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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

Zwei stechend grüne Augen begegneten seinem kraftlosen Blick. Die blonden Haare fielen über seine Schultern, bedeckten ein Stück seines Nackens und doch leuchtete ihm das Halsband wie eine Warnung entgegen.

"Du bist-"

"Ihr solltet lieber nicht sprechen, Hoheit", sagte der Blitzdrache in ihrer Sprache und richtete sich auf. Seine Bewegungen waren geschmeidig, das Halsband trug er mit einer Selbstverständlichkeit, dass ein starker Stich von seinem Herz ausging.

"Woher hast du so zu sprechen gelernt?", fragte er und spürte, wie die eigene Sprache wie dumpfer Schall durch sein Innerstes rauschte. Trotzdem war es allemal besser, als die Stimmbänder zu benutzen. Den Lappen in der Faust, kam sein Retter auf ihn zu. Seine grünen, kühlen Augen wanderten über die Bandagen. Ein prüfender Blick. Er tat das nicht zum ersten Mal, das verriet die Art, wie er ihn verbunden hatte. Wenn der Blitzdrache so versiert war, wusste er auch, dass er nicht mehr viel für ihn tun konnte. Er fasste nach der Hand seines Retters, die Seelenspiegel trafen auf das langsam verblassende Blau seiner eigenen zwei Augen.

"Du musst schleunigst von hier verschwinden", seiner Bitte fehlte die nötige Kraft und doch war es der einzige Gedanke, der ihm durch den Kopf ging.

"Hoheit", sprach der Blitzdrache, schüttelte seine Hand ab und tupfte ihm den Schweiß von der Stirn, "ich tue, was ich tun muss. Und das wisst Ihr."

"Du musst gar nichts", erwiderte er rau und hustete, dass er es bis in die Eingeweide spürte.

"Ich habe dich im Stich gelassen. Ich habe euch alle im Stich gelassen", traurig sah er auf das Halsband. Auf den ersten Blick schien es so gewöhnlich, doch er kannte ihre Macht und er hatte einfach nur zusehen können, wie sie sein Volk nach und nach unterdrückt hatte.

"Es war meine Entscheidung", sagte der Blitzdrache, wischte ihm die Wangen sauber und legte den Lappen beiseite, "genauso, wie es meine Entscheidung ist, Euch zu helfen."

"Wenn du entdeckt wirst", raunte er, "wenn sie uns entdecken", er wollte sich die Szenarien gar nicht ausmalen.

"Niemand wird kommen", entgegnete der Blitzdrache mit fester Stimme, "wir sind in einer offiziellen Höhle, Hoheit - nur wenige Meilen von Kandio, einer Provinzstadt im Südosten, entfernt."

So weit hatte er sich also entfernt. Wenigstens etwas, das ihm ein wenig Linderung verschaffte. Er hatte genügend Abstand zu den Lagern geschaffen.

"Deshalb dieser Geruch", er neigte den Kopf. Die spitzen Steine, das stetige Tropfen feuchter, miefiger Flüssigkeit - hier durften sich die Drachen also zurückziehen. Ihre Verwandlung vollziehen, wenn es den Paladinen in den Kram passte. Was war in den letzten fünfzig Jahren bloß geschehen? Die Zeit war wie ein Wasserfall abgestürzt, die Monde hatte er nicht mitgezählt und jetzt sah er die Konsequenzen seiner Lethargie und Trauer, in die er sich - feige, wie er gewesen war - zurückgezogen hatte.

Mutlos sah er zu seinem Retter hinauf. Der blonde Blitzdrache hatte eine weitere Schale mit klarem Wasser vorbereitet. Zumindest klar genug, dass er es als solches erkennen konnte. Zaghaft nahm er einen Schluck. Seine Kehle war trocken, das Wasser tat gut, änderte jedoch nichts daran, dass er am Ausdörren war und er am Ende zu Staub zerfallen würde.

"Ich danke dir", sagte er und bemühte sich um ein Lächeln - ein abgemühtes, freudloses Lächeln, "es tut mir leid, dass deine Mühen vergeblich sein werden. Schaff' mich fort, solange du noch kannst."

"Ich kann nicht, Hoheit", sagte er und legte die halbleere Schale Wasser direkt neben sein Gesicht, "ich könnte mir niemals mehr unter die Augen treten. Oder meiner Familie. Dieses Halsband", er fasste danach, schob seinen Daumen unter dem scharfen Stahl, "ich habe mich dafür entschieden, Hoheit. Meine Entscheidung hat dafür gesorgt, dass ich Euch im Stich gelassen habe und ich werde diesen Fehler wieder bereinigen."

"Du warst Soldat?"

"Einst diente ich Euch als Späher im Süden. Ich liebte meine Arbeit, liebte es, Euch zu dienen, Euch zu beschützen. Als ich nach Kandio kam, hatte ich mich blind unter das menschliche Volk gemischt. Niemand kannte meine Identität, ich hätte aus den Toren spazieren und den Paladinen den Rücken kehren können."

"Was ist passiert?"

"Es war Schicksal, Hoheit", der Blitzdrache schloss die Augen. Der Schmerz, seine Leute zurückgelassen zu haben, konnte auch ein ausgebildeter Späher nicht verbergen.

"Es geschah ganz in der Nähe. Zwischen der Stadt und dieser Höhle." Er öffnete die Augen. Der Schmerz war verflogen. Dafür dominierte Entschlossenheit seinen Blick.

"Sie war ein Drache in Knechtschaft, Hoheit. Doch ich wusste vom ersten Moment an, dass ich sie nicht verlassen konnte."

"Deine Gefährtin", sprach er es aus. Er verstand ihn nur allzu gut. Als er Feodora das erste Mal begegnet war, hatte ihn dasselbe Bedürfnis übermannt. Die Anziehungskraft zwischen Gefährten war vorherbestimmt. Sobald die großen Drachen ihre Hand über sie beide gelegt hatten, war es unmöglich diesem Band zu entkommen. Die Pläne seiner Vorfahren und Schöpfer waren unergründlich, doch früher oder später würden sie einem Zweck dienen.

"Du hast deine Freiheit aufgegeben - für sie", er sprach die Worte voller Ehrfurcht aus. Er hätte diese Wahl auch gerne gehabt. Eine gefangene Himmelsgöttin wäre wenigstens eine Lebende. Aber was wusste er schon? Er schloss die Augen. Vertrieb die Gedanken an seine Liebste, die irgendwo in den Tiefen des Nebelreiches wartete.

"Was ist mit Euch passiert, Hoheit?", der Blitzdrache sprach eindringlich. Er öffnete die Augen. Es schien, als wäre er kurz weggetreten gewesen. Wo war er doch gleich stehengeblieben?

"Das spielt keine Rolle mehr", erwiderte er knapp.

"Ihr dürft noch nicht sterben", sagte sein Gegenüber, den Verband nach möglichen Lecks abtastend.

"Es gibt nichts, das du tun kannst. Die Wunde hat sich entzündet, die inneren Blutungen sind nicht mehr rückgängig zu machen…vielleicht ist es besser so. Ich verdiene deine Hilfe nicht…und Feodora - wenn wir uns im Nebelbereich finden, wie sie mich bis zum Ende aller Zeiten verfluchen."

"Was redet Ihr denn da?!", der Blitzdrache fasste nach seiner Stirn. Die Hand war kalt, wie ein Eiszapfen. "Schont Euch-"

"Ein Gesetzesbrecher wie ich einer bin…sie wird mich hassen. Mich als Monster beschimpften. Sie hat absolut recht."

"Ihr redet im Fieber."

Ein Lachen drang aus seiner Kehle - rau und bitter. "Du weißt, Drachen können kein Fieber bekommen. Bloß Temperatur." Er verschluckte sich an seiner Spucke und hustete. Zwei Blutstropfen landeten auf seiner Wange. "Ich habe etwas Furchtbares getan, ich habe das erste Gebot gebrochen und jetzt mache ich mich erneut schuldig, indem ich dir die Wahrheit aufbürde und mich bei euch versteckt halte. Und dabei weiß ich nicht einmal, was aus dem Kind wird-"

"Welches Kind?", der Blitzdrache beugte sich vor.

"Das Kind in ihrem Bauch. Ich habe ihre Erinnerungen gelöscht, ihr Bewusstsein manipuliert, aber", wieder musste er husten und jeder weitere Krampf war wie ein Boxhieb in seinem Magen. "Meine Kräfte werden nicht ausreichen. Sie wird sich erinnern, und wenn es so weit ist, wird sie sie vielleicht töten."

"Sie", murmelte der Blitzdrache. Sein Blick wanderte zu seinem König. Vielleicht dachte er, er hätte den Verstand verloren. Halluzinationen kurz vor dem Tod waren keine Seltenheit und selbst wenn er kein Fieber hatte, konnte die hohe Temperatur seinen Geist benebeln.

