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Auch Drachen wollen geliebt werden

Erster Teil der mehrteiligen Drachen-Serie
von

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Das hier ist das erste Mal, dass ich auf Animexx hochlade ... ich hoffe, es hat alles gut geklappt. Das sieht mir irgendwie zu einfach aus T_T
 

Aber egal, try my Fic und kneift die Backen zusammen!
 

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Auch Drachen wollen geliebt werden
 

Chapter 1
 

Es war bereits nach Mitternacht als er die Tür zu seiner Villa öffnete.

Als er in die große Eingangshalle eintrat, schaltete sich sofort der Bewegungsmelder ein, welcher für eine ausreichende Beleuchtung sorgte. Die Angestellten hatten schon vor Stunden ihren Dienst beendet und sich in den Westflügel des großen Hauses zurückgezogen, welcher als eine Art ,Wohnabschnitt' für Bedienstete zu betrachten war. Auf diese Weise waren sie leicht zu erreichen, wenn man sie brauchte. Auf der anderen Seite waren sie immer weit genug weg, wenn man sie gerade nicht brauchte. Wirklich praktisch durchdacht.

Er durchquerte die Halle und stieg die Treppe in den zweiten Stock des Hauses empor, bog zur Rechten ab und öffnete eine Tür, welche wiederum in einen langen Gang führte. Leise öffnete wieder eine Tür und trat in eine Art Privatwohnung ein, welche sich über den Nordflügel der Villa erstreckte. Gewöhnlich ließ sein kleiner Bruder immer die Nachtlampe an, welche im Flur stand, aber heute Nacht war sie nicht eingeschaltet, was ihn etwas ärgerte. Er hasste dunkle Räume! Deswegen schaltete er das große Licht ein und drehte den Dimmer herunter, damit der Schein nicht so grell war, wie der, welchen der Bewegungsmelder in der Halle ausgelöst hatte. Im Allgemeinen war dieser Teil der Villa nicht ganz so grell und protzig, wie der Rest des Hauses, was das Leben dort angenehmer werden ließ.
 

Wie es in den Angestellten-Quartieren aussah, wusste er zwar nicht genau, aber er wusste, dass sie sehr kostspielig waren und sich ihre Bewohner darin wohlfühlten, was ihm als Information genügte. Der Südflügel des Hauses diente für geschäftliche Angelegenheiten. Er war eher praktisch, sowie auch protzig eingerichtet. Man wollte ja nicht nur zeigen, was man hatte, sondern gleichzeitig seine Gäste auch einschüchtern, wenn sie einen schon zuhause belästigen mussten.

Im Osten hatte das Anwesen keinen Wohnflügel, sondern einen großen, gepflegten Garten. Er hatte ihn nach englischem Vorbild gestalten lassen, nachdem er auf einer Geschäftsreise nach Großbritannien, von den kunstvollen Schlossgärten so angetan gewesen war, dass er endlich wusste, was er mit seiner eigenen riesigen Wiese, welche eher mehreren Fußballfeldern glich, hinter dem Haus machen sollte.

So gab es dort einen kleinen Bach, welcher sich um das Gelände schlängelte, ein Labyrinth aus kleinen Hecken, mehrere Springbrunnen, Büsche, die aussahen wie riesige Pfauen, Löwen, Bären, Fische, Pferde oder ganz klar - was natürlich nicht fehlen durfte - Drachen. Freundliche Wege, deren Ränder mit ganzjährig blühenden Blumen gesäumt waren, führten durch diesen traumhaften Schlossgarten. Jetzt bei Nacht, war nur die sparsame Beleuchtung der Wege und der Brunnen zu sehen. Wenn man ganz genau hinhörte, konnte man bei geöffnetem Fenster sogar das leise plätschern des Baches hören.
 

Hach, diese Sommernächte waren einfach zu schön, und viel lieber würde er abends mit seinem kleinen Bruder irgendwo in einem der Parvilions im Garten die Abende genießen, anstatt den ganzen Tag im gut klimatisierten Büro zu sitzen und erst spät in der Nacht heimzukommen. Aber was tat man nicht alles um dem einzigen Menschen, von dem man geliebt wurde, ein schönes Leben zu ermöglichen? Das war die Entbehrungen doch allemal wert!
 

Er hängte seinen Mantel an die Garderobe und zog sich die Schuhe aus. Der Koffer wurde sorgsam in eine Ecke gestellt und bis zum nächsten Morgen nicht mehr beachtet. Jetzt war er müde und wollte nur noch schnell etwas Warmes trinken und dann zu Bett gehen. Mokuba hatte dies doch sicherlich auch schon getan.

Er ging in die geräumige Küche und setzte etwas Teewasser auf. Dann verlies er den Raum wieder und ging an einigen Türen vorbei, bis er endlich vor dem Zimmer seines kleinen Bruders stand und leise die Tür öffnete. Da die Vorhänge nicht zugezogen waren, drang etwas Licht vom Garten herein und ermöglichte einen schemenhaften Blick auf die Einrichtung. Eigentlich ein ganz normales Jugendzimmer, nur eben alles etwas größer und teurer. Ein Schreibtisch mit PC, mehrere Regale und Schränke mit Büchern und anderem Zeug. Ein Media-Schrank mit Stereo-Anlage, Fernseher, Video- und DVD-Player, PlayStation und alles was so dazu gehörte. Und da, in einem großen, kuscheligen Himmelbett, lag sein kleiner Bruder und war tief ins Reich der Träume versunken. Vorsichtig durchquerte er das Zimmer und stieß sich kurz vor dem Bett den Fuß, an einer herumstehenden Holzkiste, mit diversen CDs und Videos drin.

>Verdammt, wieso räumt er die nicht in einen Schrank, sondern lässt die hier in einer Kiste rumliegen? Kacke!<

Na ja, aber er hatte sich abgewöhnt zu Mokubas Ordnung etwas zu sagen. Sein Zimmer war sein Reich und da durfte er machen was er wollte ... und eben auch herumliegen lassen, was er wollte.

>Solange er nicht zum Messi wird< **Also echt Seto, jetzt übertreib' mal nicht!**

Leise schob er die Kiste zur Seite und setzte sich an den Rand des Bettes. Gaaaanz vorsichtig beugte er sich über seinen Bruder, um ihm in sein schlafendes Gesicht zu sehen. So friedlich wie er dalag, war er richtig nett anzuschauen. Wenn man mal bedachte, dass er tagsüber immer wie ein, außer Kontrolle geratener, Wirbelwind durchs Haus tobte, immer auf der Suche nach einem neuen Opfer, welches dann stundenlang mit ihm spielen oder sich die neusten Geschichten aus seiner Schule anhören musste. Er war ganz anders als Seto. Immer positiv, freundlich, aufgeschlossen und etwas naiv. Seto war der Meinung, dass er sich genau das auch beibehalten sollte. Auf keinen Fall sollte er so werden wie sein großer Bruder. Kalt, arrogant, egomanisch, menschenfeindlich und ... einsam und ängstlich.

Ohne sich kaum etwas zu bewegen, küsste er seinen kleinen Bruder auf die Stirn und hauchte ihm ein "Gute Nacht, Kleiner" entgegen. Dann verlies er das Zimmer wieder und kehrte in die Küche zurück, um sich seinen Tee aufzugießen. Ging dann in sein eigenes Schlafzimmer, welches dem seines Bruders schräg gegenüberlag lag und lediglich mit einem großen Bett, einem Schreibtisch, einem begehbaren Kleider- und einem Media-Schrank sowie einigen Bücherregalen und einem Zugang zum eigenen Badezimmer ausgestattet war. Alles andere hatte er in seinem hauseigenen Büro. Schnell huschte er noch ein Mal unter die Dusche und fiel dann selbst wie tot ins Bett.
 

Mitten in der Nach wachte er auf. Hatte er da nicht etwas gehört? Leise lauschte er in die Nach hinein, konnte aber nichts weiter hören.

<Hm, war wohl nichts.> Er drehte sich um und wollte gerade wieder einschlafen, als er wieder eine schmerzverzerrte Stimme hörte. Er öffnete die Augen und lauschte wieder.

"Nein, bitte nicht!!!! Komm' doch mit!!!! Bleib' nicht hier!!!!!"

>Mokuba? Nicht schon wieder!<

Wie ein geölter Blitz schoss er aus dem Bett und eilte in das schräg gegenüberliegende Zimmer. Dort sah er, dass sein kleiner Bruder sich in seinem Bett hin- und herwälzte und immer wieder weinend aufjammerte.

"Mokuba. Hey Kleiner, komm' zu dir!"

Er zögerte kurz bevor er sanft aber bestimmt seinen Bruder in den Arm nahm, ihn auf seinen Schoß zog und langsam wach wiegte. In letzter Zeit musste er das immer häufiger tun, was ihm Sorgen bereitete. Immer wieder wurde er von Alpträumen geplagt und wenn er ihn zu schnell weckte, wusste er, dass er damit seinen kleinen Bruder orientierungslos machen und in eine Art Schockzustand versetzen konnte ... und er wusste auch aus eigener Erfahrung, dass das nicht gerade angenehm war.

Langsam wachte der Kleine auf und klammerte sich zitternd an seinem großen Bruder fest.

"Bist du wach, Kleiner?"

"Hmhm" kam es verschlafen und erschöpft zurück.

"Und? Alles klar bei dir?"

"Hmhm".

Sie saßen noch einige Minuten so und Seto wiegte den Kleinen ganz sanft hin- und her. Dann brach er mit leiser Stimme die Stille.

"Willst du mir immer noch nicht erzählen was dir solche Angst macht?"

Kopfschütteln.

"Warum nicht?"

"Weil ich ... ich ... weil du dann ..." er stockte und schluchzte leise.

Seto seufzte und drückte ihn noch näher an sich.

"Vertraust du mir nicht?"

Endlich die Frage, die ihm schon so lange auf der Seele brannte. Er würde immer alles für seinen Kleinen tun und das wusste der auch. Er würde ihn vor allem und jedem beschützen und alles vertreiben, was ihm schaden würde. Gegen alles konnte er etwas tun ... nur nichts gegen das, was an Mokubas Innerem fraß. Wenn er nicht wusste, was es war, stand er der Sache hilflos gegenüber und das mochte er gar nicht! Was war, wenn der Kleine ihm nicht vertraute? Wenn er ihn nicht genug lieb hatte? Wenn sogar er selbst es war, der ihm so schadete?

"NEIN! Nein, Seto! Bitte ich ... bitte glaub' das nicht! Ich hab' dich lieb! Du bist doch mein Bruder! Du bist immer lieb zu mir! Ich hab' dich lieb, Seto. Ich hab' dich doch lieb! Ich hab' dich doch lieb!"

Wieder fing Mokuba an zu weinen und Sturzbäche von Tränen liefen über sein Gesicht. Sein großer Bruder sollte auf keinen Fall an seiner Liebe zu ihm zweifeln. Er wusste wie verletzlich Seto eigentlich war und er wollte ihn auf keinen Fall mit Abneigung strafen ... er hatte ihn doch lieb! Nur schade, dass Seto ihn nur dann in den Arm nahm, wenn er krank war oder sonst ein Leiden hatte - wie eben diese ständigen Alpträume. Er hätte sich eine Umarmung sogar noch viel öfter gewünscht, traute sich aber nur selten, seinen großen Bruder danach zu fragen.

"Aber warum sagst du mir dann nichts? So kann ich dir doch nicht helfen! Du ... ich will doch nicht, dass es dir schlecht geht! Ich hab' dich doch auch lieb"

Ok, so viel Gefühlsduselei und so ein Satz mit dem "lieb"-Wort war dann doch zuviel für Seto. Leise seufzte er und konnte es nicht verhindern, dass Mokuba mitbekam wie sich nun auch seine Tränen ihren Weg nach außen suchten.

"Seto! Nicht!"

Mokuba blickte nach oben und nahm das Gesicht seines Bruders vorsichtig in beide Hände. Er wusste, dass Seto nicht gerne angefasst wurde und führte deswegen seine Bewegungen ganz langsam aus, damit er sich nicht erschreckte. Er legte seine Hände auf die Wangen seines großen Bruders und hielt es vorsichtig fest. Seto schloss die Augen einen Moment, bis er sich langsam aus der Berührung befreite.

"Tut mir leid" sagte er leise, "ich wollte nicht, dass du ..."

"Nein, Seto. Ist ok. Es ist alles in Ordnung. Mir geht's gut. Ich hab' dich doch lieb."

Seto öffnete seine Augen wieder uns sah in das Gesicht seines kleinen Bruders, welches ihn anflehte ihm zu glauben. Er nahm ihn wieder in die Arme und drückte ihn vorsichtig wieder an sich.

"Lässt du mich heute bei dir schlafen, Seto?"

Oh, das hätte er lieber nicht gesagt, aber sein Mund war wieder schneller als sein Hirn. Er wusste doch, dass Seto es gar nicht mochte, wenn er in Anwesenheit einer zweiten Person schlafen musste. Obwohl Seto es ihm nie gesagt hatte, wusste er doch, dass sich sein großer Bruder dann ungeschützt und ausgeliefert vorkam. Er hatte die Dinge lieber unter Kontrolle und das konnte er nur bei vollem Bewusstsein.

Seto schob seinen kleinen Bruder etwas von sich weg und Mokuba wollte schon mit einer Entschuldigung auf den Lippen von seinem Schoß krabbeln, und war deswegen umso überraschter als er Setos Antwort hörte:

"Aber nur wenn du deine eigene Decke mitbringst".

Verwirrt sah Mokuba ihn an und sah, dass er verlegen lächelte. Nach einer gewissen Reaktionszeit, in der der Groschen in Pfennigen fiel, erwiderte er sein Lächeln noch viel breiter und umarmte seinen Bruder langsam und ganz vorsichtig. Seto schnappte sich Mokubas Decke und trug sie gemeinsam mit seinem kleinen Bruder auf dem Arm hinüber sein Schlafzimmer. Dort legte er ihn ab und stieg vorsichtig über ihn rüber, um auf die andere Seite zu gelangen. Dann deckte er Mokuba und sich mit getrennten Decken zu und drehte sich mit dem Rücken zu ihm. Er mochte es zwar gar nicht, wenn jemand hinter ihm war und er es nicht sehen konnte ... aber es war doch schließlich sein kleiner Bruder ... den er trotzdem nicht ansehen konnte.

Mokuba blickte ihn noch einige Minuten an und dachte angestrengt nach. Sollte er es wagen oder verscherzte er sich damit alles wieder? Aber er wäre kein echter Kaiba, wenn er nicht auch einen gewissen Hang zum Risiko hätte. Langsam holte er Luft und begann seinen Satz "Seto ..."

"Mokuba!" kam es sofort kühl zur unterbrechenden Antwort bevor er seinen Satz auch nur anfangen konnte.

Toll, jetzt hatte er seinen Mut und seinen Hang zum Risiko wieder verloren. Er bewegte sich nicht mehr und wollte auch lieber nichts mehr sagen. Da drehte sich Seto um und sah im direkt ins Gesicht. Langsam hob er seine Decke an und lächelte vorsichtig zu seinem kleinen Bruder herüber.

"Na komm" flüsterte er und Mokuba kuschelte sich überglücklich zu seinem Bruder unter die Decke. Er drückte seinen Kopf an Setos Brust und lauschte dessen Herzschlag. Nach einigen Minuten der Stille flüsterte Seto leise:

"Ich hab' dich wirklich lieb, Kleiner".

Leise antwortete Mokuba ihm: "Ich hab' dich auch lieb, Seto".

Dann konnte Mokuba endlich in einen traumlosen Schlaf fallen ... nur Seto lag die ganze Nacht wach, weil er sich einfach nicht entspannen konnte. Egal, wie sehr er es auch versuchte, aber Hauptsache dem Kleinen ging es gut.
 


 

Chapter 2
 

Als Mokuba am nächsten Morgen aufwachte, lag er allein im Bett. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie sein großer Bruder aufgestanden war. Ein Blick auf den Radiowecker sagte ihm, dass er eigentlich noch eine halbe Stunde schlafen durfte, bevor er anfangen musste sich für die Schule vorzubereiten.

Seit auch Seto wieder zur Schule musste, stand dieser immer besonders früh auf, um in seinem Haus-Büro noch vorher etwas zu arbeiten. Da er zwar bei seinem Stiefvater mehr als nur gut ausgebildet worden war, hatte er dennoch keinen offiziellen Schulabschluss. Und als die Schulbehörde dahinter kam, beschloss sie ihn wieder zur Schule zu zwingen. Es war angeblich furchtbar wichtig, dass er regelmäßig in dieser nervigen staatlichen Einrichtung saß und sich zu Tode langweilte, da die Behörde ihm sonst mit zeitweiliger Enteignung der Kaibo Corp. und damit drohte, seinem gesetzlichen Vormund (seinem Anwalt) mehr Entscheidungs- und Erziehungsrechte zuzugestehen. Nicht nur für Seto, sondern auch für Mokuba.

Zwar hatte Seto versucht die Behörde dazu zu bekommen, dass er bloß die Abschlussprüfung für Schule und Uni ablegen konnte, was ihm jedoch verweigert wurde. Offiziell hieß es, dass nicht nur die schulische sondern auch die soziale Ausbildung für einen jungen Mann seines Formates, enorm wichtig war. Inoffiziell glaubte Seto, dass die Korinthenkacker ihm bloß ans Bein pissen wollten. Na ja, also ließ er es über sich ergehen und nahm es so hin ... gegen das Gesetz konnte selbst er nicht viel machen.
 

Pünktlich zwanzig Minuten vor Abfahrt, trafen sich Mokuba und Seto in der Küche, um gemeinsam zu frühstücken. Dies war für gewöhnlich auch genau die Zeit zu der Mokuba seinen Bruder zu Gesicht bekam. Den Rest des Tages verbrachte er ja leider in der Schule, im Büro in der Stadt oder auf irgendwelchen anderen Terminen, während Mokuba nach der Schule meist zu Freunden ging oder zuhause durch die Gegend lief und sich mit seinen Dienern amüsierte. Ab und zu lud er auch Freunde ein, aber nur wenn er absolut sicher war, dass Seto nicht da war. Dieser mochte es nämlich nicht, wenn Fremde sein privates Reich betraten. Selbst die Haushälterin durfte nur saubermachen und den Kühlschrank füllen, während er selbst nicht anwesend war. Und so waren sie auch an diesem Morgen ganz alleine.

Seto holte sich gerade frischen Kaffee aus der Maschine als Mokuba die Küche betrat. Er sah zu ihm auf und setzte sich dann auf einen der Stühle, welche an dem runden Tisch standen. Seto stellte seinen Kaffee hin und brachte Mokuba einen warmen Kakao, den er ihm jeden Morgen machte.

>Sein kleiner Liebesbeweis< freute sich Mokuba jeden Morgen still. Er fing an sich ein Brötchen mit teurem französischen Käse zu belegen als Seto sich ebenfalls setzte und die Morgenzeitung studierte. Irgendwann blickte dieser auf und wunderte sich.

>Der Kleine ist so still heute Morgen. Sonst ist sein Wortschwall doch immer gar nicht zu bremsen.< "Gut geschlafen?" versuchte er ihn zum reden zu bewegen.

"Hmhm" kam es leise.

>Ok, was ist hier los?< Das war eindeutig nicht sein kleiner Bruder. "Alles in Ordnung bei dir?"

"Ja".

>Oh Mann. Und jetzt?< War es ihm vielleicht doch unangenehm bei Seto zu schlafen und er hatte sich nur nicht getraut einen Rückzieher zu machen? "Mokuba, wenn du gestern Nacht irgendwie ..."

"Seto?"

Huch, seit wann unterbrach ihn Mokuba während er sprach?

"Warum hast du mich gestern in dein Bett gelassen?"

Stille ...

"Na ja, ich weiß ja, dass du das nicht magst und trotzdem durfte ich bei dir schlafen und mich ankuscheln ... obwohl du doch immer ... na ja ... lieber alleine ..."

"Mokuba."

Seto legte die Zeitung hin, lehnte sich zurück und sah seinen Bruder mit festem Blick an und versuchte ihn nicht gefrieren zu lassen, wie er es bei jedem anderen getan hätte, wenn dieser versucht hätte, rauszubekommen, was in ihm selbst vor sich ging. Aber bei Mokuba musste er dieses Mal eine Ausnahme machen, auch wenn's schwer fiel.

"Weißt du" begann er "ich möchte, dass du mir vertraust. Du weißt doch, dass ich dir nichts Böses will. Und ich versuche dir einfach nur zu zeigen, dass ich auch versuche mich deinetwegen zu etwas zu überwinden, was mir eigentlich sehr schwer fällt. Nicht, dass mir deine Nähe unangenehm ist! Das nicht, aber weißt du .... ich ... ich meine ..."

"Ich weiß schon, wie du das meinst, Seto."

Liebevoll lächelte Mokuba seinen großen Bruder an, um ihm die Sache etwas zu erleichtern. Seto geriet immer ins Straucheln, wenn er versuchte sein Gefühlsleben in Worte zu fassen. Er wollte nicht missverstanden werden und wusste trotzdem nicht, wie er es richtig sagen sollte. Dafür gab es leider keine vertraglichen Regelungen.

"Na ja, ich wollte dir zeigen, dass ich ... mich zu etwas dir zuliebe durchringen kann, damit du das dann auch kannst." Ein verwirrter Blick von Mokuba machte Seto klar, dass er doch nur Bahnhof verstand. "Ich meine, wenn ich dir zeige, dass ich dir vertraue ... kannst du mir dann auch vertrauen ... auch wenn's schwer fällt?"

Zweifelnd blickte er seinen Kleinen an und fragte sich, ob es richtig war so zu sprechen. Immerhin war er nicht besonders gut darin ... und Sachen, die er nicht konnte lernte er entweder aus Büchern oder ließ sie bleiben. Reden gehörte zu den Dingen, die er lieber bleiben lies.

"Ich hab' dich verstanden, Seto! Ich vertraue dir wirklich. Aber ich ... manche Sachen behält man lieber für sich und hofft, dass sie alleine vorbeigehen. Aber ich darf dich doch um Hilfe bitten, wenn ich welche brauche oder?"

"Natürlich!"

"Und ich darf selber darüber entscheiden?"

"Worüber?"

"Na, wenn ich es lieber anders zu lösen versuche? Was nicht heißt, dass ich dich nicht lieb habe oder dir nicht vertraue. Du holst dir ja auch keine Hilfe von mir, oder?"

"Aber ich ...."

"Seto. Ich bin ich und du bist du. Jeder ist anders und doch haben wir uns lieb oder? Ich weiß das und ich hoffe, dass du das auch weißt."

Der Kleine ließ ihn aber ganz schön alt aussehen. Wer war denn nun der ältere, vernüftigere Bruder von beiden?

Seto seufzte und versuchte sich wieder zu entspannen.

"Seto?"

Der Angesprochene blickte auf und sah seinen kleinen Bruder an.

"Tröstest du mich auch, wenn du nicht weißt warum?"

"Klar, Kleiner."

Seto schenkte ihm ein Lächeln und Mokuba machte sich nach einem kurzen "Danke" wieder über sein Käsebrötchen her.
 

Chapter 3
 

Mokubas Schule lag direkt neben der seines großen Bruders, sodass sie morgens gemeinsam fahren konnten. In letzter Zeit nahm Seto immer lieber seinen eigenen Wagen, um irgendwo hinzufahren. Das hatte den Vorteil, dass er nicht ständig auf seinen Chauffeur warten musste und zwischendurch etwas Ablenkung hatte. Die Limousine nahm er eigentlich nur in Anspruch, wenn er besonders viel zu tun hatte und so noch etwas arbeiten konnte. Aber eigentlich konnte er sich in der Limo nicht konzentrieren und fühlte sich immer etwas einsam, wenn er alleine auf der großen Sitzbank saß ... da konnte er auch gleich selbst fahren. Wenigstens hier konnte er von der Behörde eine Ausnahmegenehmigung erhalten ... Firmenwagen für Minderjährige wegen wichtiger betrieblicher Belange ... man wollte ja schließlich, dass einer der größten japanischen Arbeitgeber mobil und bei Laune blieb. Den Beamten war schon klar, dass Mr. Kaiba ihnen die Sache mit der Schule noch immer ziemlich krumm nahm und so hatten sie kaum noch Mut, ihm andere Sondergenehmigungen abzuweisen.

Seto parkte seinen silbernen Jaguar direkt neben der Schule, wo eigentlich der Lehrerparkplatz war. Keiner der Lehrkörper traute sich diesbezüglich etwas zu sagen und die anderen Schüler hatten in den meisten Fällen eh keinen Wagen. Nachdem er sich von Mokuba verabschiedet hatte, bereitete er sich auf ein paar ätzende Stunden voller Langeweile vor.

Gewohnheitsmäßig ließ er die Schulbücher in der Tasche und stellte stattdessen seinen Laptop auf den Tisch, um während der quälenden Schulstunden etwas Produktiveres zu tun. Falls er doch ein Mal etwas gefragt wurde, wusste er die Antwort ja doch ... zum Erstaunen aller, hatte er nämlich das Talent, sich auf mehrere Sachen gleichzeitig zu konzentrieren. In Härtefällen konnte er Statistiken checken, dem Unterricht folgen und gleichzeitig telefonieren (was er aber aufgrund der Lautstärke meistens bleiben ließ). Ein echtes Multitasking-Talent eben.

Kaum hatte er seine Arbeit begonnen, traf auch schon der ,Kindergarten' ein, wie er die Gurkentruppe nannte. Ein Lächeln von Yugi und ein eiskalter Blick von ihm selbst hatten die Fronten seiner Meinung nach auch für diesen Tag wieder geklärt und so widmete er sich wieder seiner Arbeit. Der Unterricht lief schon seit einigen Minuten als auch der Köter von Wheeler endlich die Klasse stürmte.

Seto blickte auf die Uhr ... >Nur fünf Minuten nach dem Lehrer, das ist dann ja wohl neuer Pünktlichkeitsrekord.<

Als Joey an ihm vorbei zu seinem Platz ging raunte er Seto noch eine Beleidigung herüber, welcher diese natürlich schlagend erwiderte. Eigentlich waren die Kabbeleien mit Joey der einzige Grund ab und zu mal vom Laptop aufzusehen und die einzigen Momente des Tages, an denen er sich ausnahmsweise mal mit etwas Sinnlosem beschäftigte.
 

In der Mittagspause begab er sich in die angrenzende Kantine, wo er sich etwas zum Essen organisieren wollte. Zwar mochte er diesen Massenfraß nicht, jedoch hatte er heute sein Lunchpaket zuhause liegen lassen. Die schlaflose Nacht und das Gespräch mit Mokuba hatten ihn doch etwas aus dem Konzept gebracht. Mit einem trockenen Brot, einem lauwarmen Kaffee und etwas Undefinierbarem, was wohl Obstsalat darstellen sollte, ging er in das Schulgebäude zurück. In den Computerräumen waren einige Klassenzimmer unbesetzt, weil die Lehrer nicht wollten, dass sich die Schüler unbeaufsichtigt an den Geräten zu schaffen machten. Wenn sich jedoch ein Kaiba dort in einem leeren Raum herumtrieb, hofften sie wohl doch inständig, dass er die lahmen Kisten vielleicht aus reiner Nächstenliebe etwas aufmotzen würde ... vielleicht nur so aus Langeweile? Natürlich konnten sie das vergessen! Aber Seto war es nur recht, dass er sich während der Mittagspause von den anderen zurückziehen konnte. Er war halt nicht besonders gesellschaftlich.
 

Als er in Richtung der IT-Räume für die höheren Klassen ging, hörte er aus einem Raum mit nur angelehnter Tür, die Stimme seines kleinen Bruders.

>Mokuba? Bei dem schönen Wetter spielt er doch sonst lieber mit seinen Freunden Fußball oder sonst etwas.<

Eigentlich wollte er direkt vorbeigehen, als er hörte, dass der Kleine wohl Selbstgespräche führte. Vorsichtig lugte er in den Raum hinein und sah, dass sein kleiner Bruder mit einem Kopfhörer auf den Ohren vor einem Computer saß und wohl mit dem PC redete.

>Was macht der denn da?<

Seto blieb einen Moment so stehen und lauschte dem Gespräch:

"... ja. Ich weiß auch nicht, aber irgendwie leide ich doch ziemlich darunter, dass du nicht hier bist. Du fehlst mir eben. ... Ich weiß, aber wenn ich ihm das sage, dann wird er das niemals gutheißen. Du weißt doch, dass Seto mir den Umgang mit dir verbieten würde. Wohlmöglich würde er dich noch völlig löschen. ... Nein, eigentlich ist er kein schlechter Mensch, er ist sogar immer ziemlich lieb zu mir. Na ja, wenigstens so gut er halt kann. Er gibt sich Mühe und ich hab ihn lieb, aber er ist viel zu misstrauisch. Er würde Angst haben und ... Nein. Ich wäre nur glücklich, wenn du herkommen könntest. Dann könnten wir so viele Dinge zusammen machen. Schwimmen gehen und spielen und einkaufen und fernsehen und ... meinst du echt? ... Hahaha, das wäre auch ziemlich cool! Aber das funktioniert genauso wenig."

Dann trat plötzlich Stille ein und Mokuba schien angespannt seinem Gesprächspartner, welcher wohl über die Kopfhörer mit ihm sprach, zuzuhören. Er machte ein aufgeregtes Gesicht und fing ein Lächeln an.

"Meinst du echt, die Teile stehen noch? Ich dachte die wären kaputt gegangen und Seto hätte die übrigen demontiert? ... Nee, da bin ich nie. Davon weiß ich auch gar nichts ... Und woher weißt du das? ... Und du meinst das geht? ... Dann müsste ich mir aber Hilfe holen. ... Ja, das wäre eine Idee. Dann kann ich dich endlich ..."

Da klingelte die Schulglocke auch schon und rief die Schüler zurück in ihre Klassen. Mokuba verabschiedete sich schnell von seinem Gegenüber und fuhr dann den lahmen PC herunter und steckte die Kopfhörer weg.

Da Seto nicht ganz wusste, was er von dieser Sache halten sollte, zog er es vor, jetzt noch nichts zu sagen. Vor allem nicht hier in der Schule. Vielleicht würde er es erst mal beobachten und dann Mokuba danach fragen. Oder sollte er lieber gar nichts sagen? Immerhin war Spionage nicht ganz seine Art und gegenüber seinem Bruder auch nicht angebracht. Aber mit wem zum Teufel hatte er da über ihn geredet? Wer sollte wieder zurückkommen, den Seto ihm verbieten würde? Er ließ ihn doch sonst auch mit seinen Freunden in Ruhe spielen. Seine Gesellschaft durfte er sich eigentlich immer selbst aussuchen, wovor hatte er also Angst?

Da war wieder diese Vertrauenssache. Wieso litt er darunter, dass der andere nicht da war? War Seto ihm als Vertrauensperson etwa nicht genug? Und was hatte Mokuba vor, wozu er sich Hilfe holen wollte? Eine Frage nach der anderen schoss Seto durch den Kopf. Erst als er von hinten ein

"Kaiba! Hat sich unser Sonnenschein etwa verlaufen und traut sich nicht nach dem Weg zu fragen?"

hörte, entgegnete er fast automatisch:

"Einen besseren Spürhund als dich finde ich allemal, Wheeler!"

Setos Lebensgeister waren zurückgekehrt.

"Komm' Joey. Lass den Idioten doch in Ruhe. Der ist's gar nicht wert!" kam nur von Tristan, welcher seinen Freund daran hindern wollte in der nächsten Runde allzu ausfallend zu werden. Seto indes legte ein fieses Grinsen auf und schmiss sein trockenes Brötchen, seinen mittlerweile kalten Kaffee und das Obstmassacker in den Mülleimer neben ihm. Dann machte er verachtend einen Bogen um den Kindergarten und ging in Richtung Klassenraum zurück. Kurz bevor er jedoch um die nächste Ecke bog, konnte er von weiter hinten noch seinen Bruder hören.

"Hallo! Klasse, dass ich euch treffe. Könnt ihr mir vielleicht noch mal helfen? Ich brauche ein paar Personen, denen ich vertrauen kann und irgendwie kommt dafür nur ihr in Frage ..."
 

Chapter 4
 

Den Rest des Tages schwirrte es in Setos Kopf. Was heckte sein Bruder da aus und vor allem: Warum bat er nicht ihn um Hilfe, sondern ausgerechnet diese unfähige Yugi-Truppe? Hatte Mokuba die ganze Zeit gelogen, wenn er ihm sagte, dass er ihn lieb hatte? Natürlich wusste Seto, dass er ein abscheulicher Mensch war und, dass es niemanden gab, der ihn mochte oder gar liebte. Immerhin hatten nicht einmal seine Eltern ihn geliebt ... warum sollte es bei Mokuba auch anders sein? Nein! Das durfte er nicht denken! Der Schmerz in seinem Herzen war bei diesem Gedanken unerträglich. Er musste mit Mokuba darüber sprechen. Aber wenn er ihn wirklich anlog, warum sollte er ihm dann eine wahre Antwort geben? Und wenn er beteuerte, dass seine Antwort wahr war ... war das dann auch gelogen? Wenn er jetzt auch noch seinen Bruder verlor, war er völlig allein ... völlig allein ... noch einmal verstoßen und gedemütigt zu werden, würde Seto nicht ertragen. Nicht noch ein Mal! Das durfte er nicht zulassen! Er konnte doch nicht das einzig Warme in seinem kalten Leben verlieren!
 

Yugi und Tea waren natürlich die Ersten, die am vereinbarten Treffpunkt waren. Gemeinsam warteten sie, dass auch endlich die anderen eintrafen und vertrieben sich die Zeit damit, die vorbeiziehenden Leute zu beobachten, welche entweder gerade ihren Feierabend-Einkauf erledigten, schnell nach hause gingen, um dort den Abend zu verbringen, sich vielleicht mit jemandem zum Essen zu trafen oder sonst etwas zu tun.

"Ich liebe die Abendatmosphäre" schwärmte Tea und sah die Straße hinunter.

"Ja, dann ist alles so schön ruhig und entspannt" antwortete Yugi. Nach kurzem Schweigen fragte Yugi dann: "Tea? Was hältst du eigentlich von dieser Sache die Mokuba vorgeschlagen hat? Ich meine, kann es wirklich sein, dass Noah noch irgendwo existiert? Er ist doch damals mit allem drum und dran in die Luft geflogen, oder?"

"Aber vielleicht waren seine Daten ja ganz woanders gespeichert. Ich kenne mich mit Computern und dem ganzen Krimskrams nicht aus. Aber wenn er sagt, dass er irgendwie mit Noah sprechen kann, dann glaube ich ihm das schon. Warum sollte er lügen?"

"Ich glaube ihm das ja auch, aber etwas unwahrscheinlich hört es sich doch an, oder?"

"Na ja, weißt du ..."

"Hey, ich stör euch doch nicht etwa, oder?" rief Joey, welcher plötzlich hinter ihnen aufgetaucht war.

"Sehr witzig!" entgegnete Tea.

"Tea und ich haben nur gerade ..." versuchte Yugi sich zu verteidigen.

"Was habt ihr nur gerade?" pfiff Tristan und klopfte Yugi auf die Schulter.

"Komm Alter, vielleicht sollten wir lieber wieder gehen und da hinten warten" höhnte Joey und wollte Tristan mit sich ziehen als Yugi wieder ansetzte:

"Tea und ich haben uns nur gerade darüber unterhalten, was wir von dieser ganzen Sache halten sollen. Meint ihr, dass das wirklich funktioniert?"

Allgemeine Ratlosigkeit machte sich breit.

"Und warum hat Mokuba überhaupt uns um Hilfe gebeten? Sein ach so toller Bruder kann mit so was doch viel besser umgehen als wir. Ich meine, er hat diese komischen Kapseln doch schließlich gebaut, oder?" fragte Joey in die Runde.

"Na ja" fing Tea an "wenn er Kaiba darum bitten würde, mit ihm in die virtuelle Welt zu gehen, um sich dort mit Noah zu treffen, würde der das bestimmt nicht gut finden. Wir haben doch alle mitbekommen, was er von ihm hält ... das würde er Mokuba sicherlich nie erlauben oder ihm gar dabei helfen."

"Er wird schon seine Gründe haben, wenn er ..." Tristan wollte gerade weitersprechen, als Mokuba aus der anhaltenden Limousine herüberrief:

"Klar hab' ich die!"

Mann, hatte der aber ein gutes Gehör!

"Kommt rein, dann können wir gleich weiterfahren!"

Schnell stiegen die anderen ein und staunten nicht schlecht. Edelstes Leder, Handgriffe aus Marmor, samtene Vorhänge an den Fenstern und ein Teppich aus Velours. Innen gab es eine Minibar mit Getränken und Süßigkeiten über die sich Joey (nach kurzer Genehmigung von Mokuba) auch sofort hermachte.

Der Weg zum Zielort dauerte seine Zeit. Ein unscheinbares Haus, welches etwas außerhalb der Stadt lag und von hohen Mauern, Elektrozäunen und diversen anderen Sicherheitsschranken geschützt war.

"Was ist denn das für eine Festung?" stotterte Joey als sie aus dem Limo ausstiegen und sich dem Tor näherten.

"Das ist Setos Geheimlabor, das Noah gefunden hat. In letzter Zeit ist er wohl seltener hier gewesen, aber Noah hat gesagt, dass hier noch immer funktionstaugliche Kapseln stehen, die Seto aus Forschungsgründen noch nicht demontiert hat. Eigentlich hat niemand außer ihm hier Zugang und ich bin auch noch nie hier gewesen ... eigentlich wusste ich auch gar nicht, dass es das gibt. Aber Noah konnte sich in sein System einhacken und sogar die Zugangspassworte herausbekommen."

"Und woher will er wissen, dass es hier wirklich Kapseln gibt? Ich meine, er kann doch wohl kaum durch die Gegend laufen und sich umsehen?" fragte Yugi.

Mokubas Antwort war simpel: "Die Teile sind noch immer ans Netz angeschlossen. Und alles, was da dran hängt, kann er auch finden."

Ja, das machte Sinn.

Am Tor angekommen tippte Mokuba das erste Passwort ein: ,Control'.

Daraufhin öffnete es sich und sie konnten bis zum Haus vorgehen.

"Verlasst nicht die Wege. Hier sind bestimmt überall Bewegungsmelder" warnte Mokuba.

Am Haus wurde das zweite Passwort abgefragt: ,Dragon'. Die Tür öffnete sich und sie konnten eintreten. Von dem Eingangbereich ging eine Tür in eine große, spärlich (jedenfalls für Kaiba-Verhältnisse) eingerichtete Küche ab. Daneben war die Tür zu einem Büro. Ein wuchtiger, holzener Schreibtisch mit einem Computer und diversen anderen undefinierbaren elektronischen Teilen. Dazu ein großes Regal mit Unmengen an Ordnern und Schränke mit Werkzeug drin. Die Couch in der Ecke fiel neben den anderen Möbeln kaum auf.

Auf der linken Seite des Untergeschosses lag ein Badezimmer, wo ein paar Kosmetikartikel herumstanden. Alles in allem nicht furchtbar groß (man beachte wieder die Kaiba-Verhältnisse), aber dafür sauber und ordentlich. Neben dem Bad lag ein Schlafzimmer. Weißer Marmorboden, ein Bett, ein großes Fenster mit dunkelblauen Vorhängen und auf dem Nachttisch ein Foto von Mokuba und Seto aus Kindertagen.

"Dein Bruder hat sich hier ja richtig eingerichtet" meinte Tristan.

"Na ja, er verbringt hier wohl ab und zu mal einige Zeit, wenn er nicht im Büro oder zuhause ist. Jetzt weiß ich ja wo er sich sonst rumtreibt" murmelte Mokuba.

Im Obergeschoss gab es nicht viel zu sehen. Eigentlich gar nichts. Ein Badzimmer, welches wohl nie benutzt worden war und einige Räume, die zwar ebenfalls sauber, aber nicht eingerichtet waren.

"Hier kommt er wohl nie rauf" stellte Tea fest.

"Dann lasst uns mal im Keller gucken" schlug Mokuba vor.

"Muss das sein?" Joey mochte Keller nicht besonders.

"Du wirst doch nicht etwa Angst haben, dass Kaiba dort einen Hundezwinger aufgebaut hat, oder?" ärgerte Tristan ihn.

Gerade als Joey sich näher damit befassen wollte, seinen Freund grün und blau zu schlagen, kam ihm Mokuba ungeduldig dazwischen.

"Jetzt kommt schon!"

Die Treppe zum Keller war nur spärlich beleuchtet und am Ende der Treppe wurde das letzte Passwort abgefragt: ,Please'. Das stachelte Joey natürlich wieder an:

"Ausgerechnet das Wort, welches Kaiba nie in den Mund nimmt? Na, da wäre ja wirklich keiner drauf gekommen ..."

"Jetzt hör doch mal auf, auf ihm rumzuhacken, Joey. Er ist ja schließlich nicht hier um sich zu wehren!" herrschte Yugi ihn an.

Huch, so kannte man den kleinen Yugi ja gar nicht! Na ja, wahrscheinlich war er auch ziemlich nervös.

Sie traten in den großen Keller ein und in dessen Mitte standen doch tatsächlich fünf Kapseln für die Reise ins Datenland. Mokuba schaltete das Kontrollpult auf Strom und sofort erhellte sich der ganze Raum. Diverse Bildschirme leuchteten und spuckten Daten aus. Es blinkte und piepte überall.

"Schön, dass ihr alle gekommen seid."

Alle drehten ihre Köpfe in Richtung eines großen Bildschirms in dem Noah zu sehen war.

"Noah!" rief Mokuba und eilte zum Bildschirm. Seine Augen leuchteten und Noah erwiderte sein glückliches Grinsen. Dann wandte er sich an die anderen, welche noch immer wie angewurzelt dastanden.

"Darf ich mich noch ein Mal bei euch entschuldigen?" fragte er.

"Krass, dass du noch lebst Alter" war Joeys Antwort. Noah blickte etwas verwirrt und entgegnete dann:

"Na ja, so wirklich leben tue ich ja nicht. Schließlich besteht mein Geist nur noch aus Daten."

"Wie hast du es angestellt, dass du noch da bist? Wir dachten du wärst ..." Yugi wollte den Satz gar nicht zuende sprechen.

"Ich versuche es euch in einfachen Worten zu erklären. Nachdem ihr damals alle mit dem Luftschiff sicher entkommen seid, bin ich in der virtuellen Welt geblieben. Ich habe es mit einer enormen Menge von Daten geschafft, meinen Vater in der digitalen Welt zu fesseln. Leider hatte ich nicht genug Kraft und so konnte er euch doch noch angreifen. Tut mir leid."

"Aber Seto hat uns ja gerettet" tröstete Mokuba ihn und lächelte ihn aufmunternd an.

"Ja, das hat er gut gemacht" bestätigte Noah. "Als ich merkte, dass der Hauptrechner endgültig seinen Geist aufgab, habe ich durch Zufall doch noch ein Schlupfloch gefunden. Im Ursprung wurde die digitale Welt ja von Seto erschaffen, als er noch ein Kind war. Es war ja schon damals so clever, sich bei der Entwicklung von Programmen ein Hintertürchen offen zu halten und genau das hat mich gerettet. Selbst hätte ich die zwar nie gefunden, aber Schwein muss man haben" Noah lächelte breit und zwinkerte Mokuba zu. "Nachdem ich mich also selbst ins Internet geladen hatte, konnte ich das Hintertürchen versiegeln und mich selbst auf irgendeinem Server speichern. Na ja, und so wandere ich also als Datenmenge im Internet herum. Das ist zwar nicht so wie in der virtuellen Welt, aber immer noch besser als ganz weg oder gelöscht zu sein. Nach und nach habe ich mir wieder einen virtuellen Cyberspace gebastelt und bin dort eigentlich die meiste Zeit. Bis ich irgendwann Moki ebenfalls zufällig im Chat gefunden habe". Er blickte zu Mokuba hinab, welcher rot wurde und schüchtern die Augen zum Boden schlug. "Und so sieht es aus. Aber ich bin doch sehr einsam, wenn ich mich nicht gerade mit Moki unterhalte und als ich herausbekommen habe, dass Seto ab und zu noch immer an dieser digitalen Welt forscht, kam ich auf die Idee, dass ihr mich doch einfach mal besuchen könntet!"

Stille im Raum.

"Aber ist das denn nicht gefährlich?" fragte Tea ängstlich.

"Ach was!" rief Noah "Hier ist doch niemand, der versucht euch mittendrin abzuschalten oder euch davon abhält in die normale Welt zurückzukehren."

"Und du hast das doch auch nicht etwa vor, oder?" fragte Tristan skeptisch. Noahs Gesicht wurde etwas traurig und Mokuba schnauzte ihn gleich an:

"Wie kannst du nur so was sagen? Noah hat uns damals schließlich geholfen in die Realität zurückzukehren! Und außerdem würde er niemals ..."

"Lass gut sein, Moki" sagte Noah sanft und brachte den Kleinen damit zum Schweigen. "Ich kann ja verstehen, dass ihr misstrauisch seid, aber was ich damals getan habe tut mir wirklich leid. Eigentlich wollte ich mich nur an Seto rächen, weil ich der Meinung war, dass er mir meinen Vater und die Firma gestohlen hat. Das ist natürlich Quatsch, wie ich heute weiß. Aber wenn man zuviel alleine ist und niemand mit einem redet, setzen sich einem die gruseligsten Gedanken in den Kopf. Aber nachdem ich euch kennen gelernt hatte und Moki so lieb zu mir war und mir vergeben hat, habe ich eingesehen, dass ich ziemlich im Irrtum war. Die Sache tut mir wirklich leid, und ich würde euch gerne zeigen, dass ich es mit meiner Entschuldigung ernst meine".

Noah blickte in die Runde und hoffte auf eine Antwort, welche er zuerst von Yugi bekam.

"Also ... ich glaube dir".

Seine Freunde sahen ihn an und stimmten ihm dann ebenfalls zu.

"Und ich erst!" sagte Mokuba sichtlich erleichtert. Noah atmete auf und seine Augen leuchteten auf als er die verzeihenden Worte hörte.

"Dann wollen wir mal!" sagte Joey überzeugt und trat ans Kontrollpult. Dann verzog er das Gesicht und fragte: "Und wie funktioniert das jetzt?"

Noah musste lachen und bat ihn einfach den kleinen Schalter links oben umzulegen.

"Den Rest kann ich alleine machen. Ihr braucht euch nur in die Kapseln zu legen und euch zu entspannen. Das geht dann wie von selbst".

Vorsichtig bestieg jetzt jeder eine Kapsel, obwohl ihnen das Ganze nicht wirklich geheuer war. Sie legten sich hin und die Kontakte senkten sich automatisch auf Ihren Körper.

"Gleich ist es soweit!" freute sich Noah und begann eine Kapsel nach der anderen zu aktivieren. Nach und nach erschien einer nach dem anderen in Noahs selbstgebastelter Welt. Alle blickten sich erstaunt um. Sie standen mitten in der Einkaufsstraße, in der sie sich vor ca. einer Stunde getroffen hatten.

"Wie hast du das gemacht?" fragte Joey erstaunt.

"Na ja, das ist schwer zu erklären. Zuerst habe ich Kontakt zu eurem Bewusstsein hergestellt und die elektrischen Impulse eures Gehirns in Milliarden von Megabyte umgeformt, um sie dann ..."

"Nee! Joey meint das hier!" sagte Tristan und drehte sich ein Mal um sich selbst.

"Ach das!" lachte Noah vergnügt. "Im Internet gibt es quasi von jedem Ort auf der Welt Fotos, Baupläne, Überwachungskameras und so weiter. Also habe ich alles gelesen, kopiert und die richtigen Daten zusammengefügt. Ich kann auch noch ganz andere Orte machen. Dschungel, Niagarafälle, New York, Finnische Dörfer, Landschaften aus Computerspielen ... was ihr wollt."

"Ich wollte immer schon mal nach Disney Land!" rief Tea. "Kannst du das auch machen?"

Noah grinste und schon befanden sie sich mitten vor Cinderellas Schloss. "Boah!" Da staunten sie nicht schlecht.

"Wollt ihr mit oder ohne Leute?"

"Na ja, ein paar Besucher wären nicht schlecht" meinte Yugi, und schon waren ein paar Familien, Pärchen, Schulklassen etc. unterwegs.

"Cool! Was wollen wir zuerst machen? Ich hab' Hunger also lasst uns zuerst zu diesem großen Fresstempel, von dem ich gelesen habe. Ich will ganz viel ..." Joey stockte.

"Was ist denn?" fragte Yugi besorgt.

"Ich habe gar kein Geld!" gab er leise zur Antwort und machte ein enttäuschtes Gesicht.

Noah lachte nur laut. "Glaubst du echt, dass du das hier brauchst?"

"Etwa nicht?"

"Nein, bestimmt nicht! Du hast ja auch kein Eintritt gezahlt, oder?"

Alle lachten herzlich, freuten sich und zogen in Richtung Fresstempel davon.
 

Nach ein paar Stunden hatten sie schon so viele Achterbahnen, Trampoline, Karussells, Wildwasserfahrten etc. hinter sich, dass ihnen sogar mit ihren virtuellen Mägen schlecht wurde. Noah amüsierte sich so gut wie nie in seinem Leben und als sie in der Gruselbahn waren, lies er es auch mehr als gerne zu, dass Moki seine Hand nahm, welche er dann für die ganze restliche Zeit nicht mehr losließ.

"Wollen wir uns nicht etwas ausruhen? Mir tun die Füße weh!" klagte Joey.

Sie suchten sich einen schönen Platz auf einer großen Wiese und ließen sich dort nieder. Beim Hinsetzen musste Moki notgedrungen Noahs Hand loslassen und schaute ihn schüchtern an. Noah klopfte neben sich auf den Boden und bedeutete ihm so, dass er sich gerne neben ihn setzen durfte. Moki tat das mit Freuden und setzte sich etwas näher an seinen Stiefbruder heran, als es vielleicht nötig gewesen wäre und -flupps- hatte er sich seine Lieblingshand zurückerobert, schlug aber wieder verlegen die Augen nieder, als Noah ihn daraufhin breit lächelnd ansah.

Nachdem sie sich einige Zeit ausgeruht hatten, rief Tea plötzlich geschockt:

"Wisst ihr eigentlich wie spät es ist? Es ist schon halb zwei in der Nacht und wir müssen morgen wieder zur Schule ... na ja, eigentlich heute und ..."

"Oh Shit!" rief nun auch Joey.

"Meine Eltern werden mich umbringen!" heulte Tristan und Noah seufzte:

"Dann muss ich euch wohl jetzt zurückbringen."

"Besser wäre es wohl" bedauerte Yugi.

Langsam veränderte sich die Gegend um sie herum und sie standen wieder mitten in der Domino-Einkaufspassage.

"Wieso sind wir jetzt wieder hier?" fragte Joey verdutzt.

"Das hier ist so was wie ein Ein- und Ausgang für weitere Welten. So eine Art Zentrale." Er blickte traurig in die Gesichter seiner neuen Freunde und seufzte noch ein Mal.

"Dürfen wir wiederkommen?" Jetzt meldete sich auch Mokuba mal wieder zu Wort. Er drückte Noahs Hand und sah ihn bettelnd und verlegen an.

"Klar, wann immer ihr wollt!"

"Superkrass!!!" nahm Joey Mokuba das Jubeln ab. "Dann bis morgen Abend, Alter!" flötete er lustig und klopfte Noah fest auf die Schulter.

"Dann bis dann" sagte Yugi und hielt Noah die Hand hin. Noah versuchte vorsichtig seine Hand von Moki zurückzubekommen und schüttelte dann die von Yugi.

"Danke" erwiderte Noah und blickte Yugi ernst in die Augen.

Nachdem er sich auch von Tristan und Tea verabschiedet hatte, brachte er sie zurück in ihre realen Körper.

Nur Mokuba behielt er noch einen Augeblick zurück.

"Danke, dass du hergekommen bist, Moki"

"Danke, dass ich herkommen durfte".

Schweigend sahen sie sich an bis Mokuba es nicht mehr aushielt. Schnell schlang er seine Arme um Noah und drückte sich ganz fest an ihn. Noah erwiderte den Griff gerne. Es tat gut wieder berührt zu werden, zu spüren, dass man gemocht wurde. Und Moki fühlte sich so gut an.

"Noah?"

"Ja?"

"Ich ... gar nichts".

Noah drückte ihn etwas von sich weg, aber ohne ihn loszulassen und schaute ihm tief in seine schwarzen Augen, welche vor Freude, Nervosität und Glückseeligkeit zitterten.

"Moki ... hast du schon mal jemanden geküsst?"

Mokuba wurde rot und antwortete verlegen: "Na ja, Seto habe ich mal einen Kuss gegeben, aber sonst niemandem."

"So einen Kuss meinte ich aber eigentlich nicht".

Mokuba wusste, dass er nicht ein Küsschen unter Geschwistern oder Freunden meinte, sondern einen richtigen KUSS ... für Verliebte! Zur Antwort schüttelte er nur heftig den Kopf und traute sich nicht Noah wieder anzusehen.

"Wollen wir uns gegenseitig unseren ersten Kuss schenken?"

Nun sah Mokuba ihn doch an und er merkte, dass Noah das ganz liebevoll, aber sehr ernst meinte. Diesmal war seine Antwort ein Nicken.

Noah kam seinem Moki näher und legte seine Hände auf die Schultern des Kleinen. Moki schloss die Augen und bekam eine wonnige Gänsehaut als er Noahs Lippen spürte. Ganz sacht berührten sie sich aneinander und genossen die wohlige Wärme und den sanften Duft der von dem anderen ausging. Dann öffnete Noah seine Lippen vorsichtig und Mokuba tat es ihm gleich. Langsam bewegten sie ihre Lippen aneinander und verwöhnten sich bis Noah seinen Kopf zurückzog und seinen Moki zufrieden anlächelte. Der wurde ganz rot und lächelte verlegen zurück. Als Noah merkte, dass sie jetzt sicher kein anständiges Gespräch mehr zustandebringen würden, schickte er sein Gegenüber langsam in die reale Welt zurück. Mokuba flüsterte noch etwas, was sich wie "Danke" anhörte und Noah flüsterte ihm zurück.

"Danke auch."

Dann verloren sie den Sichtkontakt und jeder war wieder in seiner Welt.
 

Chapter 5
 

Als Mokuba in seiner Kapsel aufwachte, half ihm Tea beim Aussteigen und die Jungs blickten ihn breit grinsend an. Noch völlig verträumt ging Mokuba zum Kontrollpult und klickte den kleinen Schalter wieder in seine Ausgangsposition, um den Zugang zu verschließen. Dann drehte er sich um und merkte, dass die anderen ihn noch immer schelmisch anstarrten.

"Was ist denn?" fragte er verwirrt.

"Und? War's schön?" fragte Joey mit einem neckenden Unterton.

