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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

"Warum erzählt Ihr mir das?", fragte Izara. Sie bemühte sich, gefasst zu klingen, aber die Bilder der Bluttaufe hatte der Großmeister nun einmal beschworen und so schnell verließen sie nicht mehr ihren Kopf.

Ruhig lächelnd sah er sie an.

"Kleine, unwissende Drachenprinzessin. Ich mag deine widersprüchlichen Gefühle."

Izara schreckte ein Stück zurück.

"Du hast Angst vor mir, kannst aber deine Wut über mich nicht im Zaun halten. Du willst dich verstecken und mir gleichzeitig die Krallen ins Gesicht schlagen. Ist es das, was einen Drachenmenschen mit Himmelsblut ausmacht", sein Lächeln wurde breiter, "oder sind das neunzehn Jahre Erziehung, die selbst der mächtigste Drache nicht abschütteln kann?"

Wieder ging er einen Schritt nach vorne. Izara biss die Zähne in die Unterlippe, zwang sich, nicht zurückzuweichen.

Das war ein Test. Der Großmeister prüfte sie. Was genau sein Ziel war, konnte Izara nur erahnen, und etwas sagte ihr, dass sie lieber nicht zu viel darüber nachdenken sollte. Ihre Instinkte schienen sich wegen dieses Mannes erst so richtig zu entfalten. Gefahr drohte von allen Seiten. Die Fähigkeiten des Paladins kribbelten Izara in den Fingerspitzen und seine moosgrünen Augen hatten die Wirkung eines Morasts, das sie immer weiter in die Tiefe zu zerren drohte.

"Du hast sicher schon herausgefunden, warum ich dich dieses Halsband tragen lasse."

Sie stierten einander an. So langsam gelang es ihr, mit der Furcht umzugehen - wenn der Fluchtinstinkt auch noch überaus mächtig war.

"Das andere hätte keine Wirkung", antwortete sie.

Der Großmeister lachte leise. "Es hätte seine Wirkung. Vielleicht nicht mehr wie früher", amüsiert musterte er ihr Halsband, "aber abrichten könnte ich dich trotzdem. Denn glaub' mir, Drachenprinzessin, es gibt noch schlimmere Dinge als von einem Halsband dominiert zu werden."

"Aber Ihr werdet mir nichts tun."

"Voerst nicht", bestätigte der Großmeister. Er wirkte erheitert, scheinbar gefiel ihm, dass Izara den Spieß umgedreht hatte und nun seine Gedanken zu erraten versuchte.

"Ich habe Vorkehrungen getroffen. Dieses Halsband ist nur eines von vielen Spielereien. Natürlich ist das Metall nutzlos gegenüber Magie sämtlicher Art. Eine starke Drachenfaust würde schon genügen, um es zu zerstören. Aber ein junges, zerbrechliches Weib", das Blitzen in seinen Augen galt ihr, "in deiner Menschengestalt hast du keine Chance, und ich rate dir, die Füße still zu halten. Immerhin sollst du keinen Schaden nehmen, aber wenn du doch versuchen solltest, dein Himmelsblut zu beschwören…nun", er winkte ab, "wenn es soweit sein sollte, wirst du es schon verstehen.

Wie gesagt, du bist von ungeheurem Wert. Wenn erst einmal die Könige des Kontinents von deiner Existenz erfahren", er schüttelte den Kopf, "noch glauben diese Hohlköpfe, dass sie wieder einmal hereingelegt worden sind. Die lästigen Gerüchte, die der Drachenkönig in die Länder gestreut hatte, wurden schon allmählich lächerlich."

Izara verstand nicht - wie so vieles, was der Großmeister sagte -, aber nachfragen war keine Option für sie.

"Diesmal", fuhr der Großmeister fort, "diesmal ist die Himmelsgöttin echt und ich habe sie in meiner Gewalt. Ich frage mich, wie hoch der Preis sein wird, den sie für dich bieten werden."

Er schaute sie an, dann lachte er laut auf.

"Sie können mir die Goldmünzen vor die Füße werfen und gleich noch ein paar Ländereien hinterherschmeißen - ich interessiere mich für nichts dergleichen."

"Was wollt Ihr dann?", fragte sie.

"Was ich will", wiederholte er, als dächte er scharf darüber nach, "das bringt mich zu dem Grund meines Besuches. Wie du festgestellt hast, bin ich ein Mann, der gerne die Wahl lässt."

Sie erinnerte sich an Solar - wie er die Zähne gefletscht hatte, als er ihr eine Wahl gelassen hatte.

"Es gibt zwei Optionen", sagte er, "die erste betrifft dein Himmelsblut. Als halber Mensch fließen Kräfte in dir, die ein normaler Körper gar nicht aushalten dürfte. Die Sterbensrate eines Mischblutes während der Erweckung beträgt zweiundsiebzig Prozent. Und dennoch stehst du vor mir - quicklebendig. Du hast dich Flatsch' Magie widersetzt, hast die Lóng von ihrem Halsband befreit, und nun bist du hier - unversehrt, menschlich..."

Der Großmeister kannte nur die halbe Wahrheit. In Anbetracht der Situation konnte sie froh sein, dass die Wunden so gut verheilt waren. Wer weiß, wie ihre Behandlung sonst ausgesehen hätte, wenn sich herausstellte, dass ihr Wert nicht halb so groß war, wie er sich das dachte.

"Normalerweise", setzte der Großmeister fort, "dominiert das Drachengen, sobald die Erweckung vollzogen wurde. Die Menschlichkeit verschwindet mit der Zeit und irgendwann bleibt nur noch die menschliche Hülle übrig. Du aber, du bist noch nicht so weit - das kann ich spüren…das kann ich riechen. Fragt sich für wie lange", wieder lachte er, "ich würde ungern den Zeitpunkt verpassen. So eine Gelegenheit ergibt sich vielleicht nie wieder."

Seine Stimme war nur noch ein Raunen.

"Wenn sich himmlisches Halbblut mit dem eines Begabten vermischt, wie mächtig würde dieser Paladin wohl werden?"

Izara riss die Augen auf.

"Ich sehe, du begreifst schnell, Drachenprinzessin." Sein Blick verdunkelte sich. Da war keine Begierde in seinen Augen. Keine Wollust oder Verlangen. Nur Finsternis.

"Der Paladin…", Izara konnte nicht mehr klar denken. Die Bilder ihrer Mutter, wie sie vor König Juras davonlief, tauchten immer wieder auf, "warum solltet Ihr-"

"Es gibt so vieles, was du nicht weißt", entgegnete er rau, "so vieles, was du nicht verstehst. Die Zeit wird kommen", das leise Lachen war unheimlicher als alles, was Izara bisher gehört hatte, "aber das soll dich fürs Erste nicht kümmern, Izara. Ich bin sicher, du möchtest noch die zweite Option hören."

Izara brauchte nicht zu antworten.

"Nachdem wir dich von den Drachen befreit haben", sagte er laut, als würde er aus einem Erlass vorlesen, "werde ich dem Medanischen König einen Brief zukommen lassen."

Der Großmeister begann von Neuem durch die Zelle zu laufen. Dabei spielte er mit der Kette an seinem Handgelenk, dass der Blitzdrache immer wieder aus seiner Starre gerissen wurde.

"In diesem Brief", sagte er weiter, "werde ich darüber berichten, wie ein Mädchen aus Kandio von der Dragonischen Regierung auf unmenschliche Art festgehalten wurde. Wie es der Drachenkönig persönlich wagen konnte, ein unschuldiges Weib mit Menschenblut seiner Heimat zu berauben", er wurde lauter, "es wie einen Schatz zu stehlen und seiner Familie und seinen Freunden zu entreißen. Ich werde den König von Medanien daran erinnern, dass Drachen keinen Anspruch auf Mischblüter haben, die sich für ein menschliches Leben entschieden haben und dem König Medaniens die Treue schworen! Diese nichtsnutzigen Viecher haben nicht nur die menschliche Würde mit Füßen getreten, nein! Sie wagen es tatsächlich, unsere Gesetze zu brechen. Damit beleidigen sie nicht nur die menschliche Rasse, sie beleidigen damit unseren König - die höchste und heiligste Instanz unseres wunderbaren Reiches!"

