wie viele Schnitte und Stiche bisher nötig gewesen waren, um Devon nicht zu einem filletierten Echsenmann verkümmern zu lassen. Allein die Erinnerung an das letzte Mal bereitete ihm ein Ziehen im Nacken.

"Wenn Ihr Mantel und Hemd ausziehen würdet", Sila zeigte auf den Arbeitstisch. Nickend zog sich Devon aus, die Kleider legte er etwas unbeholfen auf den Tisch, dass er beinahe ein Fläschchen Betäubungsmittel umgeworfen hätte. Er spürte ihren tadelnden Blick. Doch die Lóng schwieg.

Anschließend setzte sich Devon auf einen der beiden Stühle, die Lóng schob ihren eigenen hinter den Drachenkönig und ließ sich ebenfalls nieder. Er legte die Hände auf die Knie. Für einen Moment schwiegen beide. Wenn Sila in ihrem Element war, konnte sie fürweilen ernst und schweigsam sein - eine Eigenschaft, von der er sich wünschte, sie würde öfter zu Tage treten.

"Es heilt besser als ich erwartet hatte", entgegnete Sila und fuhr flüchtig die Konturen des Schnittes nach. Das Ziehen, das sie dabei auslöste, zog sich bis zu seinem Kopf hoch.

"Gut. Dann kann ich also gehen", sagte Devon, die Hand nach dem Hemd ausgestreckt.

"Nicht so voreilig, Hoheit", erwiderte die Lóng. "Ich sagte, es sieht besser aus. Von gut sind wir noch weit entfernt."

Devon schnaubte.

"Ich würde Eure Nähte gegen einen verstärkten Faden austauschen", entgegnete Sila und richtete sich auf, "damit sollte die Wunde nicht bei der kleinsten Überlastung sofort aufgehen. Es wird auch nicht lange dauern, versprochen."

Ein Seufzen seinerseits und Devon gab endgültig nach. In die Hände geklatscht, machte sich Sila daran, Wasser in eine kleine Schale zu füllen. Die Lóng legte die Fingerspitzen in das Gefäß, atmete tief ein und ließ klares Wasser hinein fließen. Still beobachtete Devon, wie die Lóng eine Nadel aus dem Schubfach unterhalb des Schreibtisches hervorholte, die Spitze begutachtete und vorsichtig mit Daumen und Zeigefingers drauf tippte. Ein hoher Klang, als würde Sila mit einem Löffel auf ein Wasserglas schlagen, ertönte. Der Stamm der Lóng hatte bei Außenstehenden schon immer eine gewisse Faszination ausgeübt, und auch Devon kam nicht umhin, die Leichtigkeit in ihrem Handeln zu bewundern. Er wusste, dass sie seine Blicke spürte.  Früher hatte sie seine stille Bewunderung mit Zuneigung verwechselt. Ein Missverständnis, das er schnell aus dem Weg geräumt hatte.

Sila war attraktiv, keine Frage. Schwarzes Haar, das weich wie Seide war, wunderschöne Kurven, die Phantasien erwecken konnten und natürlich eine anmutende Drachengestalt, die mit ihrem Tanz betören und verführen wollte.

Ihr einziger Makel - zwei x-förmgie Brandnarben am Nacken. Bleibende Erinnerungen einer Schreckensnacht.

Sila war eine gute Schauspielerin, Männchen wie Weibchen konnte sie mit ihrem Charme um den Finger wickeln, aber ihre tiefen seelischen Narben hatte sie vor Devon nicht verstecken können. Mehr als eine taktische Geliebte würde Sila niemals mehr sein, Devon hatte schnell verstanden, welche Absichten die Lóng verfolgte und war mir ihr auf geschäftlicher Ebene verbunden geblieben.

Die Lóng begriff schnell, dass er kein sonderlich großes Interesse daran hatte, sich eine Gespielin oder Königinnenfigur anzuschaffen. Dafür lebte Devon viel zu sehr für das Drachenvolk.

"Das sollte genügen", murmelte sie und setzte sich wieder hinter ihren König. Die Schale legte sie auf ihren Schoß. Dann begann die Arbeit.

"Das wird jetzt etwas ziepen", sagte sie, als auch schon ein brennender Schmerz seine Wirbelsäule entlang lief. Der Himmelsdrache ließ sich nichts anmerken. Drachenmännchen waren zu stolz, um ihre Schwächen oder gar Schmerzen zuzugeben. Ohne sich zu regen ließ sich Devon den Faden herausziehen.

"Wieder einmal tapfer die Zähne zusammengebissen, Hoheit."

"Für deine Spielchen bin ich nicht aufgelegt, Sila."

"Ich weiß", murmelte Sila und stockte in ihrer Arbeit, "bitte verzeiht."

Sie zog das Leinentuch aus ihrem Gürtel und tupfte vorsichtig auf die langsam heilende Stelle.

Devon seufzte, das Sprechen fing langsam an, ihn anzustrengen.

"Du musst dich nicht entschuldigen, Sila."

"Doch Hoheit", erwiderte sie und tunkte die Nadel in das Wasser, "nicht wegen dem, was ich gesagt habe", sie seufzte. Das tat sie immer, wenn ihr Worte schwer fielen (und das kam sehr selten vor).

"Ihr hattet recht." Ein Wasserfaden zog sich durch das Nadelöhr, Sila legte die Nadel an und begann vorsichtig die Wunde zuzunähen.

"Damals sagtet Ihr, ich solle der Prinzessin vertrauen, ihr Zeit geben. Ich dachte, Eure Worte seien nur dahergesagt, damit ich meine Klappe halte und die Himmelsgöttin als Anführerin akzeptiere…ich…ich hätte es besser wissen müssen. Ihr habt Euch bisher noch nie getäuscht und ich…bitte, Hoheit, vergebt mir für meine Torheit, meine Eitelkeit-"

"Es ist gut, Sila", sagte Devon, bevor auf den bebenden Lippen die ersten Tränen tropfen würden.

"Du hast es eingesehen, das ist alles, was zählt."

"Das stimmt", Sila atmete tief ein, "manchmal verlassen wir uns so sehr auf uns selbst, dass wir gar nicht bemerken, dass diejenigen unter uns zu so viel mehr bestimmt sind, als wir ihnen zugestehen wollen."

Der Drachenkönig zog die Stirn kraus.

"Ich habe den Eindruck als wolltest du auf etwas Bestimmtes hinaus."

"Ich denke", sagte Sila und zog einmal an den Faden, dass Devon spürte, wie Millimeter für Millimeter die Haut zusammengedrückt wurde, "ich denke, es ist an der Zeit, dass Ihr Euch nicht nur Euch selbst vertrauen müsst…sondern auch der Prinzessin."

Er blickte über seine Schulter, dass er der Lóng direkt in die Augen sehen konnte. Sila erwiderte seinen Blick ohne jegliche Furcht.

Dass auch Sila dieses Thema ansprach, verunsicherte ihn ein wenig. Vielleicht hatte er doch einen falschen Eindruck hinterlassen.

"Erklär' es mir", forderte Devon sie auf.

Jetzt war es an Sila ein tiefes Seufzen auszustoßen.

"Die Himmelsgöttin ist…anders. Und damit meine ich nicht, ihre menschliche Seite - obwohl, vielleicht hat es damit zu tun…"

"Sila", murrte Devon.

"Verzeiht. Worauf ich hinaus will", Sila beugte sich nach vorne, die freie Hand schnappte sich die silberne Schere, "die Prinzessin ist nicht so zart und hilflos wie Ihr glaubt. In ihr steckt viel Energie, die befreit werden will."

"Du meinst, so wie in der Vollmondnacht?" Devon dachte nicht gerne daran zurück. Das viele Blut hatte ihm einen Riesenschrecken eingejagt.

"Wenn sie ihre Kräfte kontrollieren könnte-"

"Aber das tut sie nicht", entgegnete er scharf, "sie ist ein Drachenmensch mit Himmelsblut. Sie kann ihre Kräfte niemals so freisetzen, dass sie sich jemals wieder verwandeln geschweige denn ihre Fähigkeiten einsetzen könnte."

"Und doch tut die Prinzessin, was sie tun muss." Sila ließ die Schere über das Ende des Fadens schießen.

"Ihr könnt sie nicht ewig verstecken", Silas Ton nahm etwas Flehendes an. Devon wusste genau, woran die Lòng dachte und sein eigener brennender Schmerz füllte seine Seele aus. Die Lippen fest zusammengepresst, unterdrückte Sila ihre Gefühle.

"Vergebt mir", hauchte die Lóng, "das war unangemessen…ich weiß, dass Ihr-", sie schüttelte den Kopf, "ich möchte einfach nicht, dass sich die Ereignisse von damals wiederholen."

"Das möchte niemand, Sila", antwortete Devon ruhig, "und ich verstehe deine Sorgen." Seit letzter Nacht besser denn je.

"Die Zeit ist einfach noch nicht reif." Mehr Antworten konnte er ihr zu dem Zeitpunkt nicht geben. Nicht, solange Izara von jenem Mann gefangen gehalten wurde, der den Untergang Logias mit seinen eigenen Händen eingeläutet hatte.