"Lass' das doch! Das ist nicht nett!" tadelte Tea ihn von der Seite.

"Was denn?" fragte Mokuba noch immer verwirrt.

Die peinliche Antwort kam von Tristan: "Du hast wohl vergessen, dass man über den großen Bildschirm alles sehen kann, oder?"

Ok, das war wirklich peinlich! Mokuba wurde puterrot und stammelte etwas völlig unverständliches.

"Sollen wir dich morgen wieder begleiten oder willst du lieber alleine gehen?" piesackte Tristan ihn weiter.

"Jetzt lass' ihn mal in Ruhe" meckerte Tea weiter.

Dann wandte sie sich vertrauensvoll an Mokuba: "Ihr seid verliebt, oder?"

"Na ja ... also ... irgendwie ... "

"Ist doch super!" versuchte Joey ihn aufzubauen und fügte zwinkernd hinzu: "Wir werden dich auch sicher nicht bei deinem Bruder verpetzen."

"Danke Leute".

Mokuba fühlte sich leichter und nachdem das geklärt war, kehrten sie zur wartenden Limousine zurück und fuhren in Richtung Stadt.
 

"Oh Mist! Wenn es wirklich schön so spät ist, wird sich Seto schreckliche Sorgen um mich machen! Ich kann ihm doch schlecht sagen, dass ich in sein geheimes Labor eingebrochen bin, von dem ich doch eigentlich gar nichts wissen dürfte!"

Das war wirklich ein Problem. Aber für Problemlösungen hatte Yugi doch immer den guten Yami bei sich.

"Sagt ihm doch einfach, dass Mokuba heute bei dir übernachtet und vor lauter spielen die Zeit vergessen hat" schlug Yami vor.

"Du bist genial!" gab Yugi seinem Geist zur Antwort.

Er schlug Mokuba die Idee vor (weil die anderen Yamis und Yugis geistige Gespräche ja nicht hören können) und es schien wirklich die beste Lösung zu sein.

Als Mokuba versuchte seinen Bruder auf dem Handy zu erreichen, bekam er leider keinen Empfang. Auf dem Haustelefon antwortete auch nur der Anrufbeantworter und so schrieb er ihm eine eMail auf Setos Pager.

Müde sank der Kleine in den Sitz zurück und Tristan schlug vor, dass sie erst Yugi und Mokuba absetzten und dann erst die anderen, damit der jüngste von Ihnen ins Bett kam ... war doch wirklich keine Uhrzeit. Dankbar wurde der Vorschlag angenommen und als sie beim Spieleladen vorfuhren, war Mokuba auch schon fest am Schlafen.

"Ich trag' ihn dir noch hoch", bot Tristan an, nahm den Kleinen auf den Arm und stieg aus der Limo aus. Doch ... oh ... SCHOCK!!!
 

Da kam auch schon der ältere Kaiba, welcher gerade mit seinem Jaguar vorfuhr, ausstieg und mit Schritten, die dem eines Panthers auf Jagd glichen, auf sie zu. Als er seinen schlafenden Bruder auf Tristans Arm und den Rest des Kindergartens aus dem Limousine steigen sah, machte sich Verwirrung auf seinem Gesicht breit. Schnell wischte er sich den unangenehmen Ausdruck weg uns setzte seinen Ich-verpass-der-ganzen-Welt-einen-Gerfrierbrand-Blick auf. Leise überwand er auch die letzten Meter und sah jeden einzelnen wütend an, bevor er seine Stimme ganz leise erhob, um seinen Bruder nicht zu wecken.

"Was ist hier los?"

Obwohl er ganz leise und ruhig sprach, war seine Stimme so schneidend, dass die anderen kurz zusammenzuckten. Keiner Antwortete.

"Noch mal: Was ist hier los?"

"Ähm, tja ... also ... weißt du ..." stammelte Yugi.

"Wir waren nur etwas zu lange ... bei ... in ... und ... äh ..." wollte Joey ihm helfen, was aber auch nicht wirklich nützlich war, sodass Seto nur noch saurer wurde. Jetzt schwebten die Freunde ganz eindeutig in Lebensgefahr.

"Und?" fragte Yami leise.

"Ich weiß nicht weiter ..." antwortete Yugi.

"Ok, lass' mich mal versuchen" und schon übernahm der Geist den Körper. Ob er den gereizten Drachen zähmen konnte?

"Jetzt reg' dich mal ab Kaiba und hör zu. Wir sind nur so spät noch mit deinem Bruder unterwegs, weil wir ..."

"Erteil mir keine Befehle! Noch mal so ein Satz und ich vergesse mich! Außerdem will ich nicht, dass mein Bruder mit euch ..."

"Oh, der große Kaiba will sich vergessen! Das ich nicht lache, so was kannst du?"

Huch, plötzlich war Joey wieder aufgewacht. Was ritt den denn jetzt? Dass er gerne Kaiba beleidigte war ja nicht neu, aber in so einer Situation nicht gerade angebracht.

"Joey lass' das lieber" flüsterte Yami ihm zu.

"Vor dem kneif ich nicht mehr! Jetzt reicht es! Er kann doch mit uns nicht so reden. Immerhin sind wir Freunde seines Bruders und ihm den Umgang mit uns zu verbieten ist ja wohl ..."

"Kaiba, jetzt hör mal. Eigentlich hatte Mokuba nur vergessen, dir bescheid zu sagen, dass wir noch zusammen ..." versuchte Yami die Situation zu retten, als Joey ihm wieder ins Wort fiel.

"Wir wissen, dass dein Bruder noch etwas zu jung ist, so spät noch durch die Gegend zu gondeln, aber wir haben ja schließlich auf ihn aufgepasst. Nach allem, was passiert ist, solltest du ihm und uns eigentlich etwas mehr vertrauen. Aber das kannst du ja nicht. Stattdessen spielst du die Glucke und lässt deine Aggressionen an den falschen Leuten aus! Du bist nie da, wenn dein Bruder dich braucht und du bist so egomanisch, dass sich der Kleine nicht mal traut mit dir über seine wichtigsten Gefühle zu sprechen, weil er nicht genug Vertrauen in dich hat. Da ist es doch ganz klar, dass er sich Freunde sucht, die sich um ihn kümmern und vor denen er keinen Schiss haben muss, so wie vor dir! Weißt du was, du Arschloch? Alle verachten dich, du Gefühlskrüppel, weil du ..."

WOMMS.

Das war zuviel, da hatte Joey auch schon Eine sitzen. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie Seto in der Dunkelheit katzenartig auf ihn zugesprungen war und ihm seine Faust ins Gesicht rammte. Noch bevor er sich richtig zurechtfinden konnte, hatte er auch schon den zweiten Schlag sitzen und fiel zu Boden. Seto wollte sich gerade auf ihn stürzen als Yami dazwischenging.

"Hey, jetzt kriegt euch wieder ein!" rief er und packte Seto von hinten an den Schultern und hielt ihn fest umschlungen ... er passte auf, dass er ihn nicht verletzte, denn dann hätte er sicher Ärger mit Yugi oder Mokuba bekommen. So war dieses schon fast eine zwar kräftige, aber dennoch gut gemeinte Umarmung.

Seto schrie auf als hätte er schreckliche Schmerzen. Yami erschrak sich zwar tierisch, ließ ihn aber nicht los, weil Seto dann drohte, aufgrund seiner nachgebenden Beine, auf den Boden zu stürzen und sich zu verletzen. "NEEEEEIIIIIIIIIN!!!! AAAAAHHHHH!!!!! NIIIIIIIICHT!!!!! BIIIIIIIIITTEEEEEE!!!!!! AAAAAHHHHHHAAAAAAAHHHHHHHAAAAAAA!!!!!"

"Gott, was ist denn jetzt kaputt?" rief Joey und sah, wie alle anderen geschockt auf den schreienden Kaiba, welcher sich fest in Yamis Griff befand und zwar schreiend, aber wie betäubt zusammensackte.

"Lass' ihn los!" riefen Yugi aus dem Puzzle und Mokuba gleichzeitig.

Durch den Lärm war Mokuba natürlich aufgewacht und rannte nun auf seinen Bruder zu. Yami ließ los und Seto blieb schwer atmend auf dem Boden sitzen. Sein Kopf war auf seine Brust gesackt und er keuchte, wie nach einem Marathonlauf. Mokuba ließ sich langsam neben seinem Bruder nieder und blickte kurz zu Yami auf.

"Nicht anfassen!" erklärte er und sah dann seinen Bruder besorgt an.

Als dieser seinen Atem langsam wieder beruhigte, sprach ihn der Kleine leise an.

"Seto?" fragte er vorsichtig. Als keine Antwort kam, versuchte er es wieder. "Alles in Ordnung?"

Wieder keine Reaktion. Langsam kamen die anderen auf diese merkwürdige Szene zu und starrten ungläubig.

"Warum stupst du ihn nicht mal an?" fragte Tea leise.

"Jetzt nicht anfassen" murmelte Mokuba ihr knapp zu und beugte sich weit hinunter, damit er versuchen konnte seinem Bruder ins Gesicht zu sehen. Dieser starrte den Boden an und war noch immer damit beschäftigt sich wieder zu fangen.

"Seto!" flüsterte Mokuba ihm zu. "Hier bin ich. Guck mich an. Komm. Sieh mich an".

Langsam suchte Seto den Blick des Kleinen und blieb an seinen Augen hängen. Er hob seinen Kopf und blickte Mokuba in die Augen, welcher ihn mit seinem Blick langsam wieder in eine aufrecht sitzende Position bugsierte. Langsam kehrte wieder Leben in die blauen Augen und Seto atmete ein Mal tief.

"Alles Klar, Seto?" fragte Mokuba noch immer flüsternd.

Anstatt zu antworten, versuchte Seto wackelig wieder auf die Beine zu kommen. Als Joey versuchte ihm, weil ihm seine harten Worte schon fast wieder leid taten, aufzuhelfen, hielt Mokuba seine Hände von Seto fern. Er sah Joey an und schüttelte den Kopf. Als der Drache endlich wieder aufrecht stand blickte er kurz ins Leere und drehte sich dann, nach einer erneuten Ansprache seines kleinen Bruders um und sah in die verdutzten Gesichter.

"Alles klar, Kaiba?" versuchte Joey seinem schlechten Gewissen Ausdruck zu verleihen.

Der Ausdruck von Setos Augen war erst etwas von der Rolle, doch dann erlangte er den typisch kalten Ausdruck zurück. Er sah zu Mokuba herunter und sagte mit gezwungen klingender Stimme:

"Wenn du meinst, kannst du heute Nacht hier bleiben. Aber das nächste Mal sag etwas früher bescheid, damit ich weiß, wo du bist. Und lass dein Handy an."

Er drehte sich um und ging zurück in Richtung Jaguar.

"Seto, warte. Ich komme mit nach hause!"

Er wollte auf seinen Bruder zulaufen, welcher ihm nur mit ausdrucksloser Stimme entgegnete: "Wenn du lieber hier bleiben willst, bleib ruhig. Gute Nacht!"

Er stieg ein und steckte den Schlüssel ins Zündschloss.

"Seto, ich möchte nicht lieber hier bleiben. Ich bleibe bei dir und bin da, wenn du mich ..."

"Jetzt kümmere dich mal um dich, ja?"

Er drehte den Schlüssel um und die Pferdchen unter der Motorhaube machten sich laut bemerkbar. Er legte den Gang ein und murmelte mehr zu sich selbst als zu seinem Bruder gut hörbar hinüber:

"Egal wie sehr ich dich lieb habe, es gibt Dinge, die kann ich dir wohl wirklich nie geben. Tut mir leid, Kleiner." Er sah zu seinem Bruder hinüber. "Trotzdem danke."

Er lächelte gezwungen. Er wollte keinen Streit zwischen ihnen, dafür liebte er den Kleinen zu sehr. "Gute Nacht, Mokuba."

Mokuba sah seinen Bruder noch einen Moment an.

"Danke, Seto. Gute Nacht."

Als der Wagen sich in Bewegung setzte, rief Seto ihm noch aufmunternd hinüber:

"Aber sei rechtzeitig in der Schule. Sonst kriegst du Hausarrest!"

Mokuba grinste als Seto sich von ihm entfernte.

"Klar doch!" rief er ihm nach, war sich aber nicht sicher, ob sein Bruder es noch hören konnte.

Glücklicherweise konnte niemand in der Dunkelheit sehen, dass Setos Augen keinen scherzhaften, sondern tieftraurigen Ausdruck hatten.
 

Chapter 6
 

Als Mokuba zu den anderen zurückging, sahen ihn diese noch immer verdutzt an.

"Was war denn das eben?" fragte Tea ungläubig.

"Der hat ja geschrieen als wenn er sterben würde" fügte Tristan ebenso ungläubig hinzu.

"Das ist eine lange Geschichte" antwortete Mokuba jetzt wieder etwas traurig.

"Also ich glaube, dass wir alle jetzt eh keinen Schlaf mehr bekommen" ermutigte ihn Yami. "Willst du darüber reden?" Mokuba blickte aber nur traurig zu Boden.

"Das bedrückt dich, oder?" fragte Yami weiter als er sich fürsorglich zu dem Kleinen herab beugte.

Mokuba nickte: "Aber bitte sagt Seto nicht, dass ich es euch erzählt habe. Bitte!"

Joey trat nun ebenfalls zu ihm, legte seine Hand auf die kleine Schulter und drückte sie leicht: "Versteht sich doch von selbst. So unter Freunden."
 

Nachdem Yami mit Yugi wieder die Plätze getauscht hatte, bat er sie hinein und sie setzten sich, ausgestattet mit warmen Getränken, ins Wohnzimmer. Ganz leise, damit sie Großvater nicht weckten.

Sie stellten den Fernseher an, drehten die Lautstärke hinunter und machten es sich auf Decken und Kissen gemütlich. Mokuba kuschelte sich in die Sofaecke und sah lange schweigend seinen Tee an, während die anderen sich noch über die Geschehnisse des Tages unterhielten. Nach einiger Zeit sprach Tea den Kleinen endlich an:

"Mokuba? Möchtest du uns erzählen, was heute Abend mit deinem Bruder loswar? Ich meine, dass er gut auf dich aufpasst und nicht gerade freundlich zu uns ist, ist ja nicht ungewöhnlich. Aber dass er handgreiflich wird und auch noch total die Beherrschung verliert, sieht ihm gar nicht ähnlich. Aber du scheinst das schon zu kennen ..."

"Seto hat Angst."

Verdutztes Schweigen.

Noch mal wiederholte Mokuba: "Bitte sagt ihm nicht, dass ich mit euch darüber gesprochen habe!"

"Du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst" sagte Yugi beruhigend.

Natürlich wollte er brennend wissen, was mit Kaiba geschehen war, dass er sich so seltsam verhält. Schließlich suchte er schon länger nach einem Weg einen Zugang zu dem unnahbaren Drachen zubekommen. Er war aber die meiste Zeit nur auf Ablehnung gestoßen, was ihn sehr traurig machte. Yami war der Einzige, der wusste, dass er heimlich in Seto verliebt war. Er hatte es ihm zwar nicht gesagt, aber wenn man sich einen Körper teilt, bekommt man notgedrungen die Gefühle und Gedanken des anderen mit. So war Yami auch der Einzige, der Yugi aufheiterte, ihm gut zusprach und nur selten deswegen ärgerte, wenn er sich mal wieder einen eiskalten Blick eingefangen hatte.

"Danke, aber ich glaube, wenn ich nicht mal mit jemandem darüber spreche ... ich möchte das schon gerne mal loswerden. Ich habe zwar bei Noah schon ein paar Dinge fallen lassen, habe mich aber nicht getraut mehr zu sagen. Ich weiß, dass Seto das nicht recht wäre."

Daraufhin piepte Mokubas Handy. Er hatte eine Nachricht bekommen. Von Noah.

"Darf ich denn trotzdem zuhören oder möchtest du das nicht?"

Mokubas Handy war natürlich gleichzeitig ein internetfähiger Mini-Computer, sodass Noah kein Problem hatte mit ihm in Kontakt zu treten. Bis jetzt hatte er aber immer darauf verzichtet in Mokubas Privatsphäre einzudringen, weil er dies nicht für richtig hielt. Aber nun war er natürlich besorgt um seinen Liebling.

Der Kleine stellte seinen Handybildschirm an und somit Verbindung zum Internet her.

"Bist du online?" fragte Mokuba.

"Ja bin ich" kam Noahs Stimme aus dem Handy und kurz darauf, war auch sein Gesicht auf dem Display zu erkennen. Mokuba stellte das Handy auf den Tisch, sodass Noah in die Runde blicken konnte.

"Hi" grüßte er kurz bevor er sich wieder an den Kleinen wand: "Was ist den passiert, dass ihr alle so bedröppelt ausseht? Und warum ist Joeys Gesicht so geschwollen?"

Yugi ergriff die Gelegenheit und schilderte die ganze Sache kurz. Wie böse Kaiba war, dass sein Bruder nicht nach hause gekommen war, wie er auf Joeys Provokation reagiert hatte, wie er zusammengebrochen war und wie er leicht beleidigt abgezogen war.

Dann blickte Noah wieder zu Mokuba: "Was ist denn mit deinem Bruder passiert, Süßer?"

Mokuba erwiderte den Blick und fasste sich endlich ein Herz. Er umfasste seinen warmen Becher noch etwas fester und begann dann zu erzählen: "Seto hat große Probleme mit anderen Menschen" begann er.

"Na, das haben wir ja schon mitbekommen!" stellte Joey fest, fing sich aber ein bissiges "Joey!" von Tea ein.

"Sorry!"

"Besonders schlimm ist seine Angst vor körperlicher Nähe. Schon ganz kleine Berührungen, versetzen ihm einen Schrecken!" Mokuba blickte traurig seine herangezogenen Knie an. Es fiel ihm eindeutig schwer darüber zu sprechen. Wie lange hatte er das jetzt schon für sich behalten müssen?

"Aber er muss doch auch mal jemandem die Hand schütteln? Und als er Joey Eine verpasst hat, war das doch auch eine Berührung?" fragte Tristan vorsichtig.

"Schon" erwiderte Mokuba. "Aber das wird ja von ihm selbst ausgeführt und kontrolliert. Weiter als so würde er auch nie gehen." Wieder stockte er.

"Okay ..." antwortete Tristan.
 

"Mein großer Bruder hat nie gelernt wie es ist, wenn man lieb berührt wird. Und die Einzige, die ihm mal in den Armen gehalten und geküsst hat, war unsere Mutter ... bis ich gekommen bin". Eine kleine Träne rann über Mokubas Gesicht. Tea rutschte zu ihm heran und nahm ihm erst den Becher aus der Hand, bevor sie ihn in ihre Arme schloss. "Er hat es mir nie erzählt, aber die Nachbarn haben es mir gesagt und später habe ich dann auch mitbekommen, wie sie ihn geschlagen hat." Die eintretende Stille im Raum war erdrückend.

"Mokuba" flüsterte Noah im herüber. "Von Anfang an, Kleiner".

Nun überwandt Mokuba seine letzten Bedenken und fing ganz vorne an.

"Bevor ich geboren wurde, war wohl noch alles in Ordnung. Seto lebte mit unseren Eltern zusammen in einem kleinen Dorf vor Tokyo. Alles war normal. Er spielte mit den anderen Kindern und obwohl er von Natur aus sehr schüchtern ist, hatte er, glaube ich, trotzdem Freunde. Auch wenn er wegen seiner Hochbegabtheit manchmal ausgegrenzt wurde. Unser Vater war nie viel zuhause, sodass sich unsere Mutter ganz besonders um Seto kümmerte. Eines Tages verließ unser Vater sie für eine jüngere Frau. Da hat sie angefangen Seto abzulehnen. Als ich Jahre später nachforschte, was damals passiert ist, erzählte mir eine Nachbarin, dass sie viele gemeine Sachen mit ihm gemacht hat. Sie fand es plötzlich nicht mehr ok, dass Seto so intelligent war. Mit vier Jahren konnte er super die Geige spielen, welche er von einem Bekannten der Familie bekommen hatte. Und singen konnte er auch ganz toll. Sogar zu seiner eigenen Musik! Er hatte sich schon selbst lesen und schreiben beigebracht. Rechnen konnte er auch gut, außerdem war er immer sportlich und recht groß, wenn auch schmal für sein Alter. Sie beschimpfte ihn zunehmend, dass er sich wohl für etwas Besseres halte. Widersprüchlich war, dass sie ihm vorwarft, dass unser Vater sie nicht verlassen hätte, wenn er schon früher angefangen hätte schneller als andere zu lernen.

Irgendwann kam unser Vater zurück nach hause, weil seine neue Freundin ihn zum Teufel gejagt hatte. Plötzlich war Seto wieder ihr Liebling und alles war ok. Als sie jedoch das zweite Kind, also mich, erwartete, hatte Vater schon wieder eine Neue und machte sich erneut aus dem Staub. Und wieder musste Seto dran glauben. Sie gab ihm die Schuld für alles und fing an ihn zu verprügeln. Die Nachbarin hatte ein Mal beobachtet, dass sie mit Seto auf dem Schoß im Garten saß und mit ihm sang. Seto soll eine wunderschöne Knabenstimme gehabt haben. Plötzlich schmiss sie ihn wie aus dem Nichts gegen den Baum und schimpfte mit ihm. Sie schlug auf ihn ein bis er geblutet hat. Die Nachbarin sah das und wollte einschreiten, als Mutter ihn wieder aufhob und ihre Arme schloss. Sie sprach im gut zu und trug ihn ins Haus. Drinnen hat sie ihn gezwungen wieder für sie zu singen. Dann schimpfte sie ihn aus, dass er sich wohl für ganz toll hielt und alles nur tat, weil er zeigen wollte, dass er etwas Besseres war.

Als ich geboren wurde, musste Seto sich um mich kümmern, weil Mutter mit anderen Dingen und vor allem mit anderen Männern beschäftigt war. Als ich älter wurde, habe ich mitbekommen, dass sie immer die gleiche Masche mit Seto abzog. Erst zwang sie ihn in ihre Arme und sagte, dass er ein guter Junge sei und sie stolz auf ihn war. Dann schrie sie an, ob er das wirklich glaubte und schlug ihn. Auf zärtliche Berührungen folgten immer Schmerzen. Irgendwann hatte Seto sogar Angst mit mir in einem Bett zu schlafen. Zuerst zitterte er vor Angst als ich ihm half seine blutenden Wunden zu versorgen. Dann durfte ich ihn bald gar nicht mehr anfassen. Ich sagte ihm immer wieder, dass ich ihn lieb hatte, aber er hatte sogar Angst vor mir."
 

Mokuba fing an zu weinen und drückte sich fest in Teas Arme. Die anderen sahen sich gegenseitig betroffen an, sagten aber kein Wort. Als der Kleine sich wieder beruhigt hatte, erzählte er weiter.

"Mir hat Mutter nie etwas getan. Eigentlich benahm sie sich mir gegenüber immer ganz normal. Sie sagte immer, ich sei ja auch ein normaler Junge und nicht so eine Missgeburt wie mein Bruder. Ich wollte Seto in Schutz nehmen, aber meine Worte prallten an ihr ab.

Ich erinnere mich noch an das eine Mal als meine Mutter ihm bei einer Prügelattacke beinahe das Bein gebrochen hatte. Natürlich durfte er nicht zum Arzt gehen und so lief er mit einem selbstgebastelten Verband herum. Die Kinder aus seiner Schulklasse liefen den ganzen Weg über hinter ihm her und hänselten ihn, weil er mit seinem verstauchten Bein natürlich humpelte. Sogar seine angeblichen Freunde spotteten über ihn.

Mit der Zeit ließ sie Seto immer mehr hungern und hat ihm fast nie etwas zu Essen erlaubt und er wurde immer dünner. Und er durfte sich nur selten waschen, weswegen er immer etwas schmutzig war. Da haben ihn die Kinder noch mehr gehänselt.

Ein anderes Mal hatte Mutter Seto erwischt, als er mir heimlich etwas auf seiner Geige vorspielte. Zuerst brach sie die Geige entzwei, und dann brach sie ihm die Finger an der linken Hand und sein Gelenk. Heute ist davon kaum noch etwas zu sehen, aber längere Zeit Geige spielen, konnte er von da an nie mehr. Solche Geschichten könnte ich euch noch viele erzählen. Und es gibt sicher noch mal so viele, die ich nicht mitbekommen oder die ich verdrängt habe." Mokuba seufzte leise und musste sich noch einige Tränen aus den Augen wischen, bevor er weiter sprechen konnte.

"Wir wurden auch nicht ins Heim gesteckt, weil unsere Eltern tot sind, wie Seto immer erzählt." Mokubas Stimme zitterte. "Der Grund war ein ganz anderer. Seto weiß nicht, dass ich es mitbekommen hatte und ich habe auch nie versucht mit ihm darüber zu sprechen." Der Kleine schluckte und sprach ganz leise weiter.

"Seto war da etwa zwei Jahre jünger als ich heute. Ich wollte vom Garten durch das Wohnzimmer ins Kinderzimmer, aber ich blieb vor der Terrassentür stehen, weil Mutter wieder einen Mann zu Gast hatte und da durften wir sie nie stören. Ich wollte gerade andersherum durch die Haustür gehen als ich hörte, dass sie Seto ins Wohnzimmer rief. Als er kam, zwang sie ihn wieder zu singen. Er wollte nicht. Deswegen streichelte sie seinen Kopf und sagte ihm, dass er das doch immer so gut mache und, dass ihr neuer Freund ihn gerne mal hören wollte. Nachdem er immer noch schwieg, legte Mutter langsam einen scharfen Ton in ihre Stimme. Er hatte Angst vor ihr und begann deswegen mit zitternder Stimme zu singen. Ich hörte zu, weil ich Seto trotz allem immer gerne singen hörte. Man glaubt heute gar nicht, dass er ein unglaubliches Gefühl für Musik hat. Manchmal hört er heute noch gerne Musik oder sieht sich Konzerte im Fernsehen an ... aber nur wenn er glaubt, dass er alleine ist."
 

Mokuba stockte und sprach für einige Minuten nicht mehr bis Noah ihn leise ansprach.

"Was ist dann passiert, Mokuba?"

Der Kleine schloss die Augen und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Alle sahen ihn traurig an. Er schien wirklich mit sich kämpfen zu müssen, um seine Geschichte über die Lippen zu bringen. Aber Noah sprach ihm beruhigend zu und der Kleine schluckte seine Tränen runter und sprach dann mit leiser, brüchiger Stimme weiter:

"Es war schrecklich. Mitten im Lied schlug Mutter ihm auf den Hinterkopf, sodass er vorne überfiel. Als er auf dem Boden lag, trat sie ihm in den Bauch und schrie zu dem Typen herüber, dass sie Recht hatte, als sie ihm sagte, dass er sich für etwas Besseres hielt. Dann ... dann stand der Typ auf ... riss Seto hoch ... knallte ihn auf den Tisch und ..." Mokuba stockte wieder. Wischte sich erneut die Tränen aus dem Gesicht und sprach es dann endlich aus: "Er hat ihn vergewaltigt!"

Yugi war nun ebenfalls den Tränen nahe. Joey und Tristan sahen Mokuba geschockt an und Tea riss die Hände vor den Mund. Noah sah die anderen der Reihe nach an und wusste ebenfalls nicht, was er dazu sagen sollte. Aber das Sprechen nahm Mokuba ihm ab. Er sprach nun nicht mehr leise, sondern sehr laut, um zu verhindern, dass seine Stimme brach.

"Er hat sich gewehrt, er hat geschrieen und geweint, aber Mutter hat ihn festgehalten während der Typ es mit ihm getrieben hat. Ich war wie paralysiert, ich konnte mich nicht bewegen und selbst wenn ... ich hätte ihm doch nie helfen können. Gegen zwei Erwachsene konnten wir auch zu zweit nichts ausrichten." Mokuba schluchzte laut.

Tea nahm ihn wieder in die Arme und versuchte ihn zu beruhigen.

Als sich der Kleine wieder gefangen hatte, nahm er das Wort wieder auf:

"Dann hat Seto plötzlich gar nichts mehr gesagt. Er hat keinen einzigen Ton mehr von sich gegeben. Er lag nur noch da und hat gewartet bis es vorbei war. Ich glaube, das war der Moment als er sich endgültig veränderte. Er hat seit dem nie mehr gelacht oder mehr gesprochen als nötig war. Ich habe schon öfter gedacht, dass das der Moment war in dem die Freude in seinem Blick dem Eis gewichen ist. Seitdem hat er sich nie mehr oder nur sehr selten freiwillig berühren lassen oder selbst jemanden berührt."

Wieder entstand eine Pause in der keiner etwas sagte. Mokuba nahm sich seinen mittlerweile kalten Tee vom Tisch und schüttete ihn in einem Zug hinunter. Die anderen rutschten auf ihren Plätzen hin und her und wussten keine tröstenden Worte. Was sollte man dazu auch sagen?
 

Wieder war es Noah, der die Stille brach.

"Wie seid ihr dann von da weggekommen?" fragte er und riss die anderen so aus ihren Gedanken.

"Die besagte Nachbarin hat von draußen die Schreie gehört und war an den Gartenzaun gekommen. Sie kam herein als ich nicht auf ihr Rufen reagierte und sah das Ganze. Sie nahm mich hoch und brachte mich in ihr Haus. Ich war so geschockt, dass ich mich gar nicht bewegen konnte. Dann rief sie die Polizei, welche Seto dann rausholte. Aber da war schon alles vorbei. Sie fanden ihn nur mit zerrissenen Klamotten und völlig blutverschmiert im Flur. Daraufhin wurde Mutter das Sorgerecht entzogen und wir kamen ins Heim."

Wieder breitete sich Stille aus.

"Mokuba, das ist ja eine schreckliche Geschichte!" sagte Tea geschockt.

"Ich glaube so was hatte keiner von uns erwartet. Ich dachte immer, er wäre schon als Arschloch auf die Welt gekommen."

"Joey, das war jetzt wirklich mehr als unpassend" fuhr Noah ihn an.

Erst jetzt realisierte Joey, was er gesagt hatte und entschuldigte sich tausend Mal.

"Aber dann seid ihr ja von Gozaburo *Hilfe, wie schreibt man den???* Kaiba adoptiert worden, richtig? Die Geschichte mit dem Schachspiel ist ja allgemein bekannt" unterbrach Tristan Joeys Entschuldigungsflut.

"Na ja" erwiderte Mokuba verlegen. "Leider hat sich nach dem Vorfall keiner der Erwachsenen um Seto gekümmert, also hat er versucht selbst damit fertig zu werden. Aber die Adoption hat ihn nur noch härter gemacht."

"Warum?" wollte Noah wissen. "Natürlich war mein Vater extrem streng, aber ich kam eigentlich gut mit ihm aus ... bis er in Seto eine andere Beschäftigung gefunden hatte." Mokuba blickte Noah vorsichtig an und hatte Probleme seinem Blick standzuhalten.

"Hat er dich geschlagen? Oder dich schlagen lassen?" fragte er leise.

"Um Gottes Willen! Nein! Nie!" antwortete Noah geschockt.

"Seto schon."

Noah machte ein mehr als geschocktes Gesicht und fragte dann aufgebracht: "Hat er dich auch angefasst? Mokuba hat er dir wehgetan?"

Der Kleine schüttelte den Kopf. "Zweifelst du an meinen Worten?" wollte er wissen.

"Nein, ich glaube dir" sagte Noah entschlossen. "Seto war nicht sein leiblicher Sohn ... es kann schon sein, dass er da einen Unterschied gemacht hat. Aber warum hat er ihn geschlagen? Er war zwar menschlich kalt und grausam, aber ich habe nie mitbekommen, dass er mal gegen irgendwen die Hand erhoben hat!"

Mokuba sah die Decke an, welche am Ende der Couch lag und Joey gab sie ihm ohne ein Wort herüber. Erst als der Kleine sich wieder in die Ecke gekuschelt hatte, konnte er weitererzählen. "Ich glaube nicht, dass er es getan hat, um meinen Bruder zu ärgern. Es sah mehr so aus, als wollte er ihn damit erziehen. Wenn er nicht gerade saß, setzte es eine Ohrfeige. Wenn er eine falsche Antwort gab oder frech wurde, setzte es auch einen Schlag. Wenn er beim Lernen einschlief, wurde er mit einem Hieb wieder aufgeweckt. Er hat ihn nicht verprügelt, aber er hat körperlichen Schmerz als Drohung benutzt. Wenn das nicht reichte, hat er ihn manchmal auch irgendwo im Dunkeln eingesperrt ,um ihm zum nachdenken zu verhelfen' sagte mir mal einer von Setos Lehrern. Häufig kam Seto blass, schwach und völlig unterkühlt aus seinen Strafräumen zurück. Er schien ihn mit Kälte zu quälen. Ich hörte mal wie er zu ihm sagte: ,Wenn du nicht willst, dass dir die Kälte etwas ausmacht, musst du selbst kalt werden.' Ich glaube Seto hat das dann auf sein Leben übertragen. Irgendwann hat er sich Gozaburo gefügt und alles gelernt und getan, was man von ihm verlangt hat. Von da an wurde er auch nicht mehr verletzt. Er hat nie nach dem Warum gefragt, sondern einfach nur noch gearbeitet. Seine wenigen freien Minuten am Tag verbrachte er bei mir, um zu sehen, ob es mir noch gut ging. Ich weiß nicht weshalb, aber er hat immer auf mich aufgepasst. Als ich ihn mal danach fragte, warum er nur zu mir nett ist, hat er geantwortet ,Du bist das einzig Warme in meinem Leben'. Aber er hat mich fast nie in den Arm genommen oder über seine Sorgen gesprochen. Er wurde völlig kalt und so ist es bis heute. Den Rest kennt ihr ja."

Damit schloss Mokuba seine Erzählung und schaute die anderen erwartungsvoll an.
 

"Warum hat er nicht das gleiche mit Noah gemacht? Warum nur mit deinem Bruder?" fragte sich Tristan leise.

"Weil ich mich nie gegen seinen Willen gewehrt habe" antwortete Noah für Mokuba. "Ich wollte die Firma freiwillig übernehmen. Ich fand es gut, so wie es war. Ich habe gern für meinen Vater gelernt. Aber ich war auch nie so verletzt wie Seto. Ich hätte mich meinem Vater niemals widersetzt oder an seinem Stuhl gesägt. Ich wollte für meinen Vater alles erreichen. Seto hingegen wollte nur das Beste für seinen Bruder. Und er hat den Weg gewählt, der sich ihm anbot. Ich denke mal, er wollte so mächtig werden, dass ihm nie wieder jemand wehtun kann. Aber Angst ist ein Gefühl, dass man ohne fremde Hilfe nicht mehr loswird. Und da er weder Hilfe von außen bekam, noch danach fragte oder fragen durfte ... na ja."

Ja, das machte wohl Sinn.

"So hatte ich das auch gedacht" stimmte Mokuba ihm zu. "Ich hoffe, ihr hasst uns jetzt nicht" fragte er leise hinterher.

"Nein! Auf gar keinen Fall!" kam es einstimmig aus der Runde.

Yugi setzte sich zu dem Kleinen neben die Couch und sah in freundlich an.

"Es war gut, dass du uns das erzählt hast. Vielleicht geht es dir ja jetzt besser und vielleicht können wir deinem Bruder zusammen helfen. Der wahre Seto muss ja noch irgendwo sein. Sonst würde er nicht so viel Angst haben ... oder dich so sehr lieb haben." Dabei strich Yugi ihm sachte über den Kopf.

"Vielleicht wird es Zeit, dass sich jetzt einiges ändert! Für euch beide" ergänzte Noah.

"Genau!" versuchte nun auch Joey ihn aufzumuntern. "Ihr seid jetzt nicht mehr alleine. Und ihr habt Freunde! Und einen zusätzlichen Kaiba!" sagte er und zwinkerte zu Noah hinüber.

"Vielleicht ist dein Bruder gar nicht so ein Idiot wie wir immer dachten. Er kann einfach nur nicht aus seiner Haut ..."

"... was absolut verständlich ist!" fiel Tea Tristan ins Wort. "Ich glaube das, was dein Bruder erlebt hat, würde keiner von uns so einfach wegstecken."

Mokuba blickte in die Gesichter seiner Freunde und war nun endlich wieder guten Mutes.

"Und das mit dir und Noah bringen wir ihm auch schonend bei" ärgerte Joey ihn nun wieder etwas.

"Wie? Woher wisst ihr, dass ..." stotterte Noah.

Mokuba lachte und alle anderen fielen mit ein.
 

"Ich glaube wir sollten jetzt schlafen gehen. In fünf Stunden müssen wir ja schon wieder in der Schule sein" gähnte Tea.

"Vielleicht steht die Limo ja noch draußen und kann euch nach hause bringen" hoffte Mokuba und tatsächlich! Ein Blick aus dem Fenster bestätigte seine Vermutung.

"Tja, dann sehen wir uns gleich in der Schule wieder!" scherzte Joey und machte sich auf den Weg nach draußen. Nachdem alle weg waren, verabschiedeten sich auch Noah und Mokuba von einander.

"Wird schon werden, Kleiner!" baute Noah seinen Schatz noch etwas auf.

"Ich weiß. Danke, Noah."

"Schlaf gut! Und betrüg mich nicht mit Yugi!" grinste er ihn an.

Mokuba wurde rot und verabschiedete sich schnell ohne weiter darauf einzugehen. Danach durfte er dann doch bei Yugi im Bett schlafen, weil beide nach den Erlebnissen der heutigen Nacht nicht alleine bleiben wollten ... und weil sie beides eines gemeinsam hatten - die Liebe zu Seto und die große Sorge um ihn.
 

Chapter 7
 

Am nächsten Morgen in der Schule sah man auch Seto an, dass er auch diese Nacht wieder relativ schlaflos verbracht hatte. Wie immer versuchte er seinen Kummer mit Arbeit zu bekämpfen, was die jahrelange Übung ihm erleichterte. Deswegen war er auch nicht zuhause gewesen, sondern die ganze Nacht in seinem Büro in der Stadt. Er war nur kurz in seiner Villa vorbeigefahren, um sich zu duschen und eine frische Schuluniform anzuziehen.

Mokuba war wie versprochen rechtzeitig in der Schule (was Seto natürlich kontrollierte) und Joey kam wie erwartet auch erst zur zweiten Stunde. Jedoch ließ er es heute bleiben Kaiba mit fiesen Bemerkungen zu bedenken und auch die anderen sahen den Drachen jetzt in einem anderen Licht. Denn jetzt verstanden sie ja, das seine Ablehnung nichts Persönliches gegen sie war. Er konnte nun mal einfach nichts anders. Er hasste sie nicht - er hatte Angst vor Ihnen.
 

In der Mittagspause trafen sie Mokuba auf dem Schulhof und verabreden, dass sie direkt nach der Schule wieder Noah besuchen wollten. Denn Spaß gemacht, hatte es ja allemal. Und diesmal wollten sie auch nicht allzu sehr die Zeit vergessen.

Der Rest des Tages verlief eigentlich völlig ereignislos. Bis auf die letzte Doppelstunde. Sport. Eigentlich war der Sportunterricht nie ein Problem, aber für Seto schon. Er trieb zwar regelmäßig Ausdauer- und Kraftsport und hatte immer gute Noten in diesem Fach erzielt, jedoch hatte der Sportlehrer eine persönliche Abneigung gegen den überheblichen Einserschüler. Er versuchte ständig ihm mit Mannschaftssport Eins reinzuwürgen, was ihm jedoch nie wirklich gelang. Obwohl Setos Sozialverhalten zu wünschen übrig ließ, war jedoch an seinem Benehmen nichts auszusetzen, was eine schlechte Note gerechtfertigt hätte. Und wie das Glück so spielte, hatte er ausgerechnet heute eine besondere Gemeinheit auf dem Plan ...womit er Seto eher unbewusst traf.
 

Zum Ende der Stunde sollten sie eine Übung zu zweit machen, welche Seto vehement ablehnte. Zwei Schüler sollten sich hintereinander stellen und der vorn stehende sollte sich rückwärts fallen lassen und darauf vertrauen, dass der andere ihn auffing. Das sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Vertrauen in die Mannschaft stärken. Und weil der liebe Herr Sportlehrer genau wusste, dass Seto und Joey sich besonders mochten, durften sie die Übung auch gemeinsam ausführen.

Während alle schon schwer am Üben waren, stellte Seto sich mit verschränkten Armen hin und wartete wohl, bis endlich die Glocke zum Stundenende erklang. Dies ließ Joey natürlich nicht auf sich sitzen und sprach seinen Partner aufmunternd an:

"Komm schon Kaiba. Bringen wir's hinter uns und dann hast du deine Ruhe, ok?"

"Vergiss es, Wheeler."

"Komm schon, ich lass dich nicht fallen!"

"Ich sagte: Vergiss es! Mach dich vom Acker!"

So konnte er ihn also nicht ködern.

"Komm Alter. Das ist unfair!"

Mittlerweile waren auch die anderen auf dieses kleine Problempaar aufmerksam geworden und schauten neugierig herüber. Ein Streit zwischen Drache und Hund war immer ein Selbstgänger.

"Kaiba! Wenn du das nicht mitmachst, kriege ich eine schlechte Note wegen Arbeitsverweigerung und das kann ich mir nicht leisten!"

"Was kann ich dafür, dass du in allen Fächern so ein Loser bist! Selbst Schuld! Und jetzt hau ab!"

"Kaiba, das ist unfair. Ich muss jetzt diese Übung machen!"

"Hör auf zu nerven und zieh Leine!"

"Kaiba! Mann! Wenn ich sitzen bleibe ist es deine Schuld! Und wenn der Lehrer rauskriegt, dass du ..."

"Ok, halt mal den Rand! Kompromiss: Ich fange dich auf, aber umgekehrt kannst du vergessen!"

Stimmt ja! Da war nicht nur diese Sache mit dem Vertrauen, sondern auch noch dieses Problem mit dem Anfassen. Kaiba wollte nicht, dass Joey ihn anfasste! Das war zwar verständlich, aber ...

"Mr. Seto Kaiba!" Oh je! Da kam auch schon Setos Lieblingslehrer. "Gibt es irgendein Problem mit der Übung?"

Ruhe kehrte in der Halle ein. Das versprach spannend zu werden!

"Ich werde diese stumpfsinnige Übung nicht ausführen!" unterbreitete Seto dem Lehrer entschlossen.

"Aber es ist eine gestellte Aufgabe und du als Schüler hast deine Aufgaben zu erfüllen!"

"Ich weigere mich!" Setos Augen waren so kalt, dass sogar die umstehenden Schüler eine Gänsehaut bekamen und lieber ein paar Schritte Abstand nahmen. Obwohl dem Lehrer nun doch nicht ganz wohl dabei war, sich mit einem der mächtigsten Wirtschaftsbosse der Welt anzulegen, konnte er dennoch nicht vor all den anderen Schülern den Schwanz einkneifen. Was wollte der arrogante, verzogene, überhebliche Idiot denn schon machen? Ihm einen Killer auf den Hals hetzen? Wohl kaum! **Oder vielleicht doch? ;->**

"Wenn ich sage, dass du diese Übung machen sollst, dann wirst du das tun. Wir sind hier nicht in deinem Revier, sondern in meinem. Und ich sage dir: MACH DIESE VERDAMMTE ÜBUNG!!!"

"Nein" entgegnete Seto völlig ruhig.

"Wenn du nicht tust, was ich dir sage, dann wirst du eine Sechs im Sport bekommen und somit bleibst du sitzen! Auch wenn du sonst überall Einsen hast, SCHEIßEGAL!!!"

"Damit werden Sie vor Gericht nicht durchkommen. Sie können mir keine Gesamt-Sechs wegen so einem Pipifax verpassen. Dies liegt nicht in Ihren Befugnissen."

Da hatte Kaiba Recht. Er konnte ihm keine Sechs für das gesamte Fach geben, wenn er ansonsten Top-Leistungen erbrachte.

Da wurde dem Lehrer dann doch zu bunt. Er konnte sich doch von so einem jungendlichen Arsch nicht vorführen lassen. Auch wenn es vielleicht Probleme nach sich zog, das war ihm jetzt völlig egal. Er packte Seto an beiden Armen bevor dieser wusste wie ihm geschah und riss ihn an sich heran, um mehr Hebelkraft für sein Vorhaben aufzubringen. Seto indes spürte die harte Berührung an seinen Oberarmen und bekam Panik.

>Nein! Nicht schlagen! Nicht schlagen! Keine Schmerzen! Bitte nicht! Nein! Bitte nicht! Nicht schlagen!<

Er wehrte sich und versuchte aus dem Griff herauszukommen, verlor jedoch wie immer jegliche Kraft und so gaben seine Beine schneller nach als ihm lieb war.

"Ich sagte: MACH DEINE VERDAMMTE ÜBUNG!!!" schrie ihn der Lehrer an und schleuderte ihn wütend auf Joey zu. Dieser stand bis eben wie angewurzelt etwa sechs Meter entfernt von Seto und sah diesen nun auf sich zufliegen. Die anderen Schüler zogen scharf die Luft ein und einige Mädchen quiekten vor Schreck kurz auf. Ganz automatisch öffnete Joey aber seine Arme, um ihn aufzufangen. Er hechtete ihm etwas entgegen und erwischte ihn glücklicherweise auch, bevor er auf dem Boden aufschlug. Er umfasste seinen Brustkorb und fiel dann durch die Wucht des Wurfes, seitlich mit ihm zu Boden. Indem sich Joey schneller dem Boden zudrehte, konnte er noch verhindern, dass Seto sich bei seiner Landung verletzte und so kam er sicher in seinen Armen zu liegen.

Als der erste Schreck endlich nachließ, hörte er, dass Kaiba schluchzte und am ganzen Körper zitterte. Nur mit Mühe konnte sich der geschockte Seto zurückhalten laut loszuschreien wie letzte Nacht.

Er schluchzte ein lautes "Nicht! Lass mich los! Lass mich bitte bitte los!" und Joey erinnerte sich an Mokubas Worte.

>Jetzt nicht anfassen!<

Vorsichtig ließ er dann das tränenaufgelöste Häufchen Elend ganz auf den Boden gleiten, blieb jedoch nahe neben ihm sitzen. Der Lehrer genauso wie alle anderen starrten diese obskure Szene an und konnten das, was sie da sahen, gar nicht richtig einordnen. Der mächtige Seto Kaiba lag am Boden und heulte wie ein kleines Kind.
 

Kurz darauf waren auch schon Yugi, Tea und Tristan bei ihnen und sahen besorgt zu ihm hinunter.

"Yugi!" meldete sich Yami nun zu Wort. "Hilf ihm! Mach das, was Mokuba getan hat!"

Yugi wusste, was sein Geist meinte und beugte sich soweit herunter, dass er in Setos Gesicht sehen konnte. Dieser hatte fest die Arme um sich geschlungen, den Mund und die Augen fest zusammengepresst und atmete schneller als es gesund war um seine Tränen unter Kontrolle zu halten.

"Seto" sagte Yugi leise. "Seto, es ist ok. Sieh mich an. Komm schon, mach die Augen auf und sieh mich an!"

Langsam öffnete Seto seine Augen und suchte die seines Bruders. Fanden taten sie jedoch Yugis, was ihn zwar etwas erschreckte, aber trotzdem zurück auf die Erde holte.

"Yugi" keuchte er erschöpft.

"Ja. Ist ok. Beruhige dich. Keiner wird dir wehtun. Ich beschütze dich. Versprochen."

Langsam beruhigte sich sein Atem und er begann sich langsam aufzusetzen. So gerne Yugi und die anderen ihm dabei helfen wollten, wussten sie doch, dass sie ihn jetzt lieber nicht anfassen sollten.
 

Als Seto sich wieder gefangen hatte und einigermaßen ruhig atmete, stand er auf. Jedenfalls versuchte er es, aber seine wackligen Beine gaben leider sofort wieder nach, sodass er gleich wieder hart auf dem Boden landete. Einige blöde Typen aus der Klasse konnten es nicht lassen, sich darüber zu amüsieren und lachten laut los. Seto Kaiba gab ihnen einen Grund, ihn zu verhöhnen - das war selten und musste genutzt werden! Sie hielten es für eine besonders gute Idee sich gegenseitig durch die Gegend zu werfen und so diese eigentlich traurige Szene ins Lächerliche zu ziehen.

Da der Lehrer noch immer wie versteinert auf Kaiba blickte, nahmen nun Joey und Tristan es in die Hand, die anderen zur Ruhe zu bringen. Unter Androhung roher Gewalt und wüsten Beschimpfungen, versuchten sie ihre Klassenkameraden zurück in die Umkleideräume zu treiben, was durch das langersehnte Läuten der Schulglocke glücklicherweise unterstützt wurde.

Endlich war auch der Lehrer aus seiner Starre erwacht und tat ein paar Schritte auf Seto zu, welcher mit tränengefüllten Augen zu Boden starrte. Gott war das peinlich! Vor allen Leuten ... sich so gehen zu lassen. Seine Schwäche so deutlich zur Schau zu tragen. Was sollte denn jetzt werden? Sein Image war ganz eindeutig im Arsch ... und seine Würde auch.

Tristan hielt den Lehrer am Arm fest und Joey sagte in scharfem Ton zu ihm:

"Es wäre jetzt wohl das Beste, wenn Sie jetzt auch Feierabend machen."

Verwirrt blickte er erst auf Joey, dann auf Tristan, welcher seinen Arm mittlerweile wieder freigegeben hatte, und dann wieder auf den kraftlos am Boden sitzenden Kaiba.

Nun wandte Tea das Wort an ihn: "Wir werden uns um ihn kümmern. Sie sollten jetzt wirklich besser gehen."

Endlich drehte sich der Lehrer um und verließ nun mit den letzten Schülern die Halle.

Alle vier ließen sich neben Seto auf dem Boden nieder, um nicht von oben auf ihn herabzublicken und versuchten auf diese Weise eine vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen.

"Alles ok bei dir?" fragte Yugi vorsichtig.

Seto atmete tief ein und hielt sich eine Hand auf die Stirn. "Gott, bitte nicht schon wieder. Scheiße" flüsterte er.

"Kaiba" Yugi versuchte nun wieder Setos Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und strich mit dem Rücken seines Zeigefingers vorsichtig den erhobenen Arm hinab. Jedoch wurde seine Hand mit einem fahrigen Wisch zur Seite geschleudert und Seto blickte ihn entsetzt an.

"Lass das" keuchte er.

"Tut mir leid" versuchte Yugi sich zu entschuldigen und hob seine Hände damit Seto sie sehen konnte. "Keiner wird dich anfassen. Versprochen!"

Seto senkte seinen Blick und versuchte wieder auf die Beine zu kommen, wieder vergeblich. Seine Beine wollten ihn einfach nicht tragen.

"Verdammt!" fluchte er leise und schloss seine Augen. Zwei Mal hintereinander ausgefallene Nachtruhe und noch zusätzlich der kräftezehrende Sportunterricht machten sich nun doch bemerkbar.

"Können wir dir irgendwie helfen, Kaiba?" versuchte es nun Joey.

"Haut einfach ab!" war die kraftlose Antwort. Seto wollte im Moment eigentlich nur alleine sein.

"Lass dir doch helfen. Ist doch vollkommen in Ordnung, Alter".

Aber vergeblich. Er bekam nicht mal mehr eine Antwort. Zu sehr war Seto damit beschäftigt irgendwie seine alte Fassung zurückzuerlangen.

"Kommt, wir gehen schon mal vor" meinte Tea und zwar widerwillig aber dennoch einsichtig folgten Ihr die Jungs.
 

Als sie sich umgezogen hatten, trafen sie sich auf dem Gang zwischen den Umkleideräumen.

"Ist Kaiba schon wieder auf den Beinen?" fragte Tea besorgt.

Kopfschütteln.

Doch just in diesem Moment sahen sie durch die Scheibe, wie Kaiba in die Jungenumkleide verschwand. "Gehen wir schon mal vor die Tür. Wir können ja auch draußen auf ihn warten."

Gesagt getan. Nachdem sie schon zehn Minuten vor der Halle standen, kam auch Seto endlich wieder umgekleidet aus den Halle.

"Geht es dir wieder besser?" fragt Joey ihn.

Seto jedoch ging ohne ihn anzusehen einfach an der Gruppe vorbei Richtung Parkplatz. Er war erst einige Meter von ihm entfernt als Mokuba ihn rief.

"Seto! Seto warte doch mal!"

Der Angesprochene blieb stehen und wartete bis sein kleiner Bruder ihn erreicht hatte.

"Gehst du jetzt noch arbeiten?" fragte ihn der Kleine völlig aus der Puste.

"Klar, was soll ich denn sonst machen?"

Mokuba kannte diesen Tonfall und besorgt sah er seinen großen Bruder an.

"Ist irgendwas passiert, Seto? Du siehst blass aus!"

"Geht schon. Was willst du? Ich muss mich beeilen."

Ok, wenn er nicht reden wollte, konnte er den Großen auch nicht dazu zwingen. Außerdem hatte er selbst es ja auch eilig und gerade ganz andere Sachen im Kopf.

"Ich wollte mit den anderen noch etwas durch die Stadt bummeln. Ist es in Ordnung, wenn ich erst heute Abend nach hause komme?"

"Wenn du meinst. Aber vergiss nicht deine Hausaufgaben zu machen. Und sei bitte zuhause bevor es dunkel wird ... und lass das Licht im Flur an."

"Da ist aber die Glühbirne kaputt und ich ..."

"Dann sag bescheid, dass sie gewechselt wird!" sagte er aggressiver als er eigentlich geplant hatte. Seto wollte nicht, dass es dunkel war, wenn er nach hause kam. Er hasste dunkle Räume und Mokuba wusste das.

"Klar, mach ich, Seto!"

"Gut" sagte er und ging weiter in Richtung Parkplatz. "Ich wünsch dir viel Spaß, Kleiner!"
 

Chapter 8
 

"Kommt schon, lasst uns endlich losfahren!" drängelte Mokuba dann die anderen.

Natürlich hatte er es eilig möglichst schnell wieder zu seinem Noah zu kommen. Wieder nahmen sie die Limousine und fuhren zu dem kleinen Labor am Rande der Stadt. Dort angekommen passierten sie recht schnell die Sicherheitsbarrieren und gingen direkt zu den Kapseln im Keller. Dieses Mal trat Mokuba selbst ans Kontrollpult, schaltete es ein und klickte den kleinen Schalter nach oben, noch bevor sich sein Schatz über den Monitor melden konnte. Als dieser endlich auf der Mattscheibe erschien, saß Moki quasi auch schon in seiner Kapsel.

"Kommt endlich!" trieb er die anderen an, welche nun grinsend ebenfalls ihre Kapseln bezogen. Wieder wurden die Kontakte auf sie niedergesenkt und schon fanden sie sich in der Einkaufsstraße wieder.
 

Glücklich lächelte Noah seinen Mokuba an und sagte erst mal gar nichts. Erst als er merkte wie der Kleine verlegen hin und her hibbelte, öffnete er seine Arme. Sofort wurde er von seinem Süßen in Besitz genommen und er drückte ihm einen kleinen Schmatzer auf die Wange. Als Mokuba sich endlich wieder gefangen hatte, löste er sich aus der Umarmung und schaute mit rotem Kopf zu Boden. Noah schaute zu den anderen und begrüßte sie nun auch endlich mit einem "Hello again!".

Witzelnd öffnete Joey seine Arme und erwartete wohl, dass Noah nun das selbe tat wie Mokuba bei ihm.

"Witzig!" fuhr Tea in sarkastisch an.

Aber Joey hatte wohl schon vergessen in wessen Welt er sich befand. So erschien direkt über ihm ein virtueller Eimer mit virtuellem kaltem Wasser, welches ihm dann jedoch erstaunlich real über den Kopf gegossen wurde.

"Ey Mann! Ihr Kaibas versteht wohl alle keinen Spaß, was?" meckerte Joey beleidigt.

"Doch tun wir. Nur unser Humor ist etwas anders" antwortete Noah und ließ zwinkernd vor dem begossenen Pudel ein Handtuch erscheinen.

Nachdem sie sich nun endlich begrüßt hatten, fragte Tristan ungeduldig:

"Und, was machen wir heute?"

"Habt Ihr einen bestimmten Wunsch?" wollte Noah freundlich wissen.

"Strand!" forderte Tristan.

"Bäääh, langweilig!" moserte Joey unter seinem Handtuch hervor. "Ich will Kühe!" lachte er.

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"Na, Mondkühe ihr Honks!" lachte er weiter.

"Du willst auf den Mond?" fragte Yugi ungläubig.

"Klar!"

"Geht das denn überhaupt?" war Yugis nächste Frage an Noah.

"Klar!" antwortete auch er. "Nichts leichter als das."

Und schon befanden sie sich in einer weißen, staubigen Landschaft mit vielen Steinen und Kratern.

"Ich gehe mal davon aus, dass ihr keine Astronautenanzüge wollt, oder?" meinte Noah grinsend an Joey gewandt.

"Nö, lass mal, Alter!" grinste Joey als er plötzlich von hinten gepackt und in die Luft geworfen wurde. Tea und Tristan sahen dem hilflosen Joey winkend hinterher als dieser mehrere Meter vom Boden abhob.

"Kraaaaaaaass!"

Yugi, welcher bis eben noch mit seinen Gedanken bei Seto gewesen war, zuckte mit den Schultern und mit einem kräftigen Sprung machte er sich auf den Weg nach oben, von wo sein Freund gerade langsam wieder gen Boden schwebte. Tea und Tristan hopsten nun ebenfalls wild kichernd durch die Mondlandschaft.

Noah sah Mokuba lächelnd an und fragte: "Willst du auch?"

"Klar!" war die prompte Antwort. Schon hob Noah den Kleinen vorsichtig an den Hüften und stupste ihn ein wenig in die Höhe, sodass Moki gleich wieder runterkam. Noah jedoch sprang ihm entgegen und mit einer kleinen Kopfnuss in seinen Bauch beförderte er in nun ganz nach oben. Wild lachend und mit den Armen flatternd genoss der das ungewohnte Gefühl der Schwerelosigkeit.
 

Nach einer ganzen Weile waren alle kaputt vom Herumhampeln und den luftigen Raufereien und kamen wieder auf dem Boden zu stehen.

"WOW!" Ein Schrei von Joey durchbrach die Stille.

"Was denn?" kam erschrocken vom Tea zurück.

Joey deutete in die Ferne und die anderen folgten seinem Blick. Was sie sahen, ließ ihnen den Atem stocken.

"Die Erde" stellte Yugi verträumt fest.

Alle waren wie gefesselt von diesem Anblick. Wann sah man schon mal seinen eigenen Planeten vom All aus?

Mokuba stellte sich ganz dich neben Noah und ließ sich von ihm in die Arme ziehen.

"Das ist wunderschön" sagte er ebenso verträumt und war zufrieden mit sich und der Welt. Die Erde unter ihm und seinen Schatz neben ihm. Um ihn herum seine besten Freunde. Was konnte denn noch besser sein?

"Wo guckt ihr denn alle hin?"

Joeys verdutzter Ausruf riss die anderen aus Ihren Träumen? Ebenso verdutzt sahen sie, wie Joey wild durch die Gegend schaute, wohl aber nichts entdecken konnte, was diese Träumerei erklären konnte.

"Wir sehen uns das an, was du uns zeigen wolltest!" antwortete Tristan verwirrt.

"Die Kuh da?" fragte Joey zurück und wies wieder in die selbe Richtung.

KUH???? Tatsächlich, wenn man etwas links unten von der Erde blickte, stand da eine dicke, fette, schwarzweiße Kuh und sah die Freunde mit großen Glubschaugen an.

"Du wolltest doch eine Mondkuh!" lachte Noah ihn an und die anderen fielen mit ein.
 

Plötzlich durchzuckte ein Blitz die Mondgegend und sie fanden sich in der Einkaufsstraße wieder. Etwas verwirrt blickten sie durch die Gegend. Es war doch sonst gar nicht Noahs Art, sie so plötzlich aus einer Welt herauszureißen.

"Kannst du das nächste Mal bitte vorher bescheid sagen?" blaffte Tristan ihn an.

"Das war ich nicht! Ehrlich!" blaffte Noah beleidigt zurück.

"Aber wenn du das nicht warst, wer war das dann?" fragte Yugi besorgt.

"Ich werde das mal checken" sagte Noah, ließ seinen Moki los und stellte sich gerade und bequem hin. Dann froren seine Augen ein und er blickte ins Leere. Hier und da machten sich in der Gegen kleine Nullen und Einsen auf den Weg in Noahs Körper. Gespannt sahen sie Noahs absonderliche Gestalt an und warteten, dass er wieder aus seiner Starre erwachte.

"Noah!" stupste Mokuba ihn vorsichtig an und bekam auch prompt eine Antwort.

"Keine Sorge, Süßer. Ich bin gleich fertig mit scannen!"

Ungläubig ließ der Kleine seine Hand wieder sinken und wartete ab. Nach etwa einer halben Minute wachte Noah wieder auf und lächelte die anderen an.

"Nichts Wildes. Nur ein kleiner Internetvirus, den ich nicht bemerkt hatte. Ist aber schon gekillt und verschrottet. Das sollte nicht noch mal passieren."

Beruhigt atmeten die andern auf und begannen wieder zu lächeln. Während Joey schon wieder anfing seine Witzchen zu reißen, sah Mokuba, dass Noah etwas nachdenklich in die Gegend blickte.

"Was ist denn?" fragte Yugi, der dies wohl auch bemerkt hatte.

Noah sah sie fragend an. Dann merkte er, dass wohl er gemeint war. Und sagte etwas unsicher:

"Ich glaube ich möchte euch mal etwas zeigen."

"Ok?" sagte Joey, der mittlerweile aufgehört hatte, dem Eismann auf der Straße Schokostreusel ins Gesicht zu kleben (schön, dass man in der virtuellen Welt machen kann, was man will) kam nun auf ihn zu.

"Sagt mir mal, was ihr davon haltet" bat er und sah zu Mokuba hinunter, bevor er ihn an die Hand nahm. Langsam verschwamm die Gegend um sie herum, so normal wie sie es schon kannten.
 

Sie fanden sich in einem großen, vornehm eingerichtetem Raum wieder. Eine Sitzecke aus dunkelblauem Leder und einem Glastisch, teures weißes Parkett und ein wuchtiger, ebenfalls dunkelblauer Schreibtisch. Am einen Ende des Raumes ein Wandregal mit Ordnern, CD-Roms und Disketten fein säuberlich einsortiert. Am anderen Ende eine Art Bar mit kleinem Tresen und drei Barhockern aus Silber und ebenfalls dunkelblauem Leder bespannt. Das Ende bestand aus einer großen Fensterfront, welches einen Blick über das gesamte abendliche Domino freigab.

"Das ist Setos Stadtbüro" stellte Mokuba verdutzt fest. "Woher weißt du, wie es hier aussieht? Diese Daten hat mein Bruder sicher nicht ins Internet gestellt!"

"Hat er auch nicht" bestätigte Noah, "aber die Überwachungskameras laufen über einen hart kodierten Bereich der Kaiba Corp. und übers Intranet in die Überwachungszentrale. Vom Intranet aus besteht ein Zugang ins Internet und somit auch zu mir. Also ist das, was ihr hier seht, ist Setos Büro aus Sicht der Überwachungskamera in Echtzeit. Ich habe es hier nur kopiert und dreidimensional abgebildet."

"Boah!" staunte Joey nicht schlecht.

"Aha" bemerkte Tristan knapp. "Und was willst du uns ausgerechnet hier so Wichtiges zeigen?"

Noah deutete in Richtung Fensterfront, wo Seto mit der Stirn an die kühle Scheibe gelehnt dastand. Weil sein Hemd und seine Hose ebenso dunkelblau waren, wie der Vorhang direkt neben ihm, war er im ersten Moment gar nicht aufgefallen.

"Ist das nicht gefährlich?" fragte Yugi besorgt.

"Festes Panzerglas!" kam Noahs Antwort und er sah mit beruhigendem Blick zu Yugi hinüber. "Er kann nicht rausfallen."

"Das ist zwar ziemlich beeindruckend, aber den Mond fand ich besser. Was ist denn nun so interessant, dass du uns das hier zeigst?" stocherte Tristan weiter.

"Was ich euch gerne zeigen möchte ist, was da hinten auf ..."

Noah unterbrach seinen Satz, als Seto sich umdrehte und auf die Bar zusteuerte. Dabei ging er direkt durch Tea hindurch, welche nur erschreckt aufquiekte.

"Er kann uns nicht sehen. Wir sind ja nicht wirklich hier" erklärte Noah noch einmal.

Sie beobachteten, wie Seto sich etwas Dampfendes in einen Becher tat und auf seinen Schreibtisch zutrottete. Erschöpft setzte er sich hin und seufzte. Er stellte seinen Becher leise hin und stützte seine Stirn mit den Händen ab. Er schien müde und erschöpft zu sein und machte keinen besonders gesunden Eindruck. Die Härte und Kälte, die man sonst von ihm gewohnt war, schien völlig verschwunden zu sein. Er hatte kaum Spannung im Körper, weswegen er in seinem großen Schreibtischsessel leicht einsank. Erst nach ein paar Momenten sah er auf den Bildschirm seines PCs und löste mit einer Taste den Bildschirmschoner auf. Dann scrollte er etwas hinunter und schien zu lesen während er ein Stapel zusammengehefteter Blätter auf seinem Tisch zur Seite schob.

"Toll, und nun?" Tristan war das hier wohl zu blöd.

"Wart es doch mal ab" sagte Noah nun leicht genervt und bedeutete den anderen an den Schreibtisch zu treten. Er wollte gerade den Freunden den Stapel der gehefteten Blätter näher zeigen, welchen Seto eben zur Seite geschoben hatte als dieser sich wieder aus seinem Sessel erhob, sich eben jene Blätter zur Hand nahm und in Richtung Sitzecke trollte. Dort angekommen stellte er seinen Becher wieder hin und begann zu lesen.

"Verdammt" fluchte er noch einmal leise bevor er ganz in seiner Lektüre versank.

"Was liest er denn da?" wollte Yugi neugierig wissen.

Noah machte eine große Bewegung, als würde er vor sich etwas herunterdrücken. Vor Ihnen erschien eine Art Projektion, welches wohl den gedruckten Inhalt der Blätter darstellte. Noah blätterte aus einiger Entfernung die Seiten zurück, bis er an den Titel gelangte. "Erkennen, analysieren und behandeln von ..." Joey stockte kurz bevor er weiter vorlas "... Angstpsychosen?"

Die anderen sahen sich ungläubig an.

"Er hat das heute Abend aus dem Internet geladen und es wohl auch schon zur Hälfte durch." Er ließ eine kurze Pause und sprach dann weiter. "Seht euch mal an, mit welchem Abschnitt er gerade kämpft."

Wieder blätterte er die Seiten weiter.

Diesmal las Tristan interessiert die Überschrift vor: "Lähmende Angstzustände als Folge nach körperlichen Schmerzen, physischen und psychischen Erniedrigungen durch Mitmenschen ... Unterabschnitt ... Trauma: Vergewaltigung." Weiter wollte er nicht lesen, denn allein der Gedanke daran wie schlimm es um Setos seelischen Zustand stehen musste, jagte im Gänsehaut über den Rücken.

Keiner sagte etwas. Erst als sie Seto leise schluchzen hörten, blickten sie von der projizierten Schrift zu ihm hinüber.

"Er versucht es endlich zu verarbeiten" sagte Mokuba ungläubig und mit Tränen in der Stimme. Noah nahm seine Hand und der Kleine ließ sich gerne in seinen Arm ziehen.

"Das wollte ich euch zeigen."

"Meine Güte..." stammelte Joey und trat vorsichtig ein paar Schritte auf den Lesenden zu, als wenn ihn dieser sehen könnte. Dann blieb er stehen und sah, dass sich die Projektion in der selben Geschwindigkeit weiterbewegte in welcher Seto wahrscheinlich las.

"Wenn oben von genannten Symptomen, ein oder mehrere eindeutig festgestellt wurden, sollte auf keinen Fall versucht werden, sie zu verdrängen oder in Eigenregie behandeln zu wollen. Sie sollten am besten in Anwesenheit Zweiter berichtet und diskutiert werden. Dies können Freunde, Familienmitglieder oder Vertraute sein. Früher oder später sollte in jedem Falle ein fachmännischer Psychologe, Psychoanalytiker oder Psychiater hinzugezogen werden um Fehlbehandlungen, speziell bei Medikamentierung zu verhindern. Der Patient sollte sich in keinem Falle..."

"So ein Schwachsinn!" fluchte Seto, warf das Ding auf den Tisch und unterbrach so Joeys Lesung.

Erschrocken sahen sie Seto an, welcher mit bösem und gleichzeitig verzweifeltem Gesichtsausdruck ins Leere starrte.

"Verarschen kann ich mich alleine!" fluchte er wieder vor sich hin.

Daraufhin nahm er das Papier vom Tisch, erhob sich, schaltete den Reißwolf neben seinem Schreibtisch ein und ließ das Werk seiner Vernichtung zukommen. Dann holte er sich sein nur noch lauwarmes Getränk und trank es hastig aus, während er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte.

Dann klopft es kurz an der Tür. Seine Sekretärin steckte den Kopf herein und fragte, ob er noch etwas benötigte oder ob sie jetzt Feierabend machen konnte. Seto winkte ab ohne von seinem Bildschirm aufzublicken. Freundlich verabschiedete sich die nette Dame, verließ jedoch das Zimmer, nachdem sie wieder keine richtige Antwort bekommen hatte.

"Schade, ich dachte er würde sich endlich damit auseinandersetzen..." bemerkte Mokuba traurig und sah seinen großen Bruder an, welcher in atemberaubender Geschwindigkeit irgendetwas eintippte.

"Das hatte ich auch gedacht" antwortete Noah und gerade wollten auch die anderen ihren Senf dazugeben als sie bemerkten, dass Setos Finger immer langsamer wurden und schließlich völlig von der Tastatur abließen. Er senkte seinen Kopf und begann zu zittern. Er schlang schwach seine Arme um sich, erhob sich wieder und drehte die Heizung auf. Dann schlich er noch immer frierend zu einer kleinen Kommode herüber, welche neben der Couch stand. Er nahm eine dunkelblaue Wolldecke heraus, warf sie sich über die Schultern und ging wieder in Richtung Heizung. Dort lehnte er sich gegen die Wand. Er begann noch schlimmer zu zittern, mit den Zähnen zu klappern und aus seinen zusammengekniffenen Augen suchten sich bittere Tränen ihren Weg ins Freie. Als seine Beine langsam nachgaben rutschte er die Wand hinunter und blieb an die aufgedrehte Heizung gelehnt sitzen und zog seine Beine ganz heran.

"Warum ist mir nur so kalt?" flüsterte er mit bibbernder Stimme, kippte schließlich langsam zur Seite weg und lag nun zusammengekauert vor seiner einzigen Wärmequelle. "Warum muss ich immer frieren?"

"Mein Gott..." kam es nur traurig von Yugi, während die anderen kein Wort herausbrachten.

Sie sahen ihn noch einige Momente lang an bis Noah als erster seine Sprache wiederfand. "Ich glaube, er braucht ganz dringend jemandem, der ihm hilft. Alleine wird er es wohl kaum schaffen."

Bestürzt nickten die anderen. Mokuba ging auf die virtuelle Projektion seines Bruders zu und kniete sich zu ihm. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und weinte leise mit ihm.

"Mokuba!" Noah kam auf ihm zu und umarmte ihn zärtlich.

"Warum muss er so leiden?" schrie Mokuba seinen Freund an. "Er ist ein ganz lieber Mensch. Er hat niemals jemandem etwas getan! Er hat doch Angst und keiner ist da der ihn beschützt. Aber er will keinem seine Sorgen erzählen, weil er sich so schämt. Warum wurde er nie lieb gehabt? Was hat er denn falsch gemacht? Warum muss er immer so leiden? Warum? Noah! Noah, warum? Sag mir warum ich ihm nicht helfen kann? Warum Noah? Warum denn nur...?" Seine Worte gingen in seinen Tränen unter und verebbten. Noah hielt ihn noch eine Weile im Arm bis er sich wieder beruhigt hatte.

Als der Kleine ganz aufhörte zu weinen, strich Noah im seine Tränen aus dem Gesicht und küsste sanft seine Augenlider.

"Dafür sind wir ja jetzt da!" beruhigte er ihn leise. "Oder?" fragte er bestätigend zu den anderen gewandt.

"Klar, Mann!" übernahm Joey die Antwort für sie alle.

"Danke" lächelte Mokuba schwach und drückte sich wieder etwas näher an Noah, welcher in wieder hinaufzog.

"Dann bringen wir ihn mal langsam nach hause, oder?" fragte Noah die anderen.

Die sahen ihn nur verwirrt an und plötzlich begann Setos Telefon zu klingeln. Alle starrten auf den zusammengekauerten Seto, welcher dieses gar nicht wahrzunehmen schien. Nach dem dritten Klingeln sprang der Anrufbeantworter an und Sekunden später war Mokubas Stimme zu hören, welcher selbst auch nur das Telefongerät anstarrte.

"Seto, wo bist du denn? Komm doch nach hause. Ich hab uns Tee gekocht und wir können uns noch den Film ansehen, den du mir versprochen hast ..."

"Mokuba" kam es leise von Seto, welcher seinen Kopf in Richtung Telefon reckte.

"...wenn du das hörst, komm doch heute ein bisschen früher heim. Nur heute. Für mich Seto, bitte. Komm nach hause!" PIEP!

"War doch ok so, oder?" fragte Noah zu Mokuba und dieser nickte zustimmend.

Einen Moment bewegte sich Seto gar nicht mehr bis er dann seine Augen öffnete, aufstand und in Richtung Telefon ging. Davor blieb er stehen.

"Du hast doch deine Freunde. Da kann ich alter Gefühlskrüppel doch nicht mithalten."

Bei diesen Worten versetzte es Joey einen Stich. Hatte sich Seto seine Beleidigungen doch so zu Herzen genommen?

"Aber wenn du meinst, dass du das brauchst ... kann ich es ja noch so lange genießen, wie es noch dauert." Dann griff Seto zu seinem Handy und kurz darauf klingelte Mokubas virtuelles Handy.

"Er ruft mich an?" fragte der ungläubig.

"Geh ran" riet Noah ihm.

"Ja?" fragte der Kleine und sah seinen großen Bruder an.

"Mokuba?"

"Hmhm."

"Dir ist wohl langweilig, was?" versuchte Seto zu scherzen. Seine Stimme klang auch sehr überzeugend, aber sein Gesichtsausdruck sagte etwas ganz anderes. Wie lange hatte er sich wohl trainieren müssen, damit er diese verbale Täuschung so überzeugend hinbekam?

"Nein! Ich wollte nur gerne den Abend mit dir verbringen, großer Bruder!"

"Und was ist mit deinen Freunden?"

"Die sind nicht dabei" versuchte der Kleine zurückzuscherzen.

"Hm."

"Seto?"

"Ja?"

"Du weißt doch, dass ich dich lieb hab, oder?"

Seto zögerte einen Moment. "Ich will mal sehen, ob ich Feierabend machen kann. Gibst du mir noch zwei Stunden, um den Rest zu erledigen? Weißt du ... ich war nicht besonders ... konzentriert heute Nachmittag."

"Aber dann kommst du, ja?"

"Ja."

"Bruderehrenwort?"

"Ja, Bruderehrenwort."

Damit legte Seto auf und setzte sich an seinen Computer. Öffnete ein paar Programme und begann zu arbeiten nachdem er noch ein "ach, Mokuba" vor sich hin geseufzt hatte.
 

Chapter 9
 

Nachdem Noah sie wieder in die Einkaufsstraße zurückgebracht hatte, sahen alle immer noch traurig und bestürzt aus. Dass Kaiba solche Probleme hatte, war ihm sonst nie anzumerken gewesen. Und einen edlen Drachen so am Boden zu sehen, war kein schöner Anblick.

"Sorry, ich wollte euch nicht die Stimmung verderben" sagte Noah entschuldigend.

"Du konntest ja nicht wissen, was passieren würde" versuchte Yugi ermutigend zu sagen, hatte dabei jedoch selbst Probleme seine Tränen zu unterdrücken. "Aber es war gut, dass du uns das gezeigt hast. Vielleicht können wir ihn ja so etwas besser verstehen und anfangen, ihm zu helfen."

"Genau!" fiel nun auch Joey ein. "Das ist doch mal eine echte Herausforderung, oder?"

"Jupp!" bestätigte ihn Tristan und klopfte ihm auf die Schulter.

"Danke" sagte Mokuba beinahe stimmlos.

"Nun komm schon" sprach Tea ihn an und kniete sich zu ihm hinunter. "Das wird schon wieder werden. Mehr als es versuchen können wir doch nicht. Wo ist denn deine positive Einstellung hin?"

"Genau" baute Noah ihn auf. "Also starten wir die Aktion ,Macht Seto glücklich'. Oder was meinst du, Kleiner?"

Mokuba nickte und versuchte wieder zu lächeln.

"Siehst du?" Damit erhob sich Tea, damit Mokuba sich wieder Noahs Hand schnappen konnte, um sie kräftig festzuhalten.

"Ich finde, wir gehen noch was essen und dann musst du auch schon nach hause. Dein Bruder will doch schließlich früher Feierabend machen, oder habe ich das falsch verstanden?" grinste Joey ihn an. "Da hinten ist ein ganz teures Restaurant, in das man ohne Krawatte gar nicht reinkommt. Da will ich endlich mal rein und gucken wie es da aussieht! Los endlich, Volldampf wegen Kohldampf!"

Mit diesen Worten schnappte sich Joey Yugis und Tristans Arm und marschierte in Richtung Seitenstraße.

"Na dann komm" sagte Noah zu Mokuba gerichtet und zog ihn hinter sich her.
 

Nachdem sie endlich alle satt und kugelrund waren, traten sie wieder auf die Straße und verabschiedeten sich von Noah. Mokuba bekam natürlich wieder eine ganz besondere Verabschiedung **XD** Nur dieses Mal war Noah so clever, die Übertragung auf dem Bildschirm in der realen Welt zu unterbrechen - zu Joeys großer Enttäuschung **;->**
 

"Und was wollen wir jetzt machen?" fragte Mokuba in die Runde, als sie sich gerade auf dem Weg zu Teas Wohnung befanden, um sie als Erste zuhause abzusetzen.

"Da fällt uns schon was ein" meinte Joey zuversichtlich. "Vielleicht sollten wir mal was zusammen unternehmen."

"Das macht Seto nicht mit" antwortete Mokuba traurig.

"Und wenn wir euch mal zuhause besuchen?" fragte Tristan.

"Seto mag es nicht, wenn jemand bei uns zuhause ist" antwortete Mokuba noch trauriger.

"Dann kümmern wir uns halt ihn der Schule um ihn" meinte Tea, welche daraufhin fragende Blicke erntete. "Na, wegen der Sache heute in der Turnhalle wird er wohl noch mit einigen blöden Kommentaren zu kämpfen haben ..."

"Was ist denn heute passiert?" fragte Mokuba entsetzt.

Tea erzählte ihm kurz die Geschichte.

"Dann war das jetzt schon das zweite Mal, dass Seto vor anderen zusammengebrochen ist ... er schämt sich bestimmt."

"Was meinst du, wird er jetzt tun?" fragte Yugi den Kleinen.

"Er wird es ignorieren und sich abkapseln ... so wie immer. Er sitzt es aus, bis er hofft, dass es vergessen ist."

"Mokuba?" fragte Joey. "Und was wird jetzt mit Noah?"

"Jetzt hör doch mal auf, ihn ständig aufzuziehen!" meckerte Tea.

"Aber das war ganz ernst gemeint!" verteidigte sich dieser. "Wenn Mokuba versucht, sich mehr um seinen großen Bruder zu kümmern, hat er weniger Zeit für seinen Schatz. Und umgekehrt. Ich würde sagen, du stehst ziemlich zwischen den Fronten, oder?"

"Das wird schon!" lächelte Mokuba ihn nun endlich wieder zuversichtlicher an. "Noah sagt, die Zeit zeigt wie es weitergeht. Ich mache mir da lieber nicht zu viele Gedanken drüber, sondern höre einfach auf das, was mein Herz mir sagt. Seto würde nicht wollen, dass ich mich seinetwegen schlecht fühle. So."

Große Worte von einem so jungen Mann. Einstimmiges Nicken bestätigte seine Einstellung und sie einigten sich darauf, die ganze Sache einfach abzuwarten.
 

Der Abend mit Seto war nicht so der Reißer, aber Mokuba hatte auch nichts anderes erwartet. Als sein großer Bruder drei Stunden später das Haus betrat, begrüßte er den Kleinen nur knapp, ging dann unter die Dusche und setzte sich danach mit ihm ins Wohnzimmer, um irgendeinen Zeichentrickfilm über sich ergehen zu lassen. Als er den Kleinen gegen Mitternacht endlich im Bett hatte, war er froh auch endlich seine ersehnte Nachtruhe zu finden. Die hatte er die letzten beiden Nächte wirklich schmerzlich vermisst und vielleicht war die Überlastung auch einfach nur der Grund dafür, weshalb sein Gefühlsleben heute Abend so instabil war. Mokubas Alpträume waren glücklicher Weise verschwunden, seit er endlich einige Zeit mit Noah verbringen konnte. Und so sorgte der Gedanke an ihn dafür, dass er in dieser Nacht ganz andere Träume hatte. **wenn ihr versteht, was ich meine XD**
 

Chapter 10
 

Am nächsten Morgen ging alles ganz geordnet seinen Gang. Seto stand wie immer diszipliniert auf, weckte seinen nicht ganz so disziplinierten Bruder, welcher sich dann doch pünktlich zu ihm in die Küche setzte. Er bekam seinen Kakao und freute sich wie jeden Morgen heimlich über diese kleine Aufmerksamkeit. Dann fuhren sie zur Schule und gingen getrennte Wege.
 

"Wie geht es ihm?" klopfte Tristan Mokuba von hinten auf die Schulter.

"Guten Morgen!" begrüßte er erst seine Freunde bevor er die Frage beantwortete. "Alles ganz normal. Eigentlich hätte ich es wissen müssen, aber es wundert mich doch ein bisschen, dass er gar nicht fragt, was ich die letzten zwei Abende mit euch zu schaffen hatte."

"Er vertraut dir halt" mutmaßte Tea.

"Vielleicht."

"Was machen wir denn heute Abend?" fragte Joey, welcher in Gedanken schon wieder bei seinem nächsten virtuellen Abenteuer war. "Ich habe da schon so einige Ideen, die euch bestimmt gefallen werden!"

"Meinst du nicht, dass Mokuba und Noah vielleicht mal etwas unter sich sein wollen?" versuchte Yugi ihn zurückzuhalten.

"Nein!" rief Mokuba. "Ich finde es großartig, wenn wir was zusammen machen! Wir sind doch alle Freunde oder? Und Noah mag es bestimmt auch endlich wieder viel Gesellschaft um sich zu haben!"

So verabredeten sie sich wieder dazu, nach der Schule direkt hinzufahren, damit sie möglichst viel Zeit dort verbringen konnten.

Während des Schultages geschah auch nicht besonders viel. Zwar hofften die blöden Typen, dass sie endlich etwas Peinliches gegen Kaiba in der Hand hätten, aber nachdem dieser sie zur Seite gezogen und ihnen etwas, für Außenstehende Unverständliches, zumurmelte, waren sie die ganze restliche Zeit über ganz lieb und brav. Letztlich traute es sich dann doch niemand zu, den Drachen herauszufordern.

Zwar versuchten Yugi und die anderen ein paar Mal mit Seto ins Gespräch zu kommen, jedoch erfolglos. Dieser warf ihnen nur seine eiskalt vernichtenden Lass-mich-in-Ruhe-oder-du-stirbst-Blicke zu und beschäftigte sich lieber mit seinem Laptop. Nach dem letzten Schulklingeln verschwand er auch recht schnell aus der Klasse, ging zügigen Schrittes Richtung Wagen und fuhr dann davon.
 

"Und?" wollte Mokuba neugierig wissen.

"Nichts" antwortete Yugi enttäuscht. "Kein Rankommen."

"Du magst meinen Bruder doch, oder Yugi?"

Yugi lief nun ziemlich rot an und sah sich außerstande auch nur einen einzigen Laut über seine Lippen zu bringen. Yami grinste nur in sich hinein und sah zu wie Yugi am liebsten im Erdboden verschwunden wäre.

"Ach?" machte Tristan verdutzt. "Deswegen warst du in letzter Zeit so eigenartig, wenn es um ihn ging!"

Gott war das peinlich! Wie hatte Mokuba DAS denn rausgekriegt? Menno, jetzt doch nicht echt oder?

"Na ja" meinte Joey nur knapp. "Dann muss sich Yugi halt ein bisschen mehr ins Zeug legen und möglichst schnell Kaiba auftauen. Aber meint ihr denn echt, dass der auf Jungs abfährt? Ich meine er ist ..."

"Joey!!!" fuhr ihn Tea wieder an. "Du bist manchmal echt unmöglich! Nur weil Kaiba nicht schwul ist, heißt das doch noch lange nicht, dass Yugi ihn nicht umdrehen kann!"

>Schwul? Umdrehen?< Warum musste Tea das denn jetzt sagen?

"Genau" rief nun auch Tristan. "Wenn Mokuba so rum ist, kann Kaiba das doch auch sein!"

>So rum?<

"Na ja, aber könnt ihr euch Kaiba beim Sex vorstellen? Da muss Yugi wohl ziemlich Überzeigungsarbeit leisten oder? Nur Zeugungsarbeit ohne Über fällt ja glücklicher Weise weg! Hahaha!" lachte Joey.

>Sex? Zeugungsarbeit? Hilfääääää!<

"Jetzt hört halt mal auf" sagte Yami ruhig, der nun doch nicht mehr zusehen konnte und zur Hilfe eilte. "Das ist jetzt echt genug."

"Sorry Yami" meinte Joey.

"Entschuldige dich nicht bei mir" gab dieser nur zurück.

"Sorry, du beleidigte Leberwurst" rief Joey mit dem Gesicht vor dem Puzzle. "Kommst du jetzt wieder raus?"

"Nä!" rief Yugi, was natürlich nur Yami hören konnte.

"Ich glaube, der schmollt jetzt noch ne Runde" grinste Yami. "Ihr müsst wohl erst mal mit mir vorlieb nehmen."

"Auch gut!" meinte Joey, zog die anderen Richtung Limousine und drängelte sie so zum Einsteigen. Nur Tea grinste übers ganze Gesicht. Sie fand es nämlich überhaupt gar nicht schlimm den süßen, kleinen Yugi mal für eine gewisse Zeit gegen einen echten Pharao einzutauschen.

Etwa eine dreiviertel Stunde später waren sie auch schon wieder im Keller des geheimen Labors, bestiegen ihre Kapseln und begrüßten Noah wie immer in der Einkaufsstraße. Dieses Mal war es Noah auch herzlich egal, dass die anderen dabei waren und drückte Mokuba einen dicken Kuss auf die Lippen, während die Umstehenden nur grinsten und darauf warteten, dass es endlich weitergehen konnte.

"Und was wollt ihr heute machen?" wollte Noah dann wissen.

"Strand!" schrie Joey bevor die anderen noch etwas sagen konnten.

"Das habe ich gestern schon vorgeschlagen und da war es langweilig" schnippte Tristan beleidigt.

"Mein Strand ist ja auch besser als deiner!" gab Joey ebenso schnippisch zurück. "Ich will nämlich viele hübsche Mädchen, ein Surfboard und riesige Wellen!"

"Aber du kannst doch gar nicht surfen!"

"Bei Noah schon!" jubelte er und sah diesen erwartungsvoll an.

Noah grinste nur und schon veränderte sich langsam wieder die Gegend um sie herum. Sie fanden sich an einem weißen Karibikstrand wieder. Unter der hoch scheinenden Sonne tobte unter den großen Palmen eine mega Strandparty mit vielen hübschen Mädchen und Jungs **für Tea natürlich, damit Yami seine Ruhe hat ;->**, Stranddrinks und heißer Musik.

"So hatte ich mir das vorgestellt!" sagte Joey triumphierend und stürzte sich auf das nächstbeste Mädchen mit Drink nur um sich dann eines der Surfboards zu schnappen und Richtung Wasser zu laufen.

"Hey!" rief Joey dann noch ein Mal zu Noah rüber. "Was ist denn mit Strandklamotten?"

"Sorry!" rief Noah grinsend zurück und -flupps- trugen die Herren der Schöpfung Badeshorts und Tea einen flotten Bikini, bei welchem sie jedoch umgehend um eine neue Farbe bat.

Während Joey sich in die Wellen stürzte, beteiligten sich Tristan und Tea an einem Beachvolleyballturnier. Yami, Mokuba und Noah suchten sich einen Platz im Halbschatten.

Schon bald genoss Yami in vollen Zügen den warmen Sand unter sich.

>Hach, das ist ja fast wie zuhause in Ägypten ... wenn Seth doch jetzt auch hier wäre ... ach, mit Seth im Sand< und ein verträumtes Grinsen legte sich auf sein Gesicht.

Nachdem sich Mokuba und Noah davon überzeigt hatten, dass Yami in seinen eigenen Gedanken war, konnten sie endlich ganz in Ruhe rumknutschen.
 

Nur widerwillig trennten sich die beiden als Joey zu ihnen rüberschrie.

"Heeeyyy! Guckt mal wie krass das aussieht! Guckt mal wie geil ich das kann! Wuuuuhuuuuu!!!"

Doch ehe er sich versah, befand sich hinter ihm ein riesiger Weißer Hai, welcher mit aufgesperrtem Maul hinter ihm herschwamm. Wild schreiend machte sich Joey auf den schnellsten Weg, panisch das Wasser zu verlassen und geschockt am Strand auf die Knie zu sinken. Erst als ihm einfiel, dass hier doch alles virtuell und dazu noch von Noah gesteuert war, warf er ihm einen beleidigten Blick zu.

"Guck mal wie krass das aussieht und wie geil ich das kann!" nahm ihn dieser auf die Schippe und grinste über das ganze Gesicht.

"Ihr Kaibas seid Spaßverderber!" warf ihm dieser vor die Füße.

"Keine Verallgemeinerungen, bitte!" verbat sich Mokuba diesen Kommentar.

Alle lachten herzlich und genossen noch weiterhin die sommerliche Strandparty.
 

Chapter 11
 

"Ähm, sorry ..." tickte Joey Noah vorsichtig auf die Schulter, welcher endlich davon abließ Mokuba noch einen Knutschfleck zu verpassen.

"Hmmmm, was denn?" schaute Noah Joey leicht mürrisch an.

"Ist nicht meine Schuld!" verteidigte dieser sich. "Tea sagt, dass es schon gleich acht Uhr ist und wir irgendwann ja auch mal Hausaufgaben machen müssen!"

"Na ja, Recht hat sie wohl" schmollte Noah noch einen Moment. "Dann mal auf."

Langsam veränderte sich wieder ihre Umgebung und sie bewegten sich auf ihren Ausgangspunkt zu. Doch plötzlich befanden sie sich wieder auf dem Mond.

"Huch!" machte Noah überrascht. "Muss wohl ein Systemfehler sein."

Wieder veränderte sich die Umgebung und sie waren wieder am Strand. Erst mal verpasste Noah ihnen wieder ihre alten Klamotten, bevor er es erneut probierte. Diesmal hakte es links und rechts und einige Blitze durchzuckten die Luft.

"Mann, jetzt lass das doch mal!" meckerte Joey, doch er hielt lieber den Mund als er sah, dass Noah angestrengt versuchte die Sache unter Kontrolle zu bekommen. Links und rechts konnte man jetzt schon die Einkaufsstraße erahnen, welche sich jedoch mit afrikanischen Dörfern und Pinguinen paarte.

"Was ist den jetzt los? Mach doch mal was!" drängelte Joey nun wieder.

"Jetzt halt doch mal den Mund!" fuhr Noah ihn an.

So kannte man den gelassenen Noah doch gar nicht. Hier war wohl wirklich ein Problem aufgetreten. Während Noah diverse Einsen und Nullen analysierte und versuchte, den Systemfehler von seinen Freunden fernzuhalten, wackelte die gesamte Gegend, drehte sich um sie oder stellte sich auf den Kopf. Dabei vermischten sich immer wieder die unterschiedlichsten Daten aus landschaftlichen Abbildungen oder sie fanden sich als Zwerge auf irgendeiner riesigen Webpage wieder.

"Jetzt krieg ich doch Muffensausen" zitterte Tea und hielt sich an Yami und Tristan fest, welche dicht neben ihr standen. Plötzlich bewegten sich die virtuellen Tiere, Häuser, Menschen, Bäume und die gesamten lose herumschwebenden Daten auf sie zu und die gesamte Umgebung schien sie zerquetschen zu wollen.

"Haltet euch fest!!!!" rief Noah, doch das war eher symbolisch gemeint. Mit einem kräftigen Ruck wurden sie aus der wirren Umgebung gerissen und fanden sich in einem völlig weißen und leerem Raum wieder.

Nun atmeten sie kurz auf, doch sahen sie sofort Noah fragend an.

"Was ist los?" fragte Mokuba und zupfte an seinem Ärmel um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

"Ich habe einen Virus" sagte Noah ruhig.

"Und was soll das heißen?" wollte nervös Joey wissen.

"Das heißt, dass ich euch erst mal nicht hier rausbringen kann. Hier in diesem Raum sind wir noch einen Moment sicher, aber bald hat der Virus auch das hier geknackt. Ich kann kein passendes Virusprogramm finden." Und nun sahen sie, wie sich echte Sorge auf Noahs Gesicht ausbreitete.

"Und weiter?" stocherte Joey.

"Und weiter heißt das, wir haben ein Problem. Wir kommen hier nicht raus und wenn der Virus uns erreicht ... will ich gar nicht wissen!"

Panische Ruhe breitete sich aus.

"Da muss man doch was machen können!" sagte Yami.

"Mir fehlt das richtige Programm" beteuerte Noah. "Wenn ich hier drin bin, kann ich es nicht suchen, weil uns dann der Virus findet. Und wenn ich rausgehe ... ich kann nicht rausgehen, weil ich dann gelöscht werde."

Ok, das war in der Tat ein Problem. Doch bevor sie noch näher darüber nachdenken konnten, rüttelte es auch schon an den Wänden. Der Virus!!!

"Kannst du den Code nicht knacken, Noah?" fragte Mokuba ängstlich und klammerte sich an seinen Schatz. Der schüttelte nur den Kopf.

"Das ist eine Art, die ich noch nie gesehen habe. Der ist nicht nur stark und schnell, sondern auch verdammt kompliziert. Da war ein Genie am Werk. Ich weiß nicht mal wo ich mir den geholt habe, ich habe doch ein ausgezeichnetes Frühwarn- und Abwehrsystem!"

"Offensichtlich nicht ausgezeichnet genug!"

Diese kalte Stimme! Sie kam von außen und allen kam sie spontan bekannt vor.

"Seto!" war es Mokuba, der als Erster rief.

Langsam erschien Setos Gestalt in dem weißen Raum. Mit seinen wutgefüllten, kaltblauen Augen schien er fast unwirklich in dieser Welt.

"Was machst du denn hier?" rief Mokuba weiter, wobei er Noah immer noch fest umklammert hielt. Als er merkte, dass sein Bruder Noah mit hasserfülltem Blick ansah, ließ er ihn los und trat einen Schritt zurück. Er trat jedoch sofort wieder näher an ihn heran als Seto sich auf seinen Schatz zu bewegte.

"Seto! Ich ... du kannst ... weißt du, wir haben ..." stammelte er und versuchte Noah zu verteidigen.

Seto schob ihn nur zur Seite und sah Noah von oben herab böse an. Dass der Lärm von außen immer lauter wurde, schien ihm völlig egal zu sein.

Dann dämmerte es Noah.

"Du hast mir diesen Virus aufgeladen!" schrie ihn dieser entsetzt an.

"Nein" entgegnete Seto ruhig. "Den hast du dir selbst verpasst, als du in meinen Firmenserver eingedrungen bist. Das ist reine Verteidigung."

"Und was macht der Virus jetzt?"

"Er löscht alle Daten des Eindringlings."

"Das kannst du nicht machen!" schaltete sich Mokuba wieder ein. "Du kannst Noah nicht löschen!"

"Das hat er sich selbst zuzuschreiben. Niemand verschafft sich ohne Folgen Zutritt zu mir! Niemand plündert ungestraft meine Software und kommt unbeschadet davon."

"Aber das werde ich nicht zulassen!" verteidigte der Kleine weiter.

"DU! Du solltest gar nicht hier sein! Wie kannst du es wagen in mein Labor einzudringen ohne mich zu fragen? Wie kannst du nur so dumm sein und dich von diesem Datenmüll..." dabei sah er auf Noah "...hierher locken lassen ohne mir etwas zu sagen? Wie kannst du nur auch noch diese..." dann stockte Seto als er die Knutschflecken am Hals seines kleinen Bruders entdeckte. "Was zum ..." Daraufhin drehte er sich wieder zu Noah um. "Du hast in angefasst du Schwein! Du hast meinem kleinen Bruder wehgetan. Ich bring dich um du perverses ..."

"Seto!" Mokuba sprang zwischen Noah und Seto, welcher sich gerade daran machen wollte seinen Schatz kurz und klein zu schlagen. "Das war völlig freiwillig!"

"Das war was?" schrie Seto hysterisch zurück.

"Er hat nichts Unrechtes getan. Er hat ..."

"Er hat dir wehgetan. Geh aus dem Weg ich werde diesem ..."

"Seto, ich liebe ihn!"

Dann war es ruhig. Für einen Moment ruhte der Virus bis er wieder an den Wänden zu reißen begann, welche mittlerweile schon tiefe Risse hatten.

"Kaiba bitte!" schaltete sich nun auch Yami ein. "Jetzt beruhig dich erst mal und lass uns überlegen wie wir ..."

"Erteil mir keine Befehle!"

Daraufhin begann Yamis Gestalt zu verzerren und zu verschwimmen. Auch an den Körpern der anderen machten einige visuelle Fehler bemerkbar.

"Seto!" sagte Noah nun endlich auch mal wieder etwas. "Ich habe sie auf deinen Server mitgenommen. Sie sind auch vom Virus befallen! Sie gehören zu meinen Daten!"

Seto stand einen Moment ungläubig da bis er wieder einen kalten Blick aufsetzte.

"Ist das mein Problem?" stellte er desinteressiert fest.

"Du wirst sie töten!" schrie Noah ihn an. "Du musst sie zurückbringen!"

"Mir würde ja auch keiner helfen. Mal abgesehen davon, dass mir so ein Fehler nicht unterlaufen würde."

Panik breitete sich unter den Freunden aus. Sie würden hier gelöscht werden?

"Seto!" rief Mokuba und wollte seinem großen Bruder in die Arme springen, welcher jedoch blitzschnell vor ihm zurückwich. "Seto" sagte er wieder und trat nun langsam auf ihn zu, legte ganz langsam seine Hände an seine Hüfte und sah zu seinem großen Bruder hoch. "Ich hab dich doch lieb."

Seto schloss die Augen und wich nach einigen Sekunden wieder der Berührung aus. Dann sah er stur geradeaus und es erschienen Zahlenreihen, Diagramme, Grafiken und Symbole um ihn herum. Seto streckte die Arme aus und bewegte seine Hände vor sich. Er schob einige Daten weiter, kopierte oder löschte sie, während die Wände des Raumes gefährlich knirschten.

"Kaiba!" schrie Joey in völliger Panik.

"SCHNAUZE!!!" schrie dieser zurück und machte unbeirrt weiter.

Plötzlich wurden sie durch einen langen Tunnel gezogen und mit einem WAMM erwachten sie geschockt in ihren Kapseln. Als sie ausstiegen und sich umblickten, sahen sie Seto mitten im Raum stehen. Er hatte eine Art schnurlosen Kopfhörer auf, welcher jedoch nicht an den Ohren, sondern an den Schläfen und um den Hinterkopf befestigt war. Er stand nur in aufrechter Position da und starrte ins Nichts.

Vorsichtig traten die anderen an ihn heran, Seto reagierte jedoch nicht. Plötzlich krachte und knallte es ihm Raum. Einige Geräte gingen einfach aus, andere jedoch sprühten Funken durch die Gegend. Alle erschreckten sich, Seto jedoch blieb ruhig stehen und starrte weiter ins Leere. Irgendwie wie bewusstlos.

"Er ist noch in der anderen Welt" stellte Tristan fest und alle wandten ihren Kopf zu dem großen Bildschirm, wo man nur noch kurz Seto und Noah sehen konnte wie sie sich gegenüberstanden und ansahen. Dann fiel auch der aus.

"Noah!!!!" schrie Mokuba panisch und rannte auf den Bildschirm zu. Yami griff ihn jedoch auf halbem Wege ab und hielt ihn fest.

"Kaiba ist auch noch da drin" sagte Joey ungläubig und starrte auf Setos reglose dastehende Gestalt. Langsam hörte man ein Rauschen und es wurde kurz dunkel im ganzen Raum. Nach knapp drei Sekunden schaltete sich der Notstrom ein und erhellte den Raum wieder. Jedoch schwiegen nun alle Geräte als seien sie nie in Betrieb gewesen.

Man hörte Seto langsam einatmen. Er schloss die Augen und löste sich aus seiner Starre. Langsam ging er zu dem Stuhl am Rande des Raumes und setzte sich. Vorsichtig nahm er den Kopfhörer herunter, legte langsam den Kopf in den Nacken und atmete tief und langsam.

"Seto! Was ist mit Noah?" Mokuba lief auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. "Was ist mit Noah passiert?"

Seto öffnete seine Augen und sah seinen Bruder unbeteiligt an. Dann erhob er sich und ging Richtung Ausgang.

"Was hast du mit ihm gemacht?" Joey stellte sich ihm in den Weg und forderte eine Antwort.

Seto wollte um ihn herumgehen, jedoch stellte sich nun auch Tristan in seinen Weg.

"Was ist mit Noah?" wollte Mokuba wieder wissen.

Seto drehte sich um und warf ihm noch mal einen ausdrucklosen Blick zu.

"Kaiba!" sagte Yami langsam und kam nun auch auf Seto zu. Dieser huschte geschwind zwischen Joey und Tristan hindurch ohne sie zu berühren.

"Ich fahre jetzt. Ich erwarte, dass du deine Freunde nach hause bringst und dich selbst dann nicht zu spät ins Bett. Morgen ist Schule und du hast sicher noch einiges zu tun. Ich will nicht, dass du im Stoff zurückhängst also geh nach hause und kümmere dich um deine Schulaufgaben" sprach er und entschwand ohne Erklärung aus dem Keller.

Zuerst waren alle etwas sprachlos, doch dann liefen sie ihm nach. Im Haus und draußen in der Einfahrt konnten sie ihn nicht entdecken. Dann sahen sie ihn mit seinem silbernen Jaguar um die Ecke biegen und das Gelände verlassen. Ihre Rufe überhörte er gekonnt.

"Kommt jetzt" meinte Yami und gemeinsam setzten sie sich in die Limousine. Langsam fuhren nun auch sie vom Gelände herunter und stellten bedrückt fest, dass Mokuba nur seine Füße anstarrte und keinen Ton von sich gab.

"Mokuba" wollte Yami den Kleinen gerade trösten als sich das Haus mit einem großen Knall selbst in die Luft jagte. Die Explosion war genau berechnet, denn die Staubwolke war nicht allzu aufsehenerregend und es flogen auch nicht allzu viele Trümmer durch die Gegend. Seto hatte den wohl letzten Zugang zur virtuellen Welt vernichtet. Und für Mokuba die letzte Hoffnung seinen Geliebten wiederzusehen.
 

Chapter 12
 

Weder Seto noch Mokuba waren seit diesem Abend in der Schule gewesen. Im Büro ließ Seto sich verleugnen und bei Ihnen zuhause nahm niemand das Telefon ab.

"Ich finde es reicht!" sagte Joey wütend. "Heute direkt nach der Schule fahren wir da hin und dann werde ich Kaiba so gehörig eins reinwürgen, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Schlimme Vergangenheit hin oder her! Seinem kleinen Bruder den Freund zu nehmen ist mehr als Scheiße! Dieses Schwein!"

"Joey" versuchte Yugi ihn zu stoppen. "Kaiba hat sicherlich seine Gründe gehabt und vielleicht ist Noah ja gar nicht gelöscht. Er hat so was doch schon mal überlebt und vielleicht ..."

"Aber da hatte Kaiba nicht direkt seine Finger im Spiel. Der ist doch geisteskrank der Arsch! Also ich finde, dass ..."

"Also ich finde" sagte Yugi nun etwas bestimmter "dass wir erst mal hinfahren und sehen, ob wir Mokuba finden. Dann gucken wir wie's weitergeht."
 

Gesagt getan. Direkt nach der Schule machten sich die vier auf und fuhren zum Kaiba-Anwesen. Sie staunten nicht schlecht als sie durch das große Tor traten und über einen reich verzierten Weg die Eingangstür erreichten. Dort öffnete Ihnen der Diener, der Ihnen auch das Tor geöffnet hatte.

"Guten Tag. Sie haben Glück, Master Kaiba ist nicht zuhause."

"Wie geht es Mokuba?" wollte Tea sofort wissen.

"Master Mokuba hat viel von seiner Fröhlichkeit eingebüßt. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber er hüpft nicht mehr so vergnügt durchs Haus. Er sitzt viel in seinem Zimmer, sieht fern oder tut einfach gar nichts. Häufig weint er auch. Wenn Master Kaiba zu ihm geht, wird er entweder angeschrieen oder ignoriert. So kennen wir unseren kleinen Herren gar nicht und wir machen uns große Sorgen um ihn."

"Können wir zu ihm?" bat nun Joey.

"Bitte folgen Sie mir."

Damit brachte der Diener die Besucher zum Eingang der Privatwohnung. Er zog die Keycard, welche er von Seto bekommen hatte (falls etwas mit Mokuba sein sollte und jemand dringend diese Räume betreten musste) hervor und öffnete somit die Tür. Als die Freunde hineingingen, sahen sie zu dem Diener zurück.

"Kommen Sie nicht mit?" fragte Joey verwirrt.

"Nein. Ich darf die Tür eigentlich nur im Notfall öffnen. Master Kaiba schätzt es nicht, wenn Fremde seine Privaträume betreten und ich habe meinen Job schon genug aufs Spiel gesetzt. Ich lasse Sie auch nur herein, weil der junge Mokuba früher in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen hat. Er wird sich hoffentlich freuen, Sie zu sehen. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie mich einfach."

Damit schloss der Diener die Tür und die anderen sahen sich noch einen Moment im Flur um bevor sie ihren Weg ins Unbekannte Reich der Kaibas fortsetzten.

An jedem Raum blieben sie stehen und staunten. Zwar waren diese Räume nicht so protzig eingerichtet, wie das, was sie bereits gesehen hatten. Aber man sah, dass hier ein Multimillionär residierte. Aus der Stille heraus konnten sie leise einen Fernseher hören und so gingen sie ohne weitere Umschweife direkt auf dieses Geräusch zu. Sie schoben eine angelehnte Tür auf und traten in ein riesiges Wohnzimmer ein. Massive Holzmöbel und hübsche Ölgemälde an den Wänden. Dicker Teppich und in der Mitte eine riesige Sitzgruppe, welche Platz für gut und gerne zehn Personen bot. Etwas weiter Abseits eine Tischgruppe für etwa noch mal so viele Personen und am Ende eine große Fensterfront mit Blick auf den Garten. Das ganze wirkte zwar urgemütlich, jedoch keineswegs altmodisch. Eher teuer und modern und trotzdem heimelich.

Auf der Couch saß Mokuba, welcher sich in eine dicke Wolldecke gemummelt hatte und blickte desinteressiert auf den laufenden Fernseher. Da er mit seinen Gedanken ganz woanders war, sah er seine Freunde nicht sofort. Erst als Yugi ihn vorsichtig ansprach erhellte sich sein Blick kurz, nur um kurz darauf wieder sehr traurig zu werden.

"Hallo Leute" sprach er müde und zog seine Decke noch etwas fester.

"Hallo Mokuba" antworte Yugi und setzte sich zu ihm. Hinter ihm taten es ihm die anderen gleich und suchten sich einen Platz.

"Wie geht es dir? Du warst nicht in der Schule und gemeldet hast du dich auch nicht" fragte Tea besorgt.

"Sorry. Ich hatte irgendwie ... ich wollte etwas für mich sein. Aber es ist schön, dass ihr hier seid." Der Kleine versuchte zu lächeln so gut er konnte.

"Schon klar, Kleiner" lächelte Joey zurück.

"Was macht dein Bruder?" fragte Tristan ihn auf den Kopf zu.

"Tristan!" wollte Tea ihn gerade zurechtweisen, stoppte jedoch als Mokuba ihm trotzdem ruhig antwortete.

"Weiß ich nicht."

"Wie weißt du nicht?"

"Ich weiß es halt nicht. Ich rede nicht mehr mit ihm."

"Und redet er denn mit dir?"

"Na ja. Er probiert es ab und zu, aber ich schicke ihn eigentlich immer gleich wieder weg. Ich will ihn nicht sehen im Moment. Die ersten Tage ist er noch zuhause geblieben. Jetzt ist er irgendwo arbeiten. Ist auch besser, wenn er erst mal wegbleibt!"

Solche harten Worte von Mokuba zu hören war irgendwie surreal. Er schien wirklich schwer verletzt zu sein. Kein Wunder. Seine erste große Liebe wurde beendet bevor sie richtig anfangen konnte.

