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Liebe, Leid und Leben

Mamorus Jugend
von

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Mamoru lag am Boden und schaute mit vor Schrecken weit aufgerissenen Augen zu, wie diese hässliche Kreatur geradezu aus der Erde herauswuchs und immer weiter an Form annahm. Die teuflische Gestalt war wohl etwas größer als Mamoru. Ihre Beine schienen nicht wirklich ein unteres Ende zu haben, sondern verliefen einfach im Sand. Der Körper schien ständig in fließender Bewegung zu sein und erweckte den Eindruck, als sei er sehr weich und formbar. Etwa so wie Treibsand. Mamoru vermutete schon auf den ersten Blick, dass er keinen großen Wiederstand verspüren würde, wenn er den Gegner mit bloßen Fäusten angreifen wollte. Aus dem oberen Teil des Körpers wuchsen zwei Arme heraus, die ebenso wenig einen festen Eindruck machten wie der Rest vom Körper. Ohne einen Hals ging der Körper in einen sandigen Hügel über, der wohl den Kopf darstellen sollte. Das nur sehr bedingt als menschlich zu bezeichnende Gesicht hingegen war wie aus einem Felsen herausgemeißelt, also ganz offensichtlich mit mehr Festigkeit als alle anderen Körperteile.

Das Steingesicht grinste. Man konnte die scharfen, steinernen Zähne hinter den Lippen erahnen.

"Du schwächlicher Mensch", lachte der Dämon. Seine Stimme klang tief und irgendwie metallisch, wie aus einem uralten Science-Fiction-Film über Roboter. "Sobald ich Deine Energie besitze, werde ich Dich töten!"

<Scheiße, was mache ich jetzt nur?>, dachte Mamoru fieberhaft. Eigentlich gab es für ihn nur zwei Möglichkeiten: siegen oder sterben. Und er hatte eigentlich nicht vor, kampflos aufzugeben.

Er ließ seinen Gegner keinen Moment aus den Augen, während er sich am Boden abstützte und langsam aufstand. Oder besser gesagt: Er wollte aufstehen. Doch dann erinnerte ihn sein Rücken auf schmerzhafte Weise an seinen Muskelkater. Er biss die Zähne zusammen und sank wieder zu Boden zurück.

Der Dämon erleichterte ihm das Aufstehen auf reichlich unsanfte Art und Weise: Er fuhr den sandigen Arm auf die etwa doppelte Länge aus, umklammerte Mamorus Körper damit, hob ihn ruckartig in die Höhe und grinste erst mal breit. Für ihn war das alles nur ein Spiel.

"Wie gefällt Dir das, Menschenkind?"

Mamoru wand sich hin und her und antwortete dabei trotzig:

"Ich bin kein Kind! Und Du tätest besser daran, mich loszulassen!"

"Oder sonst was?", lachte das Monster.

Und es hatte dummerweise Recht. Mamoru war wirklich nicht in der Lage, groß etwas auszurichten. Zumindest nicht in seiner derzeitigen Lage.

<Wenn ich zumindest wieder diesen Kampfanzug mit dem verzauberten Stock hätte>, dachte der Herr der Erde so bei sich. Selbst, wenn das bedeuten müsste, dass er sich im Nachhinein nicht mehr an das Kampfgeschehen erinnern könnte, so war ihm das doch etliche Male lieber, als hilflos zu Tode gequetscht zu werden. Oder was dieser Dämon auch immer mit ihm vorhatte.

Das Dumme war nur, dass Mamoru nie wirklich begriffen hatte, wie er in brenzligen Situationen an diesen Anzug herankam. Das brachte ihm jetzt einige Schwierigkeiten.

Mamoru schaffte es irgendwie, seine Arme aus der Umklammerung zu befreien. Doch als er sich abstützte, um auch den restlichen Körper aus dem weichen Sand zu ziehen, sanken seine Hände wieder in die nachgiebige Substanz ein. Bis sie einen Widerstand spürten. Anscheinend bestand nur die obere Schicht mit einer Dicke von ungefähr zehn Zentimetern aus Sand; darunter war etwas, das ungefähr die Konsistenz von feuchtem Erdboden hatte und sich auch so anfühlte. Das Monster hatte also so eine Art Brunnen um Mamorus Körper errichtet - eine Röhre aus Erde, innen als auch außen mit einer Schicht lockeren Sandes überzogen - aus der sich der Herr der Erde nun unter großer Kraftanstrengung herauszog. Der Dämon beobachtete es und ließ es grinsend geschehen. Anscheinend war dieses Monster sich seiner Sache verdammt sicher. Als Mamoru wieder auf dem Erdboden aufkam, der nicht zum Körper des Gegners gehörte, da ließ dieser die Röhre auch wieder zerfallen und zog seinen Arm auf die ursprüngliche Größe zurück.

Er lachte leise und sprach zu seinem Gegenüber:

"Kampfgeist hast Du ja - das muss man Dir lassen, Mensch. Doch der allein wird Dir nicht viel nützen..."

"Was hast Du mit mir vor?", fragte Mamoru keuchend. Er musste etwas Zeit schinden. Er konzentrierte sich auf seinen Körper. In erster Linie musste er diesen verdammten Muskelkater loswerden, koste es, was es wolle.

Der Dämon lachte siegesgewiss. Er formte aus Erde und Sand eine Liege und machte es sich zunächst einmal bequem. Dann erst antwortete er:

"Nun, wenn Du so neugierig bist, zu erfahren, auf welche Art und Weise Du sterben wirst ... ich dachte daran, Dich in meinem Sand zu ersticken. Langsam. Vielleicht werde ich Dir zwischenzeitlich Chancen und Hoffnungen lassen, die Dir weismachen werden, Du könntest mich doch überleben. Aber schlussendlich wirst Du keine Kraft mehr haben, Dich gegen mich zu wehren. Denn allmählich werde ich Dir Deine Lebensenergie aus dem Leibe entziehen. Du sollst nichts weiter sein, als ein weiteres Opfer für unsere Königin Perilia. Und für unser Königreich des Dunklen."

Mamoru erinnerte sich. Jedyte hatte damals auch gesagt, er komme aus dem Königreich des Dunklen. Aber...

"Was ist das Königreich des Dunklen?", fragte Mamoru. Er spürte allmählich die heilende Wirkung, die seinen Körper überströmte und sich sanft wie ein Seidentuch über seine Schmerzen legte, um sie zu verdrängen.