"Eines solltet Ihr wissen, Hoheit", Sila brach das Schweigen, "eigentlich wollte ich es Euch nicht sagen, aber", die Lòng betrachtete das Ende des Fadens, "als Ihr so schwer verwundet in Eurem Zimmer ward, war die Prinzessin an Euer Seite."

"Sie war was-?!" Devon erstarrte.

"Ja", murmelte die Lóng und zerknüllte das Ende in ihrer Faust. Weißer Rauch trat zwischen die Finger. Sila erhitzte den Faden - nur so weit, wie sie es brauchte.

"Hoheit", Sila seufzte, "nachdem sie von Eurem Zustand erfahren hat, war sie unaufhaltsam. Sie hat sogar Trias auf die Knie gezwungen. Ihr Wille ist stark."

"Und stur", erwiderte Devon, der sich noch ganz genau an ihren Duft erinnern konnte. Er hatte ihn für eine Einbildung gehalten. Etwas, das sein angeknackster Drachenverstand ihm eingepflanzt hatte. Zu wissen, dass es echt war, dass sie in seinem Zimmer - in seinem Zustand! - bei ihm geblieben war, erschütterte ihn. Kaum auszumalen, was hätte passieren können! Devons Urgestalt hatte vor langer Zeit Vielen das Leben gekostet und selbst erfahrene Drachen wie Trias oder Kyia mussten den nötigen Sicherheitsabstand einhalten, um nicht von ihm zerfleischt zu werden.

Ein Zischen und Sila legte den mittlerweile dickflüssigen Faden auf die zugenähte Stelle. Es brannte weniger als dass es ihn von den neuesten Erkenntnissen ablenken konnte.

"Sie wollte sich nur erkenntlich zeigen, Hoheit", sagte Sila und drückte mit dem Daumen auf die entsprechenden Stellen.

"Ohne ihre Kräfte", Sila ließ die Arme sinken, "wäre Eure Wunde nicht so gut verheilt."

"Weißt du, was du da sagt?", knurrte Devon.

"Es besteht kein Zweifel, dass sie ihr Licht benutzt hat, um Euch zu heilen. Eure Wunde war tief, Teile des Knochenmarks wurden beschädigt. Ich habe die Teile zusammengehalten, damit nicht noch mehr Flüssigkeit heraustritt. Ich habe getan, was ich konnte, um die Lähmung aufzuhalten. Aber das", ehrfürchtig sah die Lóng zu den Überbleibseln einer hart erkämpften Befreiungsaktion, "das ist Himmelsblut, Hoheit. Ich weiß nicht, wie sie es angestellt hat - und ich bezweifle, dass die Prinzessin eine Ahnung hat, was sie in dieser Nacht geleistet hat -, aber ich sehe das Potenzial ihrer Kräfte, die Hingabe und Entschlossenheit. Wie sonst wäre sie in der Lage gewesen, eine Regeneration in die Wege zu leiten."

"So viel Lob aus deinem Mund", kurz ließ sich Devon zu einem Lächeln hinreißen.

Gerade fühlte es sich so an, als wäre Izara bloß zwei Räume weiter. Als bräuchte er nur aus dem Zimmer treten, die Tür aufstoßen und in diese leuchtenden, hellen Augen blicken, auf denen so viele Fragen, so viel Sehnsucht und Verzweiflung hausten, dass es ihn manchmal in den Abgrund trieb.

"Was soll ich sagen", auch Sila lächelte schwach, "die Prinzessin hat mich einfach in ihren Bann gezogen." Die Lóng stemmte die Hände in die Hüften.

"Fertig", sagte sie und nickte ihrem König zu. Devon richtete sich auf.

Er sammelte die Kleider zusammen und stülpte sich ein Teil nach dem nächsten über. Zuletzt knöpfte er den Mantel zu.

"Hoheit", währenddessen war Sila aufgestanden. Sie verbeugte sich, der Kopf legte sich dabei auf ihre Brust, "ich wünsche Euch viel Glück auf Eurer Reise."

Der Wechsel zwischen großer Klappe und Ehrfurcht brachte Devon manchmal ins Straucheln.

"Danke, Sila. Aber mit Glück komme ich nicht weit."

"Wisst Ihr, was die Menschen in so einer Situation sagen?"

Devon drehte sich zu der Lóng um, den Kragen dabei zwischen Daumen und Zeigefinger.

"Sie sagen »Hals- und Beinbruch«"

Er schüttelte den Kopf. Die Spezies würde er wohl niemals verstehen.



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