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Magenta I

Willkommen in der World of Warcraft
von

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Der Auftrag aus Stormwind

Die helle Mittagssonne schien bereits durch das Fenster herein, als Magenta am nächsten Tag erwachte. Angestrengt die Augen gegen die unerfreuliche Störung zusammenkneifend, stellte sie fest, dass sie definitiv verschlafen hatte. Mit geschlossenen Augen tastete sie neben dem Bett nach ihrer Kleidung, nur um dann angeekelt die Hand zurückzuziehen. Halb angetrocknetes Wolfsblut war nicht unbedingt etwas, das man auf leeren Magen gut vertrug.

„Auf, auf, sprach der Fuchs zum Hasen, hörst du nicht den Jäger blasen?“, dozierte Pizkol vom Fensterbrett aus.

Nur Sekunden später flüchtete er vor einem mit wenig Präzision nach ihm geworfenen Stiefel, der ihn zwar zielsicher verfehlte und dafür den zum Waschen bereit gestellten Wasserkrug in mehrere Einzelteile zerlegt, indem er ihn auf den Fußboden beförderte.

„Ich mag diesen Tag nicht“, stöhnte Magