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Die Kindheit eines Wolfs

Hogwarts 1971 - 1978
von

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1.VI.Vollmond

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1.Akt: Kapitel VI: Vollmond

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Am nächsten Morgen waren Sirius und James schon recht früh wach. Sie nutzten die Zeit um eine Partie Zauberschach zu spielen, da sie sich nicht dazu in der Lage sahen noch einmal ein Auge zuzutun. Dafür stand die Sonne schon fiel zu hoch. Es dauerte nicht lang bis auch Peter und Davy aus ihrem Tiefschlaf erwachten. Lediglich Remus schien keinerlei Anstalten zu machen es ihnen gleich zu tun. Anscheinend fand er die Traumwelt wesentlich interessanter, als die Realität.

"Wenn wir ihn nicht wecken, dann verpasst er wieder das Frühstück", sagte Davy und gähnte herzhaft.

Wie es aussah, würde es bei ihm noch eine gewisse Zeit dauern bis er vollständig bei sich war. Seine Augen hatte er nur bis zur Hälfte geöffnet und als aufrechten Gang konnte man Davys Art der Fortbewegung nun auch nicht recht bezeichnen.

"Wir sollten ihn lieber schlafen lassen", meinte Sirius. "Wir können ihm ja etwas mitbringen."

Eigentlich wollte Davy etwas einwenden, immerhin war er ja kein Butler, beließ es jedoch bei einem leichten Kopfnicken. Ohne weitere Einwände machten sich die vier Jungen auf den Weg nach unten.

"Sagt mal, wieso seid ihr eigentlich plötzlich so nett zu ihm? Wenn ich bedenke, dass er euch gleich am ersten Tag so angefahren hat...", gab Davy zu bedenken, während er die Tür hinter sich zuzog.
 

In der Großen Halle herrschte bereits reges Treiben. Die Schüler schwatzten vergnügt und selbst am Tisch der Slytherins schien die Stimmung fabelhaft zu sein. Gerade als sich die vier Gryffindor-Schüler gesetzt hatten, trat eine recht finster dreinblickende Madame Hooch zu ihnen an den Tisch.

"Guten Morgen, Madame Hooch", begrüßten sie sie freundlich, um sie etwas gütiger zu stimmen.

Eine höfliche Begrüßungsfloskel hatte noch nie jemandem geschadet und wenn man sich die Lehrerin so betrachtete, dann war mit ihr im Moment nicht gerade gut Kirschen essen. Aber wieso sah sie eigentlich so wütend aus? Die vier Jungs konnten sich an nichts erinnern, weswegen sie ihnen schlecht gesinnt sein konnte. Und was wollte sie eigentlich von ihnen?

"Guten Morgen, meine Herren", erwiderte sie recht zerknirscht. "Wie ich sehe sind Sie nicht vollzählig. Wo haben Sie Mr. Lupin gelassen?"

Ach daher wehte der Wind also. Sie war wegen Remus so aufgebracht. Dieser sollte sie ja eigentlich am gestrigen Abend in ihrem Büro aufsuchen. Allerdings war er nach dem Gespräch mit James und Sirius, wenn man das ein Gespräch nennen konnte, sofort in den Schlafsaal gegangen und hatte ihn nicht mehr verlassen. Als die beiden ebenfalls nach oben gegangen waren, hatte er schon tief und fest geschlafen und im Moment hatte sich an dieser Situation noch nicht sehr viel geändert.

"Remus schläft noch", antwortete Sirius rasch, bevor die anderen etwas falsches sagen konnten. "Ihm ging es gestern nicht besonders gut und hat daher den Rest des Tages im Gemeinschaftsraum und im Schlafsaal verbracht. Er ist auch sehr bald zu Bett gegangen. Wann war das noch mal, James?"

"Gegen halb Acht, glaube ich", erwiderte dieser.

"Ja, genau! Als wir vom Essen gekommen sind. Er war noch im Gemeinschaftsraum. Da ihm nicht gut war, ist er schlafen gegangen. Eigentlich wollte er noch zu Ihnen gehen, aber wir haben ihn ins Bett geschickt. Er sah wirklich nicht gut aus. Bitte sehen Sie ihm das nach. Eigentlich war es nicht seine Schuld, dass er gestern Abend nicht mehr bei Ihnen aufgetaucht ist."

"Das stimmt!", meinte James, seinem Freund beipflichtend. "Die Schuld dafür, dass er nicht gekommen ist, tragen ganz allein wir. Geben Sie uns eine Strafe, wenn Sie wollen, aber Remus kann wirklich nichts dafür."

Madame Hooch seufzte tief.

"Nein, schon gut."

Ihr Blick wurde etwas milder.

"Ich wollte nur den Grund für seine Abwesenheit wissen. Sie haben ganz richtig gehandelt, als Sie ihn ins Bett geschickt haben. Sagen Sie ihm, dass er zu mir kommen soll, wenn es ihm wieder besser geht. Sollte sich sein Zustand allerdings verschlechtern, dann bringen Sie ihn bitte auf die Krankenstation."

"Selbstverständlich", riefen James und Sirius wie aus einem Mund.

Sie nickte und wandte sich zum gehen um. Sirius musterte sie kurz und wunderte sich leicht. Es war merkwürdig. Seit er und James ihr gesagt hatten, dass es Remus nicht gut ginge, hatte sie so einen seltsamen Ausdruck im Gesicht gehabt. Das Unbehagen bei diesen Worten hatte man ihr nur allzu deutlich angesehen, allerdings auch eine seltsame Art des Wissens. Ob sie etwas wusste, was die jungen Gryffindors nicht wussten? In Bezug auf Remus? Sirius machte die Frage noch eine ganze Weile zu schaffen.
 

Nach dem Frühstück kehrten die vier in den Gryffindorturm zurück. Als sie den Schlafsaal betraten, mussten sie feststellen, dass Remus noch immer tief und fest schlief. Sie stellten das Essen, welches sie dem Schlafenden mitgebracht hatten, auf den Tisch, an dem Sirius und James am Morgen Zauberschach gespielt hatten. Sirius trat näher an das Bett und betrachtete Remus von oben herab. Er hatte sich fest in seine Decke gehüllt. Sein Gesicht war kreidebleich und leichter Schweiß stand auf seiner Stirn. Sirius legte eine Hand auf die Stirn Remus', die andere auf seine eigene. Fieber hatte der Brünette keines, dafür war sein Körper, trotz dessen er sich in die dicke Daunendecke gekuschelt hatte, recht kühl.

"Und?", fragte James, der nun ebenfalls an das Bett trat.

"Ich glaube er ist krank. Aber nur leicht. Kein Grund ihn auf die Krankenstation zu bringen. Am besten lassen wir ihn weiterschlafen und sehen in der Mittagspause nach ihm."

"Ja, das halte ich auch für das beste."

"Wir sollten jetzt gehen", sagte Peter, der gerade seine Schulsachen für den heutigen Unterricht in seiner Tasche verstaute. "Professor Redwing sagte doch gestern, dass wir nicht zu spät kommen sollen, da sie heute eine praktische Übung machen will."

James grinste breit. Er legte einen Arm um den Blondschopf und zog ihn leicht an sich.

"Ist da vielleicht noch mehr dran, als das? Du hast es mir für meinen Geschmack eine Spur zu eilig."

"Wie bitte?!"

Peter errötete leicht.

"Hast du sie nicht gestern die ganze Stunde über mit offenem Mund angestarrt?"

Das Grinsen wurde noch etwas breiter und das Rot auf Peters Wangen wurde noch intensiver und dunkler.

"So ein Quatsch! Hab ich überhaupt nicht!"

Er riss sich von James los und eilte nach draußen. James brach in schallendes Gelächter aus. Erst als Sirius ihm mit dem Ellenbogen in die Seite stieß und ihm so andeutete endlich still zu sein, da Remus noch schlief und er ihn so wecken würde, beruhigte er sich wieder.

Als sich die beiden mit Davy im Schlepptau auf dem Weg zum Unterricht machten, warf Sirius Remus noch einen kurzen Blick zu bevor er die Tür hinter sich schloss.
 

Die Sonne durchflutete den Schlafsaal der Erstklässler Gryffindors. Ihre Strahlen kitzelten Remus an der Nase. Langsam öffnete er die Augen einen Spalt breit. Als ihm die Sonnen zu blenden drohte, schloss er sie wieder. Wie spät war es wohl, wenn sie schon in sein Gesicht schien? Sein Körper fühlte sich ausgelaugt an. Sein Rücken schmerzte. Anscheinend hatte er eine äußerst schlechte Liegeposition gehabt. Er gähnte und öffnete seine Augen erneut. Als sein Blick durch das geräumige Zimmer schweifte, musste er feststellen, dass er wieder allein war. Am gestrigen Morgen waren die Taschen und Bücher der anderen noch da gewesen, heute fehlten sie. Also musste der Unterricht schon längst begonnen haben. Langsam setzte er sich im Bett auf und fuhr sich verschlafen durch's Haar. Wie lang hatte er wohl geschlafen? Er wusste nur, dass er gestern Abend mit James und Sirius gesprochen hatte und danach sofort ins Bett gegangen war. Als er in seinem Bett gelegen hatte, hatte es nicht allzu lang gedauert, bis er auch schon eingeschlafen war. Also wie lang hatte er geschlafen? Er sah zur Uhr, welche an der Wand hing und bekam einen leichten Schock. Es war halb Elf. Fast fünfzehn Stunden hatte er geschlafen. Und nicht nur das. Er hatte die erste Unterrichtsstunde verschlafen und die zweite war auch schon zur Hälfte vorbei. Ein deprimierter Seufzer entrang seiner Kehle. Wie sollte er das nur erklären? Das würde sicherlich nicht ohne Folgen bleiben. Und wie Madame Hooch reagieren würde, das wusste er auch nicht. Immerhin hätte er am vergangenen Abend zu ihr gehen sollen. War sie gestern sauer gewesen, so musste sie heute vor Wut kochen.

Er stand auf und schritt durch's Zimmer. Eine Dusche würde seinen müden Knochen gut tun. Er ging an dem Tisch, welcher im Zimmer stand, vorbei und stutzte. Dort stand ein Frühstück bereit. Für eine Person. Für ihn? Aber wie kam es hierher? Hatten die anderen an ihn gedacht und ihm etwas zu Essen mitgebracht? Neben dem Teller lag ein Zettel. Remus nahm ihn zur Hand und begann zu lesen.
 

Endlich aufgewacht Schlafmütze? Dachte schon, du

wachst gar nicht mehr auf. Das Frühstück ist für dich.

Mach dir wegen Hooch keine Gedanken. Wir haben

das geregelt. Wir entschuldigen dich im Unterricht,

also ruh dich aus.
 

Sirius
 

Auf Remus' Gesicht machte sich ein leichtes Lächeln breit. Waren die anderen ihm doch nicht böse? Oder zumindest Sirius nicht?

"Danke", murmelte er leise, als er den Zettel beiseite legte und sich an den Tisch setzte.

Erst jetzt, als er etwas Essbares vor sich hatte, begann er einen unbändigen Hunger zu verspüren. Der gleiche Hunger, der gestern die ganze Zeit an ihm genagt hatte.

Er nahm sich beim Essen Zeit. Davon hatte er heute schließlich genug. Als er aufgegessen hatte, stand er auf und ging ins Bad. Dort entledigte er sich seines Pyjamas und stieg in die Dusche. Das Wasser perlte auf seiner Haut. Ein Laut der Erleichterung stahl sich über Remus' Lippen, als er das erfrischende Nass auf seinem Körper spürte. Er schloss die Augen und warf den Kopf in den Nacken. Er fuhr sich mit beiden Händen durch sein Haar. Ja, eine kalte Dusche war noch immer das beste gewesen, um seinen müden Geist wenigstens ein klein wenig zu wecken. Er stand noch einige Zeit lang so da, bis das Geräusch fliesenden Wassers verstummte.

Remus nahm sich ein Handtuch und trocknete sich damit das Haar. Wie schon am vergangenen Morgen (siehe Kap.4) stand er nun vor dem Spiegel und betrachtete sich darin. Der Junge, der ihm da entgegenblickte war seit den vergangenen vierundzwanzig Stunden noch blasser geworden. Ein resignierendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Heute Abend war Vollmond. Heute. Heute sollte es das erste Mal sein, dass seine Eltern ihn nicht unterstützen konnten, wenn er sich verwandelt hatte. Ab heute würde er die Vollmondnächte gute sieben Jahre, ohne die Sommerferien gerechnet, allein verbringen - mutterseelenallein. Seit er sich das erste Mal verwandelt hatte, waren seine Eltern zumindest in der Nähe gewesen. Sie hatten ihn im Keller in einen Käfig gesperrt und diesen mit einem Bannspruch belegt. Das war zwar keine sehr menschliche Unterbringung, allerdings hatten ihm seine Eltern immer Gesellschaft geleistet. Sie hatten mit ihm gesprochen, ihm gut zugeredet, ihn besänftigt - doch jetzt? Er würde die Nächte allein in - wie hatte Dumbledore sie genannt - der Heulenden Hütte verbringen. Aber das war noch lange nicht das größte Problem. Zu hause musste er sich nicht verstecken. Seine Eltern wussten, dass er ein Werwolf war. Doch hier in Hogwarts sah das ganze anders aus. Hier - in der Zaubererschule - durfte er nicht zulassen, dass jemand über sein kleines Geheimnis bescheid wusste. Er musste alles daran setzen es zu verschweigen. Würde er es nicht tun, so würde er früher oder später der Schule verwiesen werden, da man ihn als eine tickende Zeitbombe, eine unberechenbare Bestie, eine Gefahr für seine Mitschüler halten würde. Aber wie lang würde das Versteckspiel gut gehen? Sicherlich würde er früher oder später enttarnt werden. Vor allem Sirius und den anderen Gryffindor-Schülern mit denen er sich einen Schlafsaal teilte, würde sein monatliches Verschwinden nicht entgehen. Er streckte die Hand aus und berührte damit den Spiegel. Große braune Augen starrten ihm entgegen. Seinem Gegenüber hingen vereinzelte Haarsträhnen ins Gesicht und immer wieder liefen von den Spitzen aus kleine Wassertropfen über die Stirn, die Wangen und weiter den Hals hinab. In den Augen seines Spiegelbildes hatten sich kleine Tränen gesammelt. Remus nahm die Hand vom Spiegel und fuhr über die Augen. Er blinzelte mehrmals und sah erneut in den Spiegel - von Tränen keine Spur mehr. Er wandte sich ab und trocknete seinen restlichen Körper an.

Er ging zurück in den Schlafsaal und zog sich dort an. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es fast halb Zwölf war. Die dritte Stunde hatte bereits begonnen und in einer knappen halben Stunde wurde in der Großen Halle zu Mittag gegessen. Er ließ sich auf sein Bett fallen. Sollte er runter gehen? Aber wieso sollte er? Wahrscheinlich würde es genau so verlaufen, wie am gestrigen Mittag. Wieder würden sie über ihn tuscheln. Nur würde heute sein Fehlen im Unterricht und das Nichterscheinen bei Madame Hooch der Grund sein. Sollte - oder besser wollte er sich das wirklich antun? Nein, wollte er nicht. Ein bitteres Lächeln folgte auf diesen Gedanken hin. Aber er konnte auch nicht die ganze Zeit davon laufen. Es würde immer Gerüchte und Gemunkel geben und damit musste er sich abfinden, also wäre es doch besser sich gleich den Problemen zu stellen, oder etwa nicht?

Er schloss seine Augen. Nein, heute befand er sich nicht in der Verfassung sich seinen Problemen zu stellen. Heute hatte er genug davon und das größte noch vor sich. Er würde noch genug Zeit dafür haben, also nichts überstürzen.

Während er hier so lag, überkam ihn eine erneute Müdigkeit. Versuchte er zunächst noch seine Augen offen zu halten, gab er schon nach wenigen Augenblicken nach und der Schlaf übermannte ihn erneut und riss ihn fort in seine Traumwelt.
 

Gegen Ein Uhr mittags ging die Tür des Schlafsaals und Sirius und James betraten diesen. Sie waren allein. Peter und Davy hatten es vorgezogen die restliche Mittagspause in der Bibliothek zu verbringen und die Hausaufgaben für Geschichte, die sie übers Wochenende aufbekommen hatten, zu erledigen. Die beiden Schwarzhaarigen gingen direkt zu Remus' Bett und fanden diesen, wie schon am Morgen, schlafend vor.

"Er hat sich umgezogen", flüsterte Sirius leise, um den Brünetten nicht zu wecken.

"Das seh ich auch", erwiderte James.

Er sah zum Tisch und stellte zufrieden fest, dass er alles aufgegessen hatte.

"Ich glaube wir sollten ihn schlafen lassen, meinst du nicht auch, Sirius? Er hat was gegessen, also dürfte es ihm etwas besser gehen."

Der Angesprochene nickte zustimmend.

"Ja, aber besser sieht er trotzdem nicht aus."

"Wir können ihn nach Kräuterkunde wecken. Wenn er immer noch so blass ist, dann bringen wir ihn zu Madame Pomfrey, einverstanden? Mach dir nicht so viele Gedanken, er wird schon nicht gleich spurlos verschwinden. Nachher kannst du dir immer noch Sorgen machen und jetzt komm endlich! Lass ihn schlafen."

James schob seinen Freund zur Tür. Sirius wehrte sich zunächst dagegen, gab jedoch schnell auf, da James ja recht hatte. Wo sollte Remus schon hingehen? Eine Frage beschäftigte ihn dennoch. Wieso machte er sich so verdammt große Sorge um den Kleinen? Lag es daran, dass sie sich zerstritten hatten und es eigentlich nicht Sirius' Absicht gewesen war, ihn so zu verletzen? Er wusste es nicht, wollte sich jedoch auch nicht weiter darüber den Kopf zerbrechen. Immerhin war Remus es gewesen, der mit den Streiterein begonnen hatte. Hatte er sie nicht als dumm abgestempelt und sie von sich gewiesen? War es nicht so gewesen? Stimmte es denn nicht? Er stutzte. Im Moment war er sich da gar nicht mehr so sicher.
 

Remus wachte auf, als er hörte, wie die Tür mit einem leichten Klicken ins Schloss fiel. Er sah müde auf, konnte jedoch niemanden entdecken. Hatte er sich getäuscht? Wahrscheinlich. Sein Blick wanderte erneut zur Uhr. Es war kurz nach Eins. Mittagspause. Sollte er etwas essen gehen? Er streckte alle viere weit von sich und gähnte laut. Nein, im Moment hatte er keinen Hunger. Zudem hatte er sich vorgenommen sich nicht die dummen Gerüchte anzuhören, die in der Großen Halle kursierten.
 

Er wartete bis zum Ende der Pause, dann stand er auf und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Es konnte nicht schaden schon jetzt zu Madame Pomfrey zu gehen und sie wegen des heutigen Abends zu fragen.

