Zum Inhalt der Seite

Sugar Pain

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nachdenklich musterte Ruki seinen besten Freund. Der blonde Bassist ihrer gemeinsamen Band The Gazette saß in sich zusammengesunken auf den Sofa im Backstage - Bereich der Halle, in der sie heute das Abschlusskonzert ihrer dreiwöchigen Tour gespielt hatten. Schon seit geraumer Zeit hatte er das Gefühl, dass den Bassisten irgendetwas belastete, aber bislang hatte der Blonde jedes Gespräch direkt im Keim erstickt und ihm versichert, dass es an der Tour lag, die ihm einfach die Kraft raubte.

Ruki kannte den Blonden jedoch schon sein Leben lang und er glaubte ihm kein Wort.

Erst recht nicht, nachdem Reita in der Halbzeitpause ihrer Show vollkommen ausgerastet war, weil er mit Kai einen angesprochenen Songwechsel vorgenommen hatte. Ruki hatte ihn noch nie so wütend erlebt und er versuchte zu verstehen, warum sein bester Freund so dermaßen ausgerastet war.

“Willst du mir nicht doch endlich sagen, was mir dir los ist, Akira?”, versuchte er erneut ein Gespräch anzufangen, aber wieder schüttelte der Bassist nur den Kopf. “Ich bin einfach nur erschöpft, Taka.”

“Und deswegen rastest du so dermaßen aus? Bei einem Songwechsel?”, hakte der Kleinere nach, aber diesmal blieb Reita ihm die Antwort direkt schuldig. Stattdessen erhob er sich und verließ den Raum, um sich als erstes in den Tourbus zurückzuziehen. Während der Fahrt zurück in ihr Hotel für diese Nacht, ließ er kein weiteres Gespräch mehr zu. Er steckte sich Kopfhörer in die Ohren und drehte die Musik extra laut, um all den Gedanken in seinem Kopf Einhalt zu gebieten. So von der Musik abgelenkt, bekam er auch nicht mit, dass Ruki sich leise mit Uruha darüber unterhielt, was mit ihrem blonden Bassisten los war. Nachdem Reita ihn einfach auflaufen ließ, wusste er keinen anderen Rat und fragte Uruha um Hilfe, denn immerhin stammte auch der Leadgitarrist aus Kanagawa.

Denn eines war klar: Seitdem der Blonde vor ein paar Wochen Zuhause in Kanagawa gewesen war, verhielt er sich anders als sonst. Er hatte sich noch mehr zurückgezogen, sprach kaum noch oder rastete grundlos aus. So wie heute.
 

Sobald der Bus gehalten hatte, verließ Reita diesen als erstes. Er gab seinen Freunden gar nicht erst die Chance, ihn anzusprechen. Er schnappte sich seine Tasche und lief ins Hotel, wo es ihn jedoch nicht in das Zimmer zog, das er mit Aoi teilte, sondern in die Bar am Ende der Lobby.

Er ließ sich an der Theke nieder und bestellte sich ein Glas Whiskey, aus dem er sofort einen Schluck nahm, sobald es vor ihm stand. Als sein Handy klingelte, zog er es aus der Hosentasche und lächelte kaum merklich, als er einen Blick auf das Display warf.

“Matsumoto-san”, meldete er sich schließlich und begrüßte so die Mutter Rukis. Sie erkundigte sich nicht nur danach, wie die Tour lief, sondern wollte vor allem auch wissen, wie es dem Blonden ging.

“Es lenkt mich ab, Natsuki. Es betäubt den Schmerz in mir und das ist alles, was zählt“, entgegnete er und legte anschließend auf. Das Handy legte er vor sich auf die Theke und nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas vor sich.

“Was genau war das, Aki? Warum ruft dich meine Mutter an?”, drang die Stimme Rukis nach wenigen Sekunden zu ihm durch und diesmal seufzte der Bassist.

“Weil sie wissen wollte, wie es mir geht”, glitt es ihm leise über die Lippen, wobei er sich direkt bewusst war, dass das nicht die Antwort war, die Ruki hören wollte.