Der Dämon dachte einen Augenblick lang nach. Er maß Mamoru mit spöttischem Blick in den steinernen Augen und seine Stimme klang voll Hohn, als er sprach:

"Ich wüsste nicht, warum ich Dir das beantworten sollte, Du Mensch, der Du dem Tode geweiht bist. Du würdest dieses Geheimnis ja doch nur mit ins Grab nehmen, und damit vertue ich mir nur meine Zeit. Gib Dich damit zufrieden, dass Meister Sardonyxyte mich beauftragt hat, Dich zu töten."

"Sardonyxyte?", fragte Mamoru nach. "Nie gehört, den Namen."

Er ließ es auf einen Versuch ankommen.

"Dieser Typ scheint keinen so großen Ruf zu genießen wie Jedyte."

Und er traf damit ins Schwarze.

"Du kennst General Jedyte?", fragte der Dämon skeptisch nach. Nun erhob er sich von seiner irdenen Liege, die daraufhin in ihre Bestandteile zerfiel, und näherte sich mit langsamen, gleitenden Schritten Mamoru, wobei seine Füße eigentlich nie den Kontakt zum Boden verloren. "Woher kennst Du ihn, Mensch?"

Nun war es Mamoru, der siegessicher grinste.

"Sagen wir ... er war sich genauso sicher, mich töten zu können, wie Du es jetzt bist. Aber soll ich Dir noch was sagen?"

"Sprich!", forderte der Dämon.

"Komm noch etwas näher", bestimmte Mamoru. "Ich sage es Dir ... aber ... es ist ein Geheimnis..."

Als der Dämon nahe genug heran war und Mamoru sich sicher sein konnte, dass sein Körper der Belastung standzuhalten vermochte, da sprang der Herr der Erde mit einem - für einen gewöhnlichen Menschen - gewaltigen Satz in die Luft, drehte sich dabei und ließ seinen Fuß in das Gesicht seines Gegners krachen.

Jeder menschliche Kontrahent - selbst Chikara - hätte nach so einer Attacke den Boden geküsst. Doch dieser Widersacher - und daran dachte Mamoru leider einen Tick zu spät - hatte ein Gesicht aus massivem Granit. Mamoru brüllte vor Schmerz auf, landete recht unsanft auf dem Boden und spürte als Folge des harten Treffers den unteren Teil seines rechten Beines nicht mehr. Der Dämon stand derweil noch immer wie eine Eins über ihm und hatte wieder das grinsende Gesicht aufgelegt.

"Netter Versuch", meine seine blecherne Stimme. "Ich glaube, jetzt wird es Zeit für meinen Zug in diesem Spiel."

Er streckte wieder seine sandige Hand aus, packte Mamoru am Hemd und hob ihn spielend leicht hoch. Aus der Handfläche des Ungeheuers schoss - wie aus dem Lauf einer Pistole - ein etwa faustgroßer Stein heraus, der sich in Mamorus Magen katapultierte und den Herrn der Erde einige Meter weit mit sich riss, durch die Luft segeln und sehr hart wieder auf dem Boden aufkommen ließ. Mamoru fühlte sich wie vom Zug gerammt. Er rang verzweifelt nach Luft und die Schmerzen trieben ihm bunte Sternchen vor die Augen.

Sein Blickfeld wurde gerade rechtzeitig wieder klar um zu sehen, wie der zweite Stein auf ihn zugeflogen kam. Er spannte seine Muskeln an, um aus dem Schussfeld zu kommen. Doch die Zeit reichte absolut nicht mehr, um zu reagieren. Das harte Geschoss traf ihn an der Stirn und schleuderte seinen Kopf in den Sand. Diesmal brauchte er wesentlich länger, um die dunklen Nebel, die seinen Geist verhüllen wollten, zurückzukämpfen. Die Pein pochte wild in seinem Schädel und in seiner Magengegend. Blut lief ihm quer über das Gesicht. Keuchend und mit schwerem Schwindelgefühl versuchte er sich wieder aufzuraffen. Der Dämon stand neben ihm und beobachtete das Ganze. Das Grinsen war allerdings aus seinem Gesicht radiert.

"So geht es denen, die sich dem Dunklen Königreich entgegenstellen", meinte er missmutig. Anscheinend hatte er die Faxen dicke. Allmählich wurde es für ihn Zeit, diesem überheblichen Menschen zu zeigen, wer hier das Sagen hatte.

"Bereite Dich auf Dein Ende vor", brummte er. Er hob seine sandige Hand. Der Sand zog sich zurück und legte somit einen steinernen Speer mit rasiermesserscharfer Spitze frei, der auf Mamorus Herz zielte.

Der Herr der Erde starrte mit schreckgeweiteten Augen auf die Waffe. Fliehen kam nicht in Frage, kämpfen konnte er auch nicht mehr und sterben war nicht in seinem Sinne.

"Heilige Macht des Goldenen Kristalls", flüsterte er tonlos. Die Worte überschlugen sich fast, so schnell waren sie gesprochen. "Gib mir Deine Kraft. Steh mir bei! Bitte, hilf mir! Bitte, Goldener Kristall, ich flehe Dich an, erscheine! ...HILF MIR!" Die letzten beiden Worte brüllte er unter vollem Einsatz seiner Stimmbänder heraus. Doch in dieser brenzligen Situation versagte die Konzentration, die er hätte aufbringen müssen, um den Kristall zu rufen. Angstvoll zitternd sah er an seinem übermächtigen Gegner hoch.

"Zu spät für jegliche Hilfe", antwortete der Dämon eiskalt. "Deine Zeit ist um, Mensch!"

"SOFORT AUFHÖREN!", ertönte eine männliche Stimme. Die Köpfe der beiden Kontrahenten ruckten gleichzeitig herum.

"Wer ist da?", fragte der Dämon.

Der Herr der Erde starrte die Person an, die aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien. Man hätte diesen Menschen auf den ersten Blick eher für einen Roboter oder für einen Außerirdischen halten können, denn der ganze Leib war von einem metallenen Panzer von roter Farbe bedeckt. Nur an den Unterarmen, an den Schienbeinen, im Brustbereich und ein wenig am Helm war eine weiße Färbung angebracht. Der Helm war um die Augenpartie herum von einem tiefschwarzen Visier verdeckt, sodass man das Gesicht des Mannes nicht sehen konnte. An manchen Stellen des metallenen Anzuges, wie beispielsweise an den meisten Gelenken, kam eine Art schwarzer Hautanzug zum Vorschein. Die gesamte Panzerung war sehr enganliegend und ließ auf die gut ausgeprägte Muskulatur des Mannes schließen. Aber wer zum Teufel latschte in dieser Affenhitze in so einem Anzug rum???

Der Typ stand in lässiger Haltung da und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er starrte in die Richtung, wo sich Mamoru und der Dämon befanden. Als er endlich sprach, war seine Stimme durch den Helm etwas gedämpft:

"Aus der Oortschen Wolke bin ich hier, um dieses Sonnensystem vor dem Bösen zu beschützen ... ich bin Sailor Asteroid!"

"...Sailor ... Asteroid...?", fragte Mamoru flüsternd nach. Irgend eine Glocke klingelte in seinem Oberstübchen auf, aber er wusste dennoch mit diesem Namen nicht recht etwas anzufangen. Nicht so der Dämon.

"Verfluchter Sailorkrieger!", heulte er auf. Er wandte sich dem Mann zu und hob den Arm, um seine Steinpistole abzufeuern. Doch der Krieger reagierte viel schneller. Noch während der Stein durch die Luft geschleudert wurde, rannte Sailor Asteroid einige Schritte weit, um sich vor dem Geschoss in Deckung zu bringen, blieb dann abrupt stehen, streckte dem Dämon die Arme entgegen und schrie:

"Feuerregen - flieg!"

Etliche winzige, brennende Steinchen erschienen mitten in der Luft, die dem Dämon entgegenflogen und lange, brennende Schweife nach sich zogen; wie bei Sternschnuppen. Sie flogen wahnsinnig schnell. Und sie schienen eine gewaltige Wucht zu haben. Als der Dämon getroffen wurde, jaulte er auf und wurde davongeschleudert. Der steinerne Speer, der vor Augenblicken noch auf Mamorus Brust gerichtet gewesen war, zerbrach, und die Einzelteile regneten auf die Erde.

Mehr schlecht als recht arbeitete sich der Herr der Erde auf alle Viere hoch und krabbelte davon. Erst mal in Sicherheit bringen. Immerhin verspürte er jetzt wieder ein Gefühl in seinem rechten Bein. Auch der Dämon stand ächzend und keuchend so langsam wieder vom Boden auf, doch das registrierte Sailor Asteroid nur ganz nebenbei. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den verletzten Zivilisten, der hier beim Kampf Gut gegen Böse einfach nur fehl am Platze war. Der Sailorkrieger streckte die Hand aus und half dem Verwundeten, aufzustehen.

"Geht es Dir gut?"

"Ja, das wird schon wieder", antwortete Mamoru keuchend. "Danke!"

"Kannst Du alleine stehen?"

Mamoru versuchte es. Er hatte Probleme damit, das Gleichgewicht zu halten und er fühlte sich trotz der Aufregung müde und geschwächt, aber er schaffte es dennoch, sich aufrecht zu halten.

"Mir ist ganz schön schwindlig. Aber ich denke, ich bin okay."

In dieser kurzen Zeit hatte sich der Dämon erhoben und seinen geschundenen Körper begutachtet. Dort, wo die heißen Sternschnuppen in seinen Körper eingedrungen waren, war der Sand zu Glas geschmolzen, das sich noch nicht völlig abgekühlt hatte. Und der Dämon hatte auch schon eine Idee, was man damit machen konnte...

Er sammelte das flüssige Glas und ersetzte seine Steinpistole durch eine Glasschleuder...

Im hinterletzten Augenwinkel bemerkte Mamoru eine Bewegung. Der Dämon! Den hatte er sogar einen Augenblick lang völlig vergessen. Er sah nur, wie sich etwas Unförmiges mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zu bewegte.

"Pass auf!", rief er, stürzte sich vorwärts, riss den Sailorkrieger mit sich zu Boden und rettete ihn in der letzten Sekunde vor den heißen Glastropfen, die nun knapp hinter den Beiden in den Boden einschlugen.

"Das nächste Mal treffe ich!", prophezeite der Dämon und bereitete die nächste Salve vor.

"Nicht, wenn ich es verhindern kann!", tönte plötzlich eine weitere unbekannte Stimme. "Eissturm - flieg!"

Tennisballgroße Eiskristalle flogen dem Dämon um die Ohren und hüllten ihn in wenigen Sekunden ein.

Als Mamoru den Blick hob, standen da zwei Personen, die ihm bisher noch gar nicht aufgefallen waren. Auch sie trugen diese hypermodern anmutenden metallenen Rüstungen wie Sailor Asteroid. Doch an den Ausbeulungen im Brustbereich erkannte Mamoru überdeutlich, dass es sich diesmal um Frauen handelte.

Die Sailorkriegerin, deren Rüstung in erster Linie weiß war und wo nur einige wenige Stellen von schwarzer Farbe waren, ließ ihre Arme sinken. Sie war es, die gerade die Eisattacke gegen den Dämon abgeschossen hatte. Sie sprach als erstes:

"Aus der Oortschen Wolke bin ich hier, um dieses Sonnensystem vor dem Bösen zu beschützen ... ich bin Sailor Komet!"

Und dann stellte sich die letzte Person vor:

"Aus der Oortschen Wolke bin ich hier, um dieses Sonnensystem vor dem Bösen zu beschützen ... ich bin Sailor Aurora!"

Die Rüstung von Sailor Aurora glänzte golden im Licht der Sonne. Teile des Helmes, des Brustbereiches, der Unterarme und der Schienbeine waren bei ihr dunkelblau. Sie hob ihre Arme ausgestreckt in die Luft, während sich der Dämon allmählich wieder aus dem Eis befreite. Er sah die Sailorkriegerin in der goldenen Rüstung an und erstarrte, mit angsterfülltem Ausdruck auf dem Gesicht.

"Damit werdet ihr verdammten Sailorkrieger nie durchkommen!", schrie er.

"Das werden wir noch sehen!", rief Sailor Aurora. "Supernova - flieg und sieg!"

Über ihren Handflächen erschien ein gleißend heller, golden strahlender Ball. Er flog auf den Dämon zu, wurde dabei größer, verfärbte sich dunkelrot und beim Kontakt mit dem Monster explodierte der Ball und Flammen züngelten sich in den Himmel. Dann war alles vorbei. Etwas Asche und eine handvoll verbrannter Erde, mehr blieb nicht von diesem teuflischen Wesen übrig. Sailor Aurora und Sailor Komet kamen angelaufen, noch während Sailor Asteroid aufstand und Mamoru auf die Beine half.

"Ist noch alles an Dir dran?", fragte der Krieger.

"Ja, ich lebe noch", antwortete Mamoru und klopfte sich den Staub aus den Kleidern. "Das glaube ich zumindest."

Asteroid lachte. "Du machst auf mich einen sehr lebendigen Eindruck. Und übrigens ... vielen Dank. Es war echt mutig von Dir, dass Du mich vor der Attacke des Dämons beschützt hast."

"Nicht der Rede wert."

"Doch der Rede wert", bekräftigte Sailor Komet. "Außerdem bist Du schwer verletzt. Deine Stirn blutet."

Mamoru fasste sich an den Kopf und sah dann auf seine Fingerspitzen, die vom Blut rot schimmerten.