Er schlug auf die Gitterstäbe ein. Izara zuckte zusammen, die Kette des Großmeistes wickelte sich von selbst um seinen Oberarm. Den Drachen schleuderte es auf den Boden - mit dem Gesicht voran. So schnell wie sich die Kette um den Arm legte, so schnell schleifte es den Blitzdrachen über den Boden, bis zu den Füßen des Großmeisters. Vor Schreck stieß Izara einen Laut aus, den sie mit ihren Händen zu ersticken versuchte.

"Na", säuselte der Großmeister - sein Haustier kaum beachtend, "klang das überzeugend genug?"

"Ich bin ein Drache", keuchte Izara. Ihr Herzschlag kam nur langsam zur Ruhe.

"Den Paladinen war es egal, das ich ein Mischblut bin. Warum sollte es den König interessieren? Drachenmenschen haben keine Rechte, das hat man mir nur allzu deutlich gemacht."

"Natürlich haben Mischblüter Rechte. Es hat nur keinen gekümmert. Aber wenn erst einmal publik wird, dass die Drachenkönige Vergewaltiger sind und arme, wehrlose Mädchen entführen, wird das Wellen schlagen, die niemand mehr aufhalten kann. Das ganze Reich wird davon erfahren. Die angrenzenden Länder Medaniens werden von der Geschichte hören und sie werden sich zweimal überlegen, ob sie mit einer Bestie zusammenarbeiten wollen. Ich kann dir versichern, Izara, es [style type="italic"]wird[/style] den König interessieren. Und dann bleibt ihm gar nichts anderes übrig als zu handeln."

"Was soll das heißen?"

"Das heißt, dass er endlich meiner Aufforderung nachkommen muss." Er zeigte seine spitzen Zähne.

"Zwanzig Jahre versuche ich schon, den König von Medanien dazu zu bringen, die Drachenhochburg anzugreifen. Bisher wollte er mir keine Armee zur Verfügung stellen. Er ging auf Nummer sicher, aber das ist nun vorbei. Wenn die Menschen Vergeltung fordern, auf die Straßen gehen und der ganze Kontinent von Hass und Zorn geleitet wird, dann werden die Soldaten Medaniens vor den Toren Dragors stehen. Fünfzigtausend Soldaten - und zehntausend meiner Männer, die ich über den ganzen Kontinent verstreut habe. Nicht einmal der Drachenkönig könnte etwas dagegen ausrichten."

"Das könnt Ihr nicht tun", erwiderte Izara mit brüchiger Stimme. Ihr Innerstes war wie ausgehöhlt. Die Leere riss sie in die Dunkelheit, direkt in die Tiefen seiner Seelenspiegel.

Wenn Dragor fällt… sie musste den Satz nicht zu Ende denken. Ohne die Drachenmetropole fiel die letzte Hochburg. Alles käme zum Einsturz. Das wäre das Ende der Drachen.

Voller Entsetzen schaute sie zu dem Großmeister hinauf. Sein breites Grinsen war das Gegenteil von dem, was in ihrem Innersten vor sich ging. Dieser Mann verstand es, ihr eine Wahl zu lassen. Was sollte sie darauf erwidern? Nichts davon war eine Option. Nicht nur, dass er mit jenem Druckmittel arbeitete, das Alizja in den Tod getrieben hatte. Als ob Izara nicht verstehen würde, dass die Pläne des Großmeisters aus mehr bestanden, als nur einer Handvoll Drohungen und Einschüchterungen. Wenn er sich einen Drachenmenschen zu eigen machen wollte, dann gab es Gründe, die womöglich furchtbarer waren, als alles, was sich Izara zusammenreimen konnte. Was auch immer er vorhatte, Izaras Entscheidung spielte dabei keine Rolle, das spürte sie. Auf eine absurde Weise könnte jede Option auf dieselbe Weise enden, und mit seinem siegessicheren Lächeln unterstrich er den Wahnsinn, der ihm Izaras Wahl einbringen würde.

"Lass' dir ruhig Zeit bei deiner Entscheidung. Ich bin mir sicher, wenn du lange darüber nachdenkst, wirst du zu dem richtigen Schluss kommen."



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