"Seid Ihr sicher, dass-", er stockte.

"Ich bin mir sicher. Die Zeichen standen günstig, außerdem hab ich-" Nein, seine Vision würde er niemandem anvertrauen!

"Eine Himmelsgöttin", murmelte der Blitzdrache. In seinem Kopf begann es zu arbeiten, "wenn rauskommt, wer sie ist", er schüttelte den Kopf. "Hoheit! Wenn der Großmeister erfährt, was sie ist….wer sie ist. Nein", er fasste sich durchs Haar. Sein grüner, stechender Blick verwandelte sich in etwas Undurchdringliches.

"Ich werde die Verantwortung übernehmen."

Verantwortung. Verantwortung? Hatte er sich gerade verhört?

"Hoheit", sein Retter schüttelte sachte an seinem Oberkörper. Doch er fühlte nur noch Taubheit, "ich werde sie beschützen, Hoheit. So wahr ich hier stehe."

"Das kann ich nicht von dir verlangen", erwiderte er träge.

"Ihr müsst!", entgegnete der Blitzdrache, "für das Drachenvolk. Für den künftigen König. Für uns alle."

Seine Lider flatterten. Der Blitzdrache hatte wahr gesprochen.

"Ich werde fliehen und ich werde den Großmeister aufsuchen", sprach sein Retter so sicher, als wüsste er, was ihn am Ende seiner Reise erwartete.

"Du wirst sterben", sagte er.

"Ich werde sie angreifen, ich werde seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen und ich werde mich mit aller Kraft wehren." Die Augen seines Retters strahlten jenes Bestreben aus, das er in den Tiefen seines Kummers verloren hatte. Seine Worte waren wie ein Weckruf.

"Der Großmeister ist stark", entgegnete er und stieß einen tiefen Atemzug aus.

"Das bin ich auch", erwiderte der Blitzdrache, "stark genug, um mich fangen zu lassen."

Er riss die Augen auf.

"Nein!"

"Doch, Hoheit. Es ist die einzige Möglichkeit, das Himmelsblut zu bewahren. Wenn er glaubt, dass ich Euch beschützen will - dass ich Euch als Ablenkungsmanöver diene. Glaubt mir, er wird darauf hereinfallen. Er wird mich töten wollen und wenn ich ihm lange genug trotze, wird er auf eine viel bessere Idee kommen."

"Einen freien Blitzdrachen fangen und ihn gefügig machen", murmelte er, "er hasst eure Spezies."

"Wenn ich in seiner Nähe bin, kann ich mehr ausrichten."

"Und was ist mit deiner Gefährtin?"

"Sie wird es verstehen", sagte er knapp, doch sein unruhiger Herzschlag verriet ihn, "eines Tages", fügte er leise hinzu.

"Hoheit", er beugte sich zu seinem sterbenden König hinunter, "wenn ich aus Kandio fliehe, werden sie denken, dass es mein Kind ist. Und Kandio ist eine zu unbedeutende Stadt, dass der Bürgermeister sich nicht trauen wird, dem Großmeister von meiner Flucht zu erzählen. Was macht schon ein Drache weniger?"

"Das", er röchelte, "das kann ich nicht von dir verlangen."

"Bitte, Hoheit", sagte er flehend, "wollt Ihr, dass alles vergebens war?"

Nein, das wollte er nicht. Sein Kopf hatte die Idee aufgenommen, sein Herz wollte nur nicht so ganz mitmachen. Dafür wusste er ganz genau, was dem Blitzdrachen blühte.

"Hoheit", rief er ihn fast. Er resignierte. Gegenüber dem Leben und seinem Retter, der ihn ein zweites Mal beschützen sollte. Den rechten Arm ausgesteckt, griff er nach dem Halsband. Der Stahl war hart und kalt - genauso wie ihre Schaffer. Ein letztes Mal konzentrierte er sich, sammelte den kleinen Funken Kraft, der ihm geblieben war. Dann packte er zu, das Halsband zersprang in tausend Einzelteile.

Du bist frei, hätte er gerne gesagt, doch er wusste, dass es eine Lüge war.

"Ich werde nicht zulassen, dass man Euch findet", versprach er, seine Hand ergreifend, die seinen Händedruck kaum erwidern konnte. "Ich werde Eure Spuren vernichten, ich werde weit genug fliehen und den Himmelssoldaten das Signal schicken. Sie werden nicht wissen, dass Ihr tot seid, aber sie werden verstehen. Ich schwöre Euch, Hoheit. Die Himmelsgöttin wird leben!"



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