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Von erfüllten und unerfüllten Träumen

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Erschreckende Neuigkeiten

Sein verträumter Blick glitt über die Bilder der Staffel-Siegerteams. Die Mitglieder sahen alle so glücklich aus. Stolz und erleichtert. Seine Augen blieben an dem Bild von Haruka, Makoto, Nagisa und Rin hängen. Er hatte den rothaarigen Jungen seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen und wenn es stimmte, was er gehört hatte, dann war ins Ausland gegangen. Bewundernswert. Randy konnte sich nicht vorstellen, das Land zu wechseln. Eine andere Sprache. Andere Menschen. Verschiedene Kultur. Ganz ohne Familie und Freunde. Unheimlich. Er schüttelte sich kurz und wandte sich wieder den Bildern zu. Seit er damals die Staffel der vier gesehen hatte, konnte er kaum noch an etwas anderes denken. Wie es sich wohl anfühlte, in einer Staffel mitzuschwimmen? Überhaupt: wie fühlte es sich an, sich im Wasser richtig fortzubewegen? Das Einzige, was Randy konnte, war sich über Wasser zu halten. Vom Sportschwimmen war er noch weit entfernt. Wenn es ihm endlich gelingen würde, seine Eltern zu überzeugen, dann …

Randy versank in Gedanken, sah sich vor dem geistigen Auge in voller Schwimmermontur mit einem eleganten Sprung ins Wasser eintauchen. Er konnte die Wellen und Blasen, die das kühle Nass schlug, fast spüren, als ihn eine Stimme aus seinen schönen Traum riss.

„He du, was machst du da?“

Erschrocken wirbelte Randy herum und starrte entsetzt in Nagisas neugierig dreinblickendes Gesicht. Hinter ihm standen Makoto und Haruka, die ihn überrascht beäugten.

„Bist du neu? Magst du auch schwimmen? Aber dann bist du zu spät. Unser Training ist vorbei“, versuchte es Nagisa erneut, verschränkte die Finger hinter dem Rücken und beugte sich musternd zu Randy nach vorne. Der machte verlegen einen Schritt rückwärts. Was sollte er nur antworten?

„Wenn du kein Mitglied bist, darfst du nicht hier rein“, schlussfolgerte Haruka und fixierte ihn kühl, sodass Randy zusammenzuckte. Schweißperlen traten auf seine Stirn und seine Hände begannen zu zittern.

„Haruka“, folgte es ermahnend von Makoto, der sich lächelnd zu dem fremden Jungen umwandte. „Du hast dich bestimmt verlaufen, stimmt’s?“

In dem Moment ertönte ein weiteres Stimmengewirr von sich nähernden Schwimmern. Randy bekam Panik. Er wusste, dass er nicht hier sein durfte, dennoch konnte er nicht anders. Seine Sehnsucht zog ihn immer wieder zu den Bildern, wenn er schon nicht beim Training zuschauen konnte, und diese hingen nun mal in den Umkleidekabinen …

Sein Gehirn setzte einen Moment lang aus und er handelte instinktiv. Mit einem gemurmelten „Entschuldigung“ stieß er Nagisa leicht auf die Seite und rannte zwischen Makoto und Haruka hindurch. Fast prallte er mit den Gruppen der Jungs auf dem Flur zusammen, doch er presste sich an der Wand durch die Meute hindurch. Schnell floh er aus der Halle und hörte nicht eher auf zu laufen, bis der Schwimmclub außer Sichtweite war. Seine Seiten stachen und er musste unwillkürlich an Bienen denken, die ihn unaufhörlich piekten. Keuchend stützte er sich auf seinen Oberschenkeln ab und schnappte schwer nach Luft. Wie peinlich … wie hatte ihm das nur passieren können? Normalerweise achtete er auf die Zeit und er wusste haargenau, wann er sich am Empfang vorbeischleichen und wann er die Kabinen wieder zu verlassen hatte, um sich wieder heimlich hinauszustehlen, doch dieses Mal …

Was dachten jetzt die anderen von ihm? Konnte er sich überhaupt nochmal hin trauen? Randy schluckte. Hatte er falsch reagiert? Vermutlich. Hätte er versuchen sollen, mit ihnen ein Gespräch anzufangen? Nagisa und Makoto hatten ganz nett gewirkt, doch Haruka? Die dunklen, unergründlichen Augen. Der kühle Tonfall. Noch jetzt überkam ihn eine Gänsehaut bei der Erinnerung. Nein, er hätte sich nicht getraut, mit ihnen zu sprechen und dennoch wusste er, dass er seine Chance vermasselt hatte, mit ihnen in Kontakt zu treten. Mit schweren Herzen und hängendem Kopf trat er den Weg nach Hause an.
 