"Kein Grund zur Sorge", antwortete er. "Es ist nicht so schlimm, wie es vielleicht aussieht. Bald wird es wieder vergessen sein. ...Aber sagt mir ... was seid ihr? Was ... sind die Sailorkrieger?"

Komet und Asteroid starrten in Auroras Richtung. Das war zumindest Mamorus Eindruck, der die Gesichter unter den schwarzen Visieren auch aus dieser kurzen Entfernung nicht erkennen konnte. Anscheinend, so vermutete er weiter, war Aurora die Anführerin. Schon der goldene Glanz ihrer Rüstung verlieh ihr eine gewisse Autorität.

Aurora zögerte lange mit der Antwort. Schließlich meinte sie ausweichend:

"Es ist nicht leicht zu erklären. Sagen wir ... wir Sailorkrieger haben die Aufgabe, für den Frieden und die Ordnung zu sorgen. Wir stehen für Liebe und Gerechtigkeit. Das abgrundtief Böse hat sich in der Welt breit gemacht, und wir müssen es bekämpfen. Der Dämon, den Du vorhin gesehen hast und der Dich angegriffen hat, der gehörte zu unseren Feinden. Aber Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, wir werden Dich in Zukunft vor diesen Teufeln bewahren, so gut wir nur können."

"Wir müssen gehen", sagte Komet.

Asteroid klopfte Mamoru auf die Schulter. "Pass auf Dich auf."

"Aber ... aber...", machte Mamoru. "Ich hab noch so viele Fragen!"

Doch darauf nahmen die Sailorkrieger keine Rücksicht. Mit der gewaltigen, schier übermenschlichen Kraft, die ganz offensichtlich den Sailorkriegern innewohnte, machten die drei einen gewaltigen Satz in die Luft, kamen etliche Meter weiter wieder auf und verschwanden schlussendlich in einer Wolke aus Staub.

"Na, ganz toll!", wetterte Mamoru los. "So was von unhöflich!"

Dann seufzte er resigniert. Da traf er endlich mal auf Leute, die ihm hätten seine Fragen beantworten können, und dann so was. Aber immerhin wusste er jetzt, dass er nicht ganz alleine war bei seinem Kampf gegen die bösen Mächte. Er hoffte, später wieder auf die Sailorkrieger zu treffen; vielleicht unter friedlicheren Umständen. Er überlegte sich, diese Krieger müssten eigentlich ein Privatleben haben, genau wie er. Wie mochten sie wohl als ganz gewöhnliche Menschen sein?

Mit diesen und ähnlichen Gedanken nahm er den Weg zur Mustang-Ranch wieder auf. Sein Pferd Hyperion war weit und breit nicht zu sehen.

<Na, hoffentlich ist er zumindest nach Hause gegangen. Wenn ich mich jetzt auch noch auf die Suche nach ihm machen muss, werde ich wahnsinnig!>

So trabte er in Gedanken versunken einige Minuten dahin und merkte erst ziemlich spät, dass ihm Rick auf Elvis und Elyzabeth auf Gabriel entgegen geritten kamen. Sie hatten Hyperion im Schlepptau. Mamoru winkte ihnen zu. Und mit einem Male kam ihm ein aberwitziger Gedanke in den Sinn: <Wieso bin ich eigentlich nicht vor dem Dämon davongelaufen?>

Dieser Gedankengang verblüffte ihn für einen Moment. Jeder Mensch, dessen Gehirn auch nur einigermaßen richtig arbeitete, hätte schreiend das Weite gesucht. Und was war Mamorus Gedanke gewesen? <Wie kämpfe ich gegen diesen Gegner an?>

Ganz so, als sei es für ihn das Natürlichste auf der Welt, gegen Dämonen und böse Geister zu kämpfen ... seltsam...

"Yo, Kleener!", begrüßte ihn Rick, als er und Elyzabeth heran waren. Er grinste und kaute auf seinem Kaugummi herum.

Das Mädchen an seiner Seite blieb nicht annährend so cool. Elyzabeth sprang von Gabriel herunter und rannte Mamoru die letzten paar Schritte entgegen.

"Mamoru! Wie geht es Dir? Was ist passiert? Himmel, Du blutest ja fürchterlich!"

Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und tupfte das Blut von seinem Gesicht.

Rick derweil blieb einfach nur auf Elvis hocken und schüttelte langsam den Kopf.

"Weiber, Weiber", meinte er. "Machen gleich aus ner Mücke nen verdammten Elefanten."

"Mir geht es gut", versuchte Mamoru Elly zu beruhigen. Irgendwie gefiel es ihm, dass sie sich Sorgen um ihn machte.

<Das hätte Hikari nicht getan>, dachte er verbittert. Dann schob er die Gedanken an seine Verflossene rücksichtslos zur Seite.

"Kleener", rief ihn Rick, "sach ma', wat zum verdammten Geier is'n passiert, zum Teufel? Dein Scheißgaul kommt so daher stolziert und hat keen Reiter nich auf'm Sattel. Wat war'n los, zum Henker? Und wat soll'n det Loch in Dei'm Kopp?"

"Ich ... ähm..."

Mamoru hatte irgendwie keine Zeit gefunden, die Wunde wieder verheilen zu lassen. Er hatte es schlicht und ergreifend ... vergessen ... so bescheuert das auch klingen mag. Aber er war so dermaßen tief in seinen Gedanken versunken, die sich nur um die neuen Sailorkrieger gedreht hatten, dass er nicht eine Sekunde damit verschwendet hatte, sich um seine Schmerzen zu kümmern.

Dafür kamen sie jetzt mit doppelter Wucht zurück.

Als Ausgleich.

Mamoru durfte jetzt nicht seine heilenden Fähigkeiten einsetzen. Das würde nur Fragen aufwerfen, die er jetzt lieber nicht beantworten wollte.

Was sollte er denn machen?

Sollte er sagen <schaut mal da, hinter euch!> und - plopp - schon wäre die Wunde wie durch einen Zauber verschwunden?

Wer's glaubt...!

Und von dem Kampf gegen einen Dämonen konnte er auch gar nicht erst anfangen. Wenn er dann noch von den Sailorkriegern erzählte, die ihn gerettet haben ... er säße binnen einer Stunde in der Klapse, das war sicher.

...Oder kannten Rick und die Anderen vielleicht die Auseinandersetzungen zwischen den Kriegern und den Dämonen?...

Doch der Herr der Erde wollte es lieber nicht auf einen Versuch ankommen lassen.

"Ey, Kleener! Ich wart noch uff ne Antwort! Oder is Dir die Sprache verschlagen?"