“Aha. Und wie geht es dir, Akira?”, hinterfragte der Kleinere sofort die Antwort seines besten Freundes und musterte ihn etwas. Er ließ sich auf dem Barhocker neben dem Blonden nieder und orderte ebenso ein Glas Whiskey. Reita fing seinen Blick nur flüchtig auf und biss sich auf die Lippen. Er umklammerte das Glas vor sich regelrecht und starrte in die dunkle Flüssigkeit.

“Beschissen. Es geht mir beschissen, Takanori. Und das schon seit Wochen.” Die Stimme des Blonden erklang leise, bevor er das Glas vor sich in einem Zug leerte. Seine Kehle brannte, sein Brustkorb schmerzte, aber trotzdem bestellte er sich gleich noch ein weiteres Glas der dunklen Flüssigkeit.

“Du weisst, dass du mit mir über alles reden kannst, Rei?”, gab der Sänger leise zu Bedenken und diesmal seufzte Reita. Er wartete, bis sich der Barkeeper etwas entfernt hatte, ehe er zu seinem besten Freund sah.

“Ich weiß, Taka. Aber .. ich weiß nicht, wie ich mit dir über etwas reden soll, dass für mich selber kaum zu ertragen ist. Etwas, bei dem ich das Gefühl habe, dass es mir die Brust zerreißt, wenn ich nur daran denke", antwortete der Blonde und in seinem Blick schwang ein Hauch Verzweiflung mit. Er wusste weder, wo er anfangen sollte, noch ob er überhaupt alles aufarbeiten wollte, was in den letzten Wochen geschehen war.

“So schlimm?”, hakte Ruki nach, ohne den Blick von seinem besten Freund abzuwenden.

“Schlimmer”, murmelte Reita und nahm erneut einen tiefen Schluck aus seinem Whiskyglas. Ruki hob einen Augenbraue und legte seinen besten Freund eine Hand auf den Unterarm.

“Rede mit mir, Aki. Ich sehe doch, dass es dich regelrecht auffrisst. Was ist los?”

Erneut hob Reita seinen Blick und deutete mit dem Kopf in Richtung Tür. “Lass uns von hier verschwinden, bitte”, bat er ihn leise und nahm das Glas einfach mit, nachdem er vom Barhocker gerutscht war. Obwohl in der Bar keine anderen Gäste zu sehen waren, wollte er lieber nichts riskieren. Immerhin konnte man nie wissen, wo jemand lauerte, der irgendwas an die Medien weitergab.

Zielstrebig lenkte er seine Schritte in Richtung Fahrstuhl. Er wusste, dass Ruki ihm folgte, sodass er nach ein paar Metern wieder das Wort ergriff.

“Erinnerst du dich daran, als ich vor ein paar Wochen einen Anruf während der Proben bekommen habe? Kai fand das nicht so prickelnd, aber ich musste einfach ans Telefon gehen”, fing er leise an und sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Ruki nickte.

“Ja, du bist nach dem Telefonat gar nicht mehr wieder gekommen. Stattdessen hat uns das Management mitgeteilt, dass du dir mit sofortiger Wirkung eine Woche frei genommen hast“, antwortete der Jüngere und musterte Reita erneut etwas. Er hatte damals schon geahnt, dass etwas Schwerwiegendes passiert sein musste, damit der Blonde einfach so dem Bandleben fernblieb, aber da er nach dieser Woche völlig normal wieder zurückgekommen war, hatte ihn auch keiner auf sein Fernbleiben angesprochen.

“Das war nicht einfach nur Urlaub, oder?”, hinterfragte er Reitas Worte, woraufhin dieser den Kopf schüttelte.

“Nein, das waren die schlimmsten Tage meines Lebens”, hörte er die Antwort des Größeren und diesmal legte sich seine Stirn in Falten. “Was meinst du damit?”

Diesmal schwieg der Blonde und lief neben seinem besten Freund her, zum Zimmer am Ende des Ganges, dass sie derzeit gemeinsam benutzten. Hier konnte sie niemand belauschen, hier waren sie vollkommen alleine.