Sowohl der Gemeinschaftsraum, als auch die Gänge waren verwaist. Kein Wunder. Immerhin war gerade Unterricht. Das einzige Geräusch, welches zu hören war, waren die Schritte Remus' und deren Widerhall. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Einerseits war diese Ruhe sehr wohltuend und entspannend. Andererseits bekam Remus von ihr eine Gänsehaut. Irgendwie war die Vorstellung, dass er hier mutterseelenallein und niemand in seiner Nähe war, sehr beunruhigend. Es war so still, dass man selbst eine Stecknadel hätte fallen hören können und die Gänge waren so weit und leer, dass man sie auf Anhieb gefunden hätte, da das Sonnenlicht durch die Fenster hereinflutete und diese beleuchtet hätte, sodass sie sofort ins Auge gestochen wäre. Remus stellte sich vor, wie es war mit Professor McGonagall des Nachts durch das Schloss zu streifen. Für ihn war diese Situation noch beklemmender gewesen. Zwar war er nicht allein gewesen und hatte er auch keine Angst im Dunkeln, hatte ihn aber doch eine bizarre Form der Angst gepackt. Er konnte es sich auch nicht erklären. Selbst jetzt, als er zurückdachte, manifestierte sich ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend. Was war nur der Grund dafür gewesen? War es, weil er sich erst auf Hogwarts einleben musst? Weil alles für ihn neu war? Er schüttelte nachdenklich den Kopf. Nein, das war es nicht gewesen. Es war ihm so gewesen, als hätte ihn jemand oder etwas beobachtet. Und das hatte wohl kaum etwas mit dem Schloss an sich zu tun. Ihm schoss der Gedanke, dass Wände Ohren haben und die Menschen, die in ihnen wohnen, aushorchen, durch den Kopf, doch kam er ihm in nächsten Moment ziemlich absurd vor, auch wenn er es bei einem Ort, wie Hogwarts einer war, für nicht auszuschließen hielt. Zudem hatte er den Eindruck gehabt, dass ihnen jemand gefolgt sei. Ab und zu hatte er sich beim Laufen umgesehen, doch niemanden entdeckt. Er zweifelte an seinem Verstand und hatte sich an diesem Abend mit der Ausrede, es sei schon zu spät und zu viel passiert, zufrieden gegeben. Aber jetzt? Jetzt war er hellwach. Er hatte den halben Tag verschlafen - und trotzdem wurde er dieses ungute Gefühl in seinem Inneren einfach nicht los. Was hatte das nur zu bedeuten? Dieses Mal war das Gefühl anders. Dieses Mal spürte er keine Anwesenheit von irgendetwas. Heute war er sich sicher, dass er allein war, aber dennoch. Er war sich in diesem Augenblick zu hundert Prozent sicher, dass ihn etwas oder jemand beobachtet hatte. Obgleich er nicht wusste was es war, er wusste, dass dort etwas gewesen war. Es galt lediglich die Frage zu klären was.
 

Nach einiger Zeit hatte Remus die Krankenstation, nachdem er sich mehrere Male verlaufen hatte und mindestens dreimal an der selben Stelle vorbeigekommen war, endlich gefunden. Er klopfte leicht an und bekam ein "Herein!" als Antwort. Er folgte der Aufforderung und betrat das Zimmer.

Für einen kurzen Moment geriet er ins Staunen. Wie alles in Hogwarts, war auch der Krankenflügel riesig. Es standen links und rechts mehrere Betten. Von der Größe her, kam er der Großen Halle ziemlich nahe. Durch die großen Fenster flutete das Sonnenlicht herein und ließ alles in einem sterilen weiß erstrahlen.

Remus ließ seinen Blick suchend durch das Zimmer gleiten. Wo war Madame Pomfrey? Hatte er nicht gerade eine Frauenstimme vernommen? Somit musste sie hier irgendwo sein. Also wo war sie?

Er vernahm Schritte und wandte seinen Kopf nach links. Dort befand sich eine weitere Tür. Wohl ein mehr oder weniger kleines Nebenzimmer, aus welchem eine junge Frau trat. Sie trug die typische Kleidung einer Krankenschwester.

"Madame Pomfrey?", schlussfolgerte Remus.

Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Die Angesprochene nickte leicht und lächelte den Jungen an.

"Ja die bin ich. Wie kann ich dir helfen? Du bist ein Erstklässler, wenn ich richtig in der Annahme gehe. Sonst würde mir dein Gesicht bekannt vorkommen."

Diesmal war es an Remus zu nicken.

"Eigentlich solltest du jetzt im Unterricht sein", sagte sie streng und trat ein Stück näher. "Aber du siehst recht blass aus. Sag mir bitte, was dir fehlt."

"Ähm, nein. Mir geht es soweit gut", erwiderte Remus. "Mein Name ist Remus Lupin. Ich-"

"Ah, du bist Remus?", fiel sie ihm plötzlich ins Wort.

Sie musterte ihn neugierig. Ihre Gesichtszüge wechselten von besorgt zu überrascht, zu interessiert und schließlich wieder zu äußerst besorgt und gleichzeitig wohlwissend und bedauernd.

"Verstehe. Ich hätte nicht gedacht, dass du jetzt schon kommst. Ich dachte, du würdest erst später kommen."

"Ich wollte etwas eher kommen. Mir hat niemand gesagt, wann ich bei Ihnen sein soll und da ich nicht wusste, wo sich die Krankenstation befindet, habe ich mich schon jetzt auf den Weg gemacht."

"Du hättest auch einen der Lehrer bitten können dich zu begleiten. Du hättest dich verlaufen können."

"Ich war nicht im Unterricht", murmelte Remus leise und schuldbewusst.

"Nicht im..." Madame Pomfrey stockte, nickte jedoch leicht. "Verstehe. Ich möchte das Schwänzen zwar nicht befürworten, aber wenn ich mir deinen Zustand so recht betrachte, dann war das die einzig richtige Entscheidung. Wieso bist du nicht schon heute morgen gekommen?"

"Ich habe geschlafen", antwortete er wahrheitsgemäß.

"Dann hast du ja noch gar nichts gegessen. Warte, ich hole dir etwas."

Sie war schon auf dem Weg zur Tür, als er sie zurückhielt.

"Das ist nicht nötig, Madame Pomfrey. Die Jungs aus meinem Schlafsaal haben mir etwas zum Frühstück gebracht. Ich habe keinen Hunger."

Sie drehte sich zu ihm um und bedachte ihn mit skeptischen Blicken.

"Ich habe wirklich keinen Hunger", versicherte er ihr.

"Na schön. Aber heute Abend, bevor ich mit dir gehe, wirst du noch eine Kleinigkeit zu dir nehmen. Die Nacht wird nicht sehr angenehm und du solltest noch etwas zu Kräften kommen."

Wieder nickte Remus und signalisierte damit sein Einverständnis.

"Du bleibst den restlichen Tag hier", sagte Madame Pomfrey, während sie den Schüler zu einem der Betten brachte, worauf er sich setzte - jedoch nicht ganz freiwillig. "Ich will nicht, dass du irgendwo in der Schule herumgeisterst und dabei die Zeit vergisst."

Eigentlich wollte der Brünette etwas einwenden, doch kam er nicht dazu. Die Krankenschwester war im Nebenzimmer verschwunden und kam kurze Zeit später mit einem Stapel Bücher wieder. Sie legte sie auf den Nachttisch neben ihrem Patienten ab.

"Damit du dich nicht langweilst", erklärte sie kurz. "Wenn du mich brauchst, ich bin nebenan.

Mit diesen Worten verschwand sie wieder im Nebenzimmer und schloss die Tür. Remus kam sich vollkommen hilflos und überrannt vor. Madame Pomfrey war zwar nett, doch hatte sie ihn nicht einmal ausreden lasse. Zwar verstand er ihre Sorgen, dass etwas schief gehen könnte, dennoch hatte er eigentlich nicht vorgehabt den Rest des Nachmittags hier zu verbringen.

Er seufzte. Bei dieser Krankenschwester schien es äußerst schwer den eigenen Kopf durchzusetzen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich geschlagen zu geben. Resignierend griff er nach einem der Bücher, schlug es auf und begann recht lustlos zu lesen.
 

Gegen sechs Uhr brachte Madame Pomfrey Remus sein Abendessen. Es war zwar noch früh, doch wollte sie nicht allzu spät mit ihm losgehen, da sie ihm ja noch alles erklären musste. Sie stellte das Tablett auf dem Nachttisch ab.

"Hier, jetzt iss erst einmal etwas und hör auf zu lesen", sagte sie und nahm ihm das Buch aus der Hand, in welches er sich gerade vertieft hatte.

Etwas verwirrt sah der Brünette auf.

"Komm - iss etwas", wiederholte die Krankenschwester und nickte Richtung Essen.

Remus kam dieser Aufforderung nach. Während er tat, was ihm geheißen, brachte Madame Pomfrey die Bücher zurück in das Nebenzimmer. Remus warf, während er aß, einen Blick aus dem Fenster. Es dämmerte bereits. Unbehagen breitete sich in seiner Magengegend aus. Nur noch wenige Stunden, dann würde der Mond voll und prall am Himmel stehen. Nur noch wenige Stunden und er würde Remus das Leben wieder einmal zur Hölle machen. Der Schüler kaute lustlos an seinem Brot herum. Keine einzige Wolke trübte das Firmament. Anscheinend wurden Remus' schlimmsten Befürchtungen Wirklichkeit. Er seufzte deprimiert.

Plötzlich hörte er ein leises Klopfen. Als er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, entdeckte er einen ihm wohlbekannten Kauz, welcher mit seinem Schnabel gegen das Glas des Fensters klopfte. Er lief zu ihm und öffnete das Fenster, woraufhin sich das Tier auf Remus' Schulter niederließ.

"Theodor, was machst du dann hier?", fragte der Junge überrascht und strich über das Gefieder des Neuankömmlings.

Der Familienkauz der Lupins streckte sein linkes Bein von sich, an welchem ein Brief befestigt war. Remus löste die Schnurr und entrollte das Blatt Papier. Ohne weiter zu warten, begann Theodor mit den Flügeln zu schlagen und erhob sich in die Luft. Er kreiste kurz um den jungen Lupin, bevor er durch hinaus ins Freie flog und sich wieder auf den Rückweg machte.

"Danke, Theo! Pass auf dich auf und komm gut zuhause an!", rief Remus ihm hinterher.

Er sah dem Tier so lange hinterher, bis es lediglich ein kleiner schwarzer Punkt war und schlussendlich vom Horizont verschluckt wurde. Er schloss das Fenster und setzte sich auf den Fensterstock; er glättete das Papier und begann zu lesen.
 

Lieber Remus,

Ich hoffe, dass es dir gut geht und du wohlbehalten in

Hogwarts angekommen bist. Deine Mutter wollte dir schon

gestern schreiben. Sie ist voller Sorge um dich und konnte,

seit wir dich von King's Cross verabschiedet haben, nicht

mehr richtig schlafen. Sie redet von morgens bis abends

nur noch von dir und was dir alles zugestoßen sein könnte.
 

Remus lächelte, als er die Zeilen seines Vaters las. Er konnte sich das ganze nur zu lebhaft vorstellen. Wie schnell sich seine Mutter doch Sorgen machte. Dabei musste man sich weiß Gott mehr Sorgen um ihr Wohlbefinden, als um das Remus' machen. Im Moment lief sie wohl wie ein aufgescheuchtes Huhn durch's Haus und versuchte sich mit etwas abzulenken, um nicht an ihren Sohn denken zu müssen. Vielleicht backte sie ja gerade etwas oder strickte. Vielleicht trank sie auch Tee, dann aber - es war ja schon sehr später Nachmittag - bereits ihre fünfte oder sechste Tasse. Remus lachte bei dieser Vorstellung. Ja, so war seine Mutter. Das konnte er sich gut vorstellen.

Und sein Vater? Ja, auch er machte sich sicherlich Sorgen um ihn. Allerdings nicht nach so kurzer Zeit. Dafür war er zu optimistisch. Und selbst wenn er doch besorgter war, als Remus vermutete, so würde er sich mit seiner Arbeit versuchen abzulenken. Und sobald er zuhause war, musste er versuchen seine Frau zu beruhigen.

Remus' Stimmung war nun um ein ganzes Stück gestiegen. Wenn er an seine Eltern denken musste, überkam ihn ein warmes Gefühl. Er freute sich schon darauf, wenn er sie endlich wiedersehen würde. Zwar würde es noch ein ganzes Stück dauern, zu den Herbstferien würde er nicht nach hause fahren, vielleicht zu den Weihnachtsferien - er würde Weihnachten gern mit seinen Eltern verbringen - aber es würde sicherlich ein herzliches Wiedersehen werden.

Erneut überflog er die ersten Zeilen, bis er die Stelle fand, an der er aufgehört hatte zu lesen.
 

Es ist schlimm. Sie macht mich wirklich fertig. Strickt und

backt den lieben langen Tag.
 

Remus grinste. Seine Vermutungen bestätigten sich also.
 

Du kennst sie ja.
 

"Und ob ich das tue."

Wieder konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die Vorstellung mit welcher Miene sein Vater diesen Brief schrieb - ausgelaugt, gestresst, geschafft und nur den Wunsch nach Ruhe und Schlaf verspürend - war einfach zu köstlich.
 

Sie hat sich erst zufrieden gegeben, als ich ihr versprochen

hatte, dir einen Brief zu schreiben - was ich hiermit nun ja

auch tue. Ich hoffe, dass du gut angekommen bist und

dass du dich bereits etwas eingelebt hast. Heute Abend ist

Vollmond. Ich hoffe du hast daran gedacht mit dem neuen

Direktor zu reden. Es wird sicher nicht leicht sein, diese Zeit

allein zu überstehen. Deine Mutter und ich würden dir gern

beistehen, doch geht das leider nicht. Der Himmel scheint

heute klar zu sein. Wie sieht es bei euch aus? Ich hoffe doch

bewölkt. Schreib uns sobald du Zeit hast zurück. Vorher

kann deine Mutter nicht mehr ruhig schlafen.
 

Viele Grüße von deiner Mutter. Pass auf dich auf.
 

Dad
 

Remus sah einige Zeit auf das Schreiben und faltete es schließlich zusammen und schob es ihn seine Hosentasche. Wie sehr er sich doch in diesem Augenblick zu seinen Eltern wünschte. Wie gern er die Stimmen der beiden vernehmen würde. Wie er ihren Geruch vermisste, wie er ihre Wärme und Zuneigung, die sie ihm entgegen brachten, vermisste. Dieser Brief war zwar nur kurz gewesen, doch auch in ihm hatte er einen Teil dieser Wärme gespürt. Wie sehr er seine Eltern doch vermisste. Erst jetzt wurde ihm klar, was er doch noch für ein kleines Kind war. Ohne seine Eltern war er vollkommen hilflos. Er kam sich schwach und unzulänglich vor. Jetzt, wo weder Vater noch Mutter da waren, überrannte ihn diese Erkenntnis regelrecht. Er kauerte sich auf dem Sims zusammen und starrte nach draußen, wo es allmählich immer finsterer wurde. Zwar hatte er sich nie für erwachsen gehalten, hatte er aber doch gedacht, dass er schon relativ selbstständig war. Nie hätte er zu träumen gewagt, dass er noch so von seinen Eltern abhängig war und an ihnen hing. Zwar liebte er seine Familie, doch hätte er nie gedacht, dass es ihm so viel ausmachte, von ihr getrennt zu sein. Diese kurzen, wenigen Zeilen, die eigentlich nur mit Nichtigkeiten gefüllt waren, hatten es geschafft in Remus eine regelrechte Lawine der Gefühle auszulösen.
 

Madame Pomfrey kehrte ihn das Krankenzimmer zurück, wo sie Remus hatte warten lassen.

"Hast du aufgegessen?", fragte sie, als sie bemerkte, dass Remus nicht mehr in seinem Bett saß.

Sie ließ ihren Blick durch den Raum wandern, als sie den Jungen am Fenster sitzen sah. Sie trat näher. In ihrem Gesicht zeichneten sich einige Sorgenfalten, als sie Remus sah. Sein Gesicht war gerötet und in den Augenwinkeln hingen Tränen.

"Wieso weinst du?", fragte sie vorsichtig.

Remus sah auf, hatte er sie nicht kommen hören.

"Weinen? Ich?", fragte er verdutzt und fuhr sich verstohlen über die Augen.

Er lächelte die Schwester munter an.

"Ich hab nicht geweint. Nur gegähnt. Das Essen hat mich schläfrig gemacht", antwortete er und lachte leicht.

Madame Pomfrey schien sich mit dieser Erklärung zufrieden zu geben.

"Wir sollten jetzt langsam gehen", sagte sie und deutete dem Schüler an ihr zu folgen, während sie zur Tür ging.

Remus kam der Aufforderung nach. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war sieben Uhr abends. Wie schnell die Zeit doch vergangen war. Bis der Mond aufging, würde es nicht mehr lange dauern. Vielleicht ein oder zwei Stunden. Solang blieb er noch er selbst, dann würde die Bestie Besitz von ihm ergreifen.
 

Remus hatte sich schon gedacht, dass sie nicht den üblichen Weg durch die schülergefüllten Gänge nehmen würden, doch wo sie nun gingen, davon hätte er nie zu träumen gewagt. Zwar hatte er es für recht wahrscheinlich gehalten, dass Hogwarts ein Schloss mit vielen Ecken und Winkeln war, doch das schlug dem Fass den Boden aus. Madame Pomfrey führte den Schüler von einem Geheimgang zum nächsten. Waren sie vor wenigen Minuten noch oben in der Krankenstation gewesen, befanden sie sich nun in einem Zimmer voller Gemälde. Von nicht allzu weit her, drang das Klirren und Klappern von Besteck, welches über Teller schrammte, an Remus' Ohr. Die anderen Schüler aßen gerade zu Abend und wie es den Anschein hatte, befand sich die Große Halle ganz in der Nähe. Remus würde sogar fast darauf wetten, dass sie sich gleich nebenan befand, was jedoch eigentlich nicht möglich sein konnte. Zwar waren er und die Krankenschwester eine endloslange Treppe hinuntergestiegen, doch war sie kaum lang genug, dass sie vom Krankenzimmer bis hinunter zur Großen Halle reichte. Außer - Außer sie war verzaubert.

Während er noch grübelte begab sich Madame Pomfrey zur Tür rechts von ihnen. Sie öffnete diese und trat nach draußen. Remus war für einen Moment sprachlos. An das Zimmer grenzte die Eingangshalle. Also war die Treppe doch länger als angenommen gewesen. Noch immer grübelnd folgte er Madame Pomfrey. Hogwarts war schon ein seltsamer Ort. Es würde lange dauern, bis er ihn verstehen würde - wenn er es jemals konnte.

"Beeil dich etwas", mahnte ihn die Schwester.

Remus warf einen erneuten Blick auf seine Uhr. Es war bereits kurz vor halb Acht. Er beschleunigte seinen Schritt ein wenig und schloss auf. Es würde sicherlich nicht mehr allzu lang dauern, bis die ersten Schüler ihr Abendbrot beendet hatten und aus der Großen Halle strömen würden. Madame Pomfrey wollte dieses Risiko anscheinend nicht eingehen und trieb deshalb zur Eile. Zudem würde ihnen nicht mehr viel Zeit bis zum Mondaufgang bleiben.

Sie traten ins Freie. Kalte Nachtluft schlug Remus entgegen. Er begann zu frösteln. Eine leichte Gänsehaut bildete sich und überzog seinen gesamten Körper. In diesem Moment bereute er es zutiefst keine Jacke oder einen dicken Umhang oder ähnliches mitgenommen zu haben. Wieso hatte er nicht daran gedacht, dass es abends ziemlich frisch sein würde? Hatte ihn die gestrige vermeintliche Spätsommersonne in die Irre geführt. Er verfluchte sie. Sie und seine eigene Vergesslichkeit. Zitternd folgte er der Krankenschwester. Der Schüler verschränkte seine Arme vor der Brust und rieb diese mit seinen Händen, in der Hoffnung durch die Reibung etwas Wärme zu erzeugen und so ein wenig gegen die klirrende Kälte anzukämpfen.

Madame Pomfrey führte ihn über den Hof, hin zum Schlosstor, hinaus aus dem Schloss. Gemeinsam stiegen sie die scheinbar endlose Treppe hinunter und liefen anschließend ein ganzes Stück schweigend nebeneinander her. Gegen acht Uhr erreichten sie eine Weide. Doch wie Remus gleich auf den ersten Blick feststellte war dies keineswegs ein normaler Baum. Dieser hatte das Bestreben wild mit seinen Ästen herumzuwirbeln und alle sich nähernden Lebewesen mit eben diesen zu attackieren.

"Wie hatte Professor Dumbledore diesen Baum noch mal genannt?", fragte er unsicher.

Eigentlich war diese Frage eine rein rethorische Frage. Er kannte die Antwort, doch wollte er eine Bestätigung.

"Das ist die Peitschende Weide", antwortete Madame Pomfrey und lächelte, wobei das Lächeln ein wenig schief geriet.

Remus schluckte. Ja, Peitschende Weide. Eine Äußerst zutreffende Beschreibung, wenn er es recht bedachte. Als er den Name zum ersten Mal gehört hatte, hatte er gedacht, dass der Direktor ihn nur hatte auf den Arm nehmen wollen, doch als er das Gewächs nun in Lebensgröße vor sich sah, musste er sich eingestehen, dass dieses Grünzeug äußerst real und wenig ungefährlich schien.

"Du brauchst keine Angst zu haben", meinte Madame Pomfrey, wobei sie ihre Stimme nicht ganz ruhig halten konnte. "Wenn du das tust, was ich dir sage, dann ist sie vollkommen ungefährlich."

Remus nickte stumm. Keine Angst haben? Nein, er hatte keine Angst. Angst fühlte sich anders an. Im Moment hatte er lediglich ein sehr flaues Gefühl in seiner Magengegend. Auf eine seltsame Art und Weise war er von diesem Baum fasziniert. Noch nie zuvor hatte er so eine temperamentvolle Pflanze gesehen. Ob in ihr Baumgeister wohnte, die dafür sorgten, dass die Weide mit ihren Ästen umher schlug? Oder war sie verzaubert? Vielleicht war es auch eine besondere Art von Baum, die von Natur aus aggressiv ist. Ja, sie war wirklich faszinierend. In diesem Moment schoss ihm der abtrünnige Gedanke sie näher studieren zu wollen - sie untersuchen zu wollen durch den Kopf. Er verwarf ihn jedoch sofort wieder. Studieren? So ein Monstrum? Ein Monster, dass dich jeden Moment erschlagen könnte? Wie kam er nur immer und immer wieder auf solch dumme Ideen? Er lachte leicht. Ja, wissen tat er es selbst nicht. Mit einem Mal waren sie plötzlich da, spukten einige Zeit in seinem Kopf umher und nisteten sich irgendwo in seinem Hinterstübchen ein, bis er sie mit einer anderen belanglosen Kleinigkeit wieder ans Tageslicht förderte.

"-mus, Remus. Hörst du mir überhaupt nicht zu?"

Der Angesprochene schrak aus seinen Gedanken auf.

"Wie?"

Madame Pomfrey, welche einen langen Stock in der Hand hielt - wieso tat sie das? - sah ihn leicht ungeduldig, leicht sauer an. Röte stieg ihm ins Gesicht.

"Tut mir leid. War keine Absicht."

Die Krankenschwester seufzte.

"Gut, dann noch mal von vorn. Also, ich zeige dir jetzt wie man die Peitschende Weide erstarren lässt."

Erst jetzt viel dem Jüngeren auf, dass die Äste des Baumes sich nicht mehr bewegten. Das gesamte Gewächs war bewegungsunfähig und wirkte jetzt wie jeder andere normale Baum. Erst nach und nach begannen die Blätter zu zittern und neues Leben kehrte in die Weide ein.

"Also pass auf."

Sie zeigte ihm den Stock.

"Du nimmst dir einfach irgendetwas Langes. Siehst du den Knoten dort unten am Baum?"

Sie deutete mit dem Finger auf ihn. Erst jetzt bemerkte Remus diesen. Er war so unscheinbar, dass man ihn ohne einen speziellen Hinweis einfach übersah.

"Du nimmst den Stock und berührst den Baum damit."

Sie machte es ihm vor und als der Stock besagten Knoten berührte, erstarrte die Weide erneut.

"So, jetzt komm mit. Und beeil dich bitte. Die Weide bleibt nicht lange so."

Sie ging mit raschen Schritten auf das Gesträuch zu. Remus folgte ihr etwas widerwillig. Er warf unsichere Blicke nach oben, immerhin konnte es jederzeit gut möglich sein, dass es sich dieses temperamentvolle Grünzeug - wenn man es so nennen konnte, immerhin war es Herbst und der Baum war kahl - anders überlegte und die ungebetenen Gäste doch attackierte.

"Hier rein", forderte die Krankenschwester ihn auf und erst jetzt bemerkte Remus sie.

Unter der Weide befand sich eine kleine Nische, eine kleine Höhle. Auch diese war ihm in der nunmehr herrschenden Dunkelheit nicht aufgefallen, war sie doch markanter, als der Knoten. Tagsüber konnte man sie vielleicht schon eher ausfindig machen. Sicher wäre sie ein verlockender Anreiz für eine Mutprobe. Wer traut sich sich unter der Peitschenden Weide hindurch zu stehlen und in diesem Loch zu verschwinden, um zu sehen, wo es hinführt? Wer erreicht als erstes die Vertiefung? Oder wer schafft es am längsten unter der Peitschenden Weide zu bleiben, ohne von dieser getroffen zu werden? Solche oder ähnliche Spielchen konnte sich Remus gut vorstellen. Sicherlich würden James oder Sirius früher oder später dieser Versuchung nicht mehr widerstehen können und sich zu einem riskanten Manöver hinreißen lassen. Wie gut sie dabei wegkommen würden, würde man dann wohl am nächsten Tag feststellen können, wenn man sie auf der Krankenstation besuchte, während Madame Pomfrey hier unten noch immer ihre fehlenden Einzelteile zusammensuchte.

"Remus, träum nicht!", rief die Krankenschwester.

Im nächsten Moment hatte sie ihn auch schon am Arm gepackt und ihn zu sich hinunter in die Tiefe geholt. Gerade noch rechtzeitig. Denn da, wo der Schüler bis gerade eben noch gestanden hatte, ging einer der Äste wütend nieder und hinterließ - wortwörtlich - einen bleibenden Eindruck im Erdboden. Remus' Atem ging flach und schnell. Mit geweiteten Augen sah er nach oben.

,Das war knapp', dachte er erschrocken.

"Du sollst doch nicht so vor dich hinträumen. Wie oft hab ich dir das heute schon gesagt?", zeterte seine Aufpasserin. "Das hätte schief gehen können. Das ist keinesfalls ein Spiel. Du solltest dir langsam über den Ernst der Dinge klar werden. Ein Werwolf zu sein ist keine leichte Bürde. Du müsstest schon lang genug einer sein, um das zu wissen. Und dass ich dich an einen sicheren Ort bringe - nicht nur sicher für dich, auch für andere - ist auch keine leichte Aufgabe. Wenn du nicht daran denkst bei dieser Weide hier vorsichtig zu sein, dann bricht sie dir noch das Genick. Du solltest zumindest an Vollmondtagen nicht allzu zerstreut sein. Also hör auf weiter vor dich hinzuträumen, verstanden?"

Remus antwortete nichts - blieb einfach stumm. Was wusste sie schon davon, was es hieß ein Werwolf zu sein? Was wusste sie schon davon, was das für Probleme mit sich brachte? Wie viel Ärger es einem machte? Wie mühsam es war diese klitzekleine Kleinigkeit vor den anderen zu verbergen? Nichts wusste sie! Von alledem hatte sie noch nicht einmal den Ansatz einer Ahnung. Sie konnte sich nicht in ihn hineinversetzen. Und diese ständigen Träumereien? Waren sie nicht eine Hilfe für ihn? Halfen sie ihm nicht seine Gedanken und Gefühle zu verarbeiten? Sie zu ordnen und somit wieder ein wenig Klarheit in die abertausend Windungen seines Gehirns zu bringen? Und sorgten sie nicht auch dafür, dass er für einen kleinen Moment seinen Alltag auch einmal vergessen konnte? Wieso sollte ihm das verwehrt bleiben? Wieso wollte sie, dass er sie verdrängte, die Träumereien, die ihn mit sich ziehen wollten, einfach von sich wies? Nichts wusste sie. Hätte sie gewusst, wie ihm manchmal zu mute war, hätte sie das gerade eben nicht gesagt. Ihm seine Gedankengänge verbieten - das war ja wohl die Höhe! Ein makaberer Scherz! Er lächelte bitter. Scherze trieben die Leute um ihn herum ja äußerst gern mit ihm. Dachte man nur einmal an Malfoy, diese Ausgeburt der Hölle - das Nonplusultra der Widerwärtigkeit und Niederträchtigkeit.

Remus verdrängte den Gedanken an besagten Slytherin. Heute war weiß Gott nicht der beste Tag, um über diese hinterhältige Schlange nachzudenken. Wenn der Gryffindor es genau nahm, so war es nie der richtige Tag. Eigentlich lohnte es sich gar nicht über diesen Widerling nachzudenken. Zu seinem Übel stahl der Platinblonde sich jedoch immer und immer wieder in seine Gedankengänge, ob er es nun wollte oder nicht. Da! Schon wieder! Erst wollte er nicht mehr an ihn denken und grübelte er doch weiter über ihn nach. Resignierend seufzend schüttelte Remus den Kopf. Wie hieß es so schön: einen klaren Kopf bewahren? In diesem Moment fragte er sich, wie man überhaupt einen klaren Kopf bekam. Ihn beschäftigte immer irgendeine Kleinigkeit. Wie schafften es dann andere Leute an gar nichts mehr zu denken?