"Ähm ... ich ... ich ... kann ... mich nicht mehr daran erinnern. Tut mir Leid. Ich weiß es echt nicht mehr."

Elyzabeth schaute besorgt drein und Rick schob sich erst mal nur den Hut ein wenig aus der Stirn raus. Keiner sagte einen Ton.

Mamoru ging noch einen Schritt weiter:

"Es kann doch gut möglich sein, dass ich ... vom Pferd gefallen bin? Ich weiß es nicht mehr..."

Rick kaute erst eine Weile nur auf seinem Kaugummi herum. Dann meinte er:

"So, wie ich 'n ollen Hyperion kenn, isser 'n verdammt ruhiger Charakter. Nix kann den so flott aufschrecken. Der is nich auser Ruhe zu kriegen, isser nich. Wat, verdammt, könnt passiert sein, det Du so mir nix - Dir nix von dem sein Rücken runterfliegst?"

"Aber Rick", warf Elly ein, "selbst Hyperion kann sich erschrecken, wenn eine Klapperschlange oder etwas Ähnliches auftaucht."

"Hier gibt es Klapperschlangen?", fragte Mamoru verblüfft nach. Ihm war bisher noch keine über den Weg gelaufen ... oder gekrochen. Nicht, dass es ihm bewusst geworden wäre.

"Mehr als genug", antwortete sie.

Rick kam vermutlich auch allmählich auf den Gedanken, dass selbst der gutmütige Hyperion sich vor dem Einen oder Anderen fürchten mochte oder erschreckt haben könnte. Er wies mit dem Daumen auf das Pferd, das hinter Elvis stand.

"Steig auf. Wer bringen Dich erst ma' aufe Mustang-Ranch und schaun uns die Wunde ma' an. Echt, Kleener. Nix als Ärger mit Dir. Da lässt ma' Dich nur ein Ma' alleene ... und dann so wat. Ungeheuerlich, wa?"

Mamoru stieg also auf Hyperion. Elly gab noch zum Besten, dass es vielleicht das Gesündeste wäre, er würde mit seiner Verletzung lieber laufen, als zu riskieren, nochmals von Hyperion zu stürzen. Aber Rick hatte sie bald davon überzeugt, dass die Wunde lieber schnell behandelt werden sollte, und das Laufen zu anstrengend sei, besonders bei einer Verletzung, die den Gleichgewichtssinn massiv beeinflusse, wie das jetzt bei Mamoru der Fall war. So gab sie sich bald zufrieden und stieg wieder auf ihren Gabriel. Gemeinsam ritten sie in Richtung Mustang-Ranch.

Plötzlich fing Rick an zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd. Er drehte sich den andren beiden zu und meinte:

"Mann, ich hätt jetz Bock auf Klapperschlangensuppe!"

Mamoru schaute ein wenig bedröppelt aus der Wäsche. Er wandte sich Elly zu:

"Meint der das ernst?"

"Ach, hör nicht auf den. Der hat immer mal wieder so seine fünf Minuten, in denen er rumspinnen muss."

"Spinnen", griff Rick Ellys Wort auf und kratzte sich am - heute ausnahmsweise mal sauberrasierten - Kinn. "Die dürfen natürlich auch nich fehlen, wa?"

Dann nahm er seine beiden Zeigefingerspitzen in den Mund und stieß einen langen, lauten Pfiff aus. Und als Mamoru einen Blick nach vorne warf, sah er auch, wozu das gut sein sollte: Tony und Fala kamen den Dreien entgegen geritten. Nur Augenblicke später hatten die beiden Mädels die kleine Gruppe erreicht und nun ritten sie gemeinsam zur Mustang-Ranch, wo Rick erst mal Mamorus Wunden versorgte.

<Vielleicht>, so dachte der Herr der Erde bei sich, als ihm ein etwas übertrieben dicker Verband um den Kopf gewickelt wurde, <ist es eine ganz gute Idee, alles wie einen Reitunfall aussehen zu lassen. Die Frage ist nur: Was sage ich, falls es wieder zu einem Kampf mit einem Dämonen kommt? Und wenn diese unschuldigen Menschen darin verwickelt werden?>

"Mach nicht so ein Gesicht", munterte Tony ihn auf. "Die Wunde verheilt ja auch wieder."

"Ich schaue nicht wegen meiner Verletzung so aus der Wäsche", erklärte Mamoru.

"Sondern?"

"Ich hab über etwas anderes nachgedacht", wich er aus.

"Nämlich?"

"Meine Güte! Und wenn ich über Oliven mit Käse überbacken nachdenke! Lass mich doch, um Himmels Willen!"

"Igitt." Das war alles, was Tony dazu sagte.

"Denk lieber über nützlichere Sachen nach", riet Rick. "Zum Beispiel darüber, wiede in Zukunft heil hier ankommst, wa? Wär vielleicht besser, Du würdst mi'm Auto herfahrn. Hast eins?"

"Natürlich nicht!", antwortete Mamoru und zog die Augenbrauen zusammen. "In Japan macht man den Führerschein erst im Alter von zwanzig Jahren!"

"Häh?", machte Rick. Dann zuckte er mit den Schultern. "Du bist aber nu nimmer in Japan. Du bist nu hier. Inn'en USA. Hier kannste 'n Führerschein mit sechzehn machen. Wat soll'n Dich davon abhalten?"

"Mein knappes Budget?", entgegnete Mamoru.

"Verdammt gutes Argument", erwiderte Rick und kratzte sich am Kinn. Dann klappte er den Erste-Hilfe-Koffer wieder zusammen und räumte ihn weg. In der Zeit ließ sich Fala auf eine der Couchen im Wohnzimmer fallen und sah Mamoru besorgt an.

"Geht es Dir denn jetzt schon besser?", erkundigte sie sich.

"Als ob nichts gewesen wäre!", tat Mamoru es ab. Dann fragte er:

"Ihr habt alle nach mir gesucht?"

"Klar doch!", sprudelte es aus Tony heraus. "Fala hat gespürt, dass was nicht in Ordnung war. Und als wir dann nach draußen gegangen sind, stand da Hyperion. Alleine. Da war natürlich was faul dran. Da sind wir in alle vier Himmelsrichtungen ausgeschwärmt, um Dich zu suchen."

Mamoru schaute Fala skeptisch an. Sie hatte es gespürt? Was konnte das bedeuten? Mamoru überlegte sich, was Fala vielleicht alles wissen konnte. Ob sie vielleicht sogar von dem Dämon und vom Auftauchen der Sailorkrieger wusste? Was mochte sie noch alles wissen?

Ihre Augen ... ihre tiefschwarzen Augen...

Ein eiskalter Schauer lief über Mamorus Rücken. Ihm war noch immer, als sei etwas an ihrem Blick, das er von früher kennen musste, und das er nicht verstehen konnte. Aber jetzt, genau in diesem Augenblick, ängstigte diese Tatsache den Herren der Erde. Er konnte es sich nicht erklären, aber etwas wie ein Instinkt tief in ihm warnte ihn, die junge Indianerin zu unterschätzen. Die mystische Aura, die sie umgab, zeigte deutlich, dass sie etwas Besonderes war.

Und wenn Mamoru sich täuschte?

Wie konnte es sein, dass ein eigentlich ganz normales Mädchen in ihm einen gefährlichen Eindruck erweckte?

Fala ...

Sie hat also...

"...was gespürt", murmelte Mamoru seine Gedanken halblaut vor sich her. "Fala? Sag mir bitte ... wie ist das, wenn Du ... ich sag mal ... die Zukunft vorausahnst? Wie fühlt sich das an? Siehst Du richtige Bilder in Deinem Kopf? Oder wie darf ich mir das sonst so vorstellen?"

"Gefühle zu erklären ist nicht so leicht, wie Du Dir bestimmt vorstellen kannst", antwortete Fala mit leiser Stimme. Der stechende Blick in ihren tiefschwarzen Augen bohrte sich so tief in Mamoru hinein, dass er für einen Augenblick glaubte, sie könne nicht nur die Zukunft sehen, sondern auch Gedanken lesen und ihn hypnotisieren. "Ich werde trotzdem versuchen, es zu beschreiben. Manchmal ist es nur sehr schwach. Dann ist es mehr ein Gefühl; ein Instinkt, der tief im Herzen sitzt, und der nicht leicht zu deuten ist. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich irre, am höchsten. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ... wie soll ich sagen? ... als ob ich ein leises Wispern in meinem Kopf höre. Gerade so leise, dass ich die Worte selbst nicht mehr verstehen kann. Aber ich habe gelernt, dass dann meist eine Gefahr droht, und dass ich mit erhöhter Wachsamkeit auf meine Umwelt achten sollte. Und manchmal ist alles sehr intensiv; dann sehe ich wirklich einen Film vor meinen Augen. Der kann auch qualitativ besser oder schlechter sein. Manchmal sehe ich nur Bilder; und sehr selten bin ich mir der gesamten Situation bewusst, die mir gezeigt wird. Und dann ist es auch noch davon abhängig, ob ich schlafe oder wach bin. Im Traum werde ich nicht so leicht von äußeren Einflüssen gestört und abgelenkt. Aber ich kann meine Visionen nie steuern. Ich kann nicht selbst bestimmen, ob ich jetzt eine bestimmte Zukunft sehen kann. Doch dazu verwende ich ganz gerne meine Tarot-Karten. Aber ich nutze sie eigentlich eher selten. Und bevor Du fragst: Nein, ich kann Dir nicht die Lottozahlen von nächster Woche sagen."

In ihrem Gesicht war nicht das geringste Fünkchen an Humor zu lesen gewesen, als sie den letzten Satz gesprochen hatte. Sie blieb die ganze Zeit über ernst, ja regelrecht gefühlskalt. Als habe jemand einer sehr hübschen Porzellanpuppe das Sprechen beigebracht.

Noch ehe Mamoru ihre Worte im Geiste fertig überdenken konnte, fuhr sie mit ihren Erzählungen fort:

"Mein vollständiger Name lautet Fala Dreaming Tear. Wie ich schon oft genug ausgeführt habe, hat <Fala> die Bedeutung <Die Krähe>. Und auch mein Nachname hat eine besondere Bedeutung. Unter meinen Ahnen hat es schon viele wie mich gegeben. Menschen, die eine Ahnung davon hatten, wie die Zukunft verlaufen könnte. Die Zukunft, die von meinen Vorfahren prophezeit worden ist, war meist von negativem Einfluss bestimmt. Naturkatastrophen, Hungersnöte, Krankheit, Tod ... die Liste ist lang. Nur wenige der Vorhersagen verheißen Gutes. Und auch, wenn man die Zukunft zu kennen glaubt, so hilft das zumeist nur sehr wenig. Man kann sich dann mental auf das Kommende einstellen, aber verhindern kann man es in den meisten Fällen nicht. Der menschliche Geist ist eigentlich von Natur aus nicht dazu geschaffen, so viel Leid zu ertragen. Die Visionen bescherten so Manchem tränenreiche Träume. Viele meiner Vorfahren sind unter der psychischen Belastung zusammengebrochen. Sie wurden verrückt oder starben weitaus früher, als normal gewesen wäre. Und weil ihre Visionen - ihre Träume - so voller Trauer waren und so viele Tränen einbrachten, wurde daraus der Name all derer, die das Blut meiner Ahnen in sich tragen, und all derer, die eben dieses Blut in den weiteren Generationen tragen werden. Dreaming Tear. Die träumende Träne. Oder auch der Traum der Träne. Das Symbol für das Leid dieser Welt schlechthin."

Das Leid dieser Welt.

Mamoru kannte das Leid dieses Planeten. Er hatte einen kleinen Vorgeschmack davon bekommen, was es alles an Glück und Schmerz auf dieser Erde gab, als damals der Goldene Kristall zum ersten Mal erschienen war und er als der Herr der Erde erwachte. Auch, wenn diese Eindrücke, die er damals gesammelt hatte, nur für Sekundenbruchteile auf ihn eingestürmt waren, so hatte er dennoch nichts von ihrer Gewalt vergessen können. Ein ähnlich intensives Gefühl hatte er danach nie mehr verspürt.

Mamoru vermutete, dass Falas Visionen wohl nicht ganz so intensiv waren wie seine Verschmelzung mit diesem Planeten, aber als Ausgleich dafür traten sie wesentlich häufiger auf. Er fühlte das sachte Aufkommen von Mitleid in seinem Herzen. Fala musste wohl schon jede Menge durchgemacht haben. Wenn man es von dieser Warte betrachtete, dann war es nur verständlich, dass die junge Indianerin einen solch harten und eisigen Eindruck machte. Mit einem gewissen Pensum an negativen Einflüssen stumpfte der menschliche Geist allmählich ab.

Elyzabeth, die fast die ganze Zeit gegen die Wand gelehnt dagestanden hatte, entfernte sich nun von ihrem Platz und hockte sich neben Mamoru auf das Sofa.

"Nun mach Dir keinen Kopf", sagte sie und knuffte ihm gegen die Schulter. "Fala hat sich längst dran gewöhnt. Ihr macht es nichts aus."

"Halt Du Dich da raus!", blaffte Fala sie an. "Du hast ja keine Ahnung, was das alles für mich bedeutet!"

"Eine Runde Mitleid für Miss Universum!", spottete Elyzabeth daraufhin.

"Das muss ich mir nicht bieten lassen!" Wutentbrannt sprang Fala auf.

"Dann nimm doch Deinen Hexenbesen und zauber Dich davon!", entgegnete Elly lautstark. Auch sie war jetzt auf den Beinen.

"Hey, hey!", mischte Mamoru sich ein. "Kein Streit, ihr beiden!"

Elly wandte sich ihm zu. In ihren Augen blitzte es vor Zorn.

"Merkst Du denn nicht, Mamoru, wie sie sich aufplustert? Die Schnepfe denkt sich doch nen Scheißdreck zusammen, um toll dazustehen!"

"Weißt Du", meinte Mamoru zögerlich, "irgendwie ... glaube ich Fala. Es gibt auf dieser Welt ne Menge Zeug, dass man sich nicht so leicht erklären kann."

"Du..." Elly stockte kurz. "Du stellst Dich auf ihre Seite? Das ... das ist zuviel."

Damit rannte sie aus dem Wohnzimmer.

"Elyzabeth!", rief Mamoru noch hinterher. Doch da knallte auch schon die Tür zu.

Fala setzte sich wieder hin. Ihr Gesicht zeigte nun wieder keine Gefühlsregung mehr. Auch Mamoru setzte sich seufzend hin.

"Was ist mit ihr los?", fragte er.

Rick grinste und winkte ab. "Lass det ma' gut sein. Weißte, Elly ... se is bisschen ... nu ja ... einzigartig. Ich weiß irgendwie nie, wat in der ihrem Schädel abgeht. Ma' isse voll still und gibt keen Ton nich von sich, und ma' geht se von null uff hundertachtzig in drei Sekunden. Kann sein, Moin hat se wieder alles vergessen."

"Sie wirkte irgendwie gekränkt auf mich", murmelte Mamoru nachdenklich. "Ob ihr meine Meinung so wichtig war?"

"Wat, für Elly? Deine Meinung wichtig? Lass mich Dir ma' eins sagen, Kleener: Elly is ne Männerhasserin. Ich wüsst nich, wieso die sich für nen verdammten Piepton von Dir interessieren tät."

"Eine Männerhasserin?", fragte Mamoru verblüfft nach. Dann grinste er verschmitzt. "Dät is mia vadammt nomma gaa nisch so voägäkomm', wa?"

"Wat'n'dat'n??", fragte Rick verständnislos.

"Ich wollte nur mal so reden wie Du", antwortete Mamoru schulterzuckend, woraufhin sich Tony köstlich amüsierte. Sie bekam sich schier nicht mehr ein vor Lachen. Selbst Fala konnte das ein kleines Lächeln abringen.

"Lass det ma' besser mein Ding sein, verfluchte Scheiße nomma, wa?", antwortete Rick. "Wirst schon seh'n. Elly hat bisher keenen Mann nich an sich ran gelassen, und Du wirst nich der Erste sein, Kleener."

Tony nahm ihren Cowboyhut ab, kratzte sich nachdenklich am Kopf und meinte:

"Ich verstehe gar nicht, warum Elly so mies gelaunt ist. Immerhin hat sie in ein paar Tagen ihren siebzehnten Geburtstag."

"Noch bisschen mehr wie ne Woche", pflichtete ihr Bruder ihr bei.

"Und? Habt ihr eine Party geplant?", wollte Mamoru wissen.

"Aber hallo!" Rick grinste breit und kaute einige Male auf seinem Kaugummi herum, ehe er weitersprach. "Ich denk ma', die Tene is so wat von passend!"

"Die Tene?", fragte der Herr der Erde nach. "Was soll das denn sein?"

"Die Tenebrae", erklärte Tony. "Du kennst doch Rick. Er muss alles abkürzen."

"Genau", grinste Rick breit. "Ich würd Dich zwar auch abkürzen, Kleener, aber Du bist ja schon so kurz."

"Wie rücksichtsvoll", murmelte der Herr der Erde sarkastisch. Er seufzte. "Um aufs Thema zurück zu kommen, was könnte ich denn für Elly zum Geburtstag besorgen? Ich kenne sie bisher ja kaum. Wofür interessiert sie sich?"

Tony zuckte mit den Schultern. "Fürs Reiten, für ihren Wolf Terra, und ansonsten braucht sie nur manchmal etwas Luft zum Atmen. Ich hab echt kein Plan, was ihre Vorlieben sind. Manchmal glaube ich, sie hat keine."

"Sehr hilfreich ist das grade nicht", meinte Mamoru. Er warf einen Blick zur Tür, durch die Elyzabeth vorhin verschwunden war. "Was meint ihr, soll ich mal mit ihr reden?"

"Du machst Dir wirklich Gedanken um sie, hab ich recht?", stellte Tony fest.

Darauf erklärte er:

"Ich möchte bloß nicht, dass sie sich meinetwegen schlecht fühlt."

Tony nickte. "Folg mir. Ich zeig Dir, wo ihr Zimmer ist."

Sie führte ihn quer durchs Haus, einen Flur entlang, und zeigte ihm die Tür. Dann ging sie wieder zurück. Mamoru klopfte an. Keine Reaktion. Er klopfte erneut.

"Elyzabeth? Ich bin's, Mamoru. Darf ich rein kommen?"

Von drinnen erklang leise ihre Stimme:

"Komm rein."

Er betrat ihr Zimmer. Es war sehr spartanisch eingerichtet. Ein Bett, ein großer Kleiderschrank, eine Kommode, ein Teppich. Mehr nicht. Elyzabeth lag auf dem Bett, Terra besetzte das Fußende. Seine Herrin starrte einfach nur zur Decke.

"Was ist denn?", fragte sie leise und monoton.

"Darf ich mit Dir reden?"

"Worüber?"

Mamoru lehnte sich gegen die geschlossene Tür. Er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte. Einen Moment lang war es sehr still im Zimmer. Die Ruhe wurde nur von leisen Atemzügen unterbrochen, und von Terra, der irgendwann aufstand, auf Mamoru zugelaufen kam und ihn mit fiependen Geräuschen begrüßte. Der Herr der Erde fuhr ihm stumm über das weiche, silbrig glänzende Fell.

"Warum hast Du vorhin so heftig reagiert?"

Elly dachte nach. Dann sagte sie:

"Weiß nicht."

"Was bedeutet Fala Dir?"

"Gar nichts." Sie zögerte kurz. "Sie ist eine Hexe."

"Was stört Dich an ihr?"

"Dir geht es bloß um sie!", giftete Elly.

"Wenn es mir nur um sie gehen würde, wäre ich jetzt nicht bei Dir."