“Was ist in dieser Woche passiert, Aki?”, versuchte Ruki das Gespräch erneut aufzubauen und sah sofort, dass der Bassist sich verspannte. Es dauerte wieder ein paar Minuten, bis der Blonde antwortete, aber als er es endlich tat, erschütterte Ruki dieser einfache Satz bis ins Mark.

“In dieser Woche habe ich mich nicht nur von meinem Vater verabschiedet, sondern ihn auch beerdigt.”

“Was? Was, sagst du denn da?”, hakte Ruki sofort nach und sah seinen besten Freund geschockt an. Damit würde der Blonde doch keine Scherze machen, oder?

“Warum hast du denn nichts gesagt?”, fügte der Sänger direkt hinzu, woraufhin Reita leise seufzte. “Ich konnte es einfach nicht, Taka. Ich kann selbst jetzt noch nicht richtig begreifen, dass er nicht mehr da ist. Wie soll ich dir dann erklären, was in meinem Inneren los ist”, erwiderte er und ließ sich auf das Bett fallen, ehe er den Kopf schüttelte, als er Rukis nächste Worte hörte. “Du hast mir nie gesagt, dass er krank war.”

“War er auch nicht. Der Anruf damals war von meiner Mutter. Auf dem Weg zur Arbeit hatte mein Vater einen Autounfall, weil ihm jemand die Vorfahrt genommen hat und wenn ich ihn nochmal sehen und auch sprechen will, soll ich sofort kommen. Ich musste einfach weg”, erklärte er seinem besten Freund, auch wenn das schlechte Gewissen in ihm groß war. “Ich habe danach einfach weitergemacht wie bisher und habe all den Schmerz in mir einfach ausgeblendet. Ich wollte nicht, dass ihr merkt, wie schlecht es mir geht.”

“Ach, Aki.” Mit einem Seufzen ließ sich Ruki neben seinem besten Freund auf das Bett sinken und schloss den Größeren sofort in eine Umarmung. Der Blonde zögerte kurz, bevor er sich in die Umarmung fallen ließ. Minutenlang hielt er sie aufrecht, bevor er sich doch wieder löste.

“Ich kann nicht einmal mehr meiner eigenen Mutter in die Augen sehen, ohne an meinen Vater erinnert zu werden. Ich weiß, dass auch sie trauert und es ihr unendlich schlecht geht, aber seitdem ich wieder hier bin, habe ich kein Wort mehr mit ihr gewechselt.”

Beinahe geschockt sah Ruki seinen besten Freund erneut an. “Rei!”

Hart biss sich der Bassist auf die Lippen und senkte seinen Blick. Er wusste, dass es seiner Mutter gegenüber nicht fair war, aber momentan fühlte es sich einfach so unglaublich schmerzhaft an, nur an die ältere Frau zu denken.

“Darf ich dir einen Vorschlag machen?”, hörte er nach ein paar Minuten erneut Rukis Stimme, woraufhin er ihn lediglich fragend ansah.

“Vor dem Konzert, dass in Kanagawa stattfindet, haben wir noch etwas Zeit. Lass uns zu deiner Mutter gehen, damit sie dich wenigstens einfach mal in den Arm nehmen kann”, schlug der Kleinere vor und obwohl Reita der Situation jetzt schon entfliehen wollte, stimmte er schließlich zu.

Vielleicht würde es ihm helfen. Vielleicht würde es dazu beitragen, dass er endlich damit beginnen konnte, den Tod seines Vaters zu verarbeiten.

Mit Hilfe des Familienmitglieds, dass ihm noch geblieben war: Seiner Mutter.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Crazypark
2024-05-01T10:41:52+00:00 01.05.2024 12:41
Interessant, dass Reita mit Rukis Mutter Kontakt hat, aber nicht mit ihm darüber reden will. Manchmal sind Außenstehende am besten geeignet für solche Gespräche :/
Irgendwie kann ich ihn und seine Reaktionen mir aber genau so vorstellen D:


Zurück