Als er daheim ankam, begann es bereits zu dämmern. Vorsichtig schloss er die Tür auf und betrat den hell erleuchteten Flur. Er hatte kaum die Schuhe ausgezogen, als seine Mutter aus der Küche gehetzt kam. Ein Ausdruck der Erleichterung legte sich auf ihr besorgtes Gesicht, doch nur für einen kurzen Moment. Tadelnd stemmte sie die Hände in die Hüften.

„Wo bist du schon wieder so lange gewesen?!“

Randy zuckte beim polternden Klang ihrer Stimme zusammen. Die berüchtigte Zornesfalte bildete sich auf der Stirn seiner Mutter und er wurde noch kleiner.

„Ich warte auf deine Antwort, junger Mann.“

„Tut mir leid, Mama, ich war noch etwas spazieren und habe die Zeit vergessen.“

Seine Mutter seufzte und der wütende Ausdruck auf ihrem Gesicht begann zu schwinden.

„So geht das nicht, Randy. Ich möchte nicht, dass du nach der Schule noch so viel in der Gegend herumstreunst. Was ist mit deinen Hausaufgaben?“

„Die habe ich bereits erledigt“, antwortete Randy pflichtbewusst und seine Mutter nickte.

„Okay, dann wasch dir die Hände und auf ins Esszimmer. Es gibt gleich Abendessen.“

Er nickte und tat wie ihm geheißen. Als er sich an den Tisch setzte, stellte ihm seine Mutter einen Teller Curry an den Platz und ihm kam eine Idee. Wenn es ihm gelingen sollte, sie zu überzeugen, dass er richtig schwimmen lernen durfte, dann konnte er Haruka und den anderen seinen Auftritt in der Umkleidekabine des Schwimmclubs erklären – zumindest halbwegs. Er fasste Mut und blickte dann zu seiner Mutter auf, die sich ihm gerade gegenübersetzte.

„Du, Mama …?“

„Ja?“

„Ich, also ich …“, begann er zu stottern und holte noch einmal tief Luft, bevor es aus ihm herausschoss, „ich möchte gerne in den Schwimmclub eintreten.“

Überrascht und erschrocken zugleich blickte sie auf und schüttelte den Kopf.

„Randy, das haben wir schon einmal besprochen und meine Antwort war deutlich genug gewesen, oder etwa nicht? Du kannst dich doch über Wasser halten. Das reicht völlig aus.“

Er schluckte und ballte seine Hände auf dem Schoß zu Fäusten. Sie hatte Recht damit, dass sie ein Gespräch darüber gehabt hatten, und sie hatte es ihm damals klar verboten, doch er verstand noch immer nicht, warum.

„Doch, schon, aber ich würde so gerne …“

„Das Leben ist kein Wunschkonzert. Ich würde auch gerne so manch eins mehr, doch das ist leider nicht drin. Konzentriere dich lieber auf die Schule, damit etwas Anständiges aus dir wird. Abgesehen davon, wäre dies sinnlos, denn dein Vater wurde versetzt. Wir werden schon nächste Woche umziehen. Damit ist das Thema erledigt. Ich will nichts mehr davon hören. Hast du mich verstanden?“

Fassungslos starrte er sie an, während sie sich unbeirrt ihrem Essen widmete. Umziehen? Unmöglich. Das wollte er nicht. Das durften sie nicht. Wie sollte er dann Haruka und den anderen beim Schwimmen zusehen? Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals, den er mühevoll herunterschluckte.

„Müssen wir wirklich umziehen?“

Seine Mutter nickte und antwortete, ohne aufzusehen. Ihre Miene war mit einem Mal kühl und ausdruckslos geworden. Wie immer, wenn die Sprache auf Schwimmen kam und alles, was damit zu tun hatte. Randy schauderte.

„Wenn dein Vater weiterhin etwas verdienen soll, ja. Wir ziehen nächste Woche nach Kandala um. Und erspare mir jetzt jeglichen Protest oder Drama, es wird nichts ändern.“

Randy war der Appetit mit einem Schlag vergangen. Apathisch saß er vor seinem Teller. Kandala war verdammt weit weg. Er würde Haruka, Nagisa und Makoto nicht mehr schwimmen sehen können. Tränen sammelten sich in seinen Augen. In diesem Moment verdunkelte sich die Welt für ihn und er fiel in ein tiefes Loch.



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