"Mokuba" wollte Tea etwas sagen. Aber ihr fiel genauso wenig etwas ein wie dem Rest der Truppe. So saßen sie einfach eine Weile da und schwiegen sich an.

"Du weißt doch, dass wir für dich da sind, wenn du jemanden brauchst?" brach Yugi leise die Stille.

"Ja, weiß ich. Danke."

"Gut, jetzt wo das geklärt ist, wollen wir nicht was zusammen kochen?" schlug Joey überraschend vor und erntete wieder mal nichts anderes als ebenso überraschte Blicke.

Nach einigen Sekunden Bedenkzeit, fiel bei Tristan der Groschen. "Klar!" rief er. "Ich habe auch riesigen Hunger! Und ihr habt hier so eine geile Küche, wie ich gesehen habe. Komm schon, lass und was kochen!"

"Klar!" Jetzt hatte es auch bei Tea und Yugi geklickt.

"Na gut" meinte Mokuba tonlos und ließ sich von den anderen in die Küche schleppen.
 

Nach einiger Zeit war schon langsam zu erkennen, dass der Kleine sich allmählich durch die Anwesenheit seiner Freunde wohler fühlte. Sie machten Scherze und nahmen Mokuba so häufig in den Arm, dass er sich kaum wehren konnte. Einfach nur lieb gehabt werden, das war wohl die beste Medizin gegen Kummer.

Spätestens zwei verpfuschte Kuchen, fünf Kilo zermatschtem Obst und mindestens drei richtig ,leckeren' verkohlten, rohen Steaks, mehrmals angebrannten Bratkartoffeln und haufenweise verkochtem Gemüse später, entschied sich Mokuba entnervt, aber doch wesentlich aufgeheitert dazu, für alle Pizza kommen zu lassen. Da die Küche wie ein Schlachtfeld aussah, verzogen sie sich lieber in Mokubas Zimmer, wo sich Tristan und Joey gemeinsam mit Ihrer Pizza vor die PlayStation setzten und sich harte Gefechte lieferten. In der ganzen Aufregung bemerkten sie nicht, wie jemand die Haustür aufschloss und die Wohnung betrat.

Als Seto die verwüstete Küche sah, machte er sich sofort auf den Weg zu Mokubas Zimmer von wo ungewohnte Laute kamen.

"Mokuba! Bist du in Ordnung?" platzte er mitten in die kleine freundschaftliche Kabbelei hinein, welche sich die Jungs gerade mit seinem kleinen Bruder lieferten. Abrupt blieb er stehen und brauchte einen Moment bis er die Situation eingeordnet hatte. Noch bevor er etwas sagen konnte, kam ihm sein kleiner Bruder zuvor.

"Was willst du Seto?"

"Ich ... was ist mit der Küche passiert?"

"Wir haben gekocht. Was dagegen?"

"Ich ... was machen die hier?"

"Wir spielen."

"Es ist schon spät. Du solltest langsam ..."

"Erzähl du mir nicht, was ich machen soll!" sagte Mokuba seinem großen Bruder laut ins Gesicht, welcher daraufhin erschrocken einen Schritt zurücktrat. Sofort fing er sich jedoch wieder und setzte einen undurchdringlichen Blick auf.

"Wenn du dich besser fühlst, kannst du ja morgen wieder in die Schule gehen."

"Das werde ich bestimmt. Da bin ich wenigstens mit Leuten zusammen, die mich verstehen und das akzeptieren, was ich tue!"

Seto brauchte einen Moment um das zu schlucken. Dann entgegnete er ruhig: "Gut. Ich bin dann hinten im Büro, wenn etwas sein sollte. Du kannst dann ..."

"Ich werde tun, was ich für richtig halte ... Seto." Dabei verfinsterte sich Mokubas Blick gefährlich. Dieser vernichtende Blick musste also doch Vererbung sein.

"Gut." Damit drehte Seto sich um und ging in sein Büro ganz am Ende des langen Flures.

"Seit wann bist du denn so gemein zu deinem Bruder?" fragte Joey erstaunt.

"Seit wann wohl?" fragte Mokuba böse zurück, setzte jedoch sofort ein "Sorry, Joey" hinterher, worauf er nur einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter bekam.

Nach knapp einer Stunde war Mokuba dann doch endlich müde. Die anderen beschlossen, dass es nun für sie wohl Zeit wurde zu gehen. Sie räumten noch kurz die durcheinandergeworfenen Sachen wieder ein (wobei sie die Küche lieber gänzlich ausließen) und verabschiedeten sich dann von Mokuba.
 

Am nächsten Morgen war Mokuba wie versprochen wieder in der Schule. Alles war wie immer. Er spielte mit seinen Klassenkameraden und gesellte sich ab und zu zu Yugi und den anderen, um die Lage zu checken. Seto war wie immer kalt und unnahbar und zeigte keinerlei Reue für das, was er getan hatte. Er setzte nur seinen eisigen Blick auf und vertrieb so alle Menschen um sich herum. Das einzige was anders war, war, dass er und sein Bruder nun getrennt zur Schule fuhren. Während Seto wie gewohnt seinen eigenen Wagen fuhr, bevorzugte sein kleiner Bruder lieber die Limousine.

Die Nachmittage verbrachte Mokuba meist bei seinen älteren Freunden. Zwar verabredete er sich ab und zu auch mit seinen Klassenkameraden, aber die anderen waren ihm doch etwas lieber. Mit ihnen konnte er wenigsten darüber sprechen, wenn er wieder ein mal traurig war oder von Noah geträumt hatte.

So vergingen etwa drei Monate und er vermied weiterhin jeglichen Kontakt zu seinem großen Bruder. Dieser war ohnehin kaum zuhause. Im Stadt-Büro war er zwar auch nur selten, wie Yugi nach einigen Versuchen feststellte, aber wo er genau seine Termine wahrnahm wollte (außer Yugi natürlich) auch keiner so genau wissen. Sie waren alle genauso sauer auf ihn, wie der Kleine es war und sie hatten genau so wenig vor, ihm die Sache zu verzeihen. Zwar hatte er sie vor dem Virus gerettet, jedoch hatte er einen wichtigen Freund aus ihrer Runde gerissen. Und das war wahrlich nicht leicht zu verzeihen.
 

Eines Tages kurz nach Schulschluss kam Seto auf Yugi zu und sprach ihn an:

"Yugi, kann ich mal kurz mit dir sprechen?"

Huch? Seto wollte mit Yugi sprechen? Aber da waren die drei anderen auch sofort dazwischen.

"Vergiss es Kaiba!" giftete Tea ihn an.

"Genau! Verzieh dich!" stieg Tristan voll mit ein.

"Sieh zu, dass du vom Acker kommst. Sonst werde ich böse und nehme dich ganz doll in den Arm und lasse dich dann in deinem Elend liegen!" Oh, das war gemein, Joey und tief unter die Gürtellinie. Kaiba hatte ja erwartet, dass er auf Ablehnung treffen würde, aber dass sie SO ablehnend sein würden hatte er nicht erwartet. Verunsichert stand er von den anderen umzingelt auf dem Schulhof und war sich nicht sicher, was er jetzt machen sollte. Einerseits wollte er zurückgiften, dann wollte er lieber weglaufen, aber eigentlich wollte er doch ...

"Was ist denn Kaiba?" sagte Yugi und versuchte einen anderen Ton als seine Freunde anzuschlagen. Seto holte noch ein mal tief Luft um sich endlich zu überwinden.

"Ich wollte dich um einen Gefallen bitten."

"Ach!" fiel ihm Joey wieder ins Wort, der langsam wieder sein Lieblingshobby ,Kaiba ärgern' wiederentdeckte. Dieses Mal jedoch für Fortgeschrittene. "Du willst Yugi echt um einen Gefallen bitten, du Arschloch? Und du meinst echt, dass er dir einfach so, mir nichts dir nichts ..."

"Was ist das für ein Gefallen, Kaiba?" versuchte Yugi Joey zu ignorieren.

"Ich wollte ..."

"Na was wolltest du egomanischer Kotzbrocken. Komm rück's raus!" Joey konnte wirklich gemein werden, wenn er erst mal auf jemanden sauer war.

"Ich wollte dich bitten ... dass du ... für ... ich wollte dich fragen ..." Seto atmete noch ein mal tief. "Ich wollte dich bitten, dass du für einige Zeit zu uns ziehst."

Ok. Das hatte jetzt keiner erwartet. Joey war so baff, dass er endlich Ruhe gab. Und somit auch Yugi die Chance gab direkt zu antworten.

"Und warum möchtest du, dass ich zu dir ziehe?"

"Du sollst nicht ,zu mir' ziehen. Ich muss für eine Weile ins Ausland und ich möchte nicht, dass Mokuba so lange alleine bleibt. Er scheint ja mit euch ..."

"Ach, und du meinst also, dass das in Ordnung ist, ja? Erstens mal ist dein kleiner Bruder ja wohl alt genug ..." Joey is back, but interrupted by Seto.

"Du sollst es auch nicht zu deinem Schaden tun. Ich werde dir für jeden einzelnen Tag eine hohe Summe zahlen. Zusätzlich stelle ich dir genug Geld zur Verfügung, dass du ohne Probleme Mokubas und deine Lebenskosten decken kannst."

"Ach, und ist noch was du Penner?"

"Jetzt sei doch mal ruhig Joey!" wies in Yugi endlich zurecht. "Ist noch was Kaiba?"

"Ich kann Mokuba nicht mitnehmen. Mal ganz abgesehen davon, dass er auch gar nicht wollen würde. Wenn du möchtest, können deine Freunde auch mitkommen. Gästezimmer sind genügend vorhanden und ihnen werde ich natürlich auch entsprechende Entschädigung leisten." Er tat sich schwer, aber tapfer blickte er Yugi in die Augen. "Bitte." Was für ein schweres Wort für ihn.

"Natürlich. Gerne, Kaiba."

"WAAAAAS?" kam es von seinen Freunden wie aus einem Munde.

"Wenn Kaiba für länger weg muss, kann er Mokuba wirklich nicht mitnehmen. Er würde sonst ja zu viel in der Schule versäumen. Außerdem findet ihr es doch auch besser, wenn er nicht zu viel alleine ist, oder? Denn zuviel Einsamkeit macht unglücklich, oder?" Dabei blickte Yugi nicht seine Freunde, sondern Kaiba mit gütigem Blick an.

"Aber dafür musst du schon ein gewaltiges Sümmchen springen lassen, du Lackaffe. Du glaubst doch nicht, dass wir uns einfach so abspeisen lassen. Solch edle Dienste sind teuer!" Jaja, wenn Joey erst mal in Fahrt ist. Nur dieses Mal schlug Kaiba nicht zurück, sondern ließ es einfach über sich ergehen. Schließlich wollte er ja etwas von ihnen. Denn Mokuba für mehrere Wochen mit seinen Bediensteten alleine lassen, war diesem sicher nicht zuträglich. Er wusste, dass Mokuba immer Zuwendung brauchte und, dass er Yugi und seine Freunde nun mal am liebsten hatte.

"Darum mach dir mal keine Sorgen, Wheeler" antwortete er endlich. "Ich reise morgen ab. Es wäre gut, wenn ihr gegen Mittag da sein könntet. Ich lasse dann alles für euch herrichten."

Als er endlich ein "Ist in Ordnung" von Yugi bekam, konnte er umdrehen und gehen. Es war sicher das Beste, dass er Yugi gefragt hatte. Auch wenn Yugi ihn nicht mochte, so würde er sich doch sicher gut um den Kleinen kümmern. Wenn nicht dann ... ihm fiel keine passende Drohung ein. Und auch keine Alternative.
 

Chapter 13
 

Wie vereinbart waren die anderen am nächsten Tag gegen Mittag im Kaiba-Anwesen. Mokuba freute sich ein Loch in den Bauch, dass er nun ein paar lustige Wochen mit seinen Freunden verbringen würde und seinen gemeinen großen Bruder eine ganze Zeit lang nicht zu Gesicht bekam. Das tat er in der letzten Zeit ohnehin nicht häufig, aber so musste er ihn nicht ständig wegschicken, wenn er versuchte mit ihm ins Gespräch zu kommen. Natürlich hatte er Seto noch irgendwo lieb, aber im Moment wollte er ihn einfach nur los sein und sich überlegen, wie er auch in der Zeit danach seinem Bruder möglichst wenig begegnen würde. Er hätte es sich niemals träumen lassen, dass er seinen großen Bruder einmal so verabscheuen würde.
 

Als Yugi und die anderen die große Eingangshalle der Villa betraten, kamen ihnen auch sogleich einige Bedienstete entgegen, welche sie freundlich begrüßten und ihnen dann ihre Gepäcktaschen abnahmen. Letztlich hatten sie sich entschieden, alle für eine zeitlang bei den Kaibas einzuziehen - es gab ja zum Einen ordentlich Geld dafür und wann hatte man zum Anderen mal die Chance in so einem Luxus zu schwelgen?

Kurz nachdem sie ihre Taschen loswaren, hüpfte auch schon Mokuba auf sie zu und begrüßte sie fröhlich. Alle waren froh, dass der Kleine nicht mehr die ganze Zeit Trübsal blies und ständig an den Tod seines Freundes denken musste. Erst als Seto die Treppe herunterkam, verschwand sein Lächeln und er sah seinen Bruder kalt an, welcher nun auf die Truppe zukam. Dort angekommen sah er seinen kleinen Bruder fragend an und Mokuba wusste, dass er sich nur lieb verabschieden wollte. Aber statt ein paar freundlicher Worte erntete er nur, wie auch in den letzten Tagen, abweisende Gesten.

"Ist noch was Seto?" Meine Güte, der Kleine war wirklich nicht gut auf ihn zu sprechen.

"Die Gästezimmer sind fertig und die Bediensteten angewiesen. Die Kreditkarten liegen oben auf dem ..."

"Sag mir was, was ich noch nicht weiß. Es ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass du mich alleine lässt, oder?"

"Also dann. Ich ruf dich an Kleiner, ja?"

"Mal sehen, ob ich dann Zeit habe mit dir zu sprechen. Vielleicht schicke ich dir mal ne eMail und jetzt sieh zu, dass du zu deinem Flieger kommst. Zeit ist Geld nicht wahr, Seto?"

"Ja. Machs gut, Mokuba."

Damit nahm Seto seinen Koffer und verließ ohne weitere Worte das Haus. Nachdem er weg war, drehte sich Mokuba wieder zu seinen Freunden um und fragte aufgeregt, ob er ihnen jetzt das Haus zeigen solle. Natürlich sollte er das, denn eigentlich kannten sich seine Freunde in diesem Palast gar nicht aus.

Sie begannen in den protzigen Geschäftsräumen, welche nur zum Gästeempfang da waren. Alle staunten Bauklötze als sie die teure Einrichtung in den großen, modernen Räumen sahen. Dann gingen sie hinüber in die Angestelltenquartiere. Dort waren mehrere kleinere Wohnungen und einige Gesellschaftsräume. Immerhin wohnten viele Diener hier und manche fuhren nur übers Wochenende nach hause. Man sah, dass sich die Leute hier wohlfühlten. Zu guter Letzt machte Mokuba eine etwas ausführlichere Einweisung in ihren privaten Bereich, wo sie sich ja am meisten aufhalten würden.

Der zweite Stock war ja eigentlich nur für Mokuba und Seto eingerichtet. Erst jetzt erfuhren sie, dass der Kleine eigentlich vier Zimmer besaß, aber eigentlich nur eines davon benutzte. Weiterhin waren auf diesem Stockwerk ein Fitnessraum, drei Badezimmer, eine zweite Küche, welche etwas versteckt lag, zwei Wohnzimmer und Setos Privatbüro. Setos Schlafzimmer wurde bewusst ausgelassen. Die Tür, welche in den dritten Stock führte und sonst immer verschlossen war, brachte sie in ein weiteres Treppenhaus, wo man sowohl die Treppe als auch den Fahrstuhl benutzen konnte. Im vierten Stock war die Dachterrasse mit Swimmingpool und Wellnessbereich. Darunter im dritten Stock waren die Gästezimmer hergerichtet. Auch auf diesem Stock befanden sich zusätzlich mehrere Badezimmer und Küchen.
 

Aber als der Abend anbrach, fanden sie es doch besser alle zusammen auf einem Stockwerk zu wohnen. Also wurden Mokubas zusätzliche Zimmer kurzerhand zu Gästezimmern umgestaltet. Tea und Yugi bekamen jeweils ein einzelnes. Joey und Tristan wollten sich zusammen eines teilen, weil ,das den Spaßfaktor erhöht'.

Die Freunde hatten sich recht schnell bei Mokuba eingelebt und sie fanden, dass sie wohl die lustigste WG im ganzen asiatischen Raum waren. Sie versuchten zu kochen ohne die Küche in ein Schlachtfeld zu verwandeln (was sonderbarer Weise immer nur dann gelang, wenn Joey und Tristan nicht anwesend waren). Sie genossen in vollen Zügen den gebotenen Luxus des Pools, der Sauna, des Solariums und im Fitnessraum konnten sie sich so richtig austoben. Sie gingen ausgiebig mit Setos Kreditkarten einkaufen und genossen einfach ihre gemeinsame Zeit.

An den älteren Kaiba wurde eigentlich kaum noch ein Gedanke verschwendet. Yugi war der Einzige der ab und zu kurz mit ihm telefonierte. Seto wollte sich absichern, dass mit seinem Bruder alles in Ordnung war und sie alles hatten, was sie brauchten. "Eigentlich ist Kaiba doch eine Glucke" war das Einzige, was Yami dazu zu sagen hatte. Nur ein oder zwei Mal kehrte Seto kurz nach hause zurück, um ein paar Dinge aus seinem Büro zu holen und das immer, während die anderen in der Schule oder bereits im Bett waren. Sie erfuhren lediglich durch die Diener, dass der Drache kurz daheim gewesen war. Ansonsten versuchte Yugi ihnen ein paar Mal zu erzählen, dass Kaiba viel zu tun hatte und sich über ein kurzes Lebenszeichen seines Bruders freuen würde. Aber eigentlich interessierte das niemanden und Mokuba dachte nicht im Traum daran, sich bei seinem großen Bruder zu melden. Es reichte doch, wenn Yugi ihm erzählte, dass es ihm gut ging und er die Schule nicht schleifen ließ. Dann sollte er doch beruhigt und zufrieden sein.
 

So vergingen etwa drei Monate und als der vierte bereits anbrach, begannen sie sich zu fragen, was Kaiba wohl so lange im Ausland zu tun hatte. Yugi verfolgte seinen Reiseplan und war der Einzige, der eigentlich richtig wusste, wo sich der Große gerade aufhielt. Er erzählte seinen Freunden, dass er öfter zwischen den europäischen Ländern und den USA hin und her pendelte. Aber niemand hatte eine Ahnung, was ihn da so beschäftigt hielt.

"Entweder ein ganz großer Vertrag oder viele kleine" tat Mokuba die Sache ab. In Firmenbelange hatte er sich noch nie reingesteckt und würde jetzt ganz sicher nicht damit anfangen. Wenn Yugi versuchte mit Seto darüber zu reden, was er denn eigentlich so Wichtiges zu tun hatte oder gar, wie es ihm selbst denn gehe, bekam er nie eine Antwort. Meistens hatte er dann plötzlich keine Zeit mehr mit ihm zu sprechen und musste schnell auflegen. Auch der Vorschlag von Yugi, doch mal nur ein Wochenende zurück nach Domino zu kommen, traf auf taube Ohren. So blieb ihm also nur noch, seinen Auftrag zu erfüllen und so gut es ging auf Mokuba aufzupassen.

Aber wie versprochen blieb Seto ja nicht ewig weg und so kündigte er nach knapp einem halben Jahr bei Yugi an, dass er nach hause zurückkommen würde. Auch bat er ihn seinem kleinen Bruder auszurichten, dass er dann endlich ein klärendes Gespräch mit ihm führen wolle.
 

"Was wirst du deinem Bruder sagen?" fragte ihn Tea am Abend vor Setos Ankunft.

"Ich weiß es nicht genau" antwortete Mokuba tonlos. "Ich kann ihm viel verzeihen, aber ich kann ihm nicht verzeihen, dass er Noah getötet hat." Dabei stiegen dem Kleinen nach langer Zeit wieder die Tränen in die Augen. "Ich will nicht darüber nachdenken. Seto hat mich schon vorher immer wie ein Kind behandelt und mir immer vorgeschrieben, was ich machen soll. Und ich war so blöd und habe auch noch immer alles getan. Ich war immer für ihn da und habe ihn so genommen wie er ist, aber ich hatte immer Angst, dass Seto mich nicht mehr lieb hat, wenn ich versuche meinen eigenen Kopf durchzusetzen. Ich war immer viel zu vorsichtig mit ihm und deswegen konnte ich ihm auch nicht sagen, dass ich mich in Noah verliebt habe." Mokuba schluchzte laut.

"Meinst du nicht, dass du deinem Bruder etwas Unrecht tust?" versuchte Yugi Partei für Seto zu ergreifen und gleichzeitig zu verhindern, dass Mokuba auch noch sein letztes Familienmitglied verlor.

"Ich habe ihm viel zu lange Recht getan!" sagte Mokuba nun überzeugter. "Und wenn er kommt, werde ich ihm sagen, dass ich nicht mehr sein Kleiner bin und endlich mein eigenes Leben haben will. Ohne ihn!"

Diese Worte schockten die anderen dann doch. Alle Versuche Mokuba dazu zu überreden, sich doch wenigstens anzuhören, was sein großer Bruder zu sagen hatte, gingen ins Leere. Er dachte nur noch daran, dass er seinetwegen Noah verloren hatte. Unterstützt wurde seine Stimmungslage auch noch dadurch, dass er nun ohnehin in einem Alter war, in dem man versuchte sich von seinen Eltern (oder in diesem Falle von seinem Bruder) loszusagen, um den eigenen Charakter zu stärken.
 

Am nächsten Tag sollte es also soweit sein, dass Seto zurückkehrte. Am frühen Abend saßen die Freunde gemeinsam in einem der großen Wohnzimmer und sahen sich einen Film im PayTV an. Sie hörten, wie die etwas entfernte Tür geöffnet wurde und jemand hereintrat.

"Wir sollten euch wohl lieber alleine lassen" sagte Tristan taktvoll und wollte sich mit den anderen gemeinsam zurückziehen.

"Nein. Bitte bleibt doch hier. Das wird nicht lange dauern und ich fühle mich besser, wenn ihr dabei seid. Ihr seid doch schließlich meine Freunde und Seto muss einfach akzeptieren, dass ich keine Geheimnisse vor euch haben will."

Gerade als sie sich wieder gesetzt hatten, öffnete sich auch schon die Tür zum Wohnzimmer und Seto trat herein. Er sah müde und blass aus. Er hatte wohl zuviel gearbeitet und war nun erschöpft. Aber außer bei Yugi traf diese Tatsache bei keinem auf Mitleid. Zu tief saß noch immer der Schmerz von Noahs Verlust, der nun wieder erneut aufkeimte.

"Kann ich mit dir reden Mokuba, bitte?" fragte Seto und bedeutete ihm, dass er mit ihm den Raum verlassen sollte.

"Wenn du reden willst, kannst du das hier genauso gut!" giftete Mokuba seinen Bruder an, welcher durch die unerwartet harten Worte einen kleinen Schrecken bekam. Er hatte gehofft, dass der Kleine ihm wenigsten die Chance geben würde, sich ihm zu erklären.

"Komm doch bitte kurz mit. Ich möchte dir etwas ..."

"Also gut. Jetzt bin ich mal dran!" Daraufhin baute sich Mokuba vor seinem Bruder auf und erst jetzt konnte man richtig bemerken, dass der Kleine gar nicht mehr so klein war. Er war in den letzten Monaten enorm gewachsen und hatte durch das viele Herumtollen mit seinen Freunden eine sportliche Statur bekommen. Er wurde eben auch langsam erwachsen. Auch wenn er neben seinem großen Bruder noch immer etwas kindlich wirkte, war doch zu erkennen, dass er einst dem Großen in nichts mehr nachstehen würde. Obwohl Mokuba im Stimmbruch war (was Joey zum Leidwesen aller immer wieder gerne auf die Schippe nahm), sprach er jetzt mit deutlicher und fester Stimme, um endlich seine Position zu seinem großen Bruder klar zu machen.
 

"Jetzt hörst du mir mal zu, Seto. Ich hatte in den letzten Monaten viel Zeit zum Nachdenken und ich will dir endlich sagen, was ich von der ganzen Sache halte. Ich kann dir niemals verzeihen, was du getan hast. Du hast meine große Liebe einfach getötet ohne mit der Wimper zu zucken. Ich dachte immer, dass in dir doch noch irgendwo ein Herz schlägt, aber das ist längst zu Eis erstarrt. Und es passt mir nicht, dass du mich ständig wie ein kleines Kind behandelst. Du schickst mir sogar Babysitter, um dein kärgliches Gewissen zu beruhigen, weil du selbst die Firma über deinen Bruder stellst. Ich konnte dir nie sagen, dass ich diese schlimmen Alpträume durch Liebeskummer hatte. Ich hatte immer Angst, dass du mich deswegen verstößt, aber das ist jetzt vorbei. Ich bin nicht mehr von dir abhängig und ich will endlich mein eigenes Leben ohne ständig auf dich Rücksicht zu nehmen. Du machst mich kaputt, Seto. Du tust mit mir das, was Mutter mit dir getan hat. Du gibst vor, mich zu lieben und auf der anderen Seite akzeptierst du mich nicht als gleichwertig. Du schlägst mich mit deinem Verhalten kurz und klein, Seto! Hau ab! Verschwinde! Ich will dich nicht mehr bei mir haben! Ich lebe ohne dich viel besser und das weißt du auch. Du bist nicht mehr mein Bruder!"

Wow, das war hart. Das hatte Seto zwar immer gefürchtet, aber erwartet hatte er es nicht. Es konnte natürlich sein, dass aus Mokuba in diesem Moment nur Trauer und Schmerz sprach, aber er dachte nun mal so. Und Seto blieb wohl nichts anderes übrig als das zu akzeptieren.

"Ok" sagte er mit schwacher Stimme und Tränen in den Augen. "Wenn ich dir wirklich so weh getan habe, dass du mich jetzt hassen musst, tut es mir leid. Ich wollte immer nur das Beste für dich, aber die Liebe, die du verdienst, kann ich dir nicht geben. Das habe ich zwar versucht, aber ... es hat ja anscheinend keinen Sinn mehr. Wenn du mich nicht mehr willst, dann akzeptiere ich das. Es freut mich zu sehen, dass du endlich den Mut hast, deinen Kopf durchzusetzen. Ich bin mir sicher, dass du jetzt stark genug bist, um ohne meinen Schutz leben. Obwohl du mich immer mehr geschützt hast, als ich dich. Das tut mir leid. Und, dass ich dich so belastet habe, auch das tut mir leid." Seto senkte den Kopf, um die Tränen zu verbergen. "Mehr kann ich dir nicht geben. Es tut mir leid, Mokuba. Es tut mir leid." Damit drehte er sich in der Tür um und ging in Richtung Ausgang.

Man hörte nur noch schnelle Schritte und dann das Schließen der Tür. Mokuba setzte sich hin und atmete tief durch. Endlich hatte er sich getraut, seinem Bruder die Meinung zu sagen. Endlich hatte er sich losgesagt. Endlich selbstständig. Endlich seine Wut herausgelassen und klaren Tisch gemacht.

Yugi machte sich jedoch ehrlich Sorgen was Seto jetzt wohl tun würde, aber noch bevor er seine Bedenken äußern konnte, hörten sie die Tür wieder aufgehen und große ruhige Schritte kamen auf sie zu.
 

"Hat der noch nicht genug?" fragte Joey und machte sich nun seinerseits zum Angriff bereit als eine hochgewachsene Gestalt im Türrahmen erschien. "Was willst du denn jetzt noch? Hast du Mokuba noch immer nicht verstanden du ..."

"Schrei mich doch nicht gleich so an, Joey." Das war ja gar nicht Seto! Aber wer war das dann? Dieser große, hübsche junge Mann mit dem freundlichen Lächeln. Die Freunde stutzten einen Moment, bis Mokuba erstaunt die Augen aufriss: "NOAH!!!"

"Gut erkannt, Kleiner! Ich sehe jetzt zwar ein bisschen älter aus, als wenn ich virtuell bin, aber ich hoffe, du hast nichts dagegen. Mir gefällt mein neuer Körper nämlich ganz gut."

"Noah!" rief Mokuba wieder glücklich und lief auf ihn zu. Er sprang ihm in die Arme und Noah fing ihn ohne Probleme auf. Er zog ihn zu sich hoch und drückte ihm einen langen, saftigen Kuss auf. Es tat so gut seinen kleinen Liebling wieder in den Armen zu halten. Und das dieses Mal ganz real. So mochte er ihn sogar noch viel lieber. Er roch und schmeckte noch viel süßer als er es in seiner virtuellen Welt imitiert hatte. Es war ein so gutes, geliebtes Gefühl.

Als sie sich endlich voneinander lösten, sah Mokuba ihn tränenverlaufen an.

"Ich liebe dich, Noah. Ich hab dich so vermisst!"

"Ich liebe dich auch, Süßer."

Er drückte seinen Schatz noch ein Mal fest an sich und ließ ihn dann wieder herunter. Ließ sich aber gerne von dem Kleinen am Arm festhalten, der wohl Angst hatte, dass der Zurückgekehrte gleich wieder verschwinden würde, wenn er ihn losließ.

"Hallo Leute!" lachte Noah nun den Rest der Truppe an.

"Hallo Noah" kam nur verwundert zurück.

"Hi!" Noah wartete immer noch darauf, dass endlich jemand etwas sagen würde, aber die Verwunderung über seine Rückkehr war einfach zu groß. War er denn nicht von Seto gelöscht worden? Und wenn wirklich nicht, wie kam es dann, dass er plötzlich einen eigenen Körper hatte, der seinem virtuellen doch recht ähnlich sah ... eben nur ein paar Jahre älter.

"Ihr fragt euch, wie es kommt, dass ich wieder zurück bin?"

Kräftiges Nicken bestätigte seine Vermutung.

"Soll ich es euch erzählen?"

Wieder kräftiges Nicken.

"Aber nur wenn wir uns dabei hinsetzen. Die ganze Zeit rumstehen ist doch ungemütlich."

Daraufhin suchten sich alle wieder einen Platz auf der Couch und sahen Noah gespannt an. Mokuba rutschte ganz nah an ihn heran und wäre ihm am liebsten auf den Schoß gekrabbelt. Irgendwo war er halt doch noch nicht so erwachsen. Noah sah seinen Schatz fragend an und klopfte auf seine Knie. Mokuba nahm die Einladung mehr als gerne an und mit einem Satz, hatte er den Kleinen nicht nur im Arm, sondern auch auf dem Schoß. Es war ein schönes Gefühl seinen Geliebten endlich wieder so nahe bei sich zu wissen.

"Also. Soll ich da anfangen, wo wir das letzte Mal getrennt wurden?"

Wieder kräftiges Nicken.

>Na, denen hat es ja richtig die Sprache verschlagen!< stellte Noah verwundert fest. "Ihr wisst ja noch, dass Virus dabei war, die Sicherheitsprogramme zu meinem geschützten Raum zu knacken und ich nicht wusste, wie man ihn wieder loswird. Weil Seto wohl nicht wollte, dass ihr alle mit draufgeht, hat er einen Weg zurück in eure Körper programmiert und euch umgehend dahin geschickt."

"Das haben wir ja noch mitbekommen!" redete Joey aufgeregt, der nun endlich seine Stimme wieder hatte. "Aber was ist dann passiert? Sag schon! Wieso bist du hier? Und wieso siehst du so viel älter aus?"

"Ist ja gut. Ich erzähle ja schon. Also, nachdem ihr alle wieder sicher zurück ward, sollte ich ja eigentlich gelöscht werden. Aber Seto fragte nur:

,Mokuba liebt dich?'

,Ja, das tut er wohl'

,Und du liebst ihn auch?'

,Ja. Mehr als alles andere auf der Welt'

Das gab Seto wohl zu denken. Er wusste, das mein Süßer sehr traurig sein würde, wenn er mich einfach so um die Ecke bringt. Aber retten konnte er mich auch nicht mehr, da der Virus schon viel zu viele meiner Programme geknackt und zerstört hatte. Also hat er den Teil, der noch funktionierte in einen virenfreien Raum gebracht und ihn so abgesichert, dass der Virus zwar nicht rein, ich dafür aber auch nicht rauskommen konnte. Und so hat er mich da eine Weile einfach mal so sitzen lassen."

"Er hat dich eingesperrt?" fragte Mokuba geschockt.

"Na ja. Am Anfang schon. Dann nach einer Weile, ich weiß gar nicht nach wie viel Zeit, weil ich ja kein Zeitgefühl hatte, hat er wieder Kontakt mit mir aufgenommen. Ich weiß ja nicht, was passiert ist, aber er schien es zu akzeptieren, dass Moki und ich zusammen sein wollten. Und nachdem ich ihm tausend Mal versichert hatte, dass ich dich ..." dabei drückte er Mokuba einen lieben Kuss auf die Wange "... wirklich liebe, hat er mir ein unglaubliches Angebot gemacht.

Er sagte, dass die Kaiba Corp. schon lange auch in der Genforschung tätig sei. Er fragte mich, ob ich mich für ein Experiment zur Verfügung stellen würde bei dem im besten Falle ein neuer Körper für mich herausspringen würde. Natürlich sagte ich sofort zu, denn was hatte ich denn schon zu verlieren? Ich befand mich ja quasi in seiner Hand und ins Internet konnte ich nicht zurück, weil der Virus mich zu schwach gemacht hatte. Natürlich wollte ich auch Kontakt mit Moki aufnehmen, aber damit war er nicht einverstanden. Er sagte, dass das Experiment auch schief gehen könnte und ich dabei völlig gelöscht werden würde ... ohne, dass er mich dann noch retten könnte. Dann würde Moki ein zweites Mal traurig sein und das wollte er nicht. Er wollte dir also keine falschen Hoffnungen machen, Süßer." Er wuschelte liebevoll durch seinen schwarzen Haarschopf und Mokuba wurde bei dieser Geste ganz rot im Gesicht. "Irgendwie hatte Seto es geschafft, an die bereits zusammengetragenen Ergebnisse meines Vaters zu kommen, welcher ja schon früher versucht hat, mich in einen Körper zurückzubekommen. Dabei hat Seto ein paar Reste meiner eingefrorenen DNA gefunden und es irgendwie geschafft eine Methode zu entwickeln, daraus einzelne Organe zu züchten. Mit einem ganzen Team von Wissenschaftlern aus aller Welt hat er mit Hochdruck daran gearbeitet, aus den verschiedenen Organen und Körperteilen die besten herauszusuchen und zusammenzufügen. Hört sich ein bisschen an wie Frankenstein, oder? Aber da ja alles aus meinen eigenen Genen geschafften wurde, waren es ja auch alles meine Organe. Als Seto mich fragte, wie alt mein Körper sein sollte, bat ich ihn, ihn so alt zu machen, wie er es gewesen wäre, wenn ich keinen Unfall gehabt hätte. Deswegen sehe ich nicht mehr so aus, wie ihr es gewohnt seid, sondern bin quasi genau in meinem natürlichen Alter. In natura bin ich ja etwa so alt wie ihr.

Als mein Körper dann soweit fertig war, musste er ja noch mit meinem Geist zusammengeführt werden und das war das Gefährlichste. Denn keiner wusste, ob der Körper, genauer das Gehirn, meinen Geist in Form von elektrischen Impulsen annehmen und speichern würde. Außerdem waren viele meiner Daten durch das viele hin- und herkopieren und den Virus so kaputt, dass Seto neben der wissenschaftlichen Arbeit noch nächtelang am Computer saß und die verlorengegangenen Teile aus Datenresten nachprogrammiert und repariert hat. Er hat auch eine neue Methode entwickelt, den Geist aus der virtuellen Welt in die reale zu bringen und umgekehrt. Das ersetzte die alten Kapseln und ist zusätzlich noch viel sicherer beim Transfer. Das Ding sieht echt scharf aus ... ein bisschen wie ein Kopfhörer. Na ja. Und dann haben wir den Datentransport in den neuen Körper durchgeführt und es hat geklappt. Nun bin ich sozusagen der erste Mensch, der aus sich selbst geklont wurde. Ich habe einen offiziellen Pass und neue Papiere organisiert bekommen und bin nun offiziell wieder am Leben. Ende."

Seine Freunde brauchten einen Moment, um diese Geschichte zu schlucken.

"Krass!" war das Erste, was Joey herausbrachte.

"Dann herzlich willkommen zurück" rief Tea und umarmte Noah.

Als dann auch Yugi und Tristan sich ausgiebig über seine Rückkehr gefreut hatten, fragte Noah plötzlich verwundert: "Wo ist denn eigentlich Seto? Ich sollte zwar eigentlich unten in der Halle warten bis er Moki soweit vorgewarnt hat, aber da er nicht zurückkam, um mich reinzurufen, bin ich einfach hier hochgekommen. Ist er vielleicht schon ins Bett gegangen? Er war ja schließlich ziemlich müde und geschafft von der vielen Arbeit."

Die Freunde sahen sich gegenseitig traurig an.

"Ich glaube, ich hab ... da ... was ..." jetzt bekam Mokuba doch Schuldgefühle, dass er so hart mit seinem Bruder umgesprungen war. Schließlich hatte Seto gar keinen Fehler gemacht - höchstens den, dass er ihm nichts von seinem Vorhaben gesagt hatte.

"Ich glaube, den haben wir vertrieben" sagte Joey ebenso schuldbewusst.

"Was habt ihr denn gemacht?" wollte Noah nun ernsthaft wissen.

Tristan erzählte kurz, was Mokuba zu ihm gesagt hatte und wie Seto geknickt weggelaufen war.

"Dann sollten wir ihn unbedingt suchen und uns bei ihm entschuldigen!" forderte Noah die anderen auf, welche daraufhin sofort losliefen und ihre Jacken holten. Als dann alle fertig gestiefelt im Flur standen, fiel ihnen auf, dass sie gar nicht wussten, wo sie ihn suchen sollten. Von einem Diener erfuhren sie nur, dass er das Gelände über den Hinterausgang, also den Garten, verlassen hatte. Auf Noahs Vorschlag hin, gingen sie zuerst an die Orte, an denen Seto sich häufig aufhielt. Als Erstes suchten sie den Garten ab - nichts. Dann fuhren sie mit der Limousine zu seinem Stadtbüro - nichts! Sie durchsuchten seinen Terminplaner, doch für heute hatte er keine Verabredungen mehr angesetzt.

"So jemand wie Seto Kaiba kann doch nicht allzu schwer zu finden sein! Sein Gesicht ist doch ständig in den Zeitungen und Magazinen. Den hat bestimmt jemand gesehen" meinte Tristan und so suchten sie halb Domino ab. Bibliotheken, Spielhallen, Restaurants, Hotels, Kneipen - nichts. Als schon der Morgen dämmerte, machten sie sich wieder auf den Heimweg. Vielleicht war er ja mittlerweile dort aufgetaucht. Aber zu ihrer Enttäuschung war er nicht zurückgekehrt.
 

Nach nur wenigen Stunden Schlaf (oder zumindest versuchtem Schlaf), trafen sich alle müde in der Küche, um in die Schule zu fahren. Vielleicht würde Seto ja dort sein. Verwundert sahen sie Noah an, der mit Ihnen in Schuluniform die Limo betrat.

"Warum trägst du denn Schuluniform?" fragte Mokuba verwirrt.

"Ich brauche doch schließlich einen Schulabschluss, oder willst du, dass ich mein Leben lang ohne offizielle Ausbildung leben muss?"

"Dann ist das bei dir, so wie bei Seto?"

"Du hast es erfasst, Kleiner!" Zur Belohnung bekam Mokuba einen langen, liebevollen Kuss. "Ich komme sogar mit euch in eine Klasse, weil ich ja in eurem Alter bin!" lachte er die anderen an.

"Na, das wird bestimmt lustig!" klopfte Joey ihm auf die Schulter und der Wagen setzte sich in Bewegung Richtung Schule.
 

Leider konnten sie auch dort keinen Seto antreffen. Den Nachmittag verbrachten sie wieder damit, diverse Orte nach ihm abzusuchen, doch vergeblich. Das Einzige, was Noah herausbekommen konnte, war, dass nirgends vermerkt wurde, dass er das Land verlassen hatte. Er war also noch immer in Japan, aber wenn er nicht gefunden werden wollte, konnte er wahrscheinlich auch nicht gefunden werden. Dafür war er zu intelligent.

Nach einigen Tagen des Suchens beschlossen sie, dass es wohl keinen Sinn mehr hatte. Er war wie vom Erdboden verschluckt.
 

Mokuba konnte sich nun über Noahs Wiedergeburt gar nicht mehr richtig freuen. Zwar verbrachte er die meiste Zeit an seiner Seite, jedoch waren seine Gedanken ständig bei seinem großen Bruder. Er machte sich schreckliche Sorgen, dass ihm etwas passiert sein könnte. Noah versuchte ihn zu trösten so gut es ging, aber er vermisste seinen Stiefbruder ebenso schmerzlich wie der Kleine. Die anderen waren währenddessen vollauf damit beschäftigt Yugi bei Laune zu halten, der sich vor lauter Sorge und Liebeskummer schon alle Fingernägel abgekaut hatte. Er rannte noch immer häufig durch die Gegend und suchte nach ihm. Leider erfolglos. Wenn es ihm gar zu schlecht ging und er die Aufmunterungen seiner Freunde nicht mehr ertragen konnte, zog er sich einfach in seinen Seelenraum zurück und zwang Yami somit, den Körper zu übernehmen, damit er selbst seine Ruhe hatte.
 

Chapter 14
 

Eines Tages bekam Noah einen Anruf von Setos Anwalt, welcher ein Drittel der Firma einforderte. Nach seinen Angaben wollte Seto nur noch im Hintergrund der Firma agieren und forderte deshalb seine rechtmäßige Auszahlung. Zwar hatte er das Firmenvermögen verfünfzigfacht, seit er die Kaiba Corp. von einem Militärrüstungsbetrieb in eine Firma für Spieletechnik (und Töchtergesellschaften mit anderem Produktionsinhalt) umgewandelt hatte, jedoch forderte er nur ein Drittel, damit er, Mokuba und Noah zu gleichen Teilen bekamen. Fairness ist eben doch eine Frage der Ehre. Natürlich versuchte Noah über den Anwalt Kontakt zu Seto herzustellen, was aber leider ebenfalls ohne Ergebnis blieb. Da der Anwalt selbst nur telefonischen Kontakt mit ihm hatte, konnte er dem neuen Präsidenten höchstens seine Bankverbindung geben, aber nicht mehr, denn er wusste ja selbst nicht, wo sein Klient sich aufhielt.

Und wie konnte es auch anders sein, bekam nun auch die Presse Wind von den Veränderungen in der Kaiba Corp. Wenn eine so gut am Markt positionierte Weltfirma einen Führungswechsel und gleichzeitig eine anstehende Kapitalauszahlung vor sich hatte, blieb das natürlich nicht lange geheim. Und so titelten die Zeitungen täglich neuen Mist. In dem einen Artikel hieß es Noah hätte jahrelang als Seto gelebt, um unbemerkt mit Mokuba zusammenzuwohnen und, dass ein Seto Kaiba niemals existiert habe. Eine andere Zeitung schrieb ,Der Präsident ist tot, lang lebe der Präsident'. Wieder andere sagten, Noah und Mokuba hätten Seto getötet, um seine Firma zu übernehmen. Aber die Wahrheit, hätte ihnen eh keiner geglaubt, mal ganz davon abgesehen, dass sie auch gar nicht damit an die Öffentlichkeit gehen wollten. Noah versuchte nur, seine Statements so gut zu platzieren, dass es immer wieder hieß: "Seto, komm nach hause!"
 

Natürlich war Noah bereit Seto die geforderte Summe auszuzahlen, wenn dieser dies wünschte, denn eigentlich stand ihm noch mehr als nur das zu. Als er dies jedoch absegnen wollte, meldete sich ein Mal mehr die Behörde zu Wort, welche Seto ja schon lange noch Eines auswischen wollte. Es hieß nach Paragraph sowieso und Absatz dies und das blablabla ... letztlich kam dabei heraus: Seto bekam nichts! Da er und Mokuba nicht Gozaburo Kaibas leibliche Söhne waren und nun der rechtmäßige Erbe der Kaiba Corp. aufgetaucht war, stand den beiden Adoptiv-Kaibas keinerlei Geld zu. Als Noah dies anfechten wollte, trat auch noch Gozaburos alter Notar auf den Plan, welcher seit damals sein Testament verwahrt hatte. Bevor Seto und Mokuba auf den Plan traten und noch bevor Noah seinen Unfall hatte, setzte der alte Kaiba seinen Sohn als Universalerben ein. Fazit: Kein gar nichts für Seto und Mokuba.

Zwar versicherte Noah Mokuba, dass ihm trotzdem ein Drittel der Firma zustand und so überschrieb er dieses Drittel auch sofort auf seinen Namen. Aus dem anderen Drittel machte er einfach eine Schenkung und überwies mehrere Millionen auf Setos Konto. Clever gedacht von Noah! Nur schade, dass Seto sein Geld nicht geschenkt oder überschrieben haben wollte. So überwies dieser die Summe sofort wieder zurück und kündigte sein Konto auf, um weitere Zuwendungen zu verhindern.

Somit schien auch der letzte Kontakt zu Seto abgerissen zu sein. Mokuba hatte immer schwerer mit seinen Schuldgefühlen zu kämpfen, ebenso wie Yugi mit seinem Kummer. Auch die anderen vermissten ihn sehr. Joey war ständig dabei, sich bei den anderen für sein gemeines Benehmen zu entschuldigen. Bei Seto konnte er ja nun nicht um Verzeihung bitten.
 

Nachdem nun wieder knapp ein halbes Jahr vergangen war, kam erst der Herbst, dann der Winter. Weihnachten war für Mokuba dieses Jahr auch nicht das Selbe wie sonst. Obwohl Seto solche Familienfeste nie besonders mochte, hatte er doch immer sein Bestes getan, um Mokuba ein schönes Weihnachten zu bescheren. Dieses Jahr war es also an Noah, dem Kleinen ein familiäres Gefühl zu vermitteln. Dabei half auch, dass Yugi und die anderen gar nicht wieder ausgezogen waren. Zwar wollten sie das frisch vereinte Paar nicht stören, aber Mokuba bat sie innig darum, doch noch zu bleiben. Auch Noah, der jetzt viel damit beschäftigt war die Firma weiterzuführen, fand die Idee, die WG weiterzuführen super. So war Mokuba nicht zuviel alleine und er brauchte kein schlechtes Gewissen haben, wenn er auch mal über Nacht die Stadt verlassen musste.
 

Mokubas besondere Weihnachtsfreude war jedoch ein kleines Päckchen, welches Seto ihm geschickt hatte. Er wusste, dass sein kleiner Bruder früher Marzipanpralinen über alles liebte - und vor allem die, die Seto extra für ihn selber machte. Dies hatte er bisher in jedem Jahr zu Weihnachten getan und so auch dieses Jahr. Das Päckchen war hübsch geschmückt und enthielt die schönsten Marzipanvariationen. Mit Pistazie, Zimt, Vanille, Kakao, Erdbeere und dieses Jahr neu: Einige Pralinen mit Rum.

Mokuba stiegen die Tränen in die Augen als er die erste Praline in den Mund steckte. Seto hatte nur eine kleine Karte mit einem kurzen Text dazu gelegt: "Ich bin mir nicht sicher, ob du meine Pralinen noch magst ... wenn nicht, tu sie einfach weg. Trotzdem frohe Weihnachten. Ich hab dich immer noch lieb, Seto."

Mal von diesem kurzen Trauerspiel abgesehen, hatten Mokuba und Noah ein schönes Weihnachtsfest. Die anderen waren zu ihren Familien gefahren und sollten erst am ersten Weihnachtsfeiertag wiederkommen. So genoss das junge Paar einige Stunden der ungestörten Zweisamkeit indem sie es sich einfach in Noahs großem Bett bequem machten und sich einen Film ansahen. Es dauerte ungefähr vier Stunden bis sie den 90-Minuten Film endlich vollständig gesehen hatten, da sie ständig zurückspulen mussten. Während ihrer Kuss- und Streicheleinheiten bekamen sie von der Handlung nämlich nicht besonders viel mit.

Den ersten Feiertag verbrachten sie wieder mit ihren Freunden. Sie trafen sich zum Brunch in einem teuren Restaurant (wenn ein Kaiba einlädt, lässt er sich halt nicht lumpen). Den Nachmittag vertrieben sie sich auf der Schlittschuhbahn und den Abend in einer In-Disco. Zwar war Mokuba eigentlich noch gar nicht alt genug, um in eine Tanzbar eingelassen zu werden, aber für Millionäre und Wirtschaftsbosse galten halt andere Regeln als für Normalsterbliche. Den zweiten Feiertag verbrachten sie dann gemeinsam damit, sich auszukatern. **Auch mal ganz nett o_O**
 

Nach den Feiertagen wollten sie noch ein Mal gemeinsam über die Weihnachtsmärkte bummeln, die jetzt ihren Ausverkauf starteten. Gemeinsam machten sie sich auf und kauften den schönsten Krimskrams, den sie wahrscheinlich nie wieder brauchen würden. Gerade als sie sich an einem Glühweintand etwas aufwärmen wollten, war ein lauter Ausruf von Joey zu vernehmen:

"Krass! Das will ich auch! Dem zeig ich jetzt mal, wie man das richtig spielt!"

Er lief glücklich zu drei Jungen herüber, die am Rande des Geländes ein Duel Monsters Duell gestartet hatten.

"Hey, kann man da noch mitspielen?" fragte er aufgeregt.

"Wat, wer bis du denn?" fragte einer der Jungen verdutzt und Joey konnte es mal wieder nicht lassen seinen berühmten ,Ich-bin-Joey-Wheeler-Meisterduellant blablabla Königreich-der-Duellanten blablabla Battle-City blablabla'-Spruch vom Stapel zu lassen. Und er bekam natürlich die selbe Antwort wie immer. "Dich kenn ich nicht." Grrrr!

Aber Yugi Muto war Ihnen natürlich ein Begriff. Der hatte zwar gerade so gar keine Lust sich zu duellieren, aber Yami hatte schon lange keinen Spaß mehr gehabt und so ließ Yugi ihm gerne den Vortritt. Zu Joeys Freude waren die Typen mit einem Doppelduell einverstanden und so freute er sich umso mehr, dass er endlich mal wieder an Yamis Seite spielen konnte ... und das ausnahmsweise mal, wenn es nicht gerade um die Rettung der Welt ging.

Im Allgemeinen verlief das Duell so, wie es sich jeder gedacht hatte. Yami und Joey führten das Spiel und somit ihre Gegner ziemlich an der Nase herum. Erst als Yugi aus dem Puzzle anfing zu quengeln:

"Yami, wir wollen heute noch weiter bevor es dunkel wird" grinste der zu Joey rüber und meinte locker: "Yugi wird langweilig. Lass uns mal den Sack zumachen!"

"Von wegen!" rief plötzlich einer der Typen, der gerade eine neue Karte gezogen hatte. "Jetzt mach ich euch fertig! Diese Karte könnt ihr nicht besiegen!"

Verwirrt sahen Yami und Joey sich an. Was konnte das für eine Karte sein, die Ihnen Probleme machen könnte? Davon gab es doch kaum welche! Außer? Genau! Der Typ spielte überraschend den Blue Eyes White Dragon aus, sah sich plötzlich einigen verdutzten Gesichtern gegenüber und lachte sich ins Fäustchen. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet. Yugi Muto hatte Seto Kaiba zwar schon häufig, aber immer nur knapp besiegt. In Kaibas Hand war diese Karte eine mächtige Waffe, aber natürlich konnte ein dahergelaufener Holzkopf nicht das volle Potential dieser Karte erfassen und so war sie auch schon im nächsten Zug an seiner Niederlage Schuld. Nun ging Yami bestimmt auf den Typen zu, packte ihn am Kragen und sah im böse in die Augen:

"Wo hast du diese Karte her?"

"Die hab ich da hinten im Müll gefunden" antwortete der bang.

"Und wo sind die anderen zwei Drachen?"

"Die haben meine Freunde" zitterte er und zeigte auf die anderen zwei Jungen, die nicht so ganz wussten, warum sich der Pharao jetzt so aufregte.

"Hergeben! Sofort!" forderte er und kassierte die Karten ein. "Die Karten gehören nicht euch! Das sind und bleiben Kaibas Karten!"

"Aber wenn sie doch in der Mülltonne liegen?" versuchte sich der Typ zu verteidigen.

"Ich kaufe euch die Karten ab" schaltete sich nun Noah ein und zückte seine Geldbörse. Natürlich wusste Yami, dass es nicht besonders sportlich war, seinen Gegnern einfach die Karten zu klauen, aber weder er noch Yugi konnten diese Karten in anderen Händen als denen von Seto Kaiba akzeptieren. Noah gab jedem von Ihnen eine beträchtliche Summe und so zogen die Typen dann auch gleich von dannen. Als sie schon beinahe verschwunden waren, rief Yami ihnen noch hinterher:

"Wo? In welcher Mülltonne habt ihr die Karten gefunden?"

Die Typen zeigten in Richtung Kneipenviertel und waren dann weg.

"Lasst uns mal nachsehen" schlug Noah vor und sie machten sich auf den Weg ins Kneipenviertel.
 

Keine besonders schöne Gegend, aber wenn man eine Kneipe suchte, in der man anonym saufen konnte, war man hier genau richtig. Jetzt am helllichten Tage war hier ohnehin nicht viel los. Der Trubel startete erst nach Anbruch der Dunkelheit und so hatten sie genug Zeit sich umzusehen. Nach einigem Suchen fanden sie dann auch die besagte Mülltonne. Eindeutig zu identifizieren daran, dass auch der kärgliche Rest von Setos Deck davor verstreut lag. Die Typen hatten die vermeintlich schwachen Karten lieber liegen lassen und sich nur die Sahnestücke herausgepickt. Wehmütig sammelte Yugi, der mittlerweile wieder mit Yami getauscht hatte, jede einzelne der Karten ein, putzte sie sauber und wollte sie Mokuba geben, welcher jedoch meinte, dass sie bei Yugi wohl besser aufgehoben wären. So und weiter? So verlor sich die Spur auch schon wieder.

"Mir ist kalt" meinte Mokuba traurig und kuschelte sich näher in den Arm seines Schatzes, um etwas dem aufkommenden Regen zu entfliehen.

"Dann lasst uns irgendwo im Trockenen aufwärmen" meinte dieser und so suchten sie sich eine Kneipe, die nicht ganz so heruntergekommen, sondern schon fast einladend aussah. Im Gegensatz zu den anderen war hier die Außenfassade neu gestrichen und man konnte durch große Fenster in das Innere der Gaststätte sehen, welche recht gemütlich eingerichtet zu sein schien.

Sie betraten das Gasthaus und suchten sich einen hübschen Platz in der Nähe des Tresens. Sie hatten so ziemlich freie Auswahl, da sich um diese Uhrzeit hier nicht viele Leute aufhielten. Nur ganz hinten zwei Herren, welche sich an ihrem Bierchen festhielten. Als der Gastwirt an ihren Tisch kam, gaben sie ihre Bestellung an warmen Getränken auf.

"Wie kommt es, dass es hier drin nicht so verrucht aussieht, wie im Rest der Kneipen?" wollte Noah neugierig wissen, denn auch als Großunternehmer konnte man von kleineren Betrieben manchmal noch etwas lernen. Der Gastwirt grinste und verzog sich hinter den Tresen um ihre Getränke vorzubereiten.

"Das liegt an meinem neuen Mitarbeiter. Der hat meinen Laden ganz schön aufgemotzt. Genial der Junge. Redet nicht viel, hat aber jede Menge Grips. Ich glaub aus dem kann noch mal was werden."

"Was hat er denn gemacht, dass es ihrem Betrieb so gut geht?" fragte Noah weiter.

"Na, so genau weiß ich das ehrlich gesagt gar nicht. Habe es mit Betriebswirtschaft nicht so am Hut. Irgendwie habe ich halt bloß jemanden gesucht, der mal meine ganzen Steuerbelege sortiert. Einen Steuerberater konnte ich mir nämlich nicht leisten und deswegen dachte ich mir, suchst dir halt mal wen, der das für dich einsortiert, dann haste nen besseren Überblick."

"Ja, und weiter?" Das weckte nun wirklich Noahs Unternehmergeist.

"Na, der Junge hat meine Belege nicht nur sortiert, sondern gleich dabei auch noch abgerechnet. Dabei kam raus, dass ich von Vater Staat ne ordentliche Summe zurückbekomme. Dann hat er auch noch meine Steuererklärungen aus den letzten Jahren nachgerechnet und da auch noch mal ein hübsches Sümmchen rausgeholt. So hatte ich dann genug Geld, um hier mal alles auf Vordermann zu bringen. Weil der Junge echt was auf dem Kasten hat, habe ich ihn gefragt, ob er nicht gleich ganz für mich arbeiten will. Kellnern will er ja leider nicht, aber er kann die ganzen Büroarbeiten für mich machen. Seitdem läuft es viel besser und der Laden wirft richtig Kohle ab. Der hat sogar meinen kaputten Computer wieder zum Laufen gebracht und der ist wie neu. Toll wa? Der Junge ist echt Gold wert!"

"Und wo ist er jetzt?" Noah überlegte, dass er eigentlich schon lange auf der Suche nach einem persönlichen Assistenten war, um weniger arbeiten zu müssen. Vielleicht konnte man sich diesen Wunderburschen ja mal ansehen und ihn dann - gegen eine angemessene Summe versteht sich - abwerben und für die Kaiba Corp. einspannen.

"Ach, der wohnt hier im Nebenzimmer. Viel Geld kann ich ihm nämlich trotzdem nicht zahlen, weil ich das dann steuerlich nicht absetzen kann. Dafür hat er Kost und Logis frei und ist eigentlich auch ganz anspruchslos. Der redet wie gesagt nicht besonders viel, aber ..." er beugte sich flüsternd über den Tresen zu den anderen "... ich glaube der ist bestimmt irgendwo von zuhause ausgerissen. Aber nicht weiter sagen, sonst rückt mir noch das Jugendamt auf die Pelle und dann bin ich meinen Goldesel wieder los. Und da er ein recht ruhiger Geselle ist, stört er mich hier auch nicht viel. Schwein muss man haben, wa?" grinste sie der Gastwirt an.

"Ich meinte eigentlich, ob er hier ist. Kann ich mich mal mit ihm unterhalten?" Das hörte sich doch stark danach an, als sei der persönliche Assi fast gefunden.

"Öhm" machte der Wirt und warf einen kurzen Blick ins Nebenzimmer. "Nö. Der scheint gerade unterwegs zu sein. Ab und zu schnappt der sich meinen Hund und dreht ein paar Runden um den Block."

"Schade" meinte Noah und nahm seinen heißen Tee entgegen.

Joey und Tristan interessierte diese Geschichte nicht weiter und so fanden sie es viel witziger mit den Bierdeckeln kleine Häuschen zu bauen oder sie als Frysbi ihrem Zweck zu entfremden. Noch während Tea dabei war, den beiden etwas Benehmen beizubringen und Mokuba schon wieder an Noahs Lippen hing, schaute Yugi traurig durch die Gegend. Wieso hatte Seto sein geliebtes Deck weggeworfen? Er hing doch sonst so an seinen Karten. Obwohl Yami ihm aus dem Puzzle gut zuredete, konnte Yugi kein Lächeln über Tristans und Joeys Scherze aufsetzen.

"Ach!" rief plötzlich der Gastwirt und ein großer schwarzer Hund stürmte den Raum. Freute sich ausgiebig wieder im Warmen zu sein und begrüßte jeden einzelnen Gast mit einem feuchten Hundekuss.

"So groß und denkt, er könnte sich noch aufführen wie ein Baby" lachte der Wirt und verwies seinen Hund auf die Decke in einer Ecke unter dem Tresen.

"Ist er jetzt wieder zurück?" fragte Noah hoffnungsvoll und wischte dem, auf seinem Schoß sitzenden Mokuba gerade etwas von seinem, durch die Hundeattacke daneben gegangenem, Tee vom Hemd.

"Jepp" lachte der Wirt und wand seinen Kopf in Richtung Nebenzimmer. "Seto kommst du mal bitte kurz?"

SETO???!!! Jetzt wurden sogar die anderen hellhörig. Das konnte doch nicht wahr sein! Aber tatsächlich! Von der Seite betrat Seto den Bereich hinter dem Tresen. Er hatte ein Handtuch auf dem Kopf, womit er sich die vom Regen ganz nassen Haare und sein Gesicht trocknete. Man sah sofort, dass er kräftig abgenommen hatte. Seine einst sportliche Figur war nur noch zu erahnen. Es war für alle, außer Mokuba natürlich, sehr ungewohnt ihn ohne seinen langen Mantel zu sehen. Stattdessen trug er ganz normale Stoffhosen und einen blauen Baumwollpulli. In einem ruhigen Ton beantwortete er den Ruf des Gastwirtes.

"Was ist denn?"

"Ich habe den Kindern da erzählt, wie klasse du mir hier im Laden hilfst und ich glaube, jetzt würden sie sich gerne mit dir unterhalten. Vielleicht können sie noch ein paar Tricks für die Schule von dir lernen."

Jetzt erst blickte Seto skeptisch unter seinem Handtuch hervor und versteinerte genauso in seiner Position wie die anderen. Das konnte doch nicht wahr sein, dass sie sich ausgerechnet hier trafen! Setos Augen wurden langsam immer größer und nahmen einen erschrockenen Ausdruck an. Plötzlich drehte er sich um und rannte panisch durch das Nebenzimmer zurück nach draußen.

"Was? ... Hinterher!" rief Joey und sogleich sprangen die anderen mit ihm auf, schnappten sich ihre Jacken und rannten ihm nach. Auch der Hund nahm dies wohl als Aufforderung und rannte nun ebenfalls los. Natürlich war er mit seinen vier Beinen viel schneller als seine menschlichen Mitverfolger und so hatten die Freunde Seto und den Hund an der nächsten Ecke wieder verloren. Durch den prasselnden Regen konnte man leider auch nicht wirklich viel erkennen.

"Wir teilen uns auf!" rief Noah und schnappte sich Mokuba und lief nach rechts. "Falls ihn jemand findet, ruft er die anderen auf dem Handy an! Ansonsten treffen wir uns bei der Kneipe wieder!"

Damit verschwanden sie in Zweiergruppen in verschiedenen Himmelsrichtungen.
 

Nach gut zwei Stunden trafen sich alle an der Kneipe wieder, nur um festzustellen, dass auch die Suche der anderen erfolglos war. Noah bezahlte nun ihre Getränke und bat den Wirt inständig darum, dass wenn Seto wieder auftauchte, er ihn dann sofort informieren würde. Mit diesem Versprechen machten sich die anderen abgekämpft auf den Heimweg. Noah beorderte zwar ein paar Wachmänner und Detektive dazu, seinen Stiefbruder in der Gegend zu suchen, aber auch deren Bemühungen blieben erfolglos.
 

Am nächsten Morgen standen sie zusammen wieder beim Wirt auf der Matte. Dieser klagte nicht nur darüber, dass sein wichtigster Mitarbeiter, sondern auch noch sein Hund verschwunden war. Und das blieben die beiden leider auch.
 

Das Silvesterfest wurde nun umso trauriger. Alle ahnten, dass Seto irgendwo in Domino herumlief, aber sie konnten ihn partout nicht finden. Das Feuerwerk, welches sie sich auf dem Funkturm der Stadt ansahen, konnten sie gar nicht richtig genießen. Eigentlich wollten sie das neue Jahr mit einer großen WG-Party willkommen heißen, aber ihre gute Stimmung wurde immer von den selben Gedanken geplagt. Der abgemagerte, blasse Seto, der sie so erschrocken angesehen hatte und vor ihnen davongelaufen war, wohl um nicht noch Mal abgelehnt zu werden.

Als die Uhr dann endlich zwölf schlug und sich die ersten Raketen in den Nachthimmel erhoben, beugte sich Noah zu seinem Moki herunter und sah in ein trauriges Augenpaar. Lieb strich er dem Kleinen über den Kopf und versuchte ihn zu trösten:

"Das wird schon. Wir werden ihn finden, Süßer. Trotzdem frohes neues Jahr."

Damit küsste er seinen kleinen Liebling zärtlich, bevor er sich daran machte auch seinen Freunden ein schönes Jahr zu wünschen.

Als das Feuerwerk etwa eine Stunde später erloschen war, wollten sie sich dann doch lieber auf den Heimweg machen, anstatt an einer der zahlreichen Straßenpartys teilzunehmen. Da die Limousine in dem ganzen Trubel nicht durchkam, entschlossen sie sich zu Fuß zu gehen bis sie den Wagen in eine leerere Gegend bestellen konnten. Sie liefen durch die Straßen aus der Innenstadt heraus und kamen in eine ruhigere Gegend, wo nur noch hier und dort ein paar Jugendliche einen Knaller zündeten.

"AU!" rief plötzlich Tristan, welcher sich auf dem Boden liegend wiederfand. "Das war nicht witzig Joey!"

"Was hab ich den gemacht, Alter?" blaffte der zurück als sein Freund sich wieder von der Straße erhob. "Ich hab dich nicht ..." ihm stockte der Atem als er sah worüber Tristan gestolpert war.

In der Dunkelheit, war der große schwarze Hund gar nicht richtig zu erkennen, welcher reglos am Boden lag. Erst als die Freunde näher herantraten, konnten sie ihn als den Hund des Gastwirtes identifizieren.

"Hey, Hundi!" versuchte Joey das Tier wachzurütteln, zog aber geschockt seine Hand sofort wieder zurück. "Er ist tot" flüsterte er und wischte sich etwas von dem Tierblut ab. "Aufgeschlitzt."

Tea gab einen entsetzten Aufschrei von sich und Noah fluchte leise.

Als Mokuba seinen Kopf zur Seite wand, fiel sein Blick in die kleine Seitengasse an deren Ende die Silhouette eines leblos am Boden liegenden Menschen zu erkennen war.

"Noah!" rief er geschockt und zog ihn am Ärmel. "Noah, da!"

Als Noah dem Fingerzeig des Kleinen folgte sah er, was er meinte.

"Oh, Scheiße!" rief er und rannte in die Seitengasse.

Die anderen Jungs natürlich sofort hinterher. Vorsichtig drehte Noah den Unbekannten auf den Rücken und Entsetzen breitete sich auf ihren Gesichtern aus. Als auch Mokuba in Begleitung von Tea dem leblosen Körper näher kam, hatte er nur einen Gedanken:

>Bitte lass das nicht Seto sein! Bitte nicht Seto!<

Aber sein Verdacht sollte sich bestätigen. Mit zerrissener Kleidung und völlig verblutet, lag Seto ausgestreckt und bewusstlos in Noahs Armen.

"Ist er auch ...?" setzte der Kleine an, aber Noah fiel ihm sofort ins Wort.

"Nein, er lebt. Aber wir sollten ihn schnellstens zu einem Arzt bringen!"

Mit einem Ruck hievte er den ohnmächtigen Seto auf Tristans Rücken und erklärte am Handy dem Limousinenfahrer, welcher glücklicherweise ganz in der Nähe war, wo er sie finden konnte. Gleich danach bestellte er das Ärzte-Team der Kaibas zu seiner Villa, damit sie dort auf sie warten sollten. In der Limousine legten sie Seto vorsichtig auf der Sitzbank hin und wischten ihm den Dreck, sowie etwas Blut aus dem, vor Kälte schon ganz blauem Gesicht. Sie deckten ihn zu, wobei sie erst jetzt bemerkten, dass eine große Schnittwunde an seinem linken Handgelenk klaffte. Hatte er etwa versucht sich umzubringen? Erst jetzt realisierte Mokuba die Situation und verkroch sich heulend in Noahs Armen. Yugi hingegen kniete sich neben Seto auf den Boden und schickte kleine Stoßgebete gen Himmel, während er mit Hilfe seiner Freunde, die blutende Wunde versorgte.
 

Viel zu lange schien die Fahrt zur Villa zu dauern. Als sie schlussendlich doch ankamen, wurden sie auch schon von den Notärzten erwartet, welche Seto sofort ins Haus trugen und sich um ihn kümmerten. Von einer Krankenschwester wurden sie davon abgehalten, den Ärzten zu folgen, welche eines der Wohnzimmer in ein Krankenzimmer umgewandelt hatten. Nach einer schier endlosen Stunde kam endlich einer der Ärzte zu den besorgt Wartenden und wurde auch schon sofort von Mokuba bestürmt:

"Wie geht es ihm? Sagen sie schon, wie geht es ihm?"

"Mokuba" sagte Noah ruhig und zog den Kleinen von dem Arzt weg. "Wie geht es ihm?" fragte er nun etwas ruhiger als Mokuba vor ihm.

"Es geht ihm gut soweit" setzte der Arzt an und erleichtertes Seufzen machte die Runde. "Es scheint als sei er ziemlich schlimm zusammengeschlagen worden und durch die lange Bewusstlosigkeit und den Blutverlust, ist er völlig unterkühlt. Da sein Körper leider völlig ausgezehrt ist, wird es eine Weile dauern bis er wieder zu Kräften kommt. Er sollte sich möglichst ruhig halten und neben gesundem Essen auch einige Aufbaumedikamente zu sich nehmen. Aber er wird sicher wieder auf die Beine kommen."

"Was ist mit der Wunde an seiner Hand?" fragte Yugi immer noch besorgt.

"Ja, das ist die zweite Sache." Der Arzt schien kurz überlegen zu müssen, wie er seine Diagnose am besten in Worte fasste. "Er hat zwar keine typischen Merkmale einer Vergewaltigung, weswegen ein direkter Geschlechtsverkehr zumindest auszuschließen ist. Sicher jedoch ist, dass sein Intimbereich schwer verletzt wurde." Wieder musste der Arzt kurz durchatmen bevor er weiter berichtete. "Nach dem Alter der Wunden können wir recht sicher vermuten, dass er sich nach dieser Misshandlung und den Schlägen versucht hat die Pulsadern aufzuschneiden. Da er jedoch anscheinend einen zu stumpfen Gegenstand verwendet hat und gleichzeitig auch noch total entkräftetet war, ist dieser Versuch zum Glück fehlgeschlagen ...wahrscheinlich ist er bewusstlos geworden, bevor er sein Vorhaben zuende bringen konnte. Wir haben ihm erst mal ein Beruhigungsmittel verabreicht und er sollte die Nacht durchschlafen. Sie sollten darauf achten, dass er die ganze Zeit gewärmt liegt, damit sein Kreislauf nicht wieder zusammenbricht. Wenn er morgen früh aufwacht, benachrichtigen sie uns bitte, damit wir abschließende Untersuchungen durchführen können, aber außer ein paar Prellungen, Platzwunden und dem Verlust seiner Körperkraft scheint er nichts davon getragen zu haben. Seine psychische Verfassung können wir nicht beurteilen, aber wenn Sie unsere Empfehlungen befolgen, sollte es ihm zumindest körperlich bald besser gehen."

Damit verabschiedete sich der Arzt und verließ gemeinsam mit dem anderen medizinischem Personal das Anwesen.
 

Chapter 15
 

Sie betraten das provisorische Krankenzimmer und sahen den Verletzten auf der ausgezogenen Couch in dicke Decken gewickelt und schlafend auf dem Rücken liegen. Die wärmenden Gelkissen waren rund um seinen Körper verteilt und sorgten zumindest für die erste Zeit dafür, dass Setos Kreislauf stabil blieb. Vorsichtig setzte sich Mokuba neben seinen Bruder und dicke Tränen liefen über sein Gesicht.

"Seto" flüsterte er und strich ihm vorsichtig über sein Gesicht. Seto konnte ihn zwar nicht richtig wahrnehmen, aber er kniff die Augen zusammen und gab ein leises Wimmern von sich. Mokuba zog traurig seine Hand zurück und schluchzte laut.

Noah setzte sich hinter seinen Schatz und schlang seine Arme um ihn.

"Er wird wieder gesund. Jetzt passen wir besser auf ihn auf. Beruhige dich, du hast doch gehört, was der Arzt gesagt hat. Wenn wir uns gut um ihn kümmern, kommt er wieder in Ordnung. Ach, Kleiner." Noah nahm Mokuba noch etwas fester in den Arm, um ihn wieder zu beruhigen. Auch die anderen kamen näher, um mal einen genaueren Blick auf Seto zu werfen. Yugi konnte seine Tränen nun auch nicht mehr zurückhalten und wischte sich ständig mit seinem Ärmel über die Augen bis sie ganz rot waren.

"Yugi. Und du beruhige dich auch. Er kommt wieder in Ordnung. Ihr habt es doch selbst gehört!" Obwohl Noah die ganze Zeit dabei war, alle zu trösten, wusste er genau, dass es nicht nur Setos körperliche Verfassung war, die sie so entsetzte. Es war viel mehr seine seelische, die sich wohl erst zeigen würde, wenn er wieder bei Bewusstsein war.
 

Die ganze Nacht, saßen sie an seiner Seite und achteten darauf, dass er regelmäßig atmete und Mokuba und Yugi machten sich nützlich, indem sie die Gelkissen immer wieder aufwärmten und zurück zu Seto unter die Decke steckten. Zur Beruhigung hatten sie leise den Fernseher angeschaltet und sahen sich die stupiden Wiederholungen der Talk-Shows an, da sie sich auf das Programm eh nicht konzentrieren konnten. Während Mokuba sich in Noahs Arm kuschelte, welcher sich an Setos Fußende platziert hatte, saß Yugi an seinem Kopfende auf dem Boden, ebenfalls in eine Decke gehüllt. Tea reichte ihm ab und zu ein Taschentuch und Tristan und Joey redeten ihm immer wieder gut zu oder versuchten ihn mit Scherzen über das nächtliche Fernsehprogramm aufzuheitern, bis sie auch dazu zu müde waren. Erschöpft von der langen Nacht, schliefen sie letztlich doch alle ein und erwachten erst am frühen Vormittag wieder.

Nach und nach gingen sie sich alle umziehen und versorgten Seto wieder mit ausreichend Wärmekissen. Tea und Joey organisierten ein paar Brötchen und Getränke, um das Frühstück ins Wohnzimmer zu verlegen.
 

Während sich Joey über das miserable Frühstücksfernsehen lustig machte, zupfte Tristan Noah am Ärmel, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Noah sah ihn an und wollte gerade nach dem Grund fragen, als Tristan in Setos Richtung nickte. Noah drehte langsam seinen Kopf und erkannte nun auch, dass er nicht mehr schlief, sondern mit leeren Augen in die Gegend starrte. Mokuba entging natürlich nicht, dass Noah seinen Bruder fixierte und folgte nun ebenfalls dem Blick.

"Seto ist wach!" verkündete er nun dem Rest, welcher sich nun ebenfalls nach ihm umdrehte. Als sie merkten, dass Seto gar nicht reagierte, fasste sich Yugi endlich ein Herz und sprach ihn an:

"Kaiba. Wie geht es dir?" flüsterte er schon fast. Doch keine Reaktion. "Hörst du mich?" Wieder nichts. Vorsichtig wollte er ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen und erst dann reagierte Seto. Er schloss die Augen und schob zitternd die Arme vor sein Gesicht. Ganz deutlich waren nun die vielen dunkelblauen Flecken, Abschürfungen, Prellungen und der feste Verband um seine linke Hand zu erkennen. Langsam und anscheinend unter großen Schmerzen zog er nun auch seine Knie zu sich heran. Yugi ließ sein Vorhaben bleiben und blickte besorgt auf den zusammengekrümmt daliegenden Seto. Mokuba erhob sich von Noahs Schoß, auf dem er gesessen hatte und kniete sich neben Yugi. Auch er versuchte seinen Bruder anzusprechen, aber erhielt ebenso wenig eine Antwort.

"Ich denke, wir sollten erst mal den Tisch abräumen!" meinte Noah, um so die Aufmerksamkeit von Seto ab und auf etwas anderes zu lenken. Die anderen verstanden, dass er ihnen eigentlich damit sagen wollte, dass es seinem Stiefbruder wahrscheinlich unangenehm war, so angestarrt zu werden und so beschäftigten sie sich damit, die Sachen zurück in die Küche zu tragen. Sie blieben noch ein paar Minuten aus dem Wohnzimmer weg, um Seto so die Möglichkeit zu geben erst einmal richtig zu sich zu kommen.
 

"Was machen wir denn jetzt?" hoffte Mokuba eine Antwort von Noah zu bekommen.

"Ich glaube, wir sollten ihn erst mal die Orientierung wiederfinden lassen, bevor wir ihn wieder bestürmen."

"Sollten wir ihn erst mal alleine lassen?" schlug Tea vor, aber dieser Vorschlag traf nicht auf Gegenliebe.

"Ich glaube, er war schon viel zu lange alleine. Wir sollten vorsichtig versuchen ihn aufzubauen und ihm zeigen, dass wir froh sind, dass er wieder zurück ist. Er ekelt sich sicher vor sich selbst und fühlt sich einsam und schutzlos. Außerdem ist er wohl auch völlig verängstigt, mal von seinen Verletzungen abgesehen. Wir wissen ja nicht, was ihm letzte Nacht passiert ist."

"Woher weißt du eigentlich immer und ständig auf alles eine Antwort, Noah?" fragte Joey verwundert.

"Weißt du" meinte Noah und kratzte sich verlegen am Kopf. "Als ich noch im Internet war, hatte ich viel freie Zeit. Ich habe viele Bücher heruntergeladen und sie gelesen. Darunter waren auch einige, die sich mit der menschlichen Psyche befassen und dadurch weiß ich ein bisschen was. Das Thema interessiert mich halt und heute hilft es mir, meine Geschäftspartner besser einzuschätzen. Hört sich vielleicht etwas blöd an, aber ich dachte mir, ich mache es anders als Seto. Auch wenn seine Methode sehr wirkungsvoll war."

Die Fragezeichen in den Gesichtern seiner Freunde sagten ihm, dass er das wohl genauer erklären müsste. "Na ja. Während Seto seine Gegner immer eingeschüchtert hat, versuche ich lieber, sie zu beeinflussen, um sie dazu zu bekommen, zu tun, was ich will. Das nennt man wohl psychologische Kriegsführung."

Natürlich, das erklärte so einiges. Wieder breitete sich bedrückendes Schweigen aus. Noahs Worte machten zwar Sinn, aber wie sollte man jemanden beeinflussend aufbauen, der jeglichen Kontakt am liebsten vermied? Jemanden, der, wie es aussah, eigentlich auch gar nicht mehr am Leben sein wollte?

"Hätte ich ihm nicht so gemeine Sachen an den Kopf geworfen, wäre das gar nicht erst passiert!" weinte Mokuba nun wieder los. "Dann wäre alles gar nicht so gekommen. Ich hätte ihm vertrauen sollen, aber ich ... ich ... ich war doch so sauer auf ihn! Das wollte ich doch gar nicht! Ich wollte doch nicht, dass er sich ..."

"Moki!" versuchte Noah seinen Tränenschwall zu stoppen.

"Genau Mann!" wollte Joey ihn unterstützen. "Mit Schuldzuweisungen oder Selbstvorwürfen kommen wir jetzt auch nicht weiter. Mir tut es auch leid, dass ich so auf ihm rumgehackt habe. Aber jetzt müssen wir unsere Fehler halt wieder gut machen und nicht aufgeben oder uns selber fertig machen!"

"Manchmal sagst du ja richtig sinnvolle Sachen, Joey!"

"Tja, ich bin halt ... HEY! Was soll das denn heißen? Noah, was heißt hier manchmal?!"
 

Nachdem sich die Stimmung wieder etwas gehoben hatte, gingen sie zurück in das Krankenzimmer, in dem Seto gerade versuchte sich aufrecht hinzusetzen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Durch das Beruhigungsmittel, war er halt noch etwas gelähmt. Yugi kam ihm schnell zur Hilfe, indem er ihm einfach ein großes Sofakissen unter den Rücken schob. Gut gelöst. Erschöpft ließ sich Seto dagegen sinken und schloss die Augen. Er öffnete sie erst wieder als er merkte wie Mokuba ihm die Decke über die Schultern legte. Er sah seinen Bruder leer an und zeigt keinerlei Reaktionen.

"Wie fühlst du dich Seto?"

"..."

"Hast du Hunger?"

"..."

"Oder Durst?"

"..."

"Tut dir was weh?"

"..."

"Seto!"

"..."

"Es tut mir leid! Ich wollte das nicht! Was ich gesagt habe, war doch gar nicht so gemeint!"

"Doch, das hast du so gemeint." Er hatte seine Stimme also nicht verschluckt, auch wenn sie nur sehr schwach war.

"Seto! Nein! Ich war nur so sauer in dem Moment. Das war nicht so gemeint. Du hättest doch nicht unbedingt ..."

"Doch. In dem Moment hast du es so gemeint. Du hasst mich."

"Nein! Seto, ich hasse dich nicht! Ich hab dich lieb! Seto, wirklich!"

"Ach was. Du hast jetzt Noah lieb. Was willst du denn noch?"

"Ich will meinen Bruder! Seto, ich will meinen Bruder!"

"Seto" versuchte Noah ihm zu helfen. "Wir wollen dich doch nur wieder bei uns haben."

"Quatsch." Man merkte, dass das Reden Seto sehr erschöpfte und ihn am Atmen hinderte. "Wer will das? Und was willst du überhaupt? Du hast doch schon alles. Meine Firma und meinen Bruder. Mehr hab ich nicht." Er schloss seine Augen, da er einfach noch zu schwach war. Reden und denken machte ihn schwindelig.

"Ich will dir dafür was zurückgeben, Seto!"

"..."

"Seto, bitte."

"..."

"Seto, wir kriegen dich wieder hin. Sobald du wieder bei Kräften bist, werden wir ..."

"Lasst mich doch einfach in Ruhe!" Er riss die Augen auf uns sah ihn tränenerfüllt an. "Seht ihr denn nicht, dass ich nicht mehr kann? Ich will nicht mehr. Alles, was ich anpacke, geht nach hinten los. Nicht mal das bekomme ich noch hin!" Er hielt ihm seine linke Hand entgegen, um die noch immer der Verband gewickelt war. Als von Noah nur ein mitleidiger Blick kam, ließ er sie wieder sinken. "Ich kann doch echt gar nichts mehr." Er schloss seine Augen und hoffte, dass sie einfach verschwinden würden. Dass er endlich alles beenden konnte - kein Leid mehr.

"Dann lass dir doch helfen!" bat ihn Yugi.

"Yugi" flüsterte er. "Du hast doch schon meinen Stolz gebrochen. Was willst du mir denn noch nehmen?"

"Ich will dir deinen Stolz zurückgeben!"

Damit legte er ihm seine drei weißen Drachen auf den Schoß und wartete ab, ob sein Pfeil das Ziel finden würde. Leider traf er voll daneben. Seto fing an zu weinen. Wie ein kleines Kind, schloss er die Arme um sich und weinte bitterlich. Das war zuviel - er setzte ihm doch tatsächlich seine mächtigste Waffe vor ... die er schon lange besiegt hatte. Die ihm sein Bruder gegeben hatte, der ihn verstoßen hatte.

Yugi setzte sich neben ihn und versuchte ihn, durch vorsichtiges Halten seiner Hände, wieder zu beruhigen, was jedoch wieder nur das Gegenteil seiner Absicht hervorrief. Seto krallte sich in Yugis Händen fest und schlimme Heulkrämpfe schüttelten ihn. Als Noah merkte, dass er sich zu sehr in seiner Apathie verlor, trennte er die verkrampften Hände von Yugis und legte sie wieder auf die Decke. Die Drachen nahm er erst mal weg. Er wartete ab und sein Weinen wurde weniger. Wohl aus Kraftmagel.

"Yugi hat aber Recht. Lass dir doch helfen, Seto. Was hast du denn schon zu verlieren?"

"Es tut so weh!"

"Was tut weh, Seto?"

"Alles! Ich versteh das nicht! Ich komm nicht mehr mit!"

"Ich versuch jetzt mal dir was zu erklären und du sagst mir, ob du das verstehst, ok?" Was hatte Noah denn jetzt vor? "Vielleicht war ich zu lange mit Computern zusammen, aber ich glaube, das lässt sich ganz gut übertragen und das so, dass sogar du das jetzt verstehen kannst. Seto! Seto, hörst du mir jetzt zu?"

Nicken.

"Ok. Stell dir mal vor, alle Menschen wären Computer. In der Vergangenheit wurde einem Computer ein Fehler einprogrammiert, der quasi die ganze Software durcheinander gebracht hat. Diese Fehlprogrammierung hat alle neuen Daten völlig falsch ausgewertet und bald schon keine neuen Eingaben mehr zugelassen. Die Festplatte kann sich nicht mehr selbst reinigen. Letztlich ist er total abgestürzt und es geht gar nichts mehr. Was machst du mit so einem Computer?"

"Wegschmeißen."

"Und wenn du ihn nicht wegschmeißt?"

Nach kurzem Überlegen antwortete er überzeugt: "Alle Programme deinstallieren, die Festplatte löschen und die Hardware überprüfen. Dann alles zusammenbauen und die aktualisierten Daten neu aufspielen."

"Und dann kann der Computer so arbeiten, wie er sollte?"

"Ja."

"Und kann der Computer sich selbst helfen?"

"So ein Quatsch!"

Seto war fast schon erschrocken, dass jemand so intelligentes wie Noah, so eine dumme Frage stellen konnte.

"Und wenn du dieser Computer bist ...?"

"..."

"... dann brauchst du jemanden, der dir ein neues System aufspielt. Denn den Fehler hast du zwar erkannt, kannst ihn aber nicht selbst unschädlich machen, sondern du hast versucht damit weiterzuarbeiten. Du hast deine Daten falsch ausgewertet und deswegen bist du abgestürzt."

"..."

"Lass dir doch von uns ein neues Betriebsystem geben. So eine Programmierung ist zwar schwierig und dauert eine Weile, aber hinterher wird es besser laufen."

"Und wenn das System nicht kompatibel ist?" fragte Seto mit Tränen in der Stimme zurück.

"Und wenn es das doch ist?"

Das musste Seto jetzt erst mal verdauen. Noah hatte das ziemlich geschickt gemacht. Seto mit Fakten anstatt mit Gefühlsduselei zu kommen, war wahrscheinlich die einzige Lösung, ihm sein Anliegen verständlich zu machen. Gefühle konnte Seto nicht analysieren, Fakten und Vergleiche schon ... vor allem, wenn er den Lösungsweg nachvollziehen konnte.

Nachdem Ruhe im Raum eingekehrt und Seto dabei war, Noahs Worte zu durchdenken, hofften alle, dass Noah genügend Bücher gelesen hatte, damit das klappte. Nachdem Setos Augen aufhörten ins Leere zu starren, sah er auf Yugis Hände, welche immer noch ganz nahe neben seinen lagen. Nach ein paar Minuten bewegte er seine Hand ganz langsam die letzten Zentimeter auf Yugis zu und berührte sie vorsichtig mit den Fingerspitzen. Dann schloss er die Augen und atmete sich den letzten Mut zusammen. Ganz bedächtig legte er seine Hand auf Yugis Handrücken. So schrecklich schwach, dass er sie kaum spürte.

Dieser betete, dass er jetzt nichts Falsches tun möge und legte seine andere Hand vorsichtig über Setos und drückte sie leicht, damit er dort ein Gefühl bekam. Zum Erstaunen aller, wehrte dieser sich dieses Mal nicht gegen die Berührung, sondern nahm sogar noch seine zweite Hand und legte sie auf Yugis ab. Mokuba nahm seinerseits Noahs Hände und hielt sich daran fest. Keiner wusste so richtig, was jetzt kommen sollte und so war es wieder mal an Noah die Situation zu lösen.

"Also" fing der an. "Ich finde, dann machen wir jetzt noch mal ein richtiges Frühstück. Und lassen wir hier mal etwas Licht rein, draußen ist ja schließlich schon hell."

Damit stand er auf und öffnete die Vorhänge. Dann forderte er die anderen auf, sich auch mal nützlich zu machen und Geschirr, sowie Fressalien zu organisieren. Seto ließ Yugis Hände wieder los, welcher sich mit rotem Gesicht sofort in die Küche verzog. Yami fand es schon ziemlich niedlich, wie sehr er sich über Setos ,Neustart' freute, denn in seinem Kopf, ging eine ziemliche Party ab, die sogar bis zu seinem eigenen Seelenraum zu hören war.
 

Chapter 16
 

Als das Frühstück endlich fertig zusammengetragen war, schlief Seto schon wieder. Die ganze Sache hatte den Angeschlagenen doch ziemlich erschöpft und so genossen die anderen ihr zweites Frühstück eben ohne ihn. Auch wenn niemandem mehr so richtig nach essen zumute war.

Gegen Mittag wachte Seto endlich wieder auf und blinzelte erst mal im Zimmer herum, bis er endlich schemenhaft etwas erkannte.

"Guten Mittag!" grinste ihn sein kleiner Bruder an, welcher nun direkt vor seinem Gesicht hing.

"Mokuba, lass unseren Bruder in Ruhe" kam es von Noah, welcher ihn spaßhaft hochnahm und ihn, über die Schulter geworfen, ein paar Meter wegschleppte. Der Rest saß am Tisch, spielte Skat und lächelte ihn nun auch freundlich an. Seto versuchte erst mal richtig wach zu werden und als er dies einigermaßen geschafft hatte, fragte Noah ihn, ob es ok sei, wenn ihn ein Arzt noch ein Mal kurz ansah. Geknautscht nickte Seto und Tea trieb daraufhin die Jungs aus dem Raum, damit die Ärzte ihre Ruhe hatten. Nach knapp einer halben Stunde verließen die Medizinmänner schon wieder das Haus und der behandelnde Arzt wiederholte nur noch mal seine Anweisungen mit dem ruhig regenerieren und dem gesunden Essen. Er ließ noch ein paar Schmerzmittel für ihn da und machte sich auf den Weg.

Die Freunde gingen zurück zu Seto, welcher jetzt krampfhaft versuchte eine Flasche Evian zu öffnen. Mokuba kam ihm zur Hilfe und öffnete sie für ihn. Verächtlich grummelte Seto, quetschte sich ein "Danke" heraus und hob die Flasche hoch. Eigentlich wollte er sie in einem Zug leer trinken, hatte aber nicht genug Ausdauer, um die Flasche lange genug hochzuhalten. Vorsichtig hielt Mokuba einen Finger darunter und half ihm so beim Halten. Als sie leer war, ließen sie die Flasche gemeinsam sinken und Seto schnaufte verächtlich. Es ärgerte ihn und war ihm unangenehm, dass er nicht so konnte, wie er wollte. Sein Körper wollte einfach nicht so richtig. Mokuba fand das nur lustig. Er war so froh, dass sein Bruder wieder zuhause war und sogar wieder etwas rummoserte.

"Ach, du bist so süß!" rief er und umarmte ihn. Als Seto erschrocken einen kleinen Schrei ausstieß, ließ er ihn sofort wieder los. Das hatte er jetzt ganz vergessen. Nicht nur, dass Seto verletzt war. Er erschreckte sich verständlicherweise noch immer, wenn ihm plötzlich jemand zu nahe kam. "Sorry" nuschelte der Kleine schuldbewusst und blickte zu Boden.

"Schon klar" antwortete Seto und atmete erst mal tief durch.

"Und Kaiba? Was willst du jetzt machen?" fragte Joey ihn und wollte so von der peinlichen Situation ablenken. Konnte er denn ahnen, dass er somit nur wieder eine noch viel unangenehmere heraufbeschwor?

"Na ja ... eigentlich ..." Seto wollte lieber gar nichts mehr sagen.

"Was denn? Rück's raus, Alter! Nur keine falsche Bescheidenheit."

Na ja. Wenn man so gefragt wurde. Und sein Wunsch war ja nun wirklich dringend.

"Ich muss mal" flüsterte er leise und Joey wusste natürlich gar nicht, was er meinte.

"Was musst du mal?" Oh, Mann!

Seto wurde ganz unruhig und peinlich war ihm das auch. Er konnte ja nicht mal alleine aufstehen, geschweige denn ...

"Mensch, Joey. Du kannst aber auch blöd sein!" machte ihn Tristan von der Seite an.

"Na, komm!" rettete Noah wieder. "Leg' deinen Arm um mich, ich bring dich ins Badezimmer. Tristan, hilf mir mal."

"Aber nicht ... ich ..."

"Seto, musst du jetzt oder nicht?" Noah war genauso hartnäckig wie Setos Blase. Und HOPP wurde Seto gleich von zwei Helfern ins Badezimmer geschleppt.

"Und ..."

"Was denn noch Seto?" fragte Noah sofort nach.

"Kann ich ...?"

"Was willst du denn? Sprich dich aus, Großer!"

"Kann ich, dann ... ich möchte gerne gleich baden ... wenn das geht. Ich bin doch ganz ..." Stimmt. Seto war immer noch ganz schmutzig, weil er die halbe Nacht mit zerrissenen Klamotten auf der Straße gelegen hatte.

"Klar" versicherte Noah und Joey brüllte gleich durch den Raum:

"Ich lass dann mal das Badewasser ein. Das kann ich!"

Als er an ihnen vorbei in ein anderes Badezimmer mit einer größeren Wanne flitzte, rief Yugi ihm noch hinterher: "Aber nicht so heiß! Das ist nicht gut für den Kreislauf!"

Und nicht gut für Setos Kopf war, dass plötzlich alle so rumschreien mussten. Eines würde sich wohl nie ändern: Seto Kaiba war ständig mitten im Kindergarten.
 

Nachdem Seto endlich wieder sauber aus der Wanne kam, wobei Noah ihm natürlich lieber alleine half, hatten die anderen schon das große Sofa im Wohnzimmer frisch bezogen und ganz gemütlich mit vielen Decken und Kissen ausgestattet. Natürlich hätten sie Seto auch in sein eigenes Bett legen können (sein Schlafzimmer hatten sie ja nie aufgelöst), aber sie wollten lieber in seiner Nähe bleiben. Und das ging nun mal am einfachsten, wenn er ihn einem zentraleren Raum lag. Außerdem sollte er nicht alleine sein - nie wieder! Weil Seto einfach zu schwach war, ließ er fast alles mit sich machen. Sich von Noah anziehen, durch die Gegend schleppen, zudecken ... das ganze Paket halt.

Sobald er sich endlich wieder unter einer wärmenden Decke befand, drängelte sein kleiner Bruder auch sofort wieder:

"Hast du Hunger? Ich koch dir selber was, das hab ich nämlich gelernt! Komm schon, was willst du? Ich kann ganz viel. Such dir was aus!"

Ohne eine Antwort zu geben, zog Seto lieber seine Decke noch etwas höher und blickte an ihm vorbei.

"Seto jetzt sag mir, was du essen willst! Du musst viel essen! Hat der Arzt gesagt! Du bist viel zu dünn! Wir müssen dich mästen, damit du zunimmst! Also, was soll ich kochen?"

"Nicht so hibbelig, Süßer" bremste Noah ihn aus. "Er ist nicht so schnell wie sonst. Sei lieb zu ihm."

"Ich bin immer lieb!" zog er eine Flunsch. "Ich will ihn doch nur wieder gesund machen."

"Ich weiß. Aber geh's langsam an, ja?"

Seto machte die Augen zu und war sofort wieder eingeschlafen. Wurde wohl doch nichts mit kochen.

Als er aber nach einer Weile wieder erwachte, musste Noah im erst mal ein Schmerzmittel geben. Seine fiesen Verletzungen machten ihm doch ganz schön zu schaffen.

"Also, wie sieht es jetzt mit essen aus?" lenkte Yugi seine Aufmerksamkeit mal auf etwas anderes als die Zimmerdecke.

"Ich ..."

"Ja, was denn?"

"Ich ... hast ..."

"Was möchtest du denn?"

"...Schokolade?"

Ein Grinsen breitete sich unter den anderen aus. Der große Drache Seto Kaiba stand also auf Schokolade, ja?

"Ich geh schon!" schrie Mokuba und rannte in die Küche.

"Ich auch!" schrie Joey und lief dem Kleinen sofort hinterher.

Verdutzt sah Seto den beiden nach. "Wieso...?"

"Wir wollen dich halt alle schnell wieder auf die Beine bringen. Wir können dich ja nicht ewig im Haus hin- und herschleppen und dafür sorgen, dass du ..." Tristan hörte sofort auf zu sprechen, als er sah, wie Seto die Tränen in die Augen stiegen und er sein Gesicht in den Kissen vergrub.

"Tristan du Idiot!" machte Tea ihn an. "Die ganze Sache ist ihm doch schon peinlich genug und da musst du nicht auch noch ..." Seto schluchzte. Teas Worte waren ja auch nicht wesentlich aufbauender.

"Ich finde, ihr helft den beiden Kindern mal in der Küche" meinte Noah nachdrücklich und schickte sie aus dem Raum.

"Seto" versuchte Noah ihn zu beruhigen. "Sie meinen es nicht böse. Das brauch dir weder peinlich noch unangenehm sein. Sie meinen es gut, bewerte das nicht falsch, ok?"

Seto seufzte gequält und kam hinter seinen Kissen hervor. Yugi wischte ihm vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht und achtete darauf, dass Seto sich bei der Berührung nicht erschreckte. Und er hielt es auch ganz tapfer aus, verkrampfte sich zwar schrecklich, aber eine Panikattacke wurde glücklicherweise nicht daraus. Dafür waren sie Berührungen zu berechenbar ... und so ungewohnt warm.

Dann kamen auch die anderen leise wieder rein und versuchten mit soviel Einfühlungsvermögen wie möglich, den verletzten Drachen mit Schokolade zu füttern **sorry, ich liebe dieses Bild**.

Als die Nacht hereinbrach, wollte Seto doch lieber alleine in seinem eigenen Schlafzimmer schlafen. Zum Einen war er es normalerweise gar nicht gewohnt, rund um die Uhr von Menschen umgeben zu sein und zum Anderen wollte er wirklich mal alleine sein. Die ganze Situation war ihm unsäglich peinlich und er wusste gar nicht, was er von all dem halten sollte. Zuerst hassten ihn alle und sogar sein kleiner Bruder unterbreitet ihm, dass er nie mehr etwas mit ihm zu tun haben will ... und dann tun sie plötzlich alle so. Er kam sich gedemütigt und hilflos vor. Er verstand das alles nicht mehr und das machte ihm Angst.
 

Auch die anderen verbrachten die Nacht in ihren eigenen Zimmern. Tea und Yugi in den Einzelzimmern, Tristan und Joey in ihrem Chaos-room, wie er bei den anderen hieß, und Noah war schon relativ schnell in Mokis Zimmer eingezogen. Nachdem sie dort alle zusammen etwas renoviert hatten, fand Noah es sogar ganz annehmbar und auch Mokuba fand es gut, dass er seinen Raum nun nicht mehr als Kinderzimmer bezeichnen musste. Außerdem war es schön, dass er jede Nacht bei seinem Schatz verbringen konnte.
 

Auch an diesem Abend machten sie sich ein Video an und kuschelten sich ins Bett. Und wie jeden anderen Abend auch, bekamen sie von der Handlung nicht viel mit, sondern waren mit ganz anderen Dingen beschäftigt **wenn ihr wisst, was ich meine**.

Doch in der letzten Zeit ging in Mokuba nur noch ein Gedanke vor. Er fragte sich, ob er irgendwas falsch machte, dass Noah und er nicht übers Küssen und Streicheln hinauskamen. Fand er ihn etwa nicht anziehend? Oder liebte Noah ihn nicht so, wie er Noah liebte? Als sie endlich die Glotze abgestellt hatten und Noah nach einem ausgiebigen Gute Nacht Kuss endlich schlafen wollte, setzte sich Mokuba im Bett auf, schaltete das Licht an und wollte seinen Freund endlich zur Rede stellen. So ging das doch nicht weiter!

"Moki, mach doch das Licht aus und schlaf" nuschelte Noah und zog sich die Decke über den Kopf.

"Warum schläfst du nicht mit mir?" fragte Mokuba ihn auf den Kopf zu.

"Ich schlafe doch jede Nach mit dir!" antwortete Noah verdutzt.

"Blödmann! Ich meine Sex! Warum machst du immer einen Rückzieher?"

"Lass das doch und schlaf endlich. Komm, kuschel dich ein und gut." Noah klickte das Licht aus, aber Mokuba schaltete es gleich wieder an.

"Ich will, dass wir Sex haben. Oder liebst du mich nicht genug?"

Der Kleine war echt sauer und jetzt wollte er sich endlich mal Luft machen. Noah merkte, dass er an einem klärenden Gespräch wohl nicht vorbei kam.

"Natürlich liebe ich dich, Süßer" sagte er und gab ihm einen lieben Kuss.

"Warum also dann?" Mokuba war wirklich traurig und das entging Noah natürlich nicht.

"Es geht nun mal einfach nicht, Süßer."

"Aber ... mit deinem Körper ist doch alles in Ordnung. Ich meine, da liegt doch kein Konstruktionsfehler oder so ... ich meine, das geht doch, oder? Oder nicht...?"

Da musste Noah doch lachen.

"Nein, da ist schon alles ok. Manchmal sogar mehr als mir lieb ist." Er zwinkerte seinem Schatz zu und dieser wurde ganz rot im Gesicht. "Es ist wegen Seto."

"Wegen Seto?" >Häh?< "Was hat denn Seto mit unserem Sexleben zu tun?"

"Eigentlich gar nichts. Aber ich musste ihm ein Versprechen geben. Als er meinen Körper gemacht hat, wollte er, dass ich ihm mein Ehrenwort gebe, dass ich dich nicht anrühre bevor du nicht dein Einverständnis gibst und dabei mindestens 16 Jahre als bist." **Nur zur Info: Ich hab die Charas alle etwas älter gemacht, weil ich das irgendwie ansprechender finde ... Sex mit zwölf/dreizehn - nun mal echt! Und Seto sieht doch auch eher aus wie zwanzig, oder? Und zur Schule müssen sie trotzdem noch brav ... ich mag Schulszenen ;-> Ich hoffe, ihr verzeiht mir die Altersverschiebung! BÜTTÖ!**

"Aber das ist doch schon in fast drei Monaten!" jubelte Mokuba.

"Tja." Jetzt wurde Noah doch ein bisschen verlegen. Nur noch drei Monate und er hatte sein Versprechen gehalten. Moki war sechzehn und dann war sein Teil der Abmachung erfüllt.

"Dann darf ich mir also jetzt schon mal was zu meinem Geburtstag wünschen?"

"Willst du dir was wünschen oder soll ich raten?"

"Hm. Raten ist auch nicht schlecht. Dann lass ich mich mal überraschen!"

Mit dieser Tatsache konnte der Kleine leben. Jetzt schaltete er endlich das Licht wieder aus und gab Noah mal einen kleinen Tipp, um ihn auf eine gute Idee für sein Geschenk zu bringen. **XD**
 

Yugi konnte in dieser Nacht gar nicht schlafen. Er machte sich Sorgen, wie es Seto wohl gehen würde. Wie er sich wohl fühlen würde. Jetzt wo alle beschlossen hatten sein Leben zu ändern, musste er sich doch eigenartig vorkommen. Was hielt er davon? Er würde doch nicht wieder versuchen, sich etwas anzutun? Er sah ja schließlich nicht besonders glücklich aus, als Noah und Tristan ihn heute Abend ins Bett brachten.

"Sieh doch nach, wenn du dir solche Sorgen machst" meinte Yami entnervt. Wenn Yugi ständig nachdachte, konnte er nämlich auch nicht schlafen.

"Ich kann doch nicht einfach in sein Schlafzimmer gehen!"

Yugi war entrüstet ... obwohl im dieser Gedanke durchaus gefiel.

"Siehst du, sag ich doch!" grinste Yami.

"Du sollst meine Gedanken nicht lesen, Yami!"

"Dann denk doch leiser! Und außerdem ist da doch nichts schlimmes dran! Du warst doch immer dabei, wenn ich in deinem Körper Sex mit anderen hatte. Das ist doch nicht neu für dich. Du weißt doch wie es geht."

"Aber das ist was anderes! Ich will doch keinen Sex mit ihm!"

"Nicht?"

"Nein!"

"Wirklich nicht?"

"Yami!"

"Yugi!"

Der Geist liebte es, wenn er seinen Yugi ärgern konnte. Vor allem, wenn er wusste, dass er im Recht war. Er wusste, dass Yugi total verknallt war, aber er wusste auch, dass Yugi anders war als er. Yugi war viel gefühlsbetonter und behutsamer, wenn es um die Liebe ging. Und gerade bei Seto brauchte er diese Qualitäten auch. Er war eben nicht sein Alterego.

"Hach" seufzte Yugi. "Was soll ich denn bloß machen? Ich kann Seto ja nicht mal ansehen, ohne, dass ihn das einschüchtert. Und so labil wie er im Moment ist, kann ich doch nicht über meine Gefühle mit ihm sprechen. Bei Noah und Mokuba ist das viel einfacher. Die mochten sich gleich auf Anhieb."

"Ich glaube, Seto braucht einfach jemanden, dem er vertrauen kann. Eigentlich will er doch lieb gehabt werden, aber er weiß nicht wie er das anstellen soll. Du schaffst das schon, Yugi. Du bist lieb und das wird Seto auch sehen, wenn du ihm genug Zeit gibst."

"Meinst du?"

"Du weißt doch, dass ich das meine. Und jetzt geh nach ihm sehen."
 

Jetzt war Yugi endlich überzeugt. Er verließ sein Zimmer und schlich leise, um die anderen nicht zu wecken auf Setos Zimmer zu. Dort öffnete er die Tür und sah, dass die kleine Nachttischlampe noch immer brannte.

>Natürlich. Seto mag es doch nicht, wenn es dunkel ist.<

"Kaiba? Schläfst du schon?"

Als keine Antwort kam, ging er leise zu seinem Bett. Seto lag mit dem Rücken zu ihm, sodass er sein Gesicht nicht sehen konnte. Er sah ihn eine Weile an und langsam bemerkte er, dass der vermeintlich Schlafende anfing zu weinen.

"Was ist denn?" Yugi strich ihm über den Rücken, was natürlich nicht auf viel Gegenliebe traf, also ließ er es gleich wieder bleiben. Er war traurig, dass er ihn nicht durch Körperkontakt trösten konnte.

"Entschuldige, dass ich dich gestört habe. Ich gehe wieder."

Als Yugi schon fast durch die Tür war, hörte er seinen Namen. Gewispert, ganz leise.

"Kaiba? Hast du was gesagt?"

Langsam drehte Seto sich auf die andere Seite und sah ihn an. Yugi ging zurück und kniete sich neben dem großen Bett nieder. Er legte seinen Kopf auf die Matratze und sah Seto an, welcher auf der anderen Seite des Bettes in sicherer Entfernung war.

"Wie fühlst du dich, Kaiba?" versuchte Yugi es wieder vorsichtig.

"Und du?" Seit wann fragte Seto Kaiba jemanden, wie er sich fühlte?

"Ich bin etwas müde..."

"GELOGEN!" schrie Yami amüsiert.

"Sei ruhig Yami!" schrie Yugi in Gedanken nicht ganz so amüsiert zurück.

"... aber ich wolle noch mal nach dir sehen. Hast du alles, was du brauchst, Kaiba?"

"Was denkst du jetzt von mir?"

"Was meinst du?"

"Ich liege hier. Getreten, gedemütigt und zerstört. Das ist doch eklig! Jeder der mich sieht lacht über mich. Und ich kann mich nicht mal mehr wehren."

"Siehst du mich denn lachen?"

"Warum nicht, Yugi? Du hast nie Angst ... du bist viel stärker als ich."

"Das bin ich nicht. Ich habe auch Angst, aber ich habe keine Angst sie zu zeigen. Wenn meine Freunde sehen, dass es mir schlecht geht, können sie dafür sorgen, dass es mir besser geht. Ich kann nicht alleine sein. Hätte ich so leben müssen wie du, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr hier."

"Wieso sagst du ... weißt du etwa, dass ...?"

"Mokuba hat es uns erzählt. In der Nacht, wo du das erste Mal zusammengebrochen bist. Sei nicht böse auf ihn. Er hat nur seine Angst mit uns geteilt. Er muss nicht alleine damit fertig werden. Und du auch nicht!"

"Aber er weiß nicht alles? Er weiß nicht, dass der Typ mich ... er weiß nicht alles, bitte! Er weiß es nicht, oder? Nicht wirklich!"

"Doch. Alles."

"Und er hat ... mich ... er hat trotzdem gesagt, dass ..."

"... dass er dich lieb hat? Natürlich hat er dich trotzdem lieb. Du bist sein Bruder. Egal ob du stark oder schwach bist."

Seto fing wieder an zu weinen. Es musste schrecklich sein, dass er jetzt erfuhr, dass sein kleiner Bruder dieses Geheimnis so lange mit sich rumgetragen hat und trotzdem bei ihm geblieben war. Aber letztlich hatte er es doch erzählt und ihn in den Augen aller verwundbar gemacht.

"Sei nicht böse auf ihn. Sieh mal, du magst es doch nicht, wenn es dunkel ist, oder?"

Kopfschütteln.