Remus sah auf. In der Dunkelheit konnte er die Krankenschwester nicht mehr ausfindig machen. Wo war sie denn auf einmal? Bis gerade eben war sie doch noch direkt vor ihm gewesen. Wo war sie jetzt? War sie schon vorangegangen?

"Madame Pomfrey? Madame Pomfrey, wo sind Sie?", rief er in die Dunkelheit hinein.

Der Widerhall seiner Stimme erklang mehrere Male.

,Ein Tunnel?', dachte er etwas verwirrt.

Der Gang musste ziemlich lang und groß sein, wenn er an das Echo dachte. Er tastete sich an der Wand entlang, als er keine Antwort bekam. Seine Augen hatten sich noch nicht an die Finsternis gewöhnt, daher ging es nur schleppend voran. Immer und immer wieder stolperte er über kleine Erdhügel oder Baumwurzeln.

"Madame Pomfrey, wo sind Sie? Antworten Sie doch!"

Seine Stimme klang verzweifelt. Hatte er sich verirrt? Hatte es unter der Weide noch einen weiteren Tunnel gegeben, den er übersehen hatte und den seine Begleiterin genommen hatte? Hatte er den falschen genommen und sich nun unter der Erde verirrt? Wo führte dieser Gang nur hin? Er schien endlos zu sein. Langsam stieg in ihm Panik auf. Der Mond musste bald aufgehen. Was geschah, wenn er bis dahin noch immer hier unten war? Würde er sich verwandeln? Aber hier unten konnte er den Mond nicht sehen. Würde er normal bleiben? Er wusste es nicht. Und was geschah, wenn er später nicht mehr zurückfand? Wo war Madame Pomfrey? Wieder gingen ihm unzählige Fragen durch den Kopf, welche ihm allmählich Kopfschmerzen bereiteten. Der Gang begann anzusteigen. Eine leise Stimme drang an sein Ohr.

"Remus? Wo bist du?"

War das nicht Madame Pomfrey gewesen? Ja, das war sie! Da war er sich sicher.

"Hier! Ich bin hier!", rief er so laut er konnte.

Im nächsten Moment sah er einen Lichtschein. Weiter vorn machte der unterirdische Gang eine leichte Kurve. Er lief auf das Licht zu und wurde geblendet, als die Krankenschwester um die Ecke bog. Sie hielt ihren Zauberstab in der Hand, welcher ein gleichmäßiges, dennoch grelles Licht aussendete. Remus hob eine Hand vor das Gesicht und kniff die Augen zusammen.

"Ich dachte schon, ich hätte dich verloren", sagte Madame Pomfrey und atmete erleichtert auf.

"Dachte ich auch", erwiderte Remus und ein Hauch eines Lächelns stahl sich auf sein Gesicht, verschwand jedoch sofort.

Die Krankenschwester erwiderte das Lächeln.

"Wir sind gleich da. Es ist nicht mehr weit. Komm mit."

Sie machte eine Kehrtwendung und ging in die Richtung, aus der sie gerade eben gekommen war. Der Gryffindor folgte ihr und nach wenigen Minuten begann sich die Dunkelheit aufzulösen. Ein schwaches Licht strömte in den Gang hinein. Der Ausgang war nicht mehr weit. Sie blieben unter einer Öffnung stehen.

"Über uns ist die Heulende Hütte", erklärte Madame Pomfrey. "Dort bleibst du über Nacht. Wenn du wieder zu dir gekommen bist, dann komm als erstes zu mir auf die Krankenstation, damit ich deine Wunden verarzten kann."

"Ja, mach ich", gab Remus brav zur Antwort.

"Gut."

Madame Pomfrey lächelte.

"Ich hoffe, dass deine Nacht nicht allzu schlimm wird."

"Danke", murmelte der Brünette.

Zwar war dies nett gemeint, doch helfen würden diese Worte trotzdem nichts. Die Krankenschwester half ihrem Schützling nach oben und verabschiedete sich von ihm, bevor sie wieder in der Dunkelheit verschwand.

Remus stand auf und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Es war nicht allzu groß. Sowohl Möbel als auch Fußboden waren mit einer dünnen Staubschicht bedeckt. Die Tapeten begannen sich an den oberen und unteren Enden leicht zu lösen und durch die Fenster, welche durch Bretter vernagelt waren, drangen spärliche Lichtstrahlen ins Innere der Hütte. Wie hoch der Mond wohl stand? Anscheinend war er noch nicht vollständig aufgegangen, da der Schüler sich noch nicht verwandelt hatte, doch lange würde es sicher nicht mehr dauern. Es war schon spät, das wusste er. Heute würde der Erdtrabant ihn sicherlich nicht schonen. War er vielleicht noch nicht aufgegangen, war sein Licht jedoch schon sehr hell. Und das verhieß nichts gutes. Der Himmel war sicher sternenklar. Eine schlaflose Nacht stand ihm bevor. Wie er sie doch liebte. Ein Seufzer entrang seiner Kehle.

Er ließ seinen Blick ein zweites Mal durch das Zimmer gleiten. Diesmal erregte eine Tür seine Aufmerksamkeit.

,Vielleicht sollte ich mich etwas umsehen gehen.'

Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht.

"Immerhin werde ich hier ab jetzt mehr Zeit verbringen."

Er öffnete die Tür und fand sich in einem langen, dunklen Korridor wieder, der ebenso verstaubt war, wie das Zimmer. Die Dielen knarrten unter seinen Füßen. An den Wänden befanden sich links und rechts kleine Lampen. Keine richtigen Lampen. In ihnen befanden sich kleine, heruntergebrannte Kerzenstummel. Die Gläser hatten stark Staub angesetzt. Waren sie ehemals durchsichtig gewesen, ähnelten sie nun Milchglas.

"Hier sollte unbedingt jemand mal sauber machen."

Vor Remus führte eine Treppe nach oben. Er überlegte, ob er sich dort umsehen sollte, entschied sich aber dagegen. Zunächst wollte er die unteren Zimmer inspizieren. Zu seiner Rechten befand sich eine Tür, welche er öffnete. Im Gegensatz zum Korridor oder dem Zimmer, welches er zuerst durch den Geheimgang betreten hatte, war dieses Zimmer hell - Aufgrund der Tatsache, dass sich in den vermeintlichen Lampen neue Kerzen befanden, welche still und leise vor sich hinloderten - und geräumig. Die Fenster waren, wie die anderen, vernagelt. An zwei Wänden standen Regale voller Bücher. Remus' Augen funkelten. Diese Menge und Vielfalt an Litanei erinnerte ihn an Flourish&Blotts. Er fuhr mit den Fingern über verschiedene Buchrücken und las dabei die Titel. Von allen Themen war etwas dabei. Wenn er richtig lag, befanden sich auch einige Muggelbücher - wie zum Beispiel Romeo und Julia, Sherlock Holmes und Antigone. Vielleicht konnte er sich einige Bücher mit ins Schloss nehmen. Sicherlich hatte niemand etwas dagegen. Das Haus stand leer und er ging in der Annahme, dass Professor dieses Zimmer für ihn hatte einrichten lassen. Remus hoffte, dass er in seiner Werwolfsgestalt nicht diese wertvollen Bücher zerstören würde. Sie waren wirklich alt und verlockten ihn geradezu dazu sie alle in sich aufzunehmen. Er sah sich im Zimmer um. An beziehungsweise in der dritten Wand befand sich ein Kamin, in dem ein Feuer brannte. Davor stand ein schwarzer Ledersessel, unter einem der Fenster ein Bett.

,Ein Bett? Sehr nett', dachte Remus sarkastisch. ,Wozu brauch ich ein Bett? Ich kann hier doch eh nicht schlafen.'

Der Direktor von Hogwarts hatte es anscheinend zu gut mit ihm gemeint. Fürsorglich war er ja - das musste Remus zugeben - doch übertrieb er es vielleicht ein wenig.

Der Gryffindor beschloss sich nun den anderen Zimmern zu widmen. Im Erdgeschoss befanden sich noch eine ehemalige Küche und ein Zimmer, das früher vermutlich als Wohnzimmer gedient hatte.
 

Als er die Treppe nach oben ging, knirschten die Stufen. Das Holz des Geländers war morsch und splitterte bereits.

"Das Ding könnte eine Generalüberholung gut vertragen", murmelte er, während er wieder durch einen der langen Korridore entlang lief.

Im oberen Stockwerk lagen lediglich einige Räume, die den ehemaligen Bewohnern als Schlafzimmer gedient haben mussten, sowie ein Badezimmer und ein Arbeitsraum. Eines der Schlafzimmer besaß einen Balkon. Zudem waren dort die Fenster nicht verriegelt. Remus öffnete die Balkontür und trat ins Freie. Eiskalte Nachtluft schlug ihm entgegen. Er begann am ganzen Leib zu schlottern. Wie kalt es doch geworden war, innerhalb kürzester Zeit. Als er mit Madame Pomfrey das Schloss verlassen hatte, war es noch nicht annähernd so kalt gewesen. Er schlang seine Arme um sich und sah zu den Sternen empor. Sie funkelten ihm verheißungsvoll entgegen. In dieser tiefen Schwärze wirkten sie wie kleine Diamanten.

,Wunderschön', schoss es ihm durch den Kopf.

Plötzlich verspürte er einen heißen Schmerz in der Brust. Sein Herz schlug rasant und es war fast so, als würde es jeden Moment zerspringen. Er krallte eine Hand in sein Hemd, während er sich mit der anderen an der Brüstung festhielt. Suchend wanderte sein Blick über den Himmel und da - da entdeckte er ihn. Eine einsame kleine Wolke zog am Firmament vorüber und enthüllte seine volle Gestalt. Der Mond leuchtete in all seine Pracht. Das Gesicht, welches man zu erkennen meinte, kam Remus in diesem Moment wie eine hässliche Fratze vor und er konnte ein schallendes Gelächter von hoch über ihm vernehmen. Er machte sich lustig - der pralle Mond machte sich über ihn lustig - verspottete ihn.

