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366 Tage - 366 Geschichten

366 Tage Challenge 2024
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04.01.2024- Fleiß / Fleißig

Die Zunge zwischen den Lippen und mit angestrengter Miene. So saß Linus am Schreibtisch und brütete über den Hausaufgaben. Er verstand kein einziges Wort von dem, was er las, aber er wollte auch niemanden um Hilfe bitten. Hauptsächlich deswegen nicht, weil sein Vater ihn immer eingebläut hatte, dass man nur dann etwas erreicht, wenn man selbst genug Fleiß zeigt. “Andere um Hilfe zu bitten, ist ein Zeichen von Schwäche und du willst doch nicht wie ein Schwächling vor deinen Freunden dastehen”, hörte er noch immer die Stimme seines Vaters in seinem Ohr. Mit einer flüchtigen Bewegung fuhr er sich durch die Haare und sah erneut in das Buch, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Die Hausaufgabe, die er erledigen musste, war aus dem Fach Chemie und all die Formeln, die im Buch standen, verschwommen vor seinen Augen.

“Hey Kurzer", erklang von der Tür her die Stimme seines großen Bruders Arne. Der 19-Jährige war bereits ausgezogen und nur noch selten zu Besuch. Linus war vier Jahre jünger als Arne und sie hatten noch immer ein sehr herzliches Verhältnis zueinander, auch wenn Linus die meiste Zeit bei Arne zu Besuch war.

Als jetzt die Stimme seines großen Bruders erklang, erhellten sich die Gesichtszüge des Jüngeren sofort.

“Arne? Was machst du hier?”, wollte er sofort wissen und erhob sich, um seinem Bruder zu umarmen.

“Ich wollte dich abholen, wir waren doch zum Kino verabredet“, erwiderte der Ältere und wuschelte Linus leicht durch die Haare.

“Was machst du?", schob er hinterher und deutete mit dem Kopf auf das Buch auf dem Tisch. Sofort holte Linus tief Luft.

“Hausaufgaben, in Chemie. Aber ich verstehe kein Wort ", erwiderte er und lief wieder auf den Schreibtisch zu. Er ließ sich auf den Stuhl davor sinken und warf einen weiteren Blick.

“Soll ich dir helfen?" Sofort schüttelte Linus den Kopf, als er die Frage seines großen Bruders hörte. “Lieber nicht, nachher bekommt Papa das mit und hält mir wieder vor, dass ich nicht fleißig genug war.”

Diesmal verließ ein Schnauben die Lippen von Arne. “Nur weil du um Hilfe bittest, heißt das nicht, dass du nicht fleißig bist”, antwortete er, woraufhin Linus kurz mit den Schultern zuckte.

“Du weißt doch, was Papa immer sagt: ohne Fleiß, kein Preis. Und wer um Hilfe bittet, ist ein Schwächling”, murmelte er und sah zu Arne auf, als dieser sich neben seinem Stuhl in die Hocke gleiten ließ.

“Das ist absoluter Schwachsinn”, entgegnete Arne, auch wenn genau diese Ansicht einer der Gründe war, warum er bereits vor über einem Jahr ausgezogen war.

“Fleiß hat nichts mit Schwäche zu tun und wenn du etwas nicht weißt, kannst du mich jederzeit um Hilfe bitten, okay?”, sprach er weiter, woraufhin Linus etwas lächelte.

“Was hältst du davon, wenn du deine Schulsachen mitnimmst? Dann gehen wir erst ins Kino und du kannst danach bei mir übernachten, dann helfe ich dir bei den Hausaufgaben und bringe dich morgen früh zur Schule”, schlug der 19-Jährige vor und wuschelte Linus gleich durch die Haare.

Er musste gar nicht lange überlegen und erhob sich augenblicklich wieder, um das Chemiebuch alles, was er sonst brauchte, in seinen Rucksack zu packen.

“Dann komm”, schmunzelte Arne und lief mit Linus nach unten. Als sich Linus die Schuhe anzog, trat sein Vater aus dem Arbeitszimmer.

“Was soll das werden, wenn's fertig ist?”, wollte er augenblicklich wissen und fixierte seine beiden Söhne direkt.

“Wonach sieht es denn aus? Ich hole Linus ab. Wir gehen ins Kino und danach übernachtet Linus bei mir”, erwiderte Arne und legte seinem kleinen Bruder einen Arm um die Schultern.

“Nicht, bevor er seine Hausaufgaben fertig ist”, erwiderte der Vater der Jungen sofort, woraufhin Arne kurz mit den Schultern zuckte.

“So fleißig, wie er ist, hat er das bereits getan. Wenn du uns jetzt also entschuldigst”, antwortete Arne lediglich und schob Linus aus dem Haus. Etwas verblüfft ließ der Jüngere ihn geschehen und wünschte sich gleichzeitig, sich auch eines Tages so gegen seinen Vater stellen zu können, wie sein großer Bruder es immer tat.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Geminy-van-Blubel
2024-01-05T10:51:27+00:00 05.01.2024 11:51
Ich weiß gar nicht recht, was ich schreiben soll... Ehrlich gesagt tut Linus mir leid, wenn ich sehe, was die Haltung seines Vaters bei ihm bewirkt und ich bin sehr froh, dass er so ein gutes Verhältnis zu Arne hat, der ihn da unterstützt! Ja, Fleiß ist wichtig, aber man sollte deshalb keine Angst haben, auch zu fragen. Es ist ja nicht aus Faulheit heraus, sondern um sich zu verbessern. Irgendwie hoff ich ja, dass die drei vielleicht irgendwann mal ein klärendes Gespräch haben und solche Sachen aus der Welt schaffen können. Und ich hoffe auch, dass Linus sich bis dahin weiterhin so an Arne orientiert.


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