Sie seufzte. Dann erhob sie sich aus ihrer liegenden Position, hockte sich auf die Bettkante und klopfte auf den Platz neben sich. "Setz Dich."

"Danke." Er kam ihrem Angebot nach. "Sag mir, was geht in Dir vor?"

"Warum fragst Du?"

"Weil es mich interessiert", antwortete er.

Sie sah ihn an. Er lächelte zurück. Jetzt lächelte sie auch.

"Das tust Du viel zu selten", sagte er.

"Was denn?"

"Lächeln. Das solltest Du viel öfter tun."

"Wenn ich einen Grund dazu hätte...", antwortete sie.

"Du hast einen Grund", meinte er. "Einen guten Grund. Mich."

"Dich?"

"Würdest Du für mich ein wenig öfter lächeln?"

"Mamoru...?", flüsterte sie.

Dann flog mit einem lauten Knall die Tür auf und Rick kam mit klirrenden Sporen hereingeschlendert.

"Ey, Kleener! Ich hab verdammt nomma nich'n ganzen, verfluchten Tach Zeit. Kommst endlich? Du bist hier, für was zum lernen!"

"Schon mal was von Anklopfen gehört?", antwortete Mamoru spitz.

"Nee. Wat'n'dat? Schwing die Hufe, Kleener. Ich wart draußen."

"Sag mal, Rick, hast Du mir nicht beigebracht, ich soll nicht so hetzen? Und dass ihr hier im Westen alle Zeit der Welt hättet?", meinte der Herr der Erde.

"Nich hetzen, nee, das sollste echt nich. Aber rückwärts laufen is auch bisschen übertrieben. Hopp, beweg Deinen breiten Fernsehsessel-Arsch!" Damit ging er wieder.

Mamoru schüttelte empört den Kopf. Dann wandte er sich Elly wieder zu:

"Geht es Dir jetzt etwas besser?"

Sie seufzte und nickte dann. "Mach Dir um mich keine Gedanken. Mir geht es gut. Nun geh schon, Rick wartet nicht gerne."

"Okay."

Mamoru stand auf und ging zur Tür. Ein letztes Mal drehte er sich noch zu ihr um.

"Wolltest Du nicht gerade noch irgendwas sagen?"

"Hab's vergessen."

"Wenn es Dir wieder einfällt, so viel Zeit wird Rick gerade noch aufbringen können. Ich bin gerne da, zum Zuhören."

Dann verschwand er, seinem nächsten Reitunterricht entgegen.
 

Auch, als der Tag endlich seinem Ende entgegen ging, machte es sich noch Vorwürfe. Denn ohne dass das Ziel seine Anwesenheit bemerkt hätte, war es doch in der Zeit des Kampfes in der Nähe gewesen.

Nur, dass es nicht von Anfang an zur Stelle gewesen war.

Und das hätte eigentlich der Fall gewesen sein müssen.

Als es am Ort des Geschehens angekommen war, da war der Kampf schon im vollen Gange. Und es hatte zu lange gezögert. Beim Auftauchen der Sailorkrieger hatte es nicht mehr einschreiten können. Denn das hätte unter Umständen bedeutet, die Identität des Herrn der Erde zu verraten. Man hätte ihn nicht mehr für einen gewöhnlichen Sterblichen halten können, wäre er von jemandem wie ihm beschützt worden.

Es verfluchte sich selbst dafür, dass es in seiner Mission so kläglich versagt hatte. Diesmal war alles noch gut gegangen. Und das nächste Mal?

"Mach Dir nicht zu viele Gedanken", versuchte das Tier ihn zu beruhigen. "Der Herr der Erde hat inzwischen gelernt, auf sich aufzupassen."

"Ja, das habe ich gesehen!", giftete es spöttisch. "Der Dämon hätte ihn erledigt, wenn dieser Hampelmann von Sailorkrieger nicht aufgetaucht wäre!"

"Gräme Dich nicht um Sachen, die unabänderlich sind", riet ihm das Tier. "Lass die Vergangenheit ruhen und lerne aus ihr in der Gegenwart für die Zukunft."

"Du hast wohl Recht, mein Freund", sprach es seufzend. "Dennoch lässt mich der Gedanke nicht los, dass ich meine Pflicht vernachlässigt habe."

Es dachte einen Moment lang nach.

"Vielleicht...", sagte es, "...vielleicht wäre es besser, ich wäre Tag und Nacht bei ihm. Ich kann meine menschliche Identität auch wieder aufgeben. In meinem früheren Leben bin ich schon kein Mensch gewesen; Warum also sollte ich jetzt einer sein?"

"Um den Feind nicht auf den Herren der Erde aufmerksam zu machen", erinnerte ihn das Tier. "Die Priorität liegt in seinem Schutz. Denn ohne ihn ist unsere Mission nicht erfüllbar."

"Ich weiß", seufzte es.

Allmählich legte sich die Dunkelheit der Nacht über das Land. Millionen von Sternen schienen vom klaren Himmel herab auf die Erde. Man hätte die Atmosphäre als friedlich bezeichnen können. Wenn es da nur den Feind nicht gäbe...

"Glaubst Du, dass der Herr Der Erde in Sicherheit ist?"

"Warum sollte er das nicht sein?", antwortete das Tier.

"Ich weiß nicht. Mir wäre es nur lieber, er bliebe in meiner unmittelbaren Nähe."

Darauf riet ihm das Tier:

"Tu zumindest so, als seiest Du ein Mensch, leg Dich hin und schlaf. Morgen ist ein neuer Tag, an dem wir unsere Pflicht erfüllen müssen."



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2006-05-03T19:13:19+00:00 03.05.2006 21:13
Was für ein Taktgefühl Ellys Bruder doch hat ..., nicht zu fassen!^^ So, so ne Männerhasserin.., das vergisst sie gegenüber Mamoru aber..., wenn sie nicht auf fala Eifersüchtig ist dann weiß ich auch nicht weiter!^^

Dsa du andere sailor Krieger hast auftreten lassen, das fand ich wirklich sehr interessant und habe damit nun wirklich nicht gerechnet, bin mal gespannt ob die noch ne nähere Bedeutung ahben!!!!

Klasse kappi!!!!!!

Lg^^
Von:  RallyVincento
2006-04-18T17:36:00+00:00 18.04.2006 19:36
Er baggert Elly an... wie knuffig. Wenn Rick nicht reingekommen wäre dann hätten sie sich bestimmt geküsst. *bg*

Dasmit den Sailors war auch coll, hab mich schlapp gelacht. Allein der Gedanke wie die dort in der Wüste, am Arsch der Welt stehen und rufen ..."werde ich dich bestrafen!" *lol*
Das Kapi war toll und ich les bald weiter.


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