"Und wenn es dunkel ist, holst du dir eine Lampe, die dir Licht gibt. Du musst doch einsehen, dass es dir nicht möglich ist, selbst Licht zu produzieren ... schließlich bist du ja kein Glühwürmchen. Wie das Licht die Dunkelheit wegnimmt, so nimmt Vertrauen die Angst weg. Und glaub mir, es gibt auch Licht, dass dich nicht verbrennt." **Ja ja, so spricht nur ein echter Hikari.**

Yugi sah Seto lange an. Er dachte über Yugis Worte nach, aber zu einem Ergebnis kam er nicht. Verstand er, was Yugi ihm damit sagen wollte?

"Yugi?"

"Ja, Seto?" >Oh, huch! Das war mir jetzt rausgerutscht!< "Tut mir leid, Kaiba! Ich wollte ... ich meine, ich habe immer noch Respekt vor dir ... ich meine ... ich ... sorry! Kommt nicht wieder vor, dass ich ..."

"Schade."

" dich ... WAS?"

"Na ja. Das hörte sich ganz gut an." >Huch, das ist mir jetzt rausgerutscht.< "Ich meine ... nicht, dass ich ... ich meine, du hast natürlich ... ich wollte ... du hast doch ... ich sag ja auch ... ähm ..."

"Ihr solltet mal was gegen euer Stottern tun" wollte Yami Yugi mal wieder etwas ärgern und ihn damit auflockern.

"Wahrscheinlich!" sagte Yugi laut und dachte erst jetzt daran, dass Seto Yami ja nicht hören konnte. "Ich glaube, wir sollten mal einen Anti-Stotter-Kurs belegen!"

"Wäre wohl eine Option" bestätigte Seto und Yugi sah ihn das erste Mal echt lächeln. "Also bleibt es dabei?" fragte er aber sofort wieder verunsichert.

"Wobei?"

"Dass du ... willst du?"

"Du meinst, du bietest mir deinen Vornamen an?"

"Nicht? Entschuldige, ich ... war wohl ..."

"DOCH!" Yugi lächelte ihn glücklich an. "Ich freu mich. Ehrlich ... Seto."

Wow, das war doch mal ein echter Schritt in die richtige Richtung!

Nach einiger Zeit durchbrach Seto die aufgekommene Stille.

"Yugi?"

"Ja?"

"Darf ich ... dich ... ähm? Vergiss es."

"Nein. Was möchtest du?"

Seto schob Yugi langsam seine Hand rüber bis sein Arm ganz ausgestreckt lag. Das Bett war eben doch etwas groß. Yugi verstand ihn schon und nahm vorsichtig seine Hand und drückte sie etwas. Seto schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen. Yami wollte Yugi eigentlich noch mal hochnehmen und ihm etwas wie "Yugi, Händchen halten" entgegenflüstern, aber den Gedanken verwarf er gleich wieder. Er wusste ja schließlich, dass Yugi gerade viel zu glücklich war und er wollte ihn wirklich nicht stören. Außerdem nahm er anerkennend zur Notiz, dass schon ganz kleine Berührungen für Seto, ganz große Gefühle waren.
 

Die Nacht verbrachte Yugi an Setos Seite. Als er morgens erwachte, saß er noch immer auf dem Boden neben dem Bett, aber Seto hatte seine zweite Decke um Yugis Schultern gelegt damit er sich nicht erkältete **In großen Betten liegen immer zwei Decken, finde ich**. Außerdem war Seto auf die andere Seite des Bettes gerutscht und lag mit seinem Gesicht ganz nahe neben Yugis. Yugi fühlte sich wohl und sah dem müden Drachen beim Schlafen zu bis er von selbst die Augen aufschlug. Kurz wusste er wohl nicht, wo er war und er erschrak sich als Yugi ihn ansprach.

"Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken!"

"Hah. Du bist die ganze Nacht hier geblieben?"

"Ja?"

"Und ... warum?"

"Weil ... ich wollte gerne bei dir sein ... Seto." Yugi wurde etwas rot, aber Seto war viel zu angestrengt mit denken beschäftigt als, dass er das bemerkte.

"Du ... hast du ...?" Seto sah Yugi leicht verängstigt an.

"Nein, ich hab dich nicht angefasst. Dein Vertrauen hat mich gefreut und ich würde das nie missbrauchen." Seto atmete vorsichtig auf. "Und danke für die Decke. Ich erkälte mich wirklich sehr leicht."

"Schon klar. Ähm, Yugi?"

"Ja, was denn?"

"Du ... du erzählst den anderen doch nicht, dass ich ... bei dir ..."

"Dass du bei mir Schutz gesucht hast?" Jetzt wurde Seto unruhig. Das war ihm unangenehm. "Nein, ich sag's keinem."

"Und ..."

"Und Yami sagt es auch keinem. Sonst bekommt er Ärger mit mir." Yugi lächelte Seto liebevoll an und Yami grinste sich einen.

"Danke, Yugi."
 

Chapter 17
 

In der nächsten Zeit ging es mit Seto langsam bergauf. Nach ein paar Tagen konnte er die Schmerzmittel absetzen und nach ausreichend Schlaf auch wieder alleine herumlaufen, wenn Mokuba es zuließ und ihn nicht ständig bemutterte.

Nach knapp zwei Wochen half er Noah auch schon im Büro, welcher ihn inständig darum gebeten hatte, ihm ein paar Sachen zu erklären. Seto hatte einige Organisationsstrukturen wirklich so gestaltet, dass Noah sie selbst nach einem halben Jahr nicht verstand. Und Seto selbst war froh, etwas um die Ohren zu haben, um nicht ständig nachdenken zu müssen. So konnte er in Ruhe arbeiten, während die anderen tagsüber in der Schule waren - er selbst wollte im Moment noch keine fremden Leute wiedersehen und so gut ging es ihm körperlich dann doch noch nicht.
 

Natürlich entging es auch dieses Mal der Presse nicht, dass einige Unternehmensentscheidungen eindeutig die Handschrift von Seto Kaiba und nicht von Noah Kaiba trugen und so blieb es nicht lange geheim, dass Seto wieder da war (wenn auch nicht offiziell an der Firma beteiligt). Daraufhin meldete sich mal wieder Setos Lieblingsfreund die Schulbehörde zurück und wollte ihn ein Schuljahr wiederholen lassen. Schließlich war er fast ein ganzes Jahr nicht beim Unterricht gewesen und davon ein halbes Jahr sogar ganz abgetaucht. Einerseits wollte er ja auch wieder zur Schule und die Aussicht war verlockend nicht mehr in die alte Klasse zurückzumüssen, wo er sich ja schließlich ein Mal im Sportunterricht schlimm blamiert hatte. Aber eine Klassenstufe unter den anderen sein? Und dann auch noch alleine? Er war seit jener Neujahrsnacht nicht mehr vor der Tür gewesen und fremde Menschen wollte er zurzeit gar nicht. Eigentlich waren ihm seine neuen sogenannten Freunde schon fast zu viel.

Ständig hätschelten sie um ihn herum und fragten, was er wolle, wie es ihm ginge und so weiter. Außer Yugi. Und bei dem war er häufiger. Wenn er bei ihm war, ließen ihn die anderen merkwürdigerweise in Frieden. Und Yugi saß meistens still neben Seto ohne ihn ständig auszufragen oder zum Sprechen zwingen zu wollen. Irgendwann war es sogar so weit, dass er Yugis Anwesenheit schon fast als angenehm empfand, ein Gefühl, dass er nicht kannte und er hatte Mühe es nicht zu verdrängen oder davor wegzulaufen. Und Yugi machte es ihm leicht. Er war einfach nur da ohne aufdringlich zu werden. Einfach nur da.
 

Eines Abends saß Seto gemütlich in einem der Wohnzimmer und hatte sich einen Roman geschnappt. Etwas, was er früher nie getan hätte, aber er brauchte Beschäftigung. Noah hatte ihn nach Stunden aus dem Hausbüro gejagt, weil Seto nach seiner Meinung wieder zu viel arbeitete. Und Seto hatte in Sachen Schule noch immer keine Entscheidung getroffen. Er hatte noch immer die Möglichkeit, die Jahresabschlussprüfung nachzuholen und im selben Jahrgang wie seine ,Freunde' zu bleiben. Die Prüfung war am nächsten Morgen und alle waren der Meinung, dass er sie machen und bestehen sollte, aber er selbst war sich noch nicht im Klaren darüber, ob er nicht doch lieber absichtlich durchfallen oder sie gar ganz verstreichen lassen sollte ... oder eben nicht. Also versuchte er sich abzulenken und nicht weiter darüber nachzudenken, verzog sich ins Wohnzimmer und gut.

"Hey Kaiba! Was machst du hier so alleine, Alter?" Oh je. Köter Wheeler wollte er jetzt gar nicht sehen.

"Lass mich in Ruhe" meinte er ohne von seinem Buch aufzublicken.

"Ey, ich hab einen freien Fernseher gefunden! Tristan, Tea! Hierher!"

Auf seinen Urschrei hin folgten die Gerufenen und bauten ohne Rücksicht darauf, ob Seto seine Ruhe wollte oder nicht, die PlayStation auf.

>Na, super!< dachte sich Seto nur und versuchte, sie zu ignorieren.

"Hey hast du nichts zu tun?" schrie Tristan Mokuba an, der gerade auf dem Gang am Zimmer vorbeilief. Der Kleine machte kehrt und kam nun auch dazu.

"Nö, ich hab gerade nichts zu tun. Noah hat mich rausgeschmissen, weil er lieber arbeitet. Hat wohl keinen Bock mehr auf rumknutschen und ..."

Ups, dass sein großer Bruder auf dem Sofa saß, hatte er zu spät bemerkt. Es war ihm immer noch etwas peinlich mit ihm über seine Beziehung zu Noah zu sprechen. Seto sah ihn nur an, sagte aber nichts dazu, sondern richtete seinen Blick wieder auf die Zeilen im Buch, obwohl er sich in dem Trubel nicht mehr wirklich konzentrieren konnte.
 

Nach ein paar Minuten Rumsitzen im lautesten Spielgekreische, schnappte er sich eine Decke und ging in den Garten, zum Glück schien heute die Sonne und der Himmel war nach vielen Regentagen endlich wieder blau. Dort setzte er sich auf eine riesige Hollywoodschaukel und las. Endlich wieder Ruhe.

Er merkte erst wie spät es geworden war, als er vor Dunkelheit kaum noch die Buchstaben erkennen konnte und seine Finger schon ziemlich erfroren waren. Es war ja schließlich noch immer Winter.

Er wollte jetzt lieber wieder nach drinnen gehen, aber irgendetwas machte ihm seinen Weg schwer. Natürlich. Es war dunkel, es war kalt und er war alleine. Alles was ihm Angst machte. Und die Lichter im Garten, gaben nicht wirklich ausreichend Licht. Er schmiss sich also die Decke über, zog sie fest und wollte zurück. Er brauchte erstaunlich lange bis er den halben Weg zurück zum Haus geschafft hatte. Er war erschöpft, erfroren und er hatte Mühe seine Angst zu unterdrücken. Er kniete sich auf den Boden, er konnte nicht mehr weiterlaufen. Sein Kopf war leer. Was wäre, wenn er einfach hier blieb? Was würde dann passieren? Gar nichts würde passieren. Niemand würde ihn vermissen. Niemand würde ihn suchen. Sie hätten endlich keine Scherereien mehr mit ihm und er hatte endlich Ruhe vor dem Leben, das er eigentlich gar nicht mehr wollte. Endlich Ruhe ... endlich Ruhe. Alles kalt, dunkel, einsam und ruhig. Plötzlich spürte er, wie eine warme Hand, die eine Träne aus seinem Auge wischte. Erschöpft sah er auf und erblickte Yugis Gesicht.

"Seto. Was machst du denn hier draußen auf dem Boden? Es ist doch viel zu kalt hier."

"... kalt ..." hauchte er.

>Oh je< "Komm ich bring dich ins Haus zurück. Dort ist es wärmer."

"Yugi?"

"Ja, Seto?"

"Warum ist mir kalt?"

Was sollte er denn darauf antworten? "Du hast zu lange draußen gesessen und jetzt bist du eingefroren. Wir haben Winter, das ist normal."

"Nein. Warum ist mir so kalt? Mir ist so kalt, Yugi! Mir ist so schrecklich kalt."

Yugi konnte Seto nicht alleine hochheben und ihn ins Haus tragen. Das klappte nicht. Und er wusste, dass es nicht nur die äußere Kälte war, die Seto so zu schaffen machte. Also was tun?

"Seto?"

Tränen.

"Seto?"

Schluchzen.

"Brauchst du Wärme?"

"..." Nicken.

Yugi ließ seine Hände vorsichtig zu Seto unter die Decke gleiten und legte sie um ihn. Langsam zog er ihn an sich heran und hielt im fest im Arm. Nach einiger Zeit hatte Seto sein Weinen beruhigt und traute sich nicht, sich zu bewegen.

"Yugi?"

"Ja, was denn?"

"Ich weiß nicht."

"Was weißt du nicht?"

"Was ich jetzt machen soll."

"Hast du Angst?"

Nicken.

"Soll ich dich loslassen?"

"..."

"Ist dir das unangenehm, wenn ich dich berühre?"

"..." Kopfschütteln.

"Dann halte ich dich fest. Ok?"

"Ja."

Stille. Für lange Minuten.

"Yugi?"

"Was denn?"

"Ist dir das nicht unangenehm?"

"Was soll mir unangenehm sein?"

"...Ich?"

"Nein, Seto. Du bist mir nicht unangenehm. Ich mag dich."

"Ich bin schwach. Ich ekle dich an. Ich ..."

"Jetzt hör auf so was zu denken! Du bist nicht schwach und du ekelst mich auch nicht an. Wäre ich denn hier, wenn ich nicht nach dir gesucht hätte?"

"..."

"Es ist ok. Ich liebe dich."

Jetzt wachte Seto doch wieder auf und sah Yugi verwirrt an. Eigentlich hatte Yugi das gar nicht sagen wollen, aber ihm fielen keine anderen Worte ein, um Seto verständlich zu machen, dass seine Schwäche ok war.

"Tut mir leid, Seto. Das wollte ich dir eigentlich gar nicht sagen."

"Dann meinst du es nicht."

"Doch. Ich meine immer, was ich sage."

Damit ließ er Seto los und faltete die Hände auf dem Schoß.

"Yugi, ich weiß nicht ..."

"HEY! Was macht ihr denn hier draußen? Yugi! Ich dachte, du wolltest Kaiba reinholen bevor er sich einen Schnupfen holt? Was macht ihr denn da?" Joey kam wirklich immer in den unpassensten Momenten. "Soll ich dich reintragen, Kaiba?" fragte er nun etwas besorgter als er erkannte, dass er geweint haben musste.

"Nein. Nur aufhelfen, bitte"

Seit wann war Kaiba denn so höflich? Egal, Joey half ihm auf und schweigend gingen sie ins Haus zurück. Sie setzten sich zu den anderen, welche noch immer mit ihrem Spiel beschäftigt waren. Nur mittlerweile war auch Noah dazugekommen, welcher nun doch wieder von Mokuba in Beschlag genommen wurde, Lust auf Knutschen hin oder her. Gegen die Hormone des Kleinen war eben kein Ankommen. Aber zum Glück rutschte der gleich von seinem Schoß als sein Bruder das Zimmer betrat. Seto jedoch beachtete das Pärchen gar nicht weiter, sondern setzte sich nur auf einen freien Platz und schnappte sich eine zweite Decke, in der er sich verkriechen konnte.

"Seto, alles ok bei dir?" Mokuba sah, dass sein Bruder etwas neben sich stand.

"Klar, alles ok."

"Das sagst du immer."

"Es - ist - alles - ok"! sagte er und legte seinen kalten Pokerblick auf.

"Ist es nicht. Du guckst nur so, wenn du nichts sagen willst, Seto."

Der Kleine kannte ihn einfach zu gut und er hatte vor, die Ausreden seines großen Bruders nicht mehr zu akzeptieren. Das war vorbei, keine Missverständnisse mehr zwischen ihnen.

"Lass mich in Ruhe, Mokuba."

"Nein. Ich lass dich nicht in Ruhe. Sag mir jetzt was los ist."

"Nein, ich will nicht."

"Doch. Wenn du nicht darüber sprichst, können wir dir nicht helfen. Dann wird es nie besser."

"Mokuba, lass mich bitte ..."

"Nein! Verdammt Seto! Wir wollen dir doch nicht schaden. Das glaubst du doch nicht echt?! Hör doch endlich auf, dich zu verstecken. Das tut mir weh, wenn du mir nicht vertraust."

"Mokuba, lass ..."

"Nein, Seto! Willst du mir wehtun? Willst du das? Hör doch endlich auf damit! Was soll ich denn noch machen? Scheiße Seto, rede doch endlich! Sprich mit mir! Ich kenn dich doch gut genug! Was willst du denn noch verstecken?" Mokuba riss langsam der Geduldfaden.

"Ich hab Angst ok? Scheißangst sogar!" schrie Seto zurück.

"Wovor denn?" schrie Mokuba lauter.

"Vor ..." jetzt schrie Seto nicht mehr. Er hatte schon mehr gesagt, als er wollte. Er blickte zur Seite, konnte seinen Bruder nicht ansehen.

"Seto, wovor hast du Angst?" fragte Mokuba nun leiser und legte seine Hand auf Setos Arm. "Sag es mir."

"Ich ... vor dem alleine sein. Ich will nicht alleine sein. Dann ist es dunkel und kalt. Und es tut weh. Und wenn jemand da ist ... dann ... dann tut es auch weh. Ich weiß nicht. Ich schäme mich so. Ich ... keiner will mich. Ich bin nicht gut. Ich ..."

"Unsinn" sagte Mokuba und legte seine Arme um ihn. "Du bist gut so wie du bist. Du brauchst dich nicht verstellen. Hier sind nur Freunde. Und jeder einzelne beschützt dich."

"Nein, keiner beschützt mich. Ich bin ganz alleine. Ich muss ... ich darf nicht ..."

"Du musst gar nichts. Aber du darfst alles, Seto. Die Vergangenheit ist vorbei. Jetzt ist alles anders. Wir sind jetzt nicht mehr alleine, sondern wir haben Freunde. Du bist nicht alleine. Und du wirst es nie wieder sein."

"Ich ... glaube ... ich glaube dir nicht. Gleich sagst du, ich soll weggehen. Du wirst dann ..."

"Ich streichle dich nicht nur, um gleich wieder zuzuschlagen. Ich bin nicht Mutter, Seto!"

Boah, das hatte gesessen. Seto brach in Tränen aus. Ein Heulkrampf jagte den nächsten und keiner konnte ihn beruhigen, bis er aus Kraftmangel nach Minuten nur noch ein Wimmern von sich gab. Keiner traute sich zu bewegen oder etwas zu sagen. So eine heftige Reaktion hatte niemand erwartet, aber da schien sein Bruder einen verwundbaren Punkt getroffen zu haben ... einen Punkt, der bereits verwundet war.

"Seto, ich bin dein Bruder. Ich habe dich immer lieb gehabt und das wird sich auch nicht ändern. Und du hast Freunde, die sich um dich kümmern, wenn du sie nur lassen würdest. Du bist nicht allein. Und keiner wird dir je wieder wehtun. Egal ob du schwach oder stark bist. Die Vergangenheit wird sich niemals wiederholen. Versprochen."

Seto blickte verheult zu ihm auf. "Bruderehrenwort?"

"Ja, Bruderehrenwort."

Jetzt ließ Seto sich sogar freiwillig umarmen. Er zwang sich dazu seinem Bruder zu glauben.

"Ich sterbe, wenn du lügst" sagte er leise.

"Ich lüge nicht" versicherte Mokuba und drückte Seto innig in seinen Armen.

Als Seto endlich genug Mut gefasst hatte, befreite er sich von Mokuba und sah die anderen an, die noch immer keinen Ton von sich gegeben hatten.

"Was ...?" versuchte er eine Frage zu formulieren.

"Alles ok?" fragte Noah lächelnd zurück.

Seto antwortete nicht, sondern sah die anderen der Reihe nach an. Was sollte er denn jetzt machen?

"Wir sind alles Mokubas Meinung, Alter" meinte Joey und kam auf ihn zu. "Freunde?" fragte er weiter und streckte ihm seine Hand entgegen. Seto sah ihn nur ratlos an. "Na ja. So stellvertretend für alle hier in diesem Raum meine ich. Also, echte Freunde? So mit allem drum und dran? Aber ohne Tomaten und Soße, dafür extra viel Käse?"

"Ähm"

"Na, du weißt schon" versuchte er es weiter und kratzte sich am Kopf. Wie sollte er Seto das verständlich machen ohne allzu pathetisch zu werden? Aber Seto verstand schon, was er wollte und reichte ihm nun ebenfalls die Hand.
 

Nachdem sich nun alle wieder abgeregt hatten, beschlossen sie endlich zu Abend zu essen. Da Tristan und Joey Küchendienst hatten, beschlossen alle, sich doch lieber etwas zu bestellen. Pizza, Nudeln oder so was. Bloß nicht schon wieder irgendwas, wo man weder am Aussehen noch am Geschmack erkannte, was es sein sollte - was merkwürdiger immer dann der Fall waren, wenn die beiden ,Chaos-Magier' in der Küche zauberten. Also bekam jeder vom Lieferdienst, was er sich wünschte. Hatte auch den Vorteil, dass sie die gemütliche Riesencouch des Wohnzimmers nicht verlassen, kochen oder abwaschen mussten ... wer kam auch bloß auf die blöde Idee, dass ein Hausmädchen überflüssig war und man doch seinen Haushalt selbst führen konnte?
 

"Hey, Kaiba? Wirst du denn jetzt morgen eigentlich die Aufnahmeprüfung machen oder nicht?" fragte Tristan aus dem Nichts heraus.

"Ich weiß nicht" wollte er die Sache abtun, aber Tristan ließ nicht locker.

"Das solltest du aber. Das entscheidet schließlich, ob wir zusammenbleiben oder du in die Klassenstufe unter uns musst."

Seto überlegte, kam aber mit sich selbst auf keinen Nenner.

"Was meint ihr denn?" fragte er leise ohne aufzusehen.

Hatte Kaiba etwa gerade nach einer zweiten Meinung gefragt? Ist ja unglaublich!

"Ich bin dafür, dass du bei uns bleibst" beteuerte Joey und klopfte sich auf die Schenkel. "Wäre doch cool! Dann könnten wir dir mal zeigen, was richtiger Spaß ist!"

"Du meinst wohl zu spät kommen, nachsitzen und sich von den Lehrern anpöbeln lassen?" Seto hatte endlich seine alte Gehässigkeit wiedergefunden. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal jeder wusste, dass es nicht gehässig gemeint war.

"EY! Näh! Ganz andere schöne Sachen!" grinste er.

"Ja, bleib doch bei uns. Außerdem ist Noah ja auch in unsere Klasse. Mit zwei Kaibas können wir doch bestimmt unseren Notenspiegel über den der Parallelklasse heben. Dann kriegen wir nämlich zur Belohung eine Woche früher Sommerferien!" freute sich Tea.

"Na. Wenn du meinst." Gut damit war die Sache also beschlossen. Seto wollte die Prüfung machen und sie bestehen.

"Also dann jetzt aber ins Bett" drängelte Joey. "Du musst doch morgen ausgeschlafen sein, Kumpel. Außerdem sind wir alle müde. Wir haben zwar morgen auch Schule, aber bei deiner letzten Prüfung können wir dich anfeuern. Das müsste doch zeitlich hinkommen oder?"

"Jupp!" bestätigte Tristan und damit war die Runde dann auch aufgelöst.

Alle entschwanden in ihre Zimmer, denn es war wirklich schon ziemlich spät am Abend. Morgen würde wieder keiner aus den Federn kommen.
 

Zwei Stunden später lag Seto noch immer wach im Bett. Viele Gedanken schwirrten ihm im Kopf. Was war heute Abend eigentlich passiert? Erst sagt Yugi so komische Sachen und dann spricht er den ganzen Abend nicht mehr mit ihm, sein Bruder bringt ihn dazu ... na, wollen wir lieber gar nicht dran denken ..., er nimmt sogar Joeys Freundschaftsangebot an und entschließt sich die Wiederaufnahmeprüfung zu machen. Das würde sicher schwer werden. Immerhin dauerten die Prüfungen den ganzen Tag, da jedes einzelne Fach abgefragt wurde, von Sport bis Mathe. Das machte Seto eigentlich keine Angst, denn den ganzen Schulstoff konnte er ja schon seit Jahren ... aber was wenn nicht? Wenn er die Prüfung nicht schaffte? Er war schließlich schon lange raus und ... Logarithmen waren eben nicht wie die Übernahme eines Unternehmens. Daten über Picasso oder Karl den Großen waren halt bei Vertragsverhandlungen auch nie wichtig gewesen. Was wurde da überhaupt gefragt, was hatten sie im letzten Schuljahr durchgenommen und hatte Yugi seine Worte ernst gemeint? >Was, halt jetzt mal!< Seto war verwirrt. Was sollte er denn jetzt machen? Am besten einfach ablenken mit >Nein<. Er sollte ... >mit Mokuba reden<. Ja, das war doch eine Idee. Der konnte ihm bestimmt nicht helfen, aber vielleicht konnte er ihn ja beruhigen.

Seto wollte lieber an etwas anderes denken und bevor er sich richtig klar wurde, was er tat, stand er auch schon vor dem Zimmer seines kleinen Bruders. Er klopfte leise an, bekam aber keine Antwort. Vielleicht schlief er schon? Aber, da war doch Licht aus den Türritzen zu sehen? Vorsichtig öffnete Seto die Tür, steckte seinen Kopf herein und sah, >Oh, Gott!< dass Noah auch hier schlief hatte er kurzfristig vergessen und war nun umso geschockter, als er sah, dass dieser sich mit seinem kleinen Bruder leicht, bzw. gar nicht bekleidet auf dem Bett räkelte.

"Seto!" rief Mokuba überrascht und schnappte sich eine rettende Decke.

"Sorry" brachte Seto noch heraus, bevor er seinen Kopf aus dem Türrahmen zurückzog und die Tür schnell schloss. Er ging gerade auf sein Zimmer zu als Noah ihm (mit einer weiteren Decke um die Hüften) hinterherlief.

"Seto! Warte doch mal, ich habe ... hey, jetzt warte doch mal!" Noah fasste ihn an der Schulter und ging um ihn herum, um ihm ins Gesicht zu sehen. "Ich habe mein Versprechen nicht vergessen" beteuerte er.

"Ich weiß."

"Ehrlich?"

"Ehrlich."

"Ich lüge dich nicht an. Wirklich."

"Schon gut. Ich wollte nicht stören."

"Du bist nicht böse?"

" ... Nein. Du bist mir lieber als irgend so eine Tussi, die eh nur auf sein Geld scharf ist. Außerdem habe ich deine Daten ausgewertet. Ich weiß, dass du ihn liebst."

"Seto."

"Aber tu ihm nicht weh, ja?" bat er inständig

"Ich würde weder ihm noch dir je wehtun wollen" beteuerte Noah.

Sie sahen sich noch einen Moment schweigend an und wünschten sich dann eine gute Nacht.
 

Noah verschwand wieder zu Mokuba und Seto stand etwas verloren im Flur herum. Und jetzt? Schlafen konnte er immer noch nicht. Jetzt erst recht nicht. Er wollte nicht alleine sein, aber wo ...

"Seto?" Yami stand plötzlich hinter ihm. "Was machst du hier so alleine mitten auf dem Flur?"

"Ich wollte ... Mokuba ist beschäftigt und deswegen wollte ich ... vergiss es!" Seto wollte mit Yami wirklich nicht darüber sprechen.

"Ey, ich wollte gerade einen kleinen Mitternachtssnack einlegen. Willst du mir nicht Gesellschaft leisten?"

Seto drehte sich wieder zu ihm um und besah sich skeptisch die ganzen Fressalien, die Yami mit sich herumtrug. Chips, Cola, Pudding, Croissants, die eigentlich fürs Frühstück gedacht waren und diverses anderes Zeug.

"Das sieht aber nicht gerade gesund aus ..."

"Aber guck mal, was ich hier habe!" flötete Yami und wedelte mit einer Tafel Schokolade. "Kann ich dich vielleicht damit locken?"

Seto seufzte und folgte Yami auf sein Zimmer. Schoki war ein mehr als überzeugendes Argument. Und besser als alleine im Dunkeln sitzen, war es allemal.

"Wie kannst du nur mitten in der Nacht so viel Zeug in dich reinfressen?" fragte Seto, setzte sich zu ihm aufs Bett und riss seine Schokolade auf.

"Na, im alten Ägypten gab es so leckere Sachen nicht. Und außerdem mag Yugi keine Chips ... schwade eigndlisch ..." damit hatte Yami auch schon den Mund voller Chios.

"Aber du isst sie trotzdem!" warf Seto ihm vor.

"Klar!" grinste Yami zurück und schob sich die nächste Ladung rein. "Wnn Yugi schlft, krisch er dasch nisch mid."

"Aber das ist gemein!" Seto kam da nicht drüber.

"Verpetsch misch nisch, ja?"

Seto seufzte und biss in seinen Schokoriegel. "Machst du das öfter?"

"Wasch meinscht du?"

"Na, diese Mitternachtssnacks."

Yami schüttelte den Kopf und spülte seine Chips mit ausreichend Cola und Pudding runter bevor er antwortete. "Nein" sagte er und sah Seto mit einem undeutbaren Blick an. "Nur wenn Yugi ziemlich aufgewühlt ist."

"Aufgewühlt?"

"Hast du ihm heute Abend denn nicht zugehört?"

"Er hat ja kein Wort mit mir gesprochen" sagte Seto geknickt.

"Das meine ich nicht. Ich meine als ihr im Garten wart."

Das Alupapier in Setos Hand schien plötzlich sehr interessant zu sein.

"Du hast nichts zu ihm gesagt. Klar, dass er jetzt gefühlsmäßig aufgewühlt ist."

Yami rutschte näher an Seto heran und bat ihm ein paar Chips an.

"Danke" meinte der nur verneinend und schob Yamis Angebot weg. Der zuckte mit den Achseln, nahm eine handvoll in den Mund und kaute, nachdem er zusätzlich auch noch einen halben Becher Pudding im Mund hatte, lustig vor sich hin.

"Yami?"

"Wasch?"

"Wie ... ich meine ... hat Yugi ... hat er das nicht nur gesagt, um ... mich nur ..."

"Ne, Seto. Andersrum." Yami wusste schon worauf er hinaus wollte. "Was denkst du denn von ihm?"

"Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll ..."

"Dafür sag ich dir jetzt mal was bevor ich mich vom Acker mache." Fragezeichen in Setos Blick. Yami grinste ihn nur an. "Yugi wacht nämlich gerade auf. Also meine Meinung zählt hier nicht wirklich, aber das will ich doch mal loswerden." Yami sah Seto fest in die Augen und er meinte seine Worte ganz ernst. "Seth und ich haben uns sehr geliebt. Wir hatten eine ziemlich offene Beziehung, weswegen ich ihm heute körperlich nicht treu sein muss. Was nicht heißt, dass ich ihn nicht immer noch liebe. Du weißt, dass Yugi meine Widergeburt ist und auch, dass Yugi in vielen Dingen völlig anders ist als ich. Aber doch ist er mir so ähnlich wie du es Seth bist. Denk mal drüber nach."

Dann schloss Yami seine Augen und gab den Platz für seinen Hikari frei. Seto sah die feinen Veränderungen im Gesicht seines Gegenübers und erkannte Yugi sofort als er die Augen wieder aufschlug.

"Was ist denn hier los?" rief Yugi entsetzt als er das ganze Bett über und über mit Lebensmitteln bedeckt sah. Dann erblickte er die Chipstüte in seiner Hand und legte sie mit einem leicht angeekeltem Blick auf den Boden. Erst jetzt schien er richtig zu bemerken, dass da noch jemand saß und ihn mit schönen, blauen Augen ansah. Als er dann auch noch merkte wie nahe er Seto saß, rückte er vorsichtshalber ein ganzes Stück weg und blickte verlegen zu Boden.

"Du magst also keine Chips?" fragte Seto leicht neugierig.

"Erzähl mir nicht, dass er schon wieder Chips mit Pudding gegessen hat!"

"Ich habe versprochen ihn nicht zu verraten."

"Das brauchst du auch nicht, der verrät sich schon selber. Außerdem habe ich einen ziemlich eindeutigen Geschmack im Mund."

Daraufhin hielt Seto ihm zögernd seine Schokolade entgegen und Yugi nahm sich dankend ein Stück davon. Das Schweigen zwischen ihnen wurde nun doch langsam unangenehm.

"Wie kann man nur Chips mit Pudding essen?" fragte Seto ungläubig.

"Keine Ahnung. Yami gibt körperlichen Gelüsten viel leichter nach als ich. Aber gefühlsmäßig sind wir uns manchmal erschreckend ähnlich" redete Yugi munter weiter und war froh ein Thema zum unterhalten gefunden zu haben. Über Yami lästern, machte er nämlich gerne!

Das ließ Seto jedoch an Yamis Worte denken.

>Heißt das, auch wenn Yami seinem Seth körperlich nicht treu war, konnte er ihn dennoch lieben? Yami und Yugi sind ähnlich und doch verschieden. Wenn man diese Gleichung bzw. Ungleichung weiterdachte würde dabei herauskommen, dass beide treu liebten, aber Yugi derjenige ist, der seine körperlichen Gelüste besser unter Kontrolle hat? Das heißt, dass ... ja nun ...<

Weiter kam Seto nicht, denn er merkte jetzt langsam wie müde er eigentlich war. Langsam tauchte er aus seinen Gedanken wieder auf und nahm wahr, dass Yugi noch immer mit ihm redete.

"... und dann hat Yami doch echt das eine Mal aus dem Kühlschrank ... Seto?"

"Hm? Ja, was?"

"Hörst du mir zu?"

"Sorry ich war gerade etwas abgelenkt. Erzähl weiter."

"Du bist müde, oder?"

"Na ja, ein bisschen."

"Willst du nicht lieber schlafen? Die Sauerei hier kann ich auch selbst wegmachen. Wenigstens hat er Teas Croissants nicht aufgemacht. Die hätte mir den Kopf abgerissen!"

"Nein, ich helfe dir noch aufräumen."

"Nee, lass mal." Damit zog Yugi die Decke unter Seto weg und rollte sie zusammen, ohne vorher den ganzen Müll herunterzunehmen. "Siehst du? So geht's auch."

Damit breitete sich wieder Schweigen unter ihnen aus.

"Seto, du siehst geschafft aus. Möchtest du dich nicht lieber ins Bett legen?"

"... Yugi? Darf ich ... dich ... kann ich ..."

"Was ist denn? Sprich aus, was du willst."

"Das ist ..."

"... gar nicht so einfach? Doch ist es."

"Dann will ich einen Deal. **Typisch Geschäftsmann** Ich spreche etwas aus, obwohl ich ... Angst habe auf Ablehnung zu treffen und du sprichst etwas aus, wovor du Angst hast abgelehnt zu werden."

"Ok, wer zuerst?"

"Du."

"War ja klar! Na gut ... noch mal ... ich habe mich in dich verliebt. ...jetzt bist du."

"Ich ... kann ich heute Nacht hier bleiben?"

"Was?"

"Ok, war nur ... ich geh dann mal ..."

"Nein! Klar kannst du hier bleiben."

"... Wirklich?"

"Ja, wirklich."

"Aber ich ... ich hab auch ein bisschen ... ich möchte gerne bei dir ... aber bitte ... ich ... fass mich ... bitte ich ..."

"Ich versteh schon." Yugi lächelte ihn liebevoll an. "Ich werde bei dir im Bett bleiben. Aber ich werde dich nicht anfassen. Versprochen. Bruderehrenwort?"

Jetzt musste Seto lächeln.

"Yugi, das ist doch ein Insider!" Aber als er sah, dass Yugi seine Äußerung auch schon bereute setzte er schnell hinterer. "Aber der Sinn ist angekommen. ... Danke."

Yugi ging aus dem Zimmer und kam kaum eine Minute später mit Setos Decke und Kopfkissen zurück. Seto hatte sich mittlerweile mit Yugis zweiter Decke zugedeckt und hingelegt. Also legte sich Yugi in sicherem Abstand daneben und benutzte halt Setos Decke.

"Gute Nacht, Seto."

"Yugi?"

"Ja, was? Soll ich doch lieber ..."

"Darf ich ... das ist schwer."

"Was denn?"

"Ich ... das neulich, das war ... so ..."

"Das hier?" fragte Yugi und berührte zart Setos Hände unter der Decke. Kurz zuckte er zurück, erwiderte dann aber die Berührung.

"Ja. Danke."

"Träum was süßes."

"Yugi ..." Damit war Seto auch schon weg.
 

Chapter 18
 

Yugi wartete mit dem Aufstehen, bis auch Seto endlich seine Augen aufgeschlagen hatte. Nach einem verlegenen "Guten Morgen" machte sich Yugi auf den Weg ins anschließende Badezimmer. Seto selbst schnappte sich seine Decke und ging in sein eigenes Badezimmer.
 

Pünktlich trafen sich alle in der Küche zum Frühstück und glücklicherweise hatte Yugi Teas Croissants rechtzeitig wieder zurücklegen können, bevor sie merkte, dass jemand vorhatte sie zu essen. Natürlich war Seto der Letzte, der die Küche betrat (er war rechtzeitiges Aufstehen ja nicht mehr gewohnt) und alle waren etwas verwirrt, als sie ihn betrachteten.

"Irgendwie siehst du komisch aus, Kaiba!" meinte Joey gerade heraus. Seto nestelte an seiner Schuluniform bis Noah das Rätsel zuerst löste.

"Klar, du hast noch nicht genug zugenommen. Deswegen sitzt das Ganze etwas locker."

"Du kannst dir ja nachher aus der Kleiderkammer eine neue geben lassen!" schlug Joey vor, aber bekam nicht mal einen Kommentar von Seto.

"Ich rufe nachher gleich den Schneider an, dass er herkommt und dir ein paar neue macht. Die kannst du dann tragen bis du deine alte Form wiederhast" grinste Noah, der sich denken konnte, dass ein Seto Kaiba sich seine Klamotten wohl kaum aus einer Kleiderkammer holen wollte.

Gewohnheitsmäßig trottete Seto rüber zur Kaffeemaschine und holte sich seinen Wachmacher. Und genauso gewohnheitsmäßig nahm er die warme Milch und machte seinem kleinen Bruder einen Kakao. Er kriegte gar nicht richtig mit, was er tat, sondern spielte einfach sein altes Morgenritual ab. Doch als er Mokuba seinen Kakao hinstellen wollte, sah er, dass da schon einer stand.

"Du trinkst warmen Kakao, Seto?" lachte Noah, doch Seto fand das nicht witzig, sondern eher peinlich.

"Seto?" sah der Kleine fragend zu ihm auf.

>Er hat also schon Kakao, ja?<

Seto drehte sich einfach um, kippte den Kakao in den Ausguss, schnappte sich seinen Kaffee und entschied sich, lieber in seinem eigenen Zimmer wach zu werden.

"Seto! Den hätte ich noch getrunken, ehrlich!" beteuerte Mokuba doch Seto murmelte nur ein "Ich hab schon verstanden" und verließ die Küche.

Mokuba wollte ihm hinterherlaufen, doch Noah hielt ihn zurück.

"Lass ihn."
 

Als alle in der Limousine waren, warteten sie noch auf Seto, der sich aber nicht blicken ließ.

"Ich werde ihn holen!" kündigte Mokuba an, doch sofort schaltete sich der Chauffeur ein.

"Master Kaiba wird mit einer getrennten Limousine fahren. Er hat darauf bestanden."

Bevor Mokuba die Worte richtig geschluckt hatte, sahen sie auch schon den zweiten Wagen vorfahren und Seto, der sich auf den Weg dorthin machte. Joey und Tristan sahen sich nur kurz an, nickten sich zu und flitzten dann aus dem Wagen. Sie liefen vor zu Seto und schienen ihn bequatschen zu wollen, dass er doch mit ihnen fahren sollte. Als dieser jedoch ablehnte und sie zum Teufel schickte, stürmten die beiden ,ehemaligen' Straßenrowdys auf die Limo zu und ließen aus zwei Reifen die Luft heraus. Nun hatte Seto keine andere Wahl mehr, als mit den anderen zu fahren, denn immerhin waren sie schon ziemlich spät dran. Zum Glück war in den Kaiba-Limousinen so viel Platz, dass Seto sich etwas abseits setzen konnte, um seinen Bruder nicht anzusehen. Stattdessen starrte er lieber aus dem Fenster.

"Seto? Bist du sauer auf mich?"

"Nein."

"Warum guckst du mich dann nicht an?"

Seto blickte seinen Bruder böse an und giftete ihm ein "So, zufrieden?!" entgegen.

"Ich wollte doch nicht, dass du ..."

"Ich bin nicht böse, ok?"

"Aber du ..."

"Mokuba, Ruhe jetzt!"

"Seto!" jetzt kamen dem Kleinen doch die Tränen. "Du hast da was falsch verstanden. Du bist doch ..."

"Ich bin weder dir noch Noah böse, ok?" sagte Seto nun etwas ruhiger.

"Warum führst du dich denn so auf?" fragte Noah und wischte Mokuba die Tränen aus dem Gesicht.

"..."

"Seto?"

"..."

"Seto, hatten wir nicht abgemacht, dass wir ab jetzt ehrlich zueinander sind?"

"..."

"Also, was ist los?" Noah war echt hartnäckig.

"Ich hab mich voll blamiert und das ist mir peinlich. So, jetzt einmal kräftig lachen und dann ist gut, ja?"

"Womit willst du dich denn blamiert haben?" fragte Tea nun etwas ungläubig.

"Zuerst komme ich zu spät zum Frühstück, dann meckert ihr darüber, dass ich zu dünn bin und dann will ich Mokuba einen Kakao machen, obwohl Noah das schon getan hat ... das geht doch alles nach hinten los. Am besten ihr ..."

"Quatsch!" fiel ihm Tea ins Wort, die ihn jetzt endlich kapiert hatte. "Ich fand das eigentlich ganz niedlich, wie du dein Morgenprogramm abgespult hast."

"Niedlich?" Seto hatte ja schon viel über sich gehört und gelesen, aber dass er niedlich ist, hat ihm noch keiner unterstellt!

"Klar, du bist ein ganz Süßer!" ärgerte ihn Joey.

"Pass auf, dass du keine Löcher in den Zähnen bekommst!" verteidigte sich Seto. Alle lachten herzlich und Seto dämmerte langsam, dass er die Sache wohl etwas überbewertet hatte.

"Nein, aber jetzt mal im Ernst ..." versuchte Joey ein normales Gespräch.

"Ach, lass es sein." Seto wollte da nicht weiter drauf eingehen.

"Seto?" fragte Yugi und tastete vorsichtig nach seinem Arm.

"Hm?" Yugi konnte er vielleicht noch zuhören und er schreckte auch nicht sofort zurück als er Yugis Hand an seinem Oberarm spürte. Er drehte sich einfach langsam aus der Berührung und Yugi verstand sein Unwollen sofort, und ließ es bleiben.

"Seto, das war mein Kakao."

"Du trinkst morgens warmen Kakao? Ich dachte du trinkst auch Kaffee?"

"Nein, Yami trinkt gerne Kaffee. Ich rieche den höchstens gerne, aber trinken mag ich keinen. Der Becher mit Kaffee, der vor mir stand, war Yamis. Den hat er getrunken, während ich darauf gewartet habe, dass die Milch warm wird. Mokuba hat sich nur einen Schluck von meinem ersten Becher geklaut."

"Ich wusste ja, dass du mir welchen machen würdest" sah sein Bruder ihn nun entschuldigend an.

"Ach ..." jetzt verstand Seto langsam, dass Noah ihm sein morgendliches Ritual gar nicht weggenommen hatte. Soviel blieb zwischen ihm und Mokuba also doch noch. "Dann, sorry Kleiner. Ich wollte nicht, dass ... ich meine ..."

"Schon klar, Seto" jetzt grinste der Kleine wieder. "Kann ich mir jetzt meine Entschuldigung abholen?"

Setos verwirrter Blick sagte allen, dass er nicht ganz wusste, was sein Bruder jetzt von ihm wollte. Deswegen kündigte sich Mokuba an, als er zu ihm rüberkrabbelte. "Vorsicht Seto, ich komm dich jetzt drücken!" Seto ließ die Kuschelattacke eher über sich ergehen als sie zu erwidern, gab sich aber Mühe die Fassung zu bewahren und sich nicht sofort aus dem Staub zu machen. Als Mokuba meinte, dass er ihn jetzt genug geknuddelt hatte, setzte er sich auf Setos andere Seite und sah ihn glücklich an.

"Gut gemacht, Alter!" wollte Joey in loben, aber ein kräftiger Tritt von Tristan und ein fieses Zischeln von Tea machten ihm klar, dass er manchmal echt unmöglich war.

"Warum bist du denn nicht mit deinem eigenen Auto gefahren? Dann hätte eure zweite Limo jetzt keine zwei Platten. Nicht, dass ich mich nicht freue, dass du hier bist. Aber eigentlich fährst du doch immer selber." Damit hatte Yugi absolut recht und zur Antwort hielt Seto nur seine Hand nach vorne. Man konnte erkennen, dass sie schrecklich zitterte.

"Du bist voll nervös!" bemerkte Joey ungläubig und bekam gleich einen zweiten Tritt. "AU! Ich hab doch Recht! Kaiba packt doch jede Prüfung. Wieso muss man da nervös sein?"

"Mir ist nicht gut. Und wenn ich zusätzlich auch noch unkonzentriert bin, fahre ich nicht Auto. Punkt."

"Du scheinst echt nicht ganz auf der Höhe zu sein, wenn du morgens nicht mal Yami und Yugi auseinanderhalten kannst, Alter!" lachte der ihn an und bekam einen Tritt von Yami, der die Idee mit dem Treten ganz klasse fand. "MANN! Du nicht auch noch Yugi!"

"Das passiert dir aber regelmäßig Joey, dass du uns nicht unterscheiden kannst! Also lach nicht über Seto, klar?"

"Yami?"

"Nein!" antwortete Yugi, den Yami jetzt plötzlich wieder zurückgeschickt hatte. Jetzt setzte Joey ein so verwirrtes Gesicht auf, dass Noah ihm auch einen kleinen Tritt gab.

"AU! Wofür war das denn jetzt wieder?"

"Ach, nur so."
 

In der Schule angekommen, verabschiedeten sich alle von Mokuba, welcher ja in die Schule gegenüber musste. Seto kramte nach dem Zettel auf dem er sich aufgeschrieben hatte, wo er hin musste und Mokuba packte die Gelegenheit am Schopfe, sich noch mal einen richtigen Abschied von seinem Schatz zu holen, während sein Bruder gerade nicht hinsah. Als er den Kuss gar nicht mehr beenden wollte, vernahm er die aufgesetzt böse klingende Stimme seines großen Bruders.

"Und wie lange soll ich hier noch kramen, bis deine Zunge wieder da ist, wo sie hingehört?"

Erschrocken sah er Seto an und machte sich mit einem kurzen "Tschüss" dann auch schnell auf den Weg.

"Das war ja schon fast Taktgefühl, Seto!" piesackte ihn Noah.

"Noch mehr Takt und ich schreib ein Lied!" meinte Seto nur abweisend und machte sich nun ebenfalls auf den Weg.

"Hey Seto!" schrie Yugi ihm hinterher. "Viel Glück!"

Seto lächelte ihn an, drehte sich wieder um und ging weiter Richtung Prüfungsraum.

"Bei deiner letzten Prüfung feuern wir dich an, Kaiba!" schrie nun auch Joey hinterher.

Seto hob die Hand und winkte ohne sich noch mal umzudrehen.
 

In der Mittagspause standen alle auf dem Schulhof rum und nach einiger Zeit kamen sie natürlich dazu, sich zu fragen, was Seto wohl gerade machte. In den Pausen hatte er ja auch Prüfung, da die Prüfungszeiten nicht den Längen der Schulstunden entsprachen.

"Wo kann er wohl gerade sitzen?" fragte sich Tea und Mokuba holte schlau einen Zettel aus seiner Tasche.

"Ach, du hast Setos Raum-Notizen!" meinte Tristan verdutzt.

"Ich habe sie eingesteckt, damit Seto sie nicht vergisst. Aber ich habe ganz vergessen, sie ihm zu geben. Zum Glück hat er ein fotografisches Gedächtnis ..." redete er ganz verträumt vor sich hin, während er den Zettel studierte.

"Hattest ja auch mal wieder anderes im Kopf, was? Süßer?" Hauchte ihm Noah ins Ohr und Mokuba bekam davon eine Gänsehaut. "Und wo steckt er jetzt?"

"Raum 065, Französischprüfung" verkündete er und steckte den Zettel wieder weg.

"Da können wir von der Hinterseite reingucken!" schlug Joey vor und schon zog er seine Freunde erst in Richtung des Schulgebäudes, dann durchs Gebüsch auf die Hinterseite des Hauses und direkt vor den Raum, in dem Seto alleine mit sich, seinem Prüfungsblatt, seinen Stiften und zwei beaufsichtigenden Lehrern saß. Das erste leise Klopfen an der Fensterscheibe überhörte er.

"Der ist ja jetzt doch ziemlich konzentriert" bemerkte Tristan.

"Null Problemo!" meinte Joey und zog einen Laserpointer aus der Tasche, mit welchem er Setos Prüfungsblatt anstrahlte.

Jetzt sah er endlich in ihre Richtung und sie gestikulierten ihm mit allen möglichen Gesten, dass er durchhalten solle, dass sie im viel Glück wünschten und Noah gestikulierte ihm, dass er auch mal lächeln könne. Das tat Seto dann auch ganz verlegen und allen ging das Herz auf, denn ein Lächeln bekam man von dem traurigen Drachen Seto Kaiba wirklich nicht oft geschenkt. Leider bekam einer der Lehrer die Szene nur allzu schnell mit und zog die Vorhänge zu.

"Na ja. Er wird das Ding schon wuppen" meinte Tristan und sie machten sich daran wieder aus dem Gebüsch zu steigen

"Wo hat er denn die letzte Prüfung?" fragte Yugi.

Wieder holte Mokuba seinen schlauen Zettel raus. "Zuerst kamen Mathe, blablabla, seine Wahlpflichtfächer Kunst und Religion hat er gerade hinter sich und sitzt jetzt in Französisch. Dann kommen Chemie und blablabla ... die letzte Prüfung fängt 15 Minuten vor Ende unserer letzten Stunde an. Ort: Sporthalle - Sportprüfung."

"Wieso muss man auch in Sport geprüft werden?" war Tea ratlos.

"Na, scheinen ja wirklich alle Fächer zu sein" meinte Tristan.

"Er muss ja quasi ein ganzes Zeugnis nachschreiben, wenn er nicht sitzen bleiben will" erklärte Noah. "Das scheint wie beim normalen Schuljahr zu sein. Es muss in allen Fächern eine Note geben und wenn man in einem eine Sechs durch fehlende Leistung oder Nicht-Teilnahme bekommt, muss man das Jahr noch mal machen."

Klar. Also drückten sie Seto auch die Daumen bis zur letzten Prüfung. Und Seto bei einer Sportprüfung anzufeuern, was sicherlich einfacher und lustiger als bei einer schriftlichen Arbeit.
 

Direkt nach der letzten Stunde trafen sie sich mit Mokuba und eilten in Richtung Sporthalle, wo die Prüfung ja schon laufen sollte. In der Sporthalle war jedoch niemand und deswegen machten sie sich verwirrt auf den Weg ins Schulsekretariat, um zu fragen, was denn jetzt mit der Prüfung sei. Die Sekretärin sagte nur, dass der Schularzt Seto untersucht habe und von einer sportlichen Prüfung abrate, da sein Körper wohl nicht ganz bei Kräften sei. Damit er aber trotzdem sein letztes Fach füllen konnte, würde jetzt ein Ausweichkurs für ihn gesucht.

"Und wo ist er jetzt?" fragte Mokuba ungeduldig.

"Er sitzt hinten im kleinen Pausenraum für Lehrkräfte und wartet auf eine Information der Lehrerschaft" antwortete die Sekretärin mürrisch. Dass sie Seto nicht mochte, war ihr wirklich anzusehen.

"Aber wir dürfen uns doch sicher zu ihm setzen. Nicht wahr?" fragte Noah und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Das ließ, wie er wusste, nicht nur Mokubas, sondern auch jedes Frauenherz dahinschmelzen.

"Aber selbstverständlich, Mr. Kaiba" zerfloss die Dame auch schon.

"Ganz herzlichen Dank" bedankte er sich und zwinkerte ihr noch einmal zu. Als sie auf dem Weg zum Pausenraum waren, bemerkte er Mokubas eifersüchtigen Blick, welchen er mit einem lieben Kuss aber gleich wieder vertrieb.
 

Im Pausenraum angekommen, saß Seto mit einer Zigarette in der Hand da und blickte aus dem Fenster.

"Seit wann rauchst du denn wieder?" warf ihm Mokuba gespielt streng vor.

Seto drehte sich um und erwiderte keck: "Und seit wann klaust du mir meine Zettel?"

Damit war das geklärt. Mokuba setzte sich zu seinem Bruder und der Rest drapierte sich irgendwie drum herum. Wirklich viele Sitzplätze gab es in diesem Pausenraum für Lehrer nämlich nicht.

"Und wie ist es gelaufen?" wollten sie gleich wissen.

"Ganz ok, denke ich."

"Und was wird jetzt?" fragte Mokuba.

"Keine Ahnung. Ich brauche noch einen zusätzlichen Kurs, der das fehlende Fach ausgleicht. Wird wohl ein anderes Wahlfach werden."

"Das kannst du dir nicht selbst aussuchen?"

"Leider nicht."

"Und ... wie geht es dir?" fragte Yugi vorsichtig.

"Alles ok" sagte Seto ruhig.

"Na ich meine, weil doch der Arzt gesagt hat, dass du kein Sport machen sollst."

"Deswegen bin ich doch nicht krank, Yugi."

"Unser eigener Arzt hat doch auch gesagt, dass es eben noch etwas dauert, bis du deine alte Kondition wieder hast" sagte Noah mehr an Yugi als an Seto gewand.

"Was hast du denn eigentlich getrieben, dass dein Körper so runter ist?" Eigentlich hätte Joey für diese Frage wieder einen Tritt verdient, aber interessieren tat es die anderen ja nun doch, was Seto in dem halben Jahr getan hatte, als er untergetaucht war.

"Nicht jetzt, bitte" bat Seto und drückte seine abgebrannte Zigarette aus.

Da kam auch schon ihre Klassenlehrerin herein. "Mr. Kaiba?"

"Ja?" fragten Seto, Noah und Mokuba im Chor ... in der Schule wurden sie ja alle so genannt. "Den Kaiba da meinte ich" lachte sie und nickte zu Seto.

"Klar doch, das hab ich gewusst!" witzelte Mokuba.