Remus schrie unter Schmerzen auf. Seine helle Stimme durchdrang die Nacht und verwandelte sich in das wütende Gebrüll einer Bestie.
 

Wie in jeder dieser Nächte warte ich auf dich.

Mit jeder Minute, jeder Sekunde, die vergeht,

wächst meine Ungeduld und scheint mich zu erdrücken.

Langsam kommst du immer näher,

näherst dich mit vorsichtigen Schritten

und tastest dich zu mir hervor.

Du vertreibst sie.

Sie, die dich vor mir versteckt.

Sie, die mich vor dir versteckt.

Sie, die alles im Gleichgewicht hält.
 

Ich erblicke dich.

Mir wird ganz anders.

Deine Aura verzaubert mich.

Du schlägst mich in deinen Bann.

Vorsichtig schließt du deine Arme um mich.

Ich spüre deine Wärme, deine Nähe.

Und gleichzeitig spüre ich deine Kälte, deine Distanz.

Du streichst mir sacht über die Wangen,

wischst mir die Tränen hinfort und förderst andere zum Vorschein.
 

Sacht hauchst du mir deinen Atem entgegen.

Ich spüre ihm am ganzen Leib und erzittere.

Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken,

kleine Blitze durchzucken meinen Körper.

Dein Licht, welches du ausstrahlst, umhüllt mich,

blendet mich.

Es spielt mit meinem Körper und lässt ihn einen Schatten werfen.

Einen Schatten in die nahe Dunkelheit, die nur du allein von mir fernhältst.

Wo Licht ist, ist auch Dunkelheit,

wo Dunkelheit ist, ist kein Platz für Licht.
 

Das Licht, welches du mir spendest ist hell und klar,

rein und unbefleckt.

Der Schatten, den es erzeugt, ist dafür umso dunkler,

frisst mich nach und nach auf.

Schwarz und weiß, hell und dunkel.

Sie verschmelzen wie Licht und Schatten.

Eine Einheit.

Wir sind eins. Wir sind untrennbar.
 

Die Schmerzen, welche du mir bereitest,

die Angst, welche ich vor dir habe,

die Einsamkeit, welche ich deinetwegen ertrage.

Ich will sie nicht. Lass mich.

Ich will zu ihr, die, die für das Gleichgewicht zwischen uns beiden sorgt.

Wie lang bleibt sie fort?

Lass mich nicht warten.

Ich will fort.

Fort aus deiner Umarmung.

Fort von deinen Liebkosungen.

Fort aus deinem Licht.

Fort von dir und aus deinem Bann.
 

Die Schmerzen vergehen, mein Bewusstsein erwacht.

Du lässt von mir ab.

Hast du mein Flehen erhört?

Mir die Gnade erwiesen?

Oder bist du der Folter nur überdrüssig?

Ich spüre dich nicht mehr.

Hast du mich losgelassen? Mich im Stich gelassen?

Bist du einfach davongeeilt und hast mich allein in der Dunkelheit zurückgelassen?
 

Ich sehe sie. Sie kommt näher.

Kniet sich neben mich.

Küsst sanft die Tränen fort, für die du verantwortlich bist.

Sie nimmt mich behutsam in den Arm.

Ich fühle mich geborgen.

Wieder beschützt sie mich.

Beschützt mich vor dir und mir selbst.

So lang, bis du wieder deine Finger nach mir ausstreckst und mich in dein Reich entführst.

So lang, bis es dich wieder nach einem deiner Spielzeuge gelüstet,

mit dem du spielen und das du zerbrechen kannst.

Langsam zerbrechen.

Langsam und in tausend Stücke.
 

Die Sonne kletterte langsam am Horizont empor und tauchte alles in ein zartes Rot. Vögel begannen leise zu zwitschern. Sowohl im Gras, als auch an den Blumen und in den Bäumen hing der frische Morgentau. Die Sonnenstrahlen brachen sich in den kleinen Wassertropfen und wurden gestreut - in so genannte Spektralfarben zerlegt.

Das Sonnenlicht flutete durch die kleinen Spalten zwischen den Brettern. Im Licht tanzten Staubpartikel und kleine weiße Fusel.

Remus öffnete langsam die Augen. Er sah sich um. Es war bereits morgen und die Sonne war bereits aufgegangen. Diesen Alptraum hatte er also überstanden. Er drehte sich auf den Rücken und fuhr sich stöhnend mit den Händen durch das Haar. Sein Körper schmerzte und die Tatsache, dass er auf dem verstaubten Holzfußboden lag, machte die Lage nicht besser. Er setzte sich auf. Nierenprobleme oder eine Lungenentzündung - dank der kalten Dielen - konnte er im Moment nicht gebrauchen. Er sah an sich herab. Seine Kleidung war vollkommen zerrissen. Er war mehr nackt als angezogen. So konnte er keinesfalls zurück in die Schule gehen. Zunächst musste er sich wieder richtig kleiden. Er griff in seine noch intakte Hosentasche, in der er seinen Zauberstab am gestrigen Abend mit sich geführt hatte, musste jedoch feststellen, dass er nicht mehr da war. Er seufzte. Anscheinend hatte er ihn irgendwo im Haus verloren und durfte ihn jetzt suchen.

Er kämpfte sich auf die Beine und begab sich - stark schwankend, viele Reservekräfte hatte er nach dieser Nacht nicht mehr übrig - auf die Suche nach dem verlorenen Stück Holz. Während er das Haus durchstreifte, konnte er sich gleich einen Eindruck von den Ausmaßen seines Treibens machen. Etwas erleichtert stellte er fest, dass der Werwolf kaum gewütet hatte. Anscheinend war er am vergangenen Abend recht milde gestimmt gewesen. In dem ehemaligen Wohnzimmer fand er seinen Zauberstab und mit einem Spruch, den seine Eltern ihm beigebracht hatten, behob er den Schaden an seiner Kleidung. Prüfend strich er über den Stoff und lächelte zufrieden.

"Wie neu."

Auch seine Uhr hatte er repariert, war sie ebenfalls kaputt gegangen. Er warf einen Blick auf sie. Es war kurz vor zehn Uhr. Langsam war es an der Zeit sich auf den Rückweg zu machen, so fand er. Als er den Korridor entlang, zu dem Raum, den erst gestern als allererstes betreten hatte, entlang ging, blieb er vor einem Spiegel, den er in der Dunkelheit übersehen hatte, stehen und begutachtete sich. In seinem Gesicht waren nur leichte Kratzer zu sehen. Das war gut. So würden nicht allzu viele Fragen aufkommen. Der Rest sah jedoch anders aus, was er schon nach dem Aufwachen festgestellt hatte. Zu den alten Narben hatten sich neue hinzugesellt und es wurden immer mehr und mehr. Manchmal fragte er sich wirklich, ob er mehr Narbe oder mehr Mensch war.

"Du kannst auch noch auf dem Rückweg grübeln", ermahnte er sich und forderte sich so zum Gehen auf.

Doch bevor er ging, warf er noch einen Blick in das an eine Bibliothek erinnernde Zimmer und nahm sich eines der Bücher mit, welchem er schon am Abend zuvor mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Flüche&Gegenflüche. Er steckte es unter sein Hemd in den Hosenbund. Dann machte er sich endlich auf den Weg ins Schloss. Sicherlich wartete Madame Pomfrey schon auf ihn.

Unten im Geheimgang war es noch immer pechschwarz. Remus zog seinen Zauberstab.

"Lumos!"

Ein kleiner Lichtkegel, der von der Spitze seines Stabes ausging, erhellte den Tunnel. Nun sollte das Vorankommen kein Problem sein. Das einzige, was er hier unten hörte, waren seine Schritte und deren Echo. Der Gang war recht groß. Sicherlich würde hier auch Hagrid ohne Probleme hindurchpassen, obwohl er so riesig war. Allerdings würde sein Kopf, und da war sich Remus sicher, des Öfteren mit den von der Decke hängenden Wurzeltriebe kollidieren. Nachdem er den Pfad durchquert hatte, würde der Koloss wohl nur noch fluchen. Remus lachte. Er konnte sich diese Szene nur allzu gut vorstellen. Hagrid, der mit hochrotem Kopf unter der Peitschenden Weide hervor kroch. Seine Augen funkelten vor Zorn und in seinen Haaren, die leicht von Erde verdreckt waren, hingen Teile von Wurzeln.

"Armer Hagrid."

Während er selbst damit zu kämpfen hatte, dass er zu klein war, hatte Hagrid Probleme damit so groß zu sein. Wieder stahl sich ein Gedanke in Remus' Überlegungen.

,Ob er ein Riese ist?', grübelte er.

Sein Vater hatte ihm zwar gesagt, dass Riesen wesentlich größer waren, als normale Menschen - Hagrid übertraf sogar Dumbledore, der wirklich hochgewachsen war - doch sollten sie brutal, ungehobelt und grob sein. Und soweit Remus das bis jetzt beurteilen konnte, nannte der Wildhüter keine dieser Charakterzüge sein Eigen. Im Gegenteil. Er war warm, herzlich und nett. Konnte so jemand ein Riese sein? Oder war er einfach nur groß gewachsen?

,Vielleicht gibt es ja auch Ausnahmen. Vielleicht ist er auch nur ein freundlicher Riese.'

Ein etwas anderer Riese. Ja, das konnte Remus sich vorstellen. Schon als er Hagrid das erste Mal am Bahnhof gesehen hatte, hatte er sich gefragt, ob Hagrid ein Riese war oder nicht. Die einfachste Lösung wäre noch immer gewesen ihn zu fragen, doch konnte er das schlecht tun. Solch eine Frage war unhöflich - äußerst privat. Er konnte nicht einfach so zu Hagrid gehen und sagen "Hallo Hagrid. Ich wollte fragen, ob du ein Riese bist oder nicht. Das beschäftigt mich schon eine geraume Zeit." Zum einen wusste er nicht wie sein Gegenüber dann reagieren würde. Ob er ihn aus seiner Hütte bis in den Verlorenen Wald jagen würde oder ob er ihm eine Antwort gestand. Und selbst wenn er letzteres tat, so war keineswegs sicher, ob er Remus die Wahrheit sagen würde. Wenn er ein Riese war, würde er es einem neumalklugen Jungen, wie Remus ein er war, keinesfalls auf die Nase binden.

Der Erstklässler erreichte das Ende seines Weges. Durch den kleinen Spalt zwischen den Wurzeln der Weide drang strahlendes Sonnenlicht hinein. Kleine Partikel wurden sichtbar und tanzten in der Luft.

Remus kletterte nach oben und sah sich zunächst um. Niemand war zu sehen. Er streckte den Arm nach dem Knoten aus und berührte ihn. Fast augenblicklich erstarrte das sonst so wild um sich schlagende Gewächs. Der Schüler vergewisserte sich noch einmal, dass er allein war, bevor aus der Vertiefung hinauskletterte und sich schnellstmöglich von der Weide entfernte. Als er in sicherer Entfernung war, warf er ihr nochmals einen Blick zu - sie begann sich schon wieder in der Sonne zu rekeln - und machte sich dann auf den Weg hinauf zum Schloss. Alles um Remus herum war hell und leuchtete. Die Ländereien lagen in kräftigen Sommerfarben da. Von der klirrenden Kälte der vergangenen Nacht war nichts mehr zu spüren. Die Sonne schien dem Brünetten ins Gesicht und begann seinen steifgefrorenen Körper zu wärmen. Nach und nach wichen Taubheit und Müdigkeit aus seinen Glieder und er hatte heute zum ersten Mal das Gefühl endlich wach zu sein. Er stieg die Treppe empor, die er am vergangenen Abend zusammen mit Madame Pomfrey genommen hatte. Remus schritt durch das Schlossportal - es wunderte ihn, dass hier niemand war, hatte er mit dem Hausmeister, Hagrid oder einem der Lehrer gerechnet - und lief über den Hof. Auch hier befand sich niemand. Nicht einmal ein Schüler. Ob sie noch alle schliefen? Gut, es war Samstag, aber es war kurz nach halb Elf. Er zuckte mit den Schultern. Es konnte ihm ja eigentlich egal sein. Begegnete er niemandem, konnten ihm auch keine dummen Fragen - wie zum Beispiel wo er gewesen war - gestellt werden. Er betrat die Eingangshalle. Seine Miene hellte sich ein wenig auf. Auf den Treppen liefen einige Schüler und erzählten miteinander.

,Ich bin also doch nicht der Einzige', dachte er und machte sich auf den Weg nach oben.
 

Madame Pomfrey öffnete die Fenster in der Krankenstation und ließ frische Luft und die warmen Sonnenstrahlen hereinströmen. Sie atmete tief ein und wieder aus.

"Herrlich!"

Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie wandte sich um und rief ein fröhliches "Herein!"

Die Tür öffnete sich und der junge Lupin betrat das Zimmer. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht.

"Ah, guten Morgen Remus. Ich hatte dich schon früher erwartet."

"Guten Morgen, Madame Pomfrey."

"Wie war deine Nacht?"

"Nicht allzu schlimm."

"Das höre ich gern. Gut, dann will ich mir mal deine Wunden ansehen. Machst du dich bitte frei? Alles bis auf die Unterhose, okay?"

Remus nickte. Während Madame Pomfrey im Nebenzimmer verschwand und die Materialien für die Behandlung des Gryffindors holte, tat er was ihm geheißen wurde. Er legte seine Kleidung auf einen Stuhl und kurz drauf kehrte die Krankenschwester mit einer Metallschüssel zurück, die sie auf einem Nachtisch abstellte. Remus warf einen Blick hinein. In der Schale befanden sich mehrere kleine Fläschchen, eine Tasse, ein Löffel, Desinfektionsmittel, Wattebäusche und mehrere Lappen und ein Handtuch. Madame Pomfrey begutachtete ihren Patienten.

"Das sind keine schlimmeren Verletzungen", erklärte sie und lächelte ihn aufmunternd an. "Ich desinfiziere sie und dann gebe ich dir einen Trank, der sie schnell heilen sollte. Wenn du möchtest, dann mische ich dir noch ein paar Zutaten mit hinein, die zur Hauterneuerung führen."

"Und das heißt?"

Remus war sichtlich irritiert. Hauterneuerung? Sollte das vielleicht heißen-? Spielte sie vielleicht darauf an-? Seine Augen funkelten.

"Die Narben auf deinem Rücken verschwinden zum größten Teil. Ich dachte mir, dass du sie vielleicht loswerden möchtest."

"Das können Sie wirklich?", rief der Brünette begeistert und nickte sofort. "Ja bitte. Tun Sie das!"
 

Nachdem die Krankenschwester den Trank angerührt hatte, begann sie die Wunden des Schülers - Remus hatte auf einem Stuhl Platz genommen - zu säubern. Immer wieder zuckte er zusammen, da das Desinfektionsmittel brannte und seine Haut reizte. Während sie arbeitete, berichtete sie ihm vom vergangenen Abend.

"Gestern waren deine Freunde bei mir."

"Meine Freunde?", fragte Remus verwirrt.

Bis jetzt hatte er doch noch nicht wirklich einen Freund gefunden, oder etwa doch? Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Nein - er hatte es sich mit Severus, Lily und den anderen gründlich verscherzt. Als Remus' Freund würde sich doch niemand freiwillig bezeichnen.

"Ja. Einige Gryffindors. Wenn ich mich nicht irre waren zwei davon der junge Black und der junge Potter."

"Sirius und James? Und die anderen?"

"Auch aus Gryffindor."

"Peter und Davy?"

"Ja genau. Pettigrew und Gudgeon. Die vier wollten dich besuchen, aber ich habe ihnen gesagt, dass ich im Moment niemanden zu dir lasse, da dein Zustand nicht der allerbeste ist. Und heute morgen waren sie noch mal da. Ich sagte, du schliefest noch. Wer weiß, vielleicht tauchen sie bald noch mal auf."

Remus war wie vor den Kopf geschlagen. Die vier hatten ihn besuchen wollen? Hatten ihn freiwillig besuchen wollen? Er konnte es kaum glauben. Erst zerstritten sie sich, dann sagte Remus ihnen - zumindest James und Sirius - die Meinung, dann entschuldigten sie ihn bei Madame Hooch und im Unterricht und jetzt besuchten sie ihn auch noch auf der Krankenstation. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Er wusste nicht mehr, was er von der ganzen Sache halten sollte, hatte er doch gedacht, dass sie ihn auf den Tod nicht leiden konnten - und jetzt das.
 

Nachdem er sich angezogen hatte, reichte Madame Pomfrey ihm die Tasse mit dem Trank.

"Trink alles aus."

Wieder folgte er gelehrig den Anweisungen und leerte das Gefäß. Er verzog den Mund leicht. Die Mixtur war bitter - äußerst bitter. Er hasste diesen Geschmack und hatte ihn noch nie gemocht.

Die Krankenschwester räumte die Sachen wieder zusammen.

"Du kannst jetzt wieder gehen. Der Trank müsste bis heute Abend seine volle Wirkung entfaltet haben."

Sie grinste verschmitzt.

"Vorm nächsten Vollmond will ich dich hier nicht sehen."

Remus schmunzelte ebenfalls.

"Ich denke, dass sich das arrangieren lässt."

Er verabschiedete sich von ihr und machte sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Im Treppenhaus herrschte reges Treiben. Eine Flut von Schülern strömte ihm entgegen und machte ihm das Vorankommen sichtlich schwer. Wo wollten sie nur alle hin? Er warf einen Blick auf seine Uhr. Die Zeit war wie im Fluge vergangen und inzwischen war es kurz nach Zwölf. Zeit für's Mittagessen. Jetzt wusste er auch, wo die anderen alle so schnell hinwollten. Ihre Mägen waren hungrig und trieben sie in die Große Halle. Erst jetzt bei dem Gedanken an Essen wurde Remus endlich bewusst, was auch er für einen Hunger hatte. Sein Magen knurrte gefährlich und drängte ihn so schnell wie möglich etwas Essbares zu sich zu nehmen. Er seufzte. Gut - ging er eben erst einmal etwas essen bevor er sich in den Gryffindorturm begab. Allerdings konnte er sich nicht allzu viel Zeit lassen. Immerhin hatte er mehrere Unterrichtsstunden verpasst und musste sie dringend nachholen, wollte er den anderen nicht von Anfang an nachstehen. Zu dem Unterrichtsstoff gesellten sich außerdem die Hausaufgaben, die sie in den verschiedenen Fächern zwangsläufig aufbekommen haben mussten. Remus bezweifelte stark, dass die Lehrer ihnen ein erholsames Wochenende ohne eine einzige Hausaufgabe beschert hatten.

Er seufzte.

"Das wird ein langer Tag."
 

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1.Akt, Kap.VI - Ende

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Von:  Drachenherz
2004-10-19T18:59:25+00:00 19.10.2004 20:59
Du hast noch ne Woche Ferien? ^-^ (in Gedanken: Juhu kann ich sie noch mehr drangsalieren MUAHAHAHAHAHA)
Remus unter der Dusche? *sabber* *-*
Armer Remi ó.ò Aber jetz hat er ja Freunde ^-^ Und Sirius: Ich weiß ja warum du dir so viele Sorgen um den kleinen Werwolf machst *gg*
Was sollte eigentlich dieses...Gedicht (?) in der mitte des Kapis? oO
Naja freu mich schon aufs nächste (was GARANTIERT nich erst Dezember kommt *messer in hand anschau*) ^.^
Bis zum nächsten Kap

Grauwolf


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