"Also, Mr. Seto Kaiba" setzte sie erneut an. "Ihre Ergebnisse sind wie erwartet sehr zufriedenstellend. Sie haben in jedem Fach ein Sehr Gut erhalten. Außer in Kunst, dort sind sie nur mit Gut bewertet worden."

>Den Lehrer verklag ich dann nachher, wenn ich hier fertig bin< dachte sich Seto.

"Und aus diesem Grunde haben wir für ihren Ersatzkurs ebenfalls ein künstlerisches Fach gewählt, damit sie diesen Bereich ausgleichen können. Wenn Sie in diesem Fach mindestens eine Fünf erreichen, ist Ihre Versetzung kein Problem. Sie wissen welches Fach Sie bekommen hätten, wenn Sie nicht Kunst gewählt hätten?"

Genau das Fach, welches Seto mit voller Absicht abgewählt hatte.

"Musik" flüsterte er und sein Gesichtsausdruck änderte sich von entspannt zu ängstlich.

"Genau!" flötete die Lehrerin. "Wenn Sie mir dann bitte in den Musikraum folgen würden." Damit lief die Lehrerin ein Stück voraus, blieb aber nach ein paar Metern stehen als sie sah, dass sich der Angesprochene nicht von seinem Stuhl erhob. "Ihre Freunde können Sie ja gerne unterstützen, wenn sie möchten. Die haben ja soweit ich weiß alle Musik gewählt und können Ihnen ja kurz den Stoff erklären, bevor sie anfangen." Sie lief voraus und erwartete, dass Seto wohl gleich nachkommen würde.

"Seto" flüsterte Mokuba und stellte sich ganz nah neben seinen Bruder, der jetzt seinen Blick gen Boden wand.

"Was habt ihr denn durchgenommen im letzten Jahr?" fragte er leise.

"Wir ..." außer Noah traute sich eigentlich niemand mehr zu sprechen, "... wir haben Choräle gesungen und ..." alle schluckten, "... ein paar Griffe auf der Violine geübt."

Überraschenderweise kam von Seto kaum eine Reaktion. Kein Wutanfall oder Heulkrampf. Er strich sich einfach fahrig durchs Haar und machte sonst weiter keinen Mucks.

"Hey Kaiba" fasste Joey sich auch mal Mut etwas zu sagen. "Dann lässt du den Kurs halt sausen und wiederholst das ausgefallene Jahr. Ist doch halb so wild."

Seto atmete nervös tief ein und aus und faltete seine zitternden Hände ineinander.

"Hey, Seto." Yugi kniete sich langsam vor ihn und umfasste seine ringenden Hände. Seto hielt ganz still und von seinem gesengten Gesicht tropfte eine Träne auf Yugis Handrücken. "Seto. Ist doch ok."

Seto umfasste seine linke Hand. Das war nicht nur die, welche seine Mutter ihm beim letzten Violinenspiel gebrochen, sondern auch die, an welcher er sich an Neujahr in die Pulsader geritzt hatte.

"Ja, Mann" wollte auch Tristan ihn trösten. "Dann machst du halt ein halbes Jahr so und versuchst dann eine Klasse zu springen. Das geht doch bestimmt, wenn du ..."

"Nein, gar nichts geht mehr!" sagte Seto ausdruckslos und erhob sich von seinem Stuhl. Ohne seine Freunde noch einmal anzusehen, ging er ruhigen Schrittes der Lehrerin hinterher. Als die anderen sich ausreichend fragende Blicke zugeworfen hatten, liefen sie ihm nach.

Auf ihre Ansprachen reagierte er gar nicht, sondern ging einfach, den Blick eiskalt und stur geradeaus gerichtet, in den Musikraum, wo die Lehrerin ihn auch schon freudig begrüßte.

Ihre Fröhlichkeit verschwand aber sofort als sie Setos kalten Blick spürte. Kurz stellte sie nur noch die Musiklehrerin vor und setzte sich dann auf einen Stuhl.
 

"Wenn Sie sich jetzt bitte auch setzen würden" wies die Musiklehrerin an und alle taten, worum sie bat. Nur nicht Seto, der blieb stehen und sah sie an, als wolle er sie auf der Stelle einfrieren.

"Diesen Blick habe ich lange nicht mehr so heftig bei ihm gesehen" flüsterte Mokuba und alle wussten, was er meinte. Er nahm fest Noahs Hand und hoffte, dass das gut gehen würde.

"Nun" fing die Lehrerin leicht verwirrt an. "Ich habe hier ein Notenblatt für den Tenorgesang zu einem Choral oder wahlweise eines für ein Violinensolo. Ich nehme an, Sie können Notenlesen?"

"Nein kann ich nicht" antwortete Seto aggressiv.

"Nun, dann ... ich könnte Sie auf dem Klavier begleiten und Sie könnten versuchen mitzusingen. Wenn es auch nicht im Takt ist ... Sie brauchen ja schließlich nur eine Fünf um zu bestehen. Und da sie keine Noten lesen oder Griffe können, scheidet Geigespielen wohl aus. Sie können ja schließlich mit Ihrer Stimme einfacher etwas begleiten als mit einem fremden Instrument. Wenn Sie also ..."

"Wer sagt Ihnen das?" Meine Güte, Seto war mehr als nur aggressiv ... eher schon mörderisch.

"Nun, Sie können doch stimmlich einfacher ..."

"Ich singe nicht auf Befehl und nie wieder ohne Geige!" schrie Seto die arme Lehrerin an, die gar nicht wusste, wie ihr geschah.

"N...n...nun, w...wenn Sie m...m...meinen, d...dann..."

Damit trat Seto einen Schritt vor und schnappte sich die Violine, die in ihrem Kasten auf einem Tisch lag. Er nahm sie heraus und sein Blick verklärte sich als er sie ansah. Vorsichtig zupfte er die einzelnen Seiten bis er sicher war, dass sie richtig gestimmt war.

"Und was soll's werden?" forderte er eine weitere Anweisung von der Lehrerin.

"D...das hier" stammelte sie und hielt im ein Notenblatt hin.

"Haben Sie das nicht auf CD?" fuhr er sie an.

"D...doch, Moment!" Schnell eilte sie und schob das passende Stück in den CD-Player.

Seto schloss die Augen und hörte sich das Orchester und den Chor ganz genau an. Nach etwa fünf Minuten drehte die Lehrerin die Musik leiser und aus und sprach Seto vorsichtig an.

"Aber so weit müssen Sie gar nicht. Es reicht, wenn Sie ..."

"Dann mache ich es kürzer." Seto hob die Violine an und den Bogen darüber. Bevor er jedoch losspielte, sah er erst seinen geschockten Bruder an und dann langsam in die anderen Gesichter. Beinahe ermahnend, nicht einen Kommentar von sich zu geben. Als er Yugi ansah, wurde sein Blick weicher und eine Träne rann über sein Gesicht. Yugi nickte ihm aufbauend zu und konnte sich denken, wie schwer es für ihn war nach Jahren wieder zu dem verbotenen Instrument zu greifen. Seto sah noch einmal in Mokubas Augen, welche ihn noch immer ungläubig ansahen.

"Seto" flüsterte er fast unhörbar.

Dann schloss Seto erneut seine Augen und setzte einen langen Strich über die Seiten der Geige und schien den Ton und Vibrationen zu genießen. Dann ließ er ein paar Sekunden verstreichen bevor er in perfekter Nachahmung die Melodie des Orchesters nachspielte. Er kannte das Stück zwar nicht, aber er hatte sich alles gut gemerkt und im musikalischen Bereich war er nun mal mehr als hochbegabt. Er war ein Genie. Er spielte etwa zwei Minuten die verträumte Melodie nach und setzte dann zu einem langen, geraden Ton an, der in perfekter Lage direkt aus seiner Kehle kam. Langsam und bedächtig spielte er nicht nur die Melodie auf der Geige, sondern sang auch den lateinischen Text des Chorals. Dann beschleunigte er die Melodie, wie er es vorher auf der CD gehört hatte und seine Vokale wurden kurzer, aber nicht minder sicher. Er schien völlig in dem Stück zu versinken und alle im Raum waren erstaunt, dass Seto Kaiba nicht nur so gefühlvoll ein Instrument spielen konnte, sondern auch noch eine Stimme hatte, die der eines gefallenen Engels glich. Mit einem lauten Abgang beendete er das Stück, setzte die Geige ab und sah seine Lehrerin mit kaltem Blick an.

"Ich glaube ... Sie haben mit Eins bestanden" sagte diese noch immer ganz ungläubig und erstaunt.

Keiner sonst bewegte sich oder wollte etwas sagen. Zu mitreißend war sein Spiel gewesen.

Seto legte bedächtig das Instrument zurück in den Kasten und schloss ihn. Dann drehte er sich um, und fiel ohne ein vorheriges Anzeichen einfach ohnmächtig zu Boden.
 

Chapter 19
 

Als Seto wieder erwachte lag er ausgestreckt auf dem Rücksitz der Limousine. Sein Kopf war auf Mokubas Schoß gebettet, während Yugi seine Beine auf den Oberschenkeln hatte, um sie hochzulagern.

"Seto" sagte Mokuba leise, als er bemerkte, dass sein großer Bruder wieder zu sich kam. Er öffnete langsam die Augen und blickte zu seinem Bruder auf. Dann schloss er sie wieder, fuhr sich fahrig durchs Haar und machte Anstalten, sich in eine aufrechte Position zu erheben. Da ihm jedoch gleich schwarz vor Augen wurde, sank er wieder zurück und spürte wie Yugi seine Beine erneut hochlegte.

"Seto. Nicht so schnell aufstehen!" ermahnte ihn sein Bruder und umfasste seine Hände, welche jetzt wieder schlimm zitterten. "Wir sind gleich zuhause, dann kannst du dich hinlegen."

"Aber ich muss noch die Statistiken zum Steuerausgleich fertig machen" antwortete Seto abwesend.

"Lass mal. Das kann ich auch" brachte Noah ihn gleich wieder von seinem Vorhaben ab.

Nach einer Schweigerunde fragte Seto in die Stille. "Was ist denn passiert?"

"Du bist einfach so umgekippt, Alter" gab Joey im eine Antwort.

Noah ging das Ganze gewohnt fachmännischer an: "Der Arzt sagt, du hast dein Nervensystem überlastet und da dein Körper noch sehr empfindlich auf Stress reagiert, ist dein Kreislauf zusammengebrochen."

"Ach so." Das verstand Seto auch wenn ihm die Tatsache unangenehm war.

"Seto?" fragte Noah.

"Hm?"

"Sag mal, hast du Drogen genommen?"

Geschockt sahen die anderen ihn an. Joey dachte, dass das doch jetzt ein Tritt-Kommentar war, aber auch, dass Noah so was nicht ohne Grund fragte.

"Wie kommst du darauf?" fragte Seto leise zurück.

"Na, ganz einfach. Dein Köper ist total, entschuldige den Ausdruck, im Arsch. Du bist unterernährt und blass und ich habe das Gefühl, dass das nicht nur dadurch kommt, dass du einfach nicht genug gegessen hast. Also liegt die Vermutung nahe, dass Drogen da eine Rolle gespielt haben."

"Ich nehme nichts mehr" beantwortete Seto seine Vermutung schwach und bestätigte sie damit auch gleich.

"Wie lange hast du Drogen genommen?" Noah wollte das jetzt endlich wissen. Wie sollte er ihm denn sonst helfen?

"Bis Neujahr" flüsterte Seto.

"Und was hast du genommen?"

"Ich weiß nicht. Extasy, Speed, so was halt ... was eben draufbringt und betäubt."

"Aber doch nicht Heroin oder so was, was richtig süchtig macht oder?"

"Wenn ich mich umbringen will, kann ich das auch billiger haben."

"Aber du willst dich doch nicht umbringen?" fragte Mokuba geschockt.

Seto gab ihm keine Antwort, sondern schlang die Arme um sich, drehte sich auf seinem Schoß, dass er jetzt mit seinem Gesicht an Mokubas Bauch lag.

"Mach keinen Quatsch" war Mokuba geschockt. Diese Reaktion hatte er sich nicht erhofft.

"Ist doch egal" murmelte Seto und beschloss lieber gar nichts mehr zu sagen.

"Ist nicht egal, wir brauchen dich noch!" konterte Mokuba sofort.

"Genau! Ich will schließlich eine Woche früher Sommerferien haben!" versuchte es Joey, wenn auch mit mäßigem Erfolg.

"Na, wenn du meinst" wollte Seto die Sache endlich beenden.

"Ja, das meinen wir!" sagten Tea und Tristan entschlossen.

"Seto?" Endlich sagte Yugi auch mal was.

"Yugi?"

Yugi nahm vorsichtig Setos Beine herunter und Mokuba half ihm, Seto zum Sitzen zu bringen. Dann fasste Yugi vorsichtig seine Hände und sah ihm tief in die Augen.

"Ich habe dir versprochen, dass ich nicht zulasse, dass dir jemand wehtut. Und das gilt auch, dann wenn du dir selbst wehtust."

"Yugi" Setos Stimme war nur noch ein Flüstern.

"Ich lasse dich nicht alleine. Ich bleibe bei dir egal was passiert. Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber lass es mich dir beweisen. Ich gebe dir alles, was du willst. Ich helfe dir, dich selbst zu finden. Den Seto, der du wirklich bist. Der verlorengegangen ist."

"Und wenn du dann weggehst, bin ich wieder alleine."

"Ich werde dich nicht verlassen, nur weil du, du selbst bist. Verstellst du dich denn in diesem Moment, jetzt und hier?"

Seto schüttelte schwach den Kopf.

"Siehst du? Und ich bin immer noch da und halte dich fest." Er drückte Setos Hände um ihm seine Absicht deutlich zu machen. "Wir sind alle noch hier. Wenn wir dich nicht mögen würden, hätten wir dich an Neujahr einfach erfrieren lassen."

Seto senkte seinen Blick. Er wusste ja, dass Yugi es ernst meinte, aber würde er sein Versprechen halten? Bisher hatte ihn jeder allein gelassen und immer in seinem schwächsten Moment zugeschlagen.

"Ich hab Angst, Yugi."

"Ich weiß."

Seto zögerte er wusste nicht, was er jetzt sagen sollte.

"Was willst du sagen Seto?"

"..."

"Was geht in deinem Kopf vor?"

"Yugi."

"Du musst nie wieder frieren."

Damit ließ Seto sich in Yugis Arme ziehen, wo er liegen blieb, bis sie endlich am Anwesen der Kaibas angekommen waren.
 

Um den Abend ausklingen zu lassen, versammelten sich alle in einem der Wohnzimmer und gingen verschiedenen Tätigkeiten nach. Joey und Yami hatten sich in ein freundschaftliches Duell vertieft, Tristan und Tea hatten wieder mal die PlayStation rausgeholt und lieferten sich ein heißes Autorennen, während Mokuba und Noah - na, was wohl? - sich in eine Ecke verkrümelt hatten, um sich gegenseitig etwas lieb zu haben. Seto hatte den ganzen Tag über in seinem Zimmer geschlafen und war bis jetzt noch nicht wieder aufgewacht. Einer der Freunde ging ab und zu immer mal nach ihm sehen, aber jedes Mal schlief er tief und fest.

Gerade als Tristan fragen wollte, ob sie denn nicht auch langsam mal schlafen gehen wollten, ging die Tür zum Wohnzimmer auf und Seto steckte seinen Kopf herein.

"Na du Schlafsack!" begrüßte ihn Joey fröhlich, bekam aber sofort einen Tritt von Yami. "Das ist wohl euer neues Hobby, was?" meckerte er zurück.

"Komm rein" sagte Yami sanft und nickte Seto zu.

Der war zwar noch etwas wackelig auf den Beinen und sah ziemlich zerknautscht aus, aber mittlerweile war wieder Ausdruck von Leben in seinen Augen zu erkennen. Als er sich auf den Weg zur Couch machte, kam ihm sofort sein kleiner Bruder entgegen und wollte ihm helfen, bekam aber nur ein "Lass mal. Bleib lieber wo du bist" zugemurmelt.

"Schon in Ordnung. Wir haben fertiggeknutscht" grinste Noah und setzte sich zu Seto auf die Couch. Mokuba ließ sich auf einen Sessel direkt bei Seto fallen.

"Na, ausgeschlafen?" fragte Tristan, bekam aber nur einen müden Blick. "Anscheinend nicht" beantwortete er sich die Frage selbst.

"Was ist denn los?" fragte Tea weiter.

"Könnt ihr mich nicht mal in Ruhe lassen?" Seto war es ziemlich unangenehm, dass sich plötzlich alles nur noch um ihn drehte nur weil er den Raum betreten hatte.

"Ich glaube Seto möchte nur mal ein bisschen Gesellschaft haben ohne immer gleich bemuttert zu werden" vermutete Yami.

"Kannst du Gedankenlesen?" murrte Seto.

"Zumindest die von Yugi" grinste er weiter und alle wussten, dass das nicht seine, sondern Yugis Theorie war.

"Gut, wollen wir nen Film gucken?" schlug Joey vor und traf mit seiner Idee endlich mal den Nerv der Situation. Nachdem sie sich aber nicht auf einen Film einigen konnten, fiel die Wahl per Los. Damit konnten sich dann alle abfinden und suchten sich einen Platz auf dem Sofa oder dem Fußboden, machten es sich gemütlich und ... oh, ein bisschen Catering wäre auch nicht schlecht. Wer hatte Küchendienst? Tea und Mokuba! Also organisierten die beiden noch schnell ein paar Getränke und Knabberkram. Yami nahm die Gelegenheit wahr und tauschte seinen Platz auf dem Boden mit dem freigewordenen Sessel **weggegangen, Platz vergangen**.

"Wer hat eigentlich die ganzen Chips aufgegessen?" wunderte sich Mokuba als er schwerbepackt wieder ins Zimmer kam. Seto sah Yami an, aber der machte nur "psssst" und legte sich grinsend den Zeigefinger über die Lippen.
 

Nach einer halben Stunde war Tristan schon eingepennt und Mokuba war in Noahs müden Armen auch schon dem Schlaf nahe. Als nächstes fing Joey an zu schnarchen und Tea hatte die Augen auch schon zu.

"Ich glaub ich bring den Kleinen mal ins Bett" flüsterte Noah zu Seto und Yami und nahm Mokuba hoch. "Gute Nacht."

"Nacht, Noah" murmelte Mokuba und Seto musste nun doch lächeln. Manchmal war der Kleine einfach zu süß und bei Noah war er ja wohl gut aufgehoben. Yami wechselte wieder den Platz und saß nun direkt neben Seto.

"Decke?" fragte er, Seto nickte, nahm besagtes Stück von Yami entgegen und breitete sie über sich aus. Sie sahen noch eine Weile fern, wobei der Film auch sie nicht sonderlich fesselte.

"Yami?" fragte Seto leise.

"Was denn?" fragte der zurück und blickte zu ihm rüber.

Seto versuchte den Blick zu erwidern. "Kannst du nicht mal ..."

"Ja? Was kann ich mal?"

"Ach ... gar nichts." >Ist ja eigentlich auch Quatsch.<

"Ich versteh schon, du magst mich also nicht" zog Yami eine Flunsch und Seto guckte ihn verwirrt an. Dann grinste Yami ihn aber wieder verschmitzt an. "Schon klar. Gute Nacht, Seto." Damit verschwand Yami wieder in seinem Seelenraum und machte Platz für Yugi.

"Na?" machte er und setzte ein freundliches Lächeln auf. Viel besser als Yamis fieses Rumgegrinse.

"Hi" erwiderte Seto und versuchte zurückzulächeln.

Erst schwiegen sie sich eine Weile an, bis Yugi ein Stück näher rückte und glücklich registrierte, dass es Seto gar nichts auszumachen schien.

"Yugi?"

"Was denn, Seto?" Er hatte schon wieder diesen ängstlichen Ausdruck in den Augen. "Soll ich dich mal in den Arm nehmen?" fragte er vorsichtig. Erst reagierte Seto gar nicht und Yugi wollte sich schon bei ihm entschuldigen, aber dann kam Seto doch ein Stück näher und lehnte sich vorsichtig an ihn ohne aufzuhören, Yugi dabei prüfend anzusehen. Vorsichtig legte nun Yugi seine Arme um Seto, welcher in der Umarmung ganz zusammensank.

"Darf ich?" fragte Seto vorsichtig.

"Was willst du dürfen?" fragte Yugi verwirrt.

"Mich an dir festhalten."

"Natürlich darfst du das. Jederzeit. Ich lass dich nicht los."

Damit drückte er ihn noch etwas fester und Seto schlang seine Arme um Yugis Bauch, seufzte leise und schlief dann tatsächlich auch bald ein.
 

Am nächsten Morgen, trommelte Joey die anderen gleich zusammen, um ihnen im Wohnzimmer dieses süße Bild zu zeigen. Seto Kaiba lag in den Armen seines ärgsten Rivalen und schlief seelenruhig.

"Dafür brauchst du uns doch nicht zu wecken" murmelte Tristan müde.

"Und außerdem ist das unhöflich!" muckierte sich Mokuba und wollte die neugefundene Tradition des Joey-Tretens fortführen aber der sprang gekonnt zur Seite.

"Ha, ich sehe das ab jetzt rechtzeitig kommen!" prahlte Joey, bevor er einen saftigen Tritt von Noah bekam.

"Dann guck auch richtig hin!" murmelte der noch ganz verschlafen und machte sich mit den anderen zusammen auf den Weg in die jeweiligen Badezimmer. Schließlich war heute ja wieder Schule. Beim Rausgehen, bemerkten sie nur noch, dass Seto und Yugi durch den Tumult langsam aufwachten.
 

Obwohl Seto erst ab Anfang der kommenden Woche wieder zur Schule gehen sollte, war er trotzdem beim Frühstück dabei. Er hatte den Kakao für Mokuba gerade vor ihn hingestellt, als auch Yugi frisch geduscht und fertig angezogen als letzter in die Küche kam. Er strahlte regelrecht über das ganze Gesicht, als auch er einen schönen, warmen Kakao von Seto hingestellt bekam.

"Nein ist das sssssss......" setzte Joey an, sah aber sofort die strafenden Blicke der anderen und brachte vorsorglich schon mal seine Schienbeine in Sicherheit. "......ssssssssuper sonnig heute draußen. Findet ihr nicht?" Gut gerettet. "Und Kaiba? Was machst du mit deiner restlichen freien Zeit bevor du nächste Woche wieder ins Schulgeschäft einsteigst?"

"Ich ..."

Was war denn jetzt? Joey hatte doch gar keinen blöden Kommentar von sich gegeben. Oder doch?

"Hab ich irgendwas falsches gesagt?" fragte Joey lieber vorsorglich.

"Nein" beruhigte ihn Seto und umklammerte seinen Kaffee. "Ich werde die Schule wohl erst mal auf Unbekannt verschieben."

"Aber warum, du hast doch ..."

"Ich habe beschlossen einige Zeit wegzufahren."

"Aber du warst doch schon so lange weg! Wo willst du denn so dringend hin? Noah hat gesagt, dass er dich nicht auf Geschäftsreisen gehen lässt!" Mokuba wollte nicht, dass sein großer Bruder schon wieder verschwand.

"Wo willst du denn hin?" wollte nun auch Noah wissen.

"Wahrscheinlich werde ich für ein paar Wochen nach Grevon fahren."

"Aber da ist doch diese super teure Psychoklinik, die ich neulich im Fernsehen gesehen habe!" stellte Joey geschockt fest.

"Genau" bestätigte Seto. "Ich denke, ich muss mir mal über ein paar Sachen klar werden."

"Du willst dich therapieren lassen?" war nun auch Mokuba erstaunt.

"So nennt man das wohl, ja."

"Das finde ich einen mutigen Schritt, Seto" lobte Noah.

"Ja ... so kann das doch nicht weitergehen ..." Seto liefen leise Tränen aus den Augen. Yugi fasste sich ein Herz und wischte sie ihm vorsichtig weg, bevor er Setos eine Hand vom Kaffeebecher löste und sie festhielt. Seto erwiderte den leichten Druck und war bemüht, sich wieder zu fassen.

"Und wann soll es losgehen?" fragte Noah weiter.

"Heute direkt nach dem Frühstück."

"Aber hast du denn überhaupt eine Anmeldung? Die haben doch endlos lange Wartelisten!" stellte Joey fest, welcher das aus dem Fernsehen hatte.

"Ach Joey!" lachte Noah ihn an. "Glaubst du im Ernst, dass ein Kaiba sich auf irgendwelche Wartelisten eintragen muss?"

"Nicht?" Joey war verwirrt.

"Bestimmt nicht!" lachte ihn nun auch Mokuba aus. "Wenn die Seto da nicht haben wollen, dann kauft er den Laden einfach und fertig!"

"Ach?" So war das also?

"Seto da fällt mir ein", setzte Noah wieder ernsthafter an, "ich würde dir noch immer gerne einen Teil der Kaiba Corp. überschreiben."

"Ich will nichts, was mir nicht zusteht."

"Ach jetzt hör auf so einen Quark zu reden. Du hast diese Firma zu dem gemacht, was sie ist. Du hast sie groß und erfolgreich gemacht und wir alle wissen das! Eigentlich ist es fast schon frech, dass ich jetzt einfach daherkomme und so mir nichts dir nichts die Leitung übernommen habe. Ich möchte dich auf jeden Fall weiter dabei haben! Keiner kennt die Firma so gut und zusammen können wir noch viel mehr erreichen."

"Noah ..."

"Nein, jetzt lass mich ausreden. Du trägst den Namen Kaiba zu Recht, das hat mit Bluterbe nichts zu tun, sondern mit Fairness, Anerkennung und Respekt. Und deswegen, will ich dir folgendes Angebot machen und ich hoffe, dass du darauf eingehst." Er sah Seto ernst an. "Mokuba hat gesagt, dass er nicht in die Firmenleitung einsteigen will."

"Nie und nimmer! Das ist mir viel zu langweilig und anstrengend!" bestätigte dieser.

"Und deswegen habe ich mir Folgendes gedacht: Ich biete dir eine Doppelspitze an."

"Doppelspitze?" fragte Seto zurück.

"Genau. Du und ich, Seto. Wir führen die Kaiba Corp. weiter, wie wir es für richtig halten. Mokuba will einen ganzen Teil wieder abgeben und behält 5% der Anteile, ich selbst verlange 45% und du sollst 50% haben."

"Aber dann habe ich mehr als du!" stellte Seto fest.

"Und genauso ist das auch gedacht. Du hast diese Firma groß gemacht und deswegen ist es nur fair, dass du weiterhin die Oberhand behältst. Ich glaube nicht, dass du versuchen würdest mich auszubooten. Aber ich will vertragliche Gleichberechtigung und so das Duo an der Spitze bestätigt bekommen."

Seto sah in ungläubig an.

"Du kannst auch ganz aussteigen, wobei du natürlich finanziell völlig abgesichert wirst. Oder dich nur aus der Leitung zurückziehen und als zweiter Mann weitermachen. Oder als normaler Angestellter arbeiten, wenn du willst, auch wenn dir das nicht gerecht werden würde. Denk darüber nach und lass dir Zeit mit deiner Entscheidung. Aber ich würde mich freuen, an deiner Seite arbeiten zu dürfen. Zusammen wären wir unschlagbar. Überleg es dir."
 

Chapter 20
 

Als die anderen mittags von der Schule zurückkamen, war Seto bereits verschwunden. Die ersten Tage ließ er gar nichts von sich hören bis er dann schließlich doch ein Mal kurz auf Mokubas Handy anrief um ihm mitzuteilen, dass alles in Ordnung sei. Er solle allen einen schönen Gruß ausrichten ... und besonders Yugi. Darüber wie seine Therapie verlaufe, verlor er kein Wort und sein kleiner Bruder wollte auch nicht unbedingt danach fragen. Alle hofften, dass es ihm wirklich gut ging. Aber die Klinik war dafür bekannt, eine der besten zu sein und nicht ohne Grund ließen sich dort viele Prominente und Neureiche helfen.

Zum Glück bekamen die Zeitungen dieses Mal keinen Wind davon, dass einer der Kaibas sich in einer Anstalt für psychisch Kranke befand. Dafür sorgte die Klinik - war halt Business as usual.

Das einzige Mal, dass Seto in die Schlagzeilen kam, war als er einen kleinen Ausflug machte. Er ließ sich mit seinem Hubschrauber **ich liebe diese Teile!** in die nächstgrößere Stadt fliegen und kaufte dort ein wie ein Verrückter. Drei neue Autos, Kunstgegenstände, über eine Agentur zwei Häuser in der Karibik, feine Klamotten und besonders die Konditorei wurde geplündert.

"Für das Geld, dass er da ausgibt hätte er eigentlich auch ein eigenes Einkaufzentrum bauen können!" witzelte Joey.

"Da ist doch gar nichts Neues" sagte Mokuba desinteressiert und packte die Zeitung weg. "Etwa ein Mal im Jahr bekommt Seto einen Kaufrausch und dann ist nichts mehr vor ihm sicher. Wusstet ihr, dass er vor zwei Jahren in Italien einen ganzen Stadtpark gekauft hat?"

"Was will er denn mit einem Stadtpark?" fragte Tristan verdutzt.

"Einfach nur kaufen" sagte Mokuba. "Aber das war schon lange überfällig. Das zeigt, dass es ihm langsam besser geht, wenn er schon wieder Spaß am Geldausgeben hat!" freute er sich.
 

Nach etwa zwei Monaten war Seto noch immer nicht zurückgekehrt, aber dafür erhielt Noah in seinem Büro einen Anruf des behandelnden Arztes, der ihn und seine Freunde darum bat, in der Klinik vorbeizuschauen. Er wolle sich mit den Menschen, die Seto nahe standen ein Mal ausgiebig unterhalten.

"Hoffentlich ist nichts Schlimmes mit ihm passiert!" fürchtete Moki sofort.

"Nein, Schatz. Das nennt man ganz normal Angehörigenbefragung. Das ist völlig Gang und Gebe" erklärte Noah.

"Aber, was will der denn von uns wissen?"

"Das werden wir dann sehen, wenn wir da sind, Süßer. Mach dir keine Sorgen."
 

Noah verschob also ein paar Termine und am nächsten Tag machten sie sich auch gleich auf nach Grevon. Dort angekommen staunten sie nicht schlecht. Die Klinik war ein riesiger Gebäudekomplex, welcher trotz seiner medizinische Reinheit kein bisschen unwohnlich wirkte. Überall waren Pflanzen und Bilder aufgehängt, Sessel standen auf den Gängen und die verschiedenen Aquarien luden zum Verweilen ein. Sie gingen zur Anmeldung und fragten nach Seto Kaiba.

"Oh, dann sind Sie also seine Angehörigen?" fragte die freundliche, runde Dame.

"Na ja. So ungefähr" meinte Joey und kratzte sich am Kopf.

"Ach, Freunde gehören doch auch zu den Angehörigen, finden Sie nicht?" Sie trug die Namen in eine Akte ein und bat sie dann, sich doch noch etwas zu setzen. Der Arzt wäre noch bei einem Termin, aber in etwa einer halben Stunde zurück sein.

"Können wir Seto denn nicht besuchen?" fragte Yugi hoffnungsvoll.

"Tut mir leid mein Herr" entgegnete die Dame. "Mr. Kaiba weiß gar nichts von ihrer Anwesenheit hier und das sollte nach Möglichkeit auch so bleiben, um seine Genesung nicht zu stören."

"Aber Sie können uns doch sicher Auskunft darüber geben, wie es ihm geht?" lächelte Noah wieder sein Herzensbrecher-Lächeln.

"Es geht im gut" lächelte die Dame genauso lieb zurück. "In den ersten Tagen hat er sich etwas schwer getan, aber mittlerweile ist er richtig aufgeblüht. Er hat sich mit meinem Sohn angefreundet und mir sogar meinen Job gerettet."

"Wie denn das?" fragte Tea.

"Nun, ich bin alleinerziehende Mutter eines fünfjährigen Jungen. Da ich leider keine Betreuung für meinen Sohn habe, muss ich ihn mit hierher bringen. Das ging auch immer gut, bis die Klinik eine neue Leitung bekommen hat und der Chef nicht mehr damit einverstanden war. Also sollte ich gefeuert werden. Als mein Sohn das Mr. Kaiba erzählt hat, ist dieser gleich zu meinem neuen Chef gegangen. Ich weiß nicht, was er ihm gesagt hat, aber auf jeden Fall habe ich eine Gehaltserhöhung bekommen und mein Junge darf nun offiziell hier bei mir bleiben."

"Das hat Seto Kaiba gemacht?!" Joey fiel aus allen Wolken.

"Ja, das hat er. Dieser junge Mann ist wirklich ein Schatz. Er hat meinem Sohn sogar erklärt wie er mit diesen komischen Karten spielt. Die sammelt mein Sohn nämlich leidenschaftlich und wusste nie so richtig, was man eigentlich damit macht. Jetzt kann er das richtig gut und gewinnt sogar gegen ältere Kinder. Aber am Liebsten spielt er aber immer noch mit Mr. Kaiba selbst."

"Aber Seto hat doch gar kein Deck mehr" meinte Tristan.

"Ja, und seine Drachen sind immer noch bei Yugi" ergänzte Tea.

"Aber die beiden spielen wirklich gut zusammen. Mr. Kaiba leiht sich die Karten von meinem Sohn. Wenn Sie mir versprechen, ihn nicht zu stören, kann ich Ihnen zeigen, was ich meine."

Alle nickten und die runde Dame führte sie einige Gänge entlang und blieb schließlich vor einer Glastür stehen. Man konnte hinter der Glastür eine Art Aufenthaltraum erkennen und an einem der Tische saß tatsächlich Seto Kaiba mit einem kleinen Jungen und die beiden spielten fröhlich ihr Kartenspiel. Plötzlich jubelte der Kleine auf und packte seine Karten zusammen. Seto hatte ihn wohl gewinnen lassen und der Junge freute sich wie ein Schneekönig. Er hopste auf Setos Schoß und hielt ihm sein Deck unter die Nase. Sollte wohl heißen: "Erklär mir mal was!" Seto nahm ihm die Karten ab und blätterte sie langsam weiter, während er etwas erzählte.

"Sehen Sie was ich meine?" fragte die Mama und alle nickten bestätigend.

Als sie wieder zurück am Empfang waren, kam auch schon der Arzt und bat sie in sein Büro, wo sich jeder einen freien Stuhl schnappte und gespannt war, was denn nun eigentlich von ihnen gewusst werden sollte.
 

"Ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Vielen Dank, dass Sie es so kurzfristig einrichten könnten" begrüßte sie der Doktor.

"Wie geht es ihm?" fragte Mokuba frei heraus.

"Sie sind Mokuba Kaiba nehme ich an?" Mokuba nickte. "Sehr schön. Ihr Bruder hat viel von Ihnen erzählt. Und da sie an der Hand dieses charmanten jungen Mannes hängen, gehe ich davon aus, dass Sie wohl Noah Kaiba sein müssen?"

"Das haben Sie ganz richtig erkannt" bestätigte dieser.

"Und wer von Ihnen ist Yugi Muto?" fragte er die anderen.

"Der da!" zeigte Joey auf Yugi. "Hat er denn von mir gar nichts erzählt?"

"Dann sind Sie wohl Joey Wheeler, richtig?"

"Und wie ich der bin!" brüstete sich Joey.

"Und die anderen beiden kenne ich dann natürlich auch."

"Woher sind Sie denn so gut informiert?" wollte Tea wissen.

"Nun, ich hatte schon einige Sitzungen mit Ihrem Freund. Es ist mein Job, mir das zu merken, was er mir erzählt."

"Er erzählt Ihnen freiwillig was?" Joey fiel schon wieder aus allen Wolken.

"Natürlich. Am Anfang musste ich ihm zwar alles aus der Nase ziehen, aber mittlerweile ist er viel offener geworden. Ich glaube, wir machen gute Fortschritte."

"Aber was können wir denn dann noch für Sie tun?" fragte Noah freundlich um endlich mal aufs Thema zu kommen.

"Nun, ich hätte gerne, dass Sie mir auch etwas erzählen, wenn es Ihnen nichts ausmacht."

"Und was möchten Sie genau wissen?"

"Darf ich frei heraus sprechen?" fragte der Arzt an Noah, welcher hier wohl der vernünftigste Gesprächspartner war.

"Bitte."

"Ich möchte gerne, dass Sie mir etwas über die Beziehung zwischen Ihnen und seinem kleinen Bruder erzählen."

"Warum wollen Sie was darüber wissen?" Mokuba war das Ganze nun doch etwas unangenehm.

"Nun. So wie ich das sehe, hängt Ihr Bruder sehr an Ihnen. Und da ist es nur natürlich, dass ihn Ihre Beziehung mit Ihrem Stiefbruder sehr beschäftigt. Sie sind jetzt seit circa einem Jahr zusammen, wenn ich das richtig sehe?"

Mokuba nickte.

"Und haben Sie Ihr Versprechen gehalten?" fragte der Arzt an Noah gewand, welcher natürlich wusste worauf er hinauswollte. Auch der nickte.

"Nun denn. Empfinden Sie es als störend mit Seto Kaiba unter einem Dach zu leben?"

"Um Gottes Willen NEIN! Wie kommen Sie denn darauf?" antwortete Mokuba sofort.

"Nun, Ihr Bruder hat aber das Gefühl, dass es genauso ist."

"Dass es uns unangenehm ist mit ihm zusammenzuwohnen? Ich lebe doch schon mit ihm zusammen seit ich geboren wurde!"

"Nun, aber er hat das Gefühl, dass Sie Ihre Beziehung vor ihm nicht richtig ausleben können und er Ihnen ein Hindernis ist."

"So ein Unsinn" stellte Noah fest. "Aber vielleicht haben wir ihm dieses Gefühl vermittelt, oder Süßer?" fragte er an Mokuba.

"Wie kommst du darauf?"

"Na. Wenn du mal darauf achtest: Du hältst dich immer ziemlich fern von mir, wenn Seto in der Nähe ist."

"Gar nicht!" verteidigte sich Mokuba.

"Ist aber so, Kleiner!" meinte Tristan. "Wenn Kaiba nicht da ist, sitzt ihr doch ständig knutschend irgendwo rum und es interessiert euch dann gar nicht, ob wir anwesend sind oder nicht!" Mokuba wurde ganz rot. "Und sobald Kaiba den Raum betritt, lässt du Noah in Ruhe, ignorierst ihn fast und beschäftigst dich mit deinem Bruder."

"Ist mir gar nicht so aufgefallen" entschuldigte sich Mokuba.

"Das brauch Ihnen nicht leid tun. Niemand knutscht gerne mit seinem Liebsten vor den Eltern herum und Ihr Bruder hat ja ganz eindeutig eine Art Elternrolle für Sie übernommen. Aber Sie sollten ihn mehr einbinden, denn er ist nicht Ihre Eltern, sondern Ihr Bruder und das macht den Unterschied. Im Moment hat er das Gefühl, dass er Ihnen im Weg ist und Sie dadurch unglücklich macht. Leben Sie Ihre Beziehung freier, sofern Ihnen dies möglich ist. Das wird nicht nur Ihnen selbst helfen, sondern auch Ihrem Bruder das Gefühl geben ein Teil davon zu sein."

"Danke für den Ratschlag" sagte Noah. "Immerhin hat er es uns ja erst möglich gemacht zusammenzusein. Also kann er doch gar nichts dagegen haben. Auch wenn es ihm sicher schwer fällt, dich gehen zu lassen."

"Wie hat er Sie denn zusammengebracht" fragte nun der Arzt. "Davon hat er nämlich kein Wort erwähnt."

"Nun, ich denke das bleibt auch lieber ein Geheimnis" meinte Noah und der Arzt akzeptierte das.

"Die nächste Sache ist: Haben Sie sich schon überlegt, wie Sie Ihren Geburtstag in drei Wochen feiern wollen, Mokuba?"

"Nein. Na ja ... so ungefähr" er wurde schon wieder ganz rot. "Wieso?"

"Ihr Bruder hat nämlich nicht vor, Sie zu Ihrem Geburtstag zu besuchen."

"Seto will nicht zu meinem 16. Geburtstag kommen?" war Mokuba geschockt. "Aber warum denn nicht?"

"Nun, wenn Sie mal kurz überlegen würden, Herr Kaiba" gab ihm Noah einen Hinweis und Mokubas Gesicht ähnelte nun endgültig mehr einer Tomate als die sich selbst.

"Aber ich hab doch den ganzen Tag Geburtstag" verteidigte er sich wieder.

"Nun dann sollten Sie Ihren Bruder offiziell wieder nach hause einladen. Gegen eine Entlassung spricht nämlich nichts mehr. Den Rest der Therapie kann man auch ambulant machen. Und ich denke, dass er sich über einige Sachen nur klar werden kann, wenn er wieder daheim ist."

"Wieso gucken Sie denn Yugi so dabei an?" fragte Joey mal wieder viel zu laut und der Arzt musste über so viel Spontanität dann doch lächeln.

"Nun. Die zweite Sache, die Mr. Kaiba im Kopf herumgeht, sind Sie, Mr. Muto."

"Hast du ihm etwa gesagt, dass du dich verliebt hast?" fragte Joey wieder und Tristan konnte einfach nicht mehr anders und RUMMS hatte Joey einen neuen blauen Fleck auf seinem Schienbein. "MANN, TRISTAN!!!"

Yugi blickte nur schüchtern zu Boden.

"Ihnen ist schon klar, dass er mit so was nicht umgehen kann?" fragte der Arzt vorsichtig.

Yugi nickte. "Tut mir leid, wenn ich ihm geschadet habe. Das wollte ich nicht." Der Arzt reichte ihm ein Taschentuch, damit Yugi sich eine Träne wegwischen konnte.

"Nun, ich denke nicht, dass ihm das geschadet hat." Yugi blickte den Arzt fragend an. "Es hat ihn zwar ziemlich verwirrt, aber es hat ihm auch geholfen. So wie ich Mr. Kaiba verstanden habe, fühlt er sich in Ihrer Gegenwart sehr wohl. Er kann dieses Gefühl nicht einordnen, aber verdrängen kann er es auch nicht. Er kämpft mit sich und weiß nicht, wie er Ihnen begegnen soll. Er schämt sich und hat natürlich Angst vor Ihnen. Aber ich denke, bis jetzt haben Sie es ihm ja sehr leicht gemacht. Meine Theorie ist, dass hinter dieser kalten Maske eines skrupellosen Großunternehmers ein eher schüchterner junger Mann steckt, der Angst hat wieder jemandem zu vertrauen, weil er damit nur schlechte Erfahrungen gemacht hat."

"Aber wir wollen ihm doch nicht wehtun, oder Yugi?" fragte Mokuba.

"Was soll ich denn jetzt machen?" fragte Yugi bedrückt.

"Gar nichts" antwortete der Arzt.

"Wie, gar nichts?" das war Joey zu hoch und der Arzt musste wieder lächeln.

"Tun Sie einfach gar nichts. Machen Sie ihm kleine Angebote, aber drängen Sie ihn nicht und seien Sie nicht enttäuscht, wenn er Ihre Angebote ein paar Mal ausschlägt. Zeigen Sie ihm einfach weiter, dass er willkommen ist und warten Sie bis er von alleine kommt. Die Zauberformel ist: Unterstützen, nicht zwingen. Aber ich glaube bisher waren Sie ja auf dem goldrichtigen Weg."

Yugi nickte.

"Und zum Schluss auch einen Ratschlag an Sie, Mr. Wheeler!"

"Huch? Ich?" wurde Joey aus seinen Gedanken gerissen.

"Ja, genau Sie. Wenn Sie wissen, was gut für Mr. Kaiba und ganz anscheinend auch gut für Ihre Schienbeine ist, lautet Ihre Zauberformel: Erst denken, dann sprechen."

Als sich dann endlich alle ausgelacht hatten (was Joey natürlich gar nicht komisch fand), verabschiedeten sie sich von dem Arzt und machten sich auf den Weg zurück zum Empfang.
 

Da jedoch alle noch über die Worte des Arztes nachdachten, achteten sie nicht wirklich darauf, ob sie den richtigen Weg gingen und schon hatten Sie sich verlaufen.

"Ok, wir sind im ersten Stock. Lasst uns mal den Gang suchen, der auf der Seite des Innenhofes liegt. Dann war da glaube ich eine Treppe, die wir dann runtermüssen ... ja so war das." Noah war anscheinend der Einzige, der den Weg noch nachkonstruieren konnte. Also machten sich alle auf den Weg und fanden auch bald den richtigen Gang.

"Seto! Seto! Seto!" hörten sie eine Stimme von draußen.

"Hier! Was ist denn?"

Seto? Sie sahen aus einem geöffneten Fenster und ziemlich genau unter Ihnen saß er in einen dicken Mantel eingemummelt auf einer breiten Bank und versuchte sein Buch zuende zu lesen, als sein neuer fünfjähriger Freund auf ihn zugestürmt kam.

"Seto! Wo warst du denn?"

"Ich war hier. Bist du denn schon fertig mit Mittagsschlaf?"

"Nee. Mama denkt ich lieg noch im Bett."

"Dann sieh mal zu, dass du wieder zurückkommst. Sonst macht sie sich noch Sorgen um dich."

"Nö. Mama ist doof!"

"Warum? Sag doch so was nicht!"

"Mama will immer, dass ich Mittagsschlaf mache, dass ich mein Gemüse esse, dass ich mein Zimmer aufräume ... das ist alles doof!"

"Aber deswegen ist das doch kein Grund deine Mama zu beleidigen. Das solltest du nicht machen! Deine Mama hat dich lieb und passt gut auf dich auf. Dafür solltest du ihr dankbar sein und nicht böse."

"Du? Seto?" fragte der Kleine und setzte sich neben den Großen. "Ist deine Mama auch so?"

"Nein. Meine Mama ist nicht so."

"Passt deine Mama nicht auf dich auf?"

"Nein, sie hat nicht so gut auf mich aufgepasst."
 

"Seto spricht über Mutter ..." flüsterte Mokuba ungläubig und lehnte sich an Noah.

"Psssst!" machte der. Er wollte ja auch hören, was die beiden sagten.
 

"Seto? Hat meine Mama mich echt lieb?"

"Klar! Das hat sie dir doch vorhin erst gesagt" Seto lächelte seinen kleinen Freund an.

"So? Das ist mir gar nicht aufgefallen."

"Dann achte besser darauf."

"Hat deine Mama dich auch lieb, Seto?"

Seto überlegte etwas bevor er antwortete. "Nein, ich glaube nicht, dass sie mich lieb hat."

"Warum nicht? Warst du böse?"

"Vielleicht."

"Was hast du denn gemacht, dass sie dich nicht lieb hat?"

Seto seufzte. "Ich habe keine Ahnung."

"Hm" machte der Kleine. "Das ist schwierig."

"Tja. Komm, lass und reingehen."

"Seto?"

"Was denn noch?"

"Du hast doch einen Bruder, oder?"

"Ja."

"Wie heißt der noch?"

"Du meinst Mokuba?"

"Genau, und den anderen!"

"Welchen anderen?"

"Na, deinen anderen Bruder. Der, den Mokuba so lieb hat."

"Ach, Noah meinst du?"

"Genau! Hat Mokuba dich denn auch so doll lieb wie Noah?"

"Nein. Ich glaube, Noah hat er anders lieb als mich."

"Wie anders?"

"Du bist ganz schon neugierig!" lenkte Seto ihn ab und wuschelte dem Kleinen durchs Haar.

Als der Kleine sich die Haare wieder geordnet hatte, hörte seine Ausfragerei aber nicht auf. "Aber Mokuba hat dich doch trotzdem lieb, oder?"

"Trotz was?"

"Trotz Noah."

"Na ja. Ja. Das hoffe ich."

"Hatte deine Mama Noah denn auch lieber als dich?"

"Meine Mutter ist nicht Noahs Mama."

"Hä? Aber du und Mokuba habt doch die gleiche Mama! Und Noah?"

"Das ist jetzt ein bisschen kompliziert. Das erkläre ich dir irgendwann anders."

Aber der Kleine gab nicht auf. "Und dein Papa? Das ist doch auch Noahs und Mokubas Papa!"

"Mokuba und ich haben zwei Väter, aber Mokuba kennt den einen gar nicht."

"Wieso?"

"Der ist schon ganz früh weggegangen."

"Und Noahs Papa?"

"Was ist mit dem?"

"Hatte der dich lieb?"

"Hm. Wahrscheinlich nicht."

"Mann, Seto!"

"Was denn?"

"Du bist auch echt kamplasurt!"

"Du meinst kompliziert."

"Genau! Wieso hat dich denn keiner lieb? Ich versteh das nicht." Wie konnte ein Fünfjähriger auch Setos Lebensgeschichte kapieren?

"Tja, damit muss man sich abfinden. Ich bin eben kein Typ, den man lieb hat. Komm jetzt lass und reingehen, mir wird kalt." Aber der Kleine wollte lieber noch draußen bleiben und kuschelte sich ohne zu fragen zu Seto unter dessen Mantel.

"Dafür hab ich dich jetzt lieb, Seto!"

"Ja? Und wieso?"

"Hm. Keine Ahnung. Wieso nicht?"

"Na dann."

"Seto?"

"Hörst du jetzt wohl mal auf mich auszufragen?"

"Nee. Jetzt will ich dir was sagen und nichts fragen. Du hast bestimmt gar nicht gewusst, dass ich dich lieb habe. Und meine Mama hat dich auch lieb, hat sie mir gesagt. Vielleicht haben Mokuba und Noah dich ja auch lieb und du weißt das nur nicht. Manchmal merkt man das ja nicht immer, wenn einem das keiner sagt. Ich habe ja auch vorhin überhört, dass meine Mama gesagt hat, dass sie mich lieb hat. Und vielleicht gibt es noch viel mehr Leute die dich lieb haben und du hörst das nur nicht."

"Meinst du?"

"Ja, meine ich. Manchmal bist du nämlich ein bisschen taub!" Damit steckte er Seto überraschend einen Finger ins Ohr, dem das natürlich nicht ganz angenehm war.

"Hey, lass das!"

"Seto, wir gehen jetzt zu Mama und sagen ihr meine Idee!"

"Welche Idee denn?"

"Dass sie dich und Mokuba und ...."

"Noah?"

"Ja, Noah. Sie soll euch alle archivieren!"

"Was soll sie?"

"Na, euch archivieren. Weil ihr doch keine Eltern mehr habt."

"Du meinst adoptieren?"

"Genau, du weißt doch wie das geht!"

"Ich glaube nicht, dass meine Brüder davon so begeistert sind. Und außerdem sind wir auch schon ein bisschen zu alt dafür."

"Wieso? Mokuba ist doch dein kleiner Bruder hast du gesagt!"

"Schon. Aber der ist jetzt auch bald erwachsen. Ich glaube, Mokuba ist gar nicht mehr mein kleiner Bruder. Wahrscheinlich ist er nur noch mein Bruder."

"Das ist jetzt auch wieder kam..."

"Nein, kom..."

"Kom..."

"...pli..."

"...pli..."

"...ziert."

"...ziert."

"Du bist so schlau, Seto!"

"Dankeschön."

"Dafür bin ich jetzt dein Kleiner Bruder, ok? Auch wenn du nicht archiviert bist."

"Ha, na gut. Komm jetzt lass und rein bevor wir uns erkälten, ja?"

Damit hievte Seto den Kleinen über seine Schulter und trug ihn ins Warme.
 

Während des Gesprächs wollte Mokuba immer mal wieder etwas Aufbauendes herunterrufen, aber Noah hielt ihn gekonnt davon ab.

"Ich hätte nie gedacht, dass Kaiba so gut mit Kindern umgehen kann" meinte Tea erstaunt. "Er wäre bestimmt mal ein guter Vater."

"Ja, er ist ein ziemlich guter Vater. Und eine Mutter. Und ein Bruder ..." weinte Mokuba und verkroch sich in Noahs Arm.

"Na, sei lieber froh, dass er sich nicht wie eine Schwester benimmt!" witzelte Joey. "Oder kannst du dir vorstellen wie dein Bruder in rosafarbener Damenunterwäsche aussieht?" Den Gedanken fand Mokuba nach kurzer Reaktionszeit dann auch zum Brüllen.

"Woher willst du denn wissen, dass er die nicht ohnehin schon trägt?" lachte Tristan mit Tränen in den Augen, was Joey zum Anlass nahm, ihm mal kräftig gegens Schienbein zu treten.

"Falscher Moment!" lachte Tea und trat für Tristan zurück.

"MANN ... FRAU! TEA!" meckerte Joey sofort zurück.
 

Chapter 21
 

Nach ein paar Tagen rief Mokuba bei der netten, runden Mama an der Rezeption an und bat sie, Seto auszurichten, dass er doch bitte zu seinem Geburtstag in zwei Wochen kommen sollte. Sie versprach, es ihm zu sagen, aber Seto rief nicht zurück, schrieb keine eMail oder machte sich sonst irgendwie bemerkbar.

Mokuba hatte auf einem Freitag Geburtstag und eigentlich war geplant, dass sie morgens beim Frühstück kurz anstoßen wollten, dann zur Schule gehen und danach alle gemeinsam vom Nachmittag bis in den Abend feiern wollten. Mokuba hatte sich auch ein paar Freunde eingeladen, welche sich natürlich eine große Party in der Kaiba-Villa nicht entgehen lassen wollten. Die Nacht wollte er dann mit Noah ,feiernd ausklingen lassen'. Alles in Allem sollte es ein perfekter Tag **und eine perfekte Nacht ... muahaha** werden und sie hatten wegen eines Wasserrohrbruchs sogar früher Schule aus bekommen, schade nur, dass Seto sich noch immer nicht gemeldet hatte.
 

Mokuba fand sich schon mit dem Gedanken ab, dass sein Bruder ihn eben doch nicht sehen wollte. Umso überraschter war er als er nach hause kam und Setos Lieblingskaffeebecher in der Spüle stehen sah.

"Seto ist da! Seto ist da!" rief er durchs ganze Haus und alarmierte alle seine Freunde, ihm beim Suchen zu helfen. Alle schwärmten aus und durchkämmten die Zimmer ... aber leider fanden sie ihn nicht.

Erfolglos trafen sie sich nach einiger Zeit im Wohnzimmer wieder.

"Bist du dir sicher?" fragte Tea. "Vielleicht hat einer der Dienstboten den Becher benutzt?"

"Die benutzen doch Setos Becher nicht! Die wissen, dass darauf die Todesstrafe steht!"

"MAU!"

"Mensch Joey!"

"MAU!"

"Nur weil Kaiba dich Hund nennt, musst du noch lange nicht anfangen zu maunzen!" meckerte Tristan

"MAU!"

"Das war ich nicht, Alter!"

"MAU!"

"Und wo kam das dann her?" fragte sich Yugi.

"MAU!"

"Da!" entdeckte Mokuba eine kleines Siamkatzenbaby, welches wackelig auf der Lehne des Sessels stand und sich nicht traute herunterzuspringen. "Eine Katze!" freute er sich. Er liebte Katzen über alles, aber Seto hatte ihm immer verboten Haustiere zu halten.

"Guck mal" sagte Noah und wies ihn auf die Schleife am Hals der Katze hin.

"Auf dem Anhänger steht Happy Birthday!" freute sich Mokuba immer mehr.

"Was für ein blöder Name für eine Katze!" meinte Joey und sprang vorsorglich schon mal auf die Couch, bevor ihn wieder jemand treten konnte.

"Gar nicht!" schnippte Mokuba und kuschelte das Kätzchen an sich.

"Na, da hat sie dich ja vor mir gefunden." Diese Stimme?

"Seto!" rief Mokuba und sah seinen Bruder in der Tür stehen. Er hatte ganz normale Jeans an und einen grauen Kaschmirpullover, was sonst gar nicht sein Stil war. Seine Haare waren noch etwas feucht und seine Wangen noch ganz gerötet, was seine strahlenden blauen Augen noch mehr betonte. Er kam wohl gerade aus der Dusche, wo sie ihn natürlich nicht gesucht hatten. Man konnte sofort erkennen, dass er wieder zugenommen hatte und die Kleidung betonte seine mittlerweile wieder athletische Figur perfekt.

"Seto, du bist doch gekommen!" strahlte Mokuba über das ganze Gesicht.

"Klar, wenn ich schon extra eingeladen werde."

"Und die ist von dir?" fragte Joey, welcher immer noch auf der Couch stand.

"Erstens: Ja. Zweitens: Komm vom Sofa runter und Drittens: Wenn du sie frisst, Köter, ziehst du in den Garten."

"Seto, du bist wieder da!" lief Mokuba auf seinen Bruder zu und sprang ihm in die Arme. Seto passte auf, dass die Katze nicht runterfiel und ließ sich von ihm in die Arme schließen.

"Musst du wieder zurück?" fragte Noah. Seto sah ihn über Mokubas Schulter hinweg an und schüttelte den Kopf.

"Yeah!" meinte Mokuba und drückte Seto noch fester.

"Schön, dass du wieder da bist" bestätigte Noah und ging auf seine Stiefbrüder zu.

"Wäre nett, wenn du mich mal wieder loslassen könntest" bat Seto und wurde aus der Umklammerung entlassen. Noah hielt ihm zur Begrüßung seine Hand hin und Seto ergriff diese sogar und gab ihm einen kräftigen Händedruck.

"Hier, deine" sagte Seto wieder an Mokuba gewand und gab ihm das Kätzchen zurück, welches fälschlicherweise bei ihm gelandet war. "Happy Birthday, Mokuba."

"Ich darf echt eine Katze haben?" freute sich der Kleine.

"Nein, die musst du morgen wieder zurückgeben" verdrehte Seto die Augen. Er hasste rhetorische Fragen. "Natürlich darfst du sie behalten. Denk dir mal nen schlauen Namen für sie aus."

"Happy Birthday!" strahlte Mokuba.

"Hatte ich schon gesagt. Und jetzt einen Namen bitte."

"Happy Birthday! Das ist ihr Name."

Seto zog die Augenbrauen zusammen. "Ist das, was du hast ansteckend?"

"Ich habe Kohldampf. Wir haben doch noch was von der Torte von heute Morgen?" hüpfte Joey von der Couch und zog die anderen in Richtung Küche. Während sie sich in dorthin trollten, nickten sie Seto alle ein Mal lächelnd zu.

"Hi" sagte Yugi schüchtern lächelnd.

"Hi" antwortete Seto hell und ebenfalls lächelnd.
 

In der Küche wurde dann erst mal der kärgliche Rest des Geburtstagskuchens vertilgt, den Joey morgens noch nicht vernichtet hatte. Da sie aber noch immer Hunger hatten, beschlossen sie alle gemeinsam ein einfaches Pastagericht zu kochen. Alle waren gut gelaunt und sogar Seto beteiligte sich an der Kocherei, stritt sich mit Joey (der wir gewohnt nur Chaos verbreitete) und erwiderte ab und zu Yugis schüchternes Lächeln.
 

"Mensch Yugi! So wird das nichts, lass mich mal!" Und damit hatte Yami auch schon gewechselt und klopfte Seto kräftig auf die Schulter, der sich umgehend an der probierten Soße verschluckte. Die ganze Zeit wich er nicht mehr von seiner Seite, quasselte ihn voll und nahm jede Gelegenheit wahr, irgendwie vorsichtigen Körperkontakt zu pflegen. Solange bis Seto ihn freundlich aber bestimmt in seine Schranken wies. Da Yami das allerdings nicht so schnell checkte, wurde Seto langsam ziemlich genervt. Und schon war der alte Hausdrache wieder geweckt.

"Mokuba, komm von Noah runter und deck den Tisch, Köter lass die Finger vom Nachtisch, Tea deine Make-up-Kontrollierei nervt, Tristan ... mach dich irgendwie nützlich und hilf Mokuba, Köter ich hab gesagt du sollst den Nachtisch in Ruhe lassen und du ..." dabei sah er Yami scharf an "...hör auf mich ständig anzufassen, das ist mir unangenehm. Ich bin nicht Seth also Finger weg, klar?" Das war eindeutig.

"Ich freu mich zwar, dass Kaiba endlich gelernt hat bescheid zu sagen, wenn ihm etwas unangenehm ist, aber seine aufbrausende Ader hat er wohl nicht in den Griff bekommen" stellte Tristan fest.

"Das gehört dann wohl zur Persönlichkeit" antwortete Yami geknickt und machte wieder Platz für Yugi.

"Das hab ich gehört, Tristan!" rief Seto vom Herd herüber und gab seinem kleinen Bruder ein paar Teller aus dem Schrank herunter.
 

Das Essen wurde trotzdem noch ganz lecker und hätte für alle zwei Mal gereicht.

"Hast du eigentlich mal über mein Angebot nachgedacht?" fragte Noah als sie nach dem Hauptgericht endlich beim Nachtisch angekommen waren.

"Was meinst du?" fragte Seto zurück und kratzte den letzten Rest Choco-Mouse aus seiner Schüssel.

"Ob du wieder in die Unternehmensführung einsteigen willst."

Seto sagte erst mal gar nichts und fragte "Ist noch was von dem Schokozeug da?"

"Du weichst aus" bemerkte Noah.

"Ich weiß" antwortete Seto und nahm eine gefüllte Schüssel von Tea entgegen.

"Bekomme ich keine Antwort?"

"Ich weiß nicht, was du von mir hören willst, Noah."

"Deine ehrliche Meinung."

"Ganz ehrlich?"

"Ja, ganz ehrlich."

Seto stellte die Schüssel wieder auf den Tisch, schlug die Beine übereinander und sah Noah direkt an. "Ich weiß gar nicht, wo ich im Moment stehe. Einerseits will ich endlich mein Leben in den Griff kriegen und etwas ändern und andererseits erwartest du von mir, dass ich die selben Dinge tue, die ich vorher getan habe. Ich weiß ja, dass ich mal wieder arbeiten sollte, um nicht ständig aus deiner Tasche zu leben ..."

"Seto, das ist es doch gar nicht!"

"Darf ich ausreden? Gut. Ich weiß zurzeit gar nicht wer ich bin und wo ich hin möchte. Dein Angebot ehrt mich und ich würde auch gerne darauf eingehen, aber ich weiß nicht, ob ich das leisten kann, was du von mir erwartest. Ich weiß auch gar nicht wofür es sich im Moment lohnt überhaupt zu arbeiten und zu leben und damit meine ich nicht nur Geschäftliches."

Stille trat im Raum ein.

Mokuba scharrte erst nervös mit den Füßen, stand dann auf und umarmte seinen großen Bruder. Seto nahm ihn ebenfalls in die Arme bis er sich nach kurzer Zeit wieder von ihm löste.
 

"Darf ich dir jetzt etwas zeigen?" fragte Noah und deutete Seto an, ihm zu folgen. Sie gingen in das große Privatbüro, welches Noah hatte umgestalten lassen. Es standen nun zwei große Schreibtische darin und es war auf den ersten Blick zu erkennen, welcher Tisch wem gehören sollte. Der eine war aus massiver, dunkler Eiche und es standen Pflanzen, sowie eine Schale Gummibärchen darauf. Der Rest lag schon voll mit Unterlagen, welche auf schleunige Bearbeitung warteten. Der zweite Schreibtisch stand auf der anderen Seite des Raumes und war aus glänzend weißem Marmor gearbeitet. Darauf stand eine silbern-blaue Schreibtischlampe und eine gläserne Drachenminiatur. Neben einer großen Packung Schokopralinen, lag ein Päckchen, welches ausgepackt werden wollte. Seto ging darauf zu und blieb vor seinem Tisch stehen.

"Mach es auf. Wir haben es als Welcome-back-Geschenk gedacht. Ist sicher etwas makaber, aber pack es trotzdem aus" bat ihn Noah.

Seto tat ihm den Gefallen und wickelte das Band von dem rechteckigen Karton, öffnete ihn und hob einen Geigenkasten heraus. Fragend sah er seine Freunde an.

"Weiter" flüsterte Mokuba.

Seto öffnete den Geigenkasten und hob eine Violine heraus, welche nicht normal hölzern, sondern weiß lackiert war. Sie hatte viele silberne und blaue Applikationen und um den Bogen, wand sich ein passend dazu lackierter Drache.

"Seto" holte Mokuba ihn aus seinen Gedanken. "Die Umstände waren zwar schlecht, aber die Sache an sich war doch gut. Es hat sich alles geändert, aber deswegen müssen wir doch die schönen Dinge aus der Vergangenheit nicht verbannen. Jetzt dürfen wir endlich so leben, wie wir wollen. Und niemand bestraft uns für die Dinge, die wir gerne tun."

"Gib dir einen Ruck und spring über deinen Schatten" ergänzte Noah.

Seto stand noch immer da und starrte die Geige an. Er schloss die Augen, hob das Instrument an und begann ein langsames, trauriges Lied zu spielen. Durch die Größe des Raumes hallten die Töne lange nach und die untergehende Sonne des Nachmittags tauchte den hellen Raum in ein sanft rotes Lichte. Nach dem Ende des Liedes setzte Seto die Geige ab, legte sie vorsichtig in den Kasten zurück und flüsterte ein leises "Danke" bevor er die Verpackung des Kastens bestimmt in den Müll beförderte.

"Super" meinte Joey. "Können wir jetzt mit der Party anfangen?" und wie auf Kommando klingelten auch schon Mokubas erste Gäste.
 

Alles in Allem war es eine erfolgreiche Party, die Mokuba viel Spaß machte. Zuerst saßen sie nur mit einigen Gästen im Wohnzimmer und spielten ein Gesellschaftsspiel. Als dann bald der erste Alkohol dazu kam, kamen einige Gäste auf den Trichter "Sag mal Mokuba, habt ihr nicht einen Swimmingpool?" und so wurde die Party kurzerhand auf die oberste Etage an den Pool verlegt. Als die hausfremden Gäste dann endlich so besoffen waren, dass sie ihre Angst vor dem Hausdrachen verloren (Seto mochte immer noch keine Fremden im Haus haben, hielt aber gepflegt die Klappe, um seinem Bruder nicht den Spaß zu verderben), wurde die Party noch ausgelassener. Hätten sie Nachbarn gehabt, hätten sich diese sicher über das viele Gelächter und die laute Musik beschwert, aber es hatte ja auch Vorteile, wenn man stinkreich war.

Seto hatte es abgelehnt seine Badesachen anzuziehen, was natürlich vor allem die weiblichen Gäste sehr enttäuschend fanden, saß die meiste Zeit am Beckenrand in einem Liegestuhl und erwiderte ab und zu das ausgelassene Winken seines kleinen Bruders. Nach einer wilden Wasserschlacht mit Tristan, Joey und Noah, verzog sich Yugi dann zu Seto an den Rand und leistete ihm Gesellschaft. Bald kam auch Noah dazu und sie unterhielten sich so über dies und das, bevor die betrunkenen Gäste allzu übermütig wurden. Kurzerhand packten sie den trockenen Seto an Armen und Beinen und beförderten ihn unter lautem Protest in den Pool. Erst jubelten und klatschten alle ... bis Seto wieder aus dem Wasser auftauchte und die aufgeheizte Stimmung mit einem einzigen eisigen Blick gefrieren ließ. Einer der Gäste drehte die Musik leiser und wollte sich entschuldigen, bekam aber nur einen so bösen Blick, dass er sich, sicher auch aufgrund des übermäßigen Alkoholkonsums, direkt vor Setos Füße auskotzte. Angewidert drehte dieser sich um und verließ die Szene.

Mokuba, der ohnehin vorhatte, die Party aufzulösen, da es ja schon ziemlich spät in der Nacht war (und er ja schließlich noch was vorhatte XD), rief jedem Gast ein Taxi und ließ alle nach hause bringen. Ursprünglich wollte er sie ja in den Gästezimmern übernachten lassen, aber er war sich sicher, dass seine sicher später verkaterten Bekannten ganz froh waren, wenn sie zuhause aufwachten.
 

Seto saß mittlerweile wieder trocken im Wohnzimmer und guckte in die Glotze. Die anderen setzten sich noch zu ihm und wollten mal die Lage abtasten. Als lLetzter setzte sich Mokuba dazu. Er ließ sich auf Noahs Schoß fallen und seufzte ein Mal tief durch.

"Und? Alle weg?" fragte Joey.

"Ja, alle vertrieben" bestätigte Mokuba, lehnte sich zurück und versuchte sich zu entspannen.

"Tut mir leid" meinte dann Seto ganz unvermittelt.

"Was?" fragte Mokuba ratlos.

"Dass ich dir deine Party verdorben habe. Das wollte ich nicht."

"Quark. Ist doch nicht deine Schuld, wenn meine Gäste so viel saufen, dass sie nicht mehr wissen was sie tun. Zum 18. mach ich das anders."

"MAU!" Happy Birthday kam ihres Weges und suchte sich ein lauschiges Plätzchen, welches sie auf Yugis Arm auch fand und sich dort gemütlich einkuschelte.

Nach kurzem Schweigen stand Seto auf. "Ich geh dann mal ins Bett. Gute Nacht allerseits" sprach er und verschwand.

"Mann, so ein Reinfall. Dabei war er gerade etwas aufgetaut" meinte Tea traurig.

"Das kommt schon wieder in Ordnung. Wahrscheinlich ist er nur müde" vermutete Noah, drehte sich zu Yugi und streichelte Happy Birthday über den Kopf, welche genüsslich anfing zu schnurren. Nachdem sich müdes Schweigen ausgebreitet hatte, durchbrach Joey das plötzlich, sodass Tristan direkt vom Stuhl fiel:

"Ach ja! Ihr habt unsere Überraschung doch noch gar nicht gesehen! Los jetzt, schnell bevor der Tag vorbei ist."

"Was denn?" fragte Noah. "Es ist doch schon gleich halb zwei."

"Ach Mist. Na ja, egal. Los aufstehen! Wir haben uns solche Mühe gegeben!" und mit einem anzüglichen Grinsen ergänzte er: "Ihr hattet doch noch was vor heute Abend!"

Bei Mokuba fiel der Groschen zuerst und er lief tiefrot an. Noah grinste, stand auf und folgte dem drängelnden Joey in sein und Mokubas Schlafzimmer. Die anderen gingen ihnen hinterher, sie wussten ja, was Joey sich ausgedacht hatte. Mit Erstaunen sah Mokuba, dass das ganze Zimmer voll mit Rosenblättern, Kerzen, Seidentüchern und Duftstäbchen war. Alles in allem eine ziemlich stimulierende Atmosphäre, sah ein bisschen aus wie ein Brautzimmer.

"Na dann, viel Spaß!" grinste er, schob das verdutzte Pärchen ins Zimmer und schloss die Tür. "So und was machen wir jetzt noch?" fragte er seine Freunde.

"Hmmm, Film gucken?" fragte Tristan.

"Jupp!" freute sich Joey und tanzte zurück ins Wohnzimmer.

"Der hat eindeutig zuviel intus" meinte Tea und folgte ihm.
 

Als Tristan und Yugi auch ankamen, hatte Joey schon alles fertig gemacht und sogar Getränke und Knabberkram hingestellt.

"Ich glaub ich geh dann auch mal ins Bett" meinte Yugi als er die Chips auf dem Tisch sah und Yami sofort anfing zu jubeln.

"Yugi, Chips! Chips! Ich will Chips!"

"Nix da" meinte Yugi. "Du bist doch kein kleines Kind mehr!"

"Was redest du denn da?" guckte Joey ihn fragend an.

"Yami nervt" meinte der nur kurz.

"Ach, wegen den Chips?" flötete er und wedelte damit vor dem Millenniumspuzzle hin und her.

"Und jetzt noch Pudding!" rief Yami, obwohl Joey ihn natürlich nicht hören konnte.

"Gute Nacht!" drehte sich Yugi um und stürmte aus dem Zimmer. Nachdem er Yami endlich wieder zum Schweigen gebracht hatte, stellte er fest, dass er direkt vor Setos Zimmer stand und die Tür anstarrte. Kurz überlegte er, ob er reingehen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder sofort.

>Der hat jetzt bestimmt keine Lust auf Gesellschaft< dachte Yugi und wollte gerade in sein eigenes Zimmer gehen, als er von drinnen einen Rumms hörte. Er riss die Tür auf und sah, dass Seto gerade versuchte Happy Birthday aus einem der Regale rauszuholen und dabei ein paar Bücher heruntergeworfen hatte.

"Seto! Alles ok?" fragte er geschockt.

Seto sah ihn nur mit großen Augen an und meinte dann: "Klar. Komm her und hilf mir, sonst tut sie sich noch was."

Aber wie sollten sie da oben an das Regal kommen? Das war sogar für den fast zwei Meter hohen Seto zu hoch und den Schreibtischstuhl hatte ihm Joey nach der letzten Leihgabe gar nicht zurückgebracht.

"Das könnte klappen, wenn wir uns übereinander stellen" meinte Yugi. "Aber wie das gehen soll, weiß ich auch nicht."

"Aber ich" meinte Seto und stellte sich hinter Yugi, der dadurch ziemlich nervös wurde und sein Herz einen kurzen Sprung tat. "Darf ich?" fragte Seto, während seine Hände neben Yugis Hüften schwebten.

"K...klar" stotterte er und wurde auch prompt von dem mittlerweile wieder kräftigen Drachen in die Höhe und auf dessen Schultern gehoben. Dann ging er das letzte Stück bis zum Regal vor.

"Kommst du ran?" fragte er und Yugi versuchte das Kätzchen zu greifen.

"Ein Stück noch" meinte Yugi und spürte, wie Seto ihn noch etwas höher drückte.

Jetzt konnte Yugi die kleine Siamkatze greifen und Entwarnung geben. Seto setzte ihn wieder ab und hob die Bücher auf, die durch Happy Birthdays Ausflug auf dem Boden gelandet waren. Yugi stand noch immer etwas dumm im Raum herum und wusste gar nicht, was er jetzt eigentlich machen sollte.

Seto sah ihn fragend an: "Willst du dich nicht setzen?"

"Doch, klar!"

Aber wohin? Der Stuhl war ja weg und das Sofa lag voll mit Setos Klamotten, die er noch nicht wieder von seiner Reisetasche in den Schrank geräumt hatte. Also blieb nur das Bett. Das Kätzchen fand dies auch die beste Wahl und machte es sich gleich zwischen Setos Kopfkissen gemütlich. Als der fertig war mit Aufheben, setzte er sich im Schneidersitz zu Yugi aufs Bett und streichelte seine haarige Freundin.

"Das ist der Grund, weshalb ich keine Haustiere haben wollte" bemerkte er.

"Weil sie sich von dir streicheln lassen?" fragte Yugi verdutzt und bekam einen ebenso verdutzten Blick zurück.

"Nein, weil sie so viel durcheinanderbringen."

"Ach so. Magst du denn keine Tiere?"

Happy Birthday drehte sich auf den Rücken und zog mit ihren kleinen Krallen an Setos Hand und nuckelte an seinem Finger.

"Doch" lächelte Seto liebevoll.

Irgendwie wollte Yugi nicht, dass das Gespräch jetzt ins Stocken kam und brabbelte einfach drauflos.

"Hast du sie denn überhaupt schon gefüttert?"

Seto nickte in die Ecke des Raumes, wo das Kätzchen mit einer Schüssel Milch einen ziemlichen Kleckerkram hinterlassen hatte.

"Und dabei ist das nicht mal mein Tier."

"Aber sie scheint dich doch zu mögen."

"Ich glaube nicht, dass dieses Baby mich ausgesucht hat. Eigentlich braucht sie was anderes in ihrem Alter."

"Meinst du wirklich, dass Futter und Mutterwärme alles ist, was sie braucht, um groß und stark zu werden?"

Setos Blick wurde traurig und jetzt erst fiel Yugi auf, dass er mal wieder einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. Mutterwärme hatte Seto ja nie bekommen.

"Tut mir leid" entschuldigte er sich umgehend.

"Schon gut. Ist ja nicht deine Schuld."

"Seto. Ich habe vielleicht nicht das Recht, dir so was anzubieten, aber wenn du darüber reden möchtest ..."

Seto seufzte. "Wenn mir das einer anbieten darf, dann du."

Yugi stutzte etwas, entgegnete ihm dann aber doch. "Bitte sei nicht traurig, Seto."

"Ich bin nicht traurig. Nur etwas ratlos."

"Warum ratlos?"

"Ich frage mich ... warum sie mich nicht geliebt hat. Eltern sollen doch eigentlich ihre Kinder lieben. So was ist doch von der Natur vorgegeben, damit die Kinder starke Menschen werden. Wenn das fehlt dann ... entschuldige, ich will dich damit nicht zumüllen."

"Doch. Ich hör dir zu, Seto. Sprich bitte weiter." Er rückte jetzt näher an Seto heran, sodass er direkt vor ihm auf dem Bett saß. "Ich kann dir das vielleicht nicht nachfühlen, aber ich weiß wie es ist ganz ohne Eltern aufzuwachsen. Meine Mutter und mein Vater haben mich geliebt und, dass ich damals nicht auch bei dem Autounfall gestorben bin, war ein Wunder. Zum Glück hat mein Großvater mich ja aufgenommen und mir die Eltern ersetzt. Genauso wie du sie bei Mokuba ersetzt hast. Und in deinem Alter und deinen Erlebnissen, finde ich deine Leistung bewundernswert. Mokuba ist ein willensstarker, glücklicher Junge. Und das ist ganz allein dein Werk."

"Er hat viel zu viel mitbekommen. Ich habe zu viel auf ihm abgeladen und war nicht genug für ihn da. So toll habe ich das nicht gemacht."

"Doch, das hast du." Yugi nahm seine Hand von Happy Birthdays Bauch und hielt sie mit der anderen zusammen fest. "Mokuba mangelt es an nichts und er hat mehr Liebe bekommen, als so manch anderes Kind. Dank dir kann er glücklich sein ... und lieben."

"Yugi." Seto sah ihn traurig an, weinte aber nicht. "Glaubst du, dass man die Fähigkeit zu lieben, verlieren kann?"

Yugi überlegte. Was sollte er ihm darauf sagen? "Nicht, wenn man jemanden hat, der sie für einen festhält."

Seto senkte seinen Kopf wieder und sah die Bettdecke an. "Ich glaube, ich kann nicht mehr lieben."

Yugi bedrückte diese Aussage sehr. "Ich glaube du liebst mehr als du denkst. Sonst wärst du nicht so traurig."

"Yugi" flüsterte Seto und legte seinen Kopf an Yugis Schulter.

"Lass dich doch einfach zurücklieben. Dann tut es nicht so weh."

"Doch. Genau dann tut es weh."

Yugi strich mit seiner Hand durch Setos Haar.

"Nein, das ist nicht wahr. Es tut weh, wenn man abgelehnt wird, wenn man geschlagen und erniedrigt wird. Aber es tut nicht weh geliebt zu werden."

"Yugi ..." Seto legte seine Arme um Yugis Oberkörper und hielt sich an ihm fest.

"Ich habe mich schon lange in dich verliebt, Seto. Und ich wünsche mir nichts mehr als, dass du dich von mir lieben lässt. Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist, nachdem du so viele Lügen gehört hast und so oft abgelehnt wurdest. Mehr als es dir zu versprechen und zu schwören kann ich nicht. Ich kann dich nur lieben, wenn du mich lässt."

"Und wenn du mir auch wehtust?"

"Das will ich nicht. Ich will dir nicht wehtun. Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist. Ich will dich nicht zwingen. Du sollst nur wissen, dass dir mein Herz immer offen steht."

"Und wenn ich dir wehtue?"

"Willst du das denn?"

"Nein. Ich will dir niemals wehtun. Das hast du nicht verdient."

"Und genauso wenig hast du es verdient."

Seto musste erst über Yugis Worte nachdenken. Konnte er ihm vertrauen? Aber wann hatte Yugi ihn jemals angelogen? Bei allen anderen spürte er es, wenn er belogen wurde, wenn er abgelehnt wurde. Aber bei Yugi spürte er nur Wärme und wohlige Geborgenheit. Konnte er das annehmen? Es war das letzte bisschen Mut, das ihm noch fehlte.

"MAU!" macht Happy Birthday sich bemerkbar. "MAU!"

"Was ist denn?" fragte Seto und drehte seinen Kopf zur Seite.

"MAUAU!" guckte sie ihn an.

"Ach so." Seto ließ Yugi los und massierte etwas ihren Bauch. Dann stand er auf und setzte sie in der hintersten Zimmerecke in ihre Katzentoilette, welche er glücklicherweise vorher vom Flur mit hineingenommen hatte. Er ging zurück zu Yugi und setzte sich wieder aufs Bett. Er traute sich nicht Yugi anzusehen.

"Woher wusstest du, was sie von dir wollte?"

"Wusste ich nicht. Ich hab's mir nur gedacht. Ich hab sie ja schließlich schon vor einer Woche geholt und sie vertraut immer noch darauf, dass ich ständig da bin, wenn sie mal was braucht. Happy Birthday ... hm, was für'n Name."

"Siehst du? Das ist es, was ich meine."

"Was meinst du?"

"Sie vertraut dir und wird nicht enttäuscht. Und damit lebt sie doch ganz gut oder? Woher sollte sie denn wissen, dass du nicht plötzlich mal weg bist? Sie vertraut dir einfach."

"Das würde sie bei jedem anderen auch."

"Glaubst du Joey würde es hinbekommen, ein Katzenbaby aufzuziehen? Da hätte Happy Birthday bestimmt keinen Bock drauf."

Da musste Seto dann doch lächeln.

"Ja, wahrscheinlich hast du Recht."

"Hab ich das, Seto?"

Seto sah ihm tief in die Augen und Yugi hoffte, dass er Setos Vertrauen endlich gewinnen konnte.

"Ja, Yugi. Ich glaube das hast du."

"Siehst du?"

Yugi legte seine Hand vorsichtig auf Setos Wange und er spürte die warme Haut darunter. Verliebt sah er den sanften Drachen an. Wie er so da saß, die Augen geschlossen und das Gefühl der liebevollen Hand auf seiner Wange genießend. Das tat gut. Es war neu, aber ... gut und warm.
 

"Seto." Yugi flüsterte, um ihn nicht zu erschrecken. Seto sah fragend zu ihm. "Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir jetzt alles wieder verscherze ... darf ich dich küssen?"

"Ich ... tut mir leid, Yugi. Ich weiß nicht wie das geht." Seto senkte seinen Kopf. Das war doch echt mal ein Geständnis.

"Ich frage ja auch, ob du dich küssen lässt. Nicht umgekehrt." Setos Wangen bekamen einen rötlichen Schimmer und er nickte ganz leicht. Yugi rückte ihm noch ein Stück näher und drehte Setos Gesicht zu sich. Langsam kam er ihm näher und stoppte kurz vor seinen Lippen. "Entspann dich einfach" hauchte er ihm entgegen bevor er seine Lippen seidenweich auf die seines Gegenübers legte. Ganz langsam, damit Seto jederzeit die Möglichkeit hatte einen Rückzieher zu machen. Liebevoll berührte er Setos Lippen zwischen seinen und verstärkte leicht den Druck. Seto sollte spüren, dass er da war. Seto wehrte sich zwar nicht, aber Yugi spürte wie sich sein gesamter Körper verspannte. Er presste die Augen zusammen und somit auch seine Lippen. Er hatte wirklich Mühe ein paar Tränen zurückzuhalten und keine Angstattacke zu bekommen. Yugi löste den Kuss wieder und streichelte sanft Setos Gesicht.

"Ist ja gut. Ich will dir doch nicht wehtun. Wir lassen es, wenn du nicht willst."

Er zog Seto in seine Arme, welcher dankbar hineinsank und seine Wange an Yugis Schulter schmiegte. "Ich liebe dich, Seto. Ich liebe dich wirklich" flüsterte er ihm zu.

"Ich will ja auch, Yugi, aber ich ... ich kann nicht ... ich weiß nicht wie."

"Scht...." machte Yugi leise und streichelte Seto durchs Haar. "Ist nicht schlimm. Lass dich einfach fallen. Ich fange dich auf."

Damit setzte Yugi erneut zu einem Kuss an und dieses Mal klappte es sogar. Seto ließ sich einfach fallen, was zur Folge hatte, dass Yugi ihn nicht mehr halten konnte und er langsam mit ihm aufs Bett sank. Seto legte seine Hände in Yugis Nacken, was ihm zeigte, dass ihm das nicht wirklich unangenehm war. Sachte strich er mit der Zunge über Setos Lippen, welcher sie entspannt öffnete und sich tiefer von ihm küssen ließ. Yugi spürte wie Seto ein wohliger Schauer über den Körper lief, als er seine Zunge berührte. Liebevoll forderte er ihn auf mitzumachen, und Seto folgte der Aufforderung nach kurzem Zögern. Was für ein Gefühl. Nun war der Schauer auch bei Yugi angekommen und leise seufzte er ihn den Kuss hinein. Wie lange hatte er sich das schon gewünscht?

Langsam legte er seine Hände unter Setos Shirt und spürte die festen Bauchmuskeln, welche sich bei jeder Berührung an- und dann wieder entspannten. Nun seufzte auch Seto und Yugi meinte, dass es jetzt genug sei. Langsam bedankte er sich bei Setos Zunge, bevor er seine Lippen wieder verließ. Seto hielt die Augen geschlossen und genoss Yugis Hände auf seinem Bauch.

"Soll ich weitermachen?" flüsterte Yugi und nahm mit Freuden zur Kenntnis, dass Seto leicht nickte.

Langsam schob er sein Shirt ein Stück hoch und küsste die freigelegte Haut. Als Seto etwas beherzter ausatmete zog er ihm langsam sein Shirt ganz aus und betrachtete verliebt den muskulösen Oberkörper unter ihm. Er musste wirklich trainiert haben und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Als erst mal nichts mehr passierte öffnete Seto seine Augen und sah Yugi ängstlich an.

"Hab ich was falsch gemacht?" stotterte er.

"Überhaupt nicht. Entschuldige. Ich hab nur gerade gedacht, wie schön du bist."

Seto wurde noch ein wenig roter als er es ohnehin schon war und schloss wieder genüsslich die Augen als Yugi sich langsam über ihn beugte und sich an seinem Hals hinabküsste.
 

"Yugi! Die Brust! Küss ihn da!" feuerte Yami ihn plötzlich an. Den hatte Yugi ganz vergessen.

"Yami, halt die Klappe! Ich bin beschäftigt!" fuhr Yugi ihn an. Seto bekam von dem Ganzen natürlich nichts mit.

"Hey! Das ist nur ein guter Ratschlag! Ich habe Seth immer die Brust gestreichelt, wenn ich wollte das er sich entspannte. Das ist seine absolut erogene Zone! Probier's aus."

"Auf deine Verantwortung."

Also machte Yugi sich daran erst mit seinen Hände und dann mit seinen Lippen über Setos Brust zu streichen. Als er vorsichtig seine Brustwarzen berührte, konnte Seto sich ein Stöhnen nicht mehr verkneifen und Yugi spürte, wie sich sein ganzer Körper mit einem Schlag entspannte und Seto völlig ergeben unter ihm lag.

"Das ist eine echte Waffe!" erklärte Yami. "Merk dir das gut, Yugi!"

"Wieso ist das eine Waffe?"

"Na, damit kriegst du alles von ihm, was du willst! Das hat bei Seth auch immer geklappt!"

"Wann hast du so was denn als Waffe eingesetzt?"

"Na, eigentlich ständig. Beim spazieren gehen, beim schwimmen, im Bett, bei Streitigkeiten in Regierungsfragen ..."

"Du hast ihm die Brust gestreichelt, während du am regieren warst?" Yugi war leicht geschockt.

"Jo" bestätigte Yami. "Er war ja immerhin der höchste Priester und hatte jede Menge Mitspracherecht ... aber ich war Pharao. Wenn er also bei wichtigen Beschlüssen anderer Ansichten war als ich, habe ich meine Geheimwaffe rausgeholt und schon musste er mir zustimmen."

Yugi stellte sich gerade das Bild vor, wie Yami mitten in einer Regierungsabstimmung plötzlich aufstand und anfing an Seths Brust rumzufummeln, damit dieser so stimmte wie Yami es wollte. Wie hatte denn das bitte ausgesehen?
 

Bei diesem Gedanken musste Yugi leise kichern. Da Seto ohnehin schon sehr sensibel war, entging ihm dieser leise Ton natürlich nicht und mit einem Ruck richtete er sich auf und sah Yugi geschockt an.

>Er lacht über mich. Ich hätte es doch wissen sollen! Er macht sich über mich lustig. Er lacht mich aus!<

Mit einem Mal drehte Seto sich unter Yugi heraus, fiel vom Bett, stand sofort wieder auf und lief völlig überstürzt aus dem Zimmer. Yugi brauchte einen Moment, bis er verstand was Sache war.

"Oh, Scheiße!" fluchte er und lief Seto hinterher.

Seto hingegen war mittlerweile vor dem Zimmer seines kleinen Bruders angekommen und wollte sich bei ihm verkriechen. Als er jedoch die Tür öffnen wollte, hörte er von drinnen nur lautes Stöhnen und die Stimme seines Bruders.

"Noah! Ja ... gut ... meeehhhhr ... bitte, Noaaaahhhh!"

Da fiel es Seto wieder ein. Das Versprechen war ja heute Nacht abgelaufen. Jetzt durften sie ja endlich.

Noch während er gehetzt versuchte nachzudenken, tauchte auch schon Yugi am Ende des Gangs auf und kam auf ihn zu.

>Nur weg!< dachte Seto und lief weiter in die entgegengesetzte Richtung. Die nächstbeste Tür war die zum Wohnzimmer, in welchem immer noch die drei anderen saßen und Yami seine Chips wegfutterten. Verwirrt drehten sie die Köpfe herum, als die Tür aufflog und ein halbentblößter Seto Kaiba mit großen Augen vor Ihnen stand.

"Kaiba, was hast du denn ..." weiter kam Joey gar nicht, da rannte Seto auch schon weiter den Gang entlang. Noch verwirrter wurde sein Blick als er kurze Zeit später Yugi hinter ihm herhetzen sah. "Was machen die denn?"

"Nachsehen!" meinte Tristan und lief hinterher. Joey und Tea knapp hinter ihm. Zum Stehen kamen sie vor Teas Zimmer. Yugi stand vor der Tür und brabbelte irgendwas von "Es tut mir leid" und "Bitte mach doch die Tür auf".

"Was ist den passiert, Yugi?" wollte Tristan wissen.

"Ich hab Mist gebaut, falsch reagiert und jetzt ist Seto sicher furchtbar enttäuscht."

"Wieso? Hattet ihr Sex und ist seiner so klein, dass er sich jetzt schämen muss?" Das sollte eigentlich nur einer von Joeys schlechten Witzen sein, aber Yugi machte das in diesem Moment nur sauer. Er drehte sich um und trat Joey so hart gegens Bein, dass dieser vor Schmerz fluchend zusammensank.

Er drehte sich wieder zur Tür und fuhr mit seinen Beschwörungen fort.

"Bitte, Seto. Es tut mir leid. Ich habe nicht über dich gelacht. Ehrlich nicht! Bitte lass mich rein, damit ich es dir erklären kann!"

"Soll ich für dich die Tür eintreten?" fragte Joey mit zusammengebissenen Zähnen. Dieser Tritt war wirklich der, der von allen den größten blauen Fleck hinterlassen würde.

"Auf keinen Fall!" rief Tea, welche schon um ihre Zimmertür fürchtete. "Nimm gefälligst den hier" sagte sie und streckte Yugi ihren Zimmerschlüssel hin. Schnell nahm Yugi ihn entgegen, fingerte ihn ins Schlüsselloch und war erleichtert, als sich endlich die Tür öffnete.

"Seto?" fragte er und blickte sich in dem dunklen Raum um. Tea trat ein Stück herein und knipste den Lichtschalter an. Sofort erhellte sich der Raum und sie sahen einen völlig zusammengekrümmt heulenden Seto Kaiba neben dem Bett kauern.

"Seto!" sagte Yugi und wollte auf ihn zulaufen.

"Bleib weg!" schrie ihm dieser hysterisch entgegen und man sah, dass seine schönen blauen Augen von den salzigen Tränen ganz zerfressen waren.

"Können wir dir noch irgendwie helfen, Yugi?" fragte Tristan.

"Nein danke. Die Suppe muss ich selber auslöffeln."

"Gut, wir warten dann draußen." Damit schlossen sie die Tür und ließen Yugi und Seto alleine.
 

"Seto, es tut mir leid" setzte Yugi an, doch von Seto kam nur ein lautes Schluchzen als Antwort. "Lass es mich erklären, bitte."

"Was gibt es denn da zu erklären?" schrie er ihn verzweifelt an. "Erst tust du solche Sachen, um mich willenlos zu machen und dann lachst du mich aus! Das ist gemein, Yugi! Ich habe dir vertraut! Ich will dich und dann tust du so was!"

"Du willst mich?" Jetzt war Yugi derjenige, der hier Aufklärungsbedarf hatte. "Meinst du das ernst?"

"Warum lachst du mich aus? Ich bin so lächerlich in deinen Augen. Du lachst über meine Gefühle!"

"Ich habe nicht über dich gelacht. Lass es mich doch bitte erklären!"

Jetzt kam Yugi entschlossenen Schrittes auf ihn zu. So entschlossen und selbstsicher, dass er seinem Alterego schon fast Konkurrenz machte.

"Geh weg! Hau ab! Lass mich alleine, ich will nicht, dass du mich weiter ansiehst!"

"Jetzt ist es aber genug, Seto" sagte Yugi bestimmt aber liebevoll und zog Seto in seine Arme. Merkwürdigerweise wehrte dieser sich gar nicht, sondern brach nur in verzweifeltes Heulen aus. Um einen Weinkrampf zu verhindern, drückte Yugi ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen, welcher auf Setos Verlangen hin sofort zu einem Zungenkuss wurde, obwohl ihm unentwegt die Tränen aus den geschlossenen Augen rannen.
 

Als Seto sich so weit wieder beruhigt hatte, löste Yugi den Kuss und ließ ihn sich in seinen Armen auswimmern. Kurz erklärte er ihm, was passiert war. Diese Sache mit dem Brustkraulen als Superwaffe und die komischen Sachen, die Yami mit Seth abgezogen hatte.

"Armer Seth" meinte Seto mit zitternder Stimme.

"Ja, Yami ist ganz schön fies."

"Ja, er macht mit fremden Körpern, was er will" bestätigte Seto **remember Yami no Yuugis Chips-Mit-Pudding-Attacken?**.

"Was ich?" schrie Yami aus seinem Puzzle.

"Klappe" sagte Yugi.

"Was ich?" fragte Seto.

"Nein nicht du!" erwiderte Yugi.

"Wer denn jetzt?" fragte Yami.

"Ah, du nervst!" sagte Yugi lauter.

"Was hab ich denn falsch gemacht?" fragte Seto ängstlicher.

"Ah, ihr seid beide echt schlimm!" entschied Yugi, nahm das Puzzle ab, schleuderte es etwas entfernt aufs Bett und widmete sich endlich seinem eingeschüchterten Drachen. Aus der Ferne konnte er Yami noch meckern hören, was ihm aber in diesem Moment ziemlich egal war. Es gab Wichtigeres als sich jetzt um Yamis angekratztes Ego zu kümmern - das konnte er morgen immer noch machen. Jetzt galt es erst mal Seto wieder zum Lächeln zu bringen.

"Siehst du, was ich meine?" fragte Yugi. "Ständig quatscht er mir dazwischen. Ob das Marik und Ryo auch so geht?"

"Ich glaube, die haben noch ein viel schwereres Los als du gezogen. Die werden ihre Yamis nämlich nicht so leicht wieder los."

"Ich will meinen ja auch gar nicht loswerden. Aber es wäre doch nur nett, wenn er in den entscheidenden Momenten einfach mal die Klappe halten würde. In der Schule sagt er mir ja auch nichts vor."

"Meinst du denn, dass er in beispielsweise physikalischen Fragen der richtige Ansprechpartner wäre?"

"Bei seinen Essgewohnheiten bestimmt nicht" lachte Yugi. "Das reagiert doch im Magen bestimmt nicht biologisch!"

"Stimmt" lächelte nun auch Seto wieder. "Aber dafür hat er ein paar andere gute Tipps ..."

"Ach, war also doch schön?" fragte Yugi hinterhältig.

"Jha..." hauchte Seto und bekam einen ganz verträumten Blick.

"Wollen wir zurück und weitermachen?" fragte Yugi und gab ihm einen liebevollen, kleinen Kuss. Seto wurde ganz rot und deutete an, dass er lieber noch einen richtigen Kuss hätte. Den bekam er natürlich auch und sank schon wieder gen Boden.

"Na, Seto." Ermahnte Yugi. "Tea wird bestimmt sauer, wenn ich dich hier auf ihrem Fußboden vernasche."

Seto wurde noch etwas roter und ließ sich von Yugi aufhelfen.

Beim Rausgehen fragte sich Yugi, ob er Yami hier einfach liegen lassen konnte. Auch Seto sah noch einmal zum Puzzle zurück.

"Na, noch irgendwelche Tipps, die ich berücksichtigen sollte?" fragte Yugi gen Puzzle, bekam aber nur beleidigtes Schweigen.

"Und?" fragte Seto.

"Zicke!" meinte Yugi knapp und gemeinsam gingen sie aus dem Zimmer, wo die anderen noch immer standen.
 

"Und wieder vertragen?" fragte Tristan neugierig.

"Ja" sagte Yugi und umfasste liebevoll Setos Taille, um ihn etwas an sich zu ziehen und eindeutig zu zeigen, dass sie ab jetzt zusammen gehörten. Seto wurde wieder rot und blickte beschämt zu Boden.

"Aaaach, versteeeeheeee!" grinste Joey breit und bekam einen Tritt von Tea.

"Mann, das wird echt zur Plage!" meckerte Joey wieder.

"Nein, du bist hier die Plage, mein Freund" grinste Tristan breit und holte mit seinem Fuß aus und deutete einen Tritt an. Joey hüpfte völlig geschockt zu demjenigen auf den Arm, der ihn noch nie getreten hatte - nämlich dem Drachen.

"Seto! Mach doch mal was!" rief er und hing auch schon völlig unbeholfen an ihm dran.

"Runter!" knurrte der nur.

Joey hopste also wieder runter.

"Sorry, Kaiba meine ich."

"Schon ok, Hundi!" grummelte er ihn jetzt an.

"Echt darf ich jetzt Seto sagen? Hätte ich das gewusst, wäre ich schon viel früher an dir hochgesprungen!"

RUMMS! Der Tritt von Tristan stand noch aus.

"Manno!" jaulte der Hund.

"Wir gehen, dann mal glaube ich" setzte Yugi an und Seto wünschte eine gute Nacht. "Ach, und Tea?" setzte Yugi nach. "Yami lasse ich dir heute Nacht hier. Vielleicht kannst du ihn ja ein bisschen beschäftigen?"

"Aber klar doch!" rief Tea und strahlte über beide Ohren. Obwohl sie Yami aus dem Puzzle ja nicht hören konnte, wusste sie ja doch, dass er sehr wohl sie hören konnte. **Und wir wissen ja alle, wie Tea zu Yami steht, gelle? Muahaha**

Das Einzige, was Yugi noch hören konnte, was ein klägliches "YUUUUUGIIIIII, es tut mir leid!" aber das ignorierte er geflissentlich und machte sich mit Seto im Arm wieder auf zurück ins Schlafzimmer.
 

Als sie an Noahs und Mokubas Zimmer vorbeikamen, hörten sie auch nur ein lustvolles "Oh Gott, Noah ... noch mal! Jaaaaahaaaaa, genau daaaa ... Nooooooaaaaaaaahhhhhhhhhh".

"Mokuba scheint sein Geburtstagsgeschenk ja richtig zu genießen" grinste Yugi.

"Du bist ja richtig anzüglich, Yugi!" stellte Seto erstaunt fest.

"Na ja, so ein bisschen färbt ein Yami dann wohl doch ab" grinste er weiter.

"Jetzt krieg ich Angst vor dir" meinte Seto mehr im Spaß, was Yugi aber sofort sehr ernst nahm.

"Nein, nicht! Ich mache nichts, was du nicht willst. Du entscheidest ganz alleine wie weit du gehen willst. Ich erzwinge gar nichts. Ich will ganz liebevoll und zärtlich zu dir sein und ..." und konnte Setos Blick gar nicht deuten. "... ich will doch, dass du es genießt."

"Ich liebe dich, Yugi!" lächelte Seto liebevoll. "Ich vertraue dir."

"Ich liebe dich auch, Seto." Damit bekam nun Yugi einen Kuss und völlig verträumt sanken sie endlich angekommen auf Setos großem Bett nieder. Als Yugi sich nun zärtlich Setos empfindlichen Körperteilen widmete, lauschte er zufrieden den lauter werdenden Wohlgefallensbekundungen seines nun völlig zahmen Drachens.

"Das haben die Brüder also dann doch gemeinsam" grinste Yugi.
 

Nachspiel
 

Trotz der langen Nacht, trafen sich alle wie jeden Samstag zur Mittagszeit in der Küche. Zuerst waren Tea und Tristan da und deckten den Tisch.

Dann kamen Noah und ein übers ganze Gesicht grinsender Moki ins Zimmer.

Als nächstes kam Joey, welcher sich jedoch mit einem Höchstmaß an Selbstbeherrschung einen Kommentar über Mokubas Gesichtsausdruck verkneifen konnte.

Als alle gerade Platz genommen hatten, kamen auch Yugi und Seto dazu.

Yugi nahm erst mal den beleidigten Yami von Tea entgegen und beschloss ihn noch ein wenig schmollen zu lassen. Er selbst war noch viel zu zufrieden als, dass er sich jetzt mit seinem eingeschnappten Pharao rumärgern müsste.

Seto machte sich gleich daran zwei Becher warmen Kakao zu bereiten, während er sich sogar gut gelaunt bei Tea bedankte, die schon die Milch aufgesetzt hatte. Yugi und Mokuba bekamen ihren Guten-Morgen-Ich-Hab-Dich-Lieb-Drink und die letzte warme Milch ging in Happy Birthdays Schüsselchen, welche es aber vorzog wie eine echte Ägypterin in der Milch zu baden, anstatt sie zu trinken.

Mokuba kletterte währenddessen verliebt auf Noahs Schoß und schlürfte dort verträumt lächelnd sein Getränk. Yugi tat es ihm gleich und kletterte nach kurzer Genehmigung des Besitzers auf Setos Schoß, was hier wiederum ein ebenso verträumtes Lächeln Setos und einen kleinen Kuss für Yugi zur Folge hatte.

Das war jetzt echt zuviel für Joey, der Seto zu allem Überfluss auch noch auf der anderen Seite des Tisches gegenübersaß.

"Sieht so aus als hätten wir hier zwei ziemlich zufriedene Kaiba-Ukes, was?"

Seto rollte mit den Augen und fragte leicht genervt: "Darf ich, Schatz?"

Schatz auf seinem Schoß bestätigte nur: "Was für ein Glück, dass du so lange Beine hast, Liebling."

Und RUMMS hatte Joey einen schmerzhaften Tritt des Drachen-Ukes sitzen.
 

To be continued ...



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Kommentare zu diesem Kapitel (39)
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Von:  DarkAngel_91
2011-06-14T14:32:22+00:00 14.06.2011 16:32
Heyhey =)

Wie cool, dass ich deine Fanfic auch auf animexx gefunden habe! :) Jetzt dachte ich schon, ich müsste bis 21 Uhr warten, bis ich die Fortsetzung hiervon lesen darf! Also, zu dem ersten Teil: Er hat mich wirklich mitgerissen! Ich habe mitgelitten, mich mit den Charkteren gefreut, ich habe sogar oftmals vergessen, dass ich ja gar nicht Teil der Geschichte bin, sondern einfach nur davor sitze und lese. Ich hatte sogar das ein oder andere Mal Tränen in den Augen...
Du achtest auf Rechtschreibung, das ist ein großes Plus, darauf achtet nicht jeder Autor. Ich hab zwar den ersten Teil auf der anderen Website gelesen, konnte dir dort aber keinen Kommentar hinterlassen, weil ich dort mein Passwort vergessen habe und es scheinbar auch nicht mehr erneuern kann, keine Ahnung, was mit dem alten falsch ist... Von daher kann ich ja auch nicht beurteilen, ob hier mehr Rechtschreibfehler drin sind, du hast es ja neu hochgeladen auf der anderen HP.
Ich hatte deine FF sogar schon einmal gelesen, nur irgendwie hab ich mich angesichts der vielen Fortsetzungen ein wenig hilflos gefühlt und dachte "das zu lesen, schaffst du doch nie". Aber wenn du es sogar in einem Leben SCHREIBEN konntest, dann schaffe ich es auch, das zu lesen ^.~ Mich hast du als treue Leserin und Kommischreiberin dazugewonnen, auch wenn ich wohl eher unregelmäßig dazu kommen werde, mal weiterzulesen.
Bist ja sogar noch an der Geschichte dran, wenn ich das richtig mitbekommen hab? Mach auf jeden Fall weiter so!!! Ich bin ein Fan von dir ;)

Lg, Angel <3
Von:  Paiyumobu
2011-05-14T16:44:03+00:00 14.05.2011 18:44
Hallo masamume,
deine kommischreiber haben recht, ich gehöre jetzt auch dazu.
Ich finde deine FF super manche stellen sind zum heulen schön.
Als ich sie das erste mal gelesen habe hab ich gedacht menno wie lang, bis ich sie das zweite, dritte, vierte, fünfte mal gelesen hab jetzt sag ich nur noch supi geili jipi.

tschüssi****
Paiyumobu
Von: abgemeldet
2010-04-30T17:55:42+00:00 30.04.2010 19:55
Hi ^^
ich kenne diese Storys schon länger (ich glaube noch von yaoi.de-Zeiten, wenn du dich daran erinnerst)
DAmals hattest du mir & einer Freundin die FFs mal per Mail zukommen gelassen. Meinst du so etwas wäre wieder möglich? Ich hab wieder hierher gefunden irgendwie und wollte die FF gerne lesen nur mag ich das Mexx-Format nicht so wirklich (außerdem kann ich die Wordversion besser ausdrucken als alle anderen)
wäre sehr lieb

Ich erinnere mich noch wie sehr ich die Charakterdarstellung mochte und das alles so authentisch dargelegt worden war.

Liebe Grüße
Von:  Deikith
2010-04-20T08:27:16+00:00 20.04.2010 10:27
Sehr schön :)
Ich bin durch eine Freundin - die mir mal ein paar nette Geschichten auf Mexx empfohlen hat - hier gelandet. Zwar ist die FF schon älter, aber das spielt ja keine Rolle ;)
Das erste Kapitel war schonmal sehr vielversprechend, auch wenn es an manchen Stellen etwas schnell ging. Ich werde dann nachher mal weiterlesen ^-^
LG
Yukimura
Von:  Percival_Graves
2008-04-23T09:39:10+00:00 23.04.2008 11:39
*-*
Masa goes Animexx!!!!
*freu* *freu* *freu* *freu* *freu* *freu* *freu* *freu*
Hach, das is ja toll, dass du jetzt auch auf Animexx deine Storys hochlädst. x333
Kommen die anderen vielen tollen dann auch noch? xDDDD
Also, dass ich deine Storys ganz toll find, das müsstest du wissen...
*Susichan bin* xDDDDD
Ich hoffe, du erinnerst dich noch an mich. öö
Wenn nicht, dann helf ich dir gern auf die Sprünge, sag mir nur bescheid. :)
*winku*
Das -Nii-san- (oder Susichan xD)
Von:  Kaia16
2007-05-19T16:23:33+00:00 19.05.2007 18:23
Oh je Jetzt muss ich mich selbst mal bestraffen. hab dir ja noch kein Kommi geschrieben seit ich diese FF gelsen hab. Also sowas das gibt ne woche kein süßes mehr *g*.

Also Ich muss sagen diesen ersten teil fand ich voll....Naja.....krass würde ich sagen. Deinen schreibstil mag ich aber sehr gerne, da er sehr schön zu lesen ist und die ausarbeitung finde ich sehr gut.
Also mit mir hast du einen treuen Fan
Kaia
Von:  _Shary_
2007-04-13T15:28:52+00:00 13.04.2007 17:28
Genial!^o^
Wow,das ist echt die beste Fanfiction die ich je gelesen hab!!!!!
Ich hab mir die Geschichte jetzt schon mindestens 3 Mal ganz durchgelesen,weil sie so toll ist!^_^
*daumen hoch*
*zu Favos tu*
Die anderen Teile les ich auch noch!^-^
Von:  Lunaris86
2006-10-29T18:22:16+00:00 29.10.2006 19:22
Hallöchen!
*reinkuller*
Hab grad den ersten Teil fertig gelesen. Ich bin begeistert, einfach toll!!! *respect*
Wenn der erste Teil so lang is, freu ich mich schon auf den Zweiten! *totale Leseratte ist* XP
Du kannst einfach toll schreiben, man kann sich als Leser richtig gut in die Charas hineinversetzen! Sowas findet man selten. Mach weiter so!
*zu den Favos pack*
*jetz hast'nen neuen Fan*
*davonroll*
Muss weiterlesen! XD
Von: abgemeldet
2006-07-16T17:51:53+00:00 16.07.2006 19:51
Achja...Du hast wohl viel Freizeit, was?! XD
Unglaublich!Wie kann man so unglaublich viel schreiben.^_^°
Ich bin schwer beeindruckt.
Mir fallen nach lächerlichen zwei Seiten schon die Hände ab.*drop*

Nord_Wind
Von: abgemeldet
2006-07-16T17:49:50+00:00 16.07.2006 19:49
Kann es sein, dass du es auffällig mit Drachen hast?! XD
Jedenfalls...klasse Story.^_^
Hat richtig Spaß gemacht das zu lesen.
Obwohl Fantasy nicht so mein Ding ist...*Realistin desu*
Man sieht sich!

Nord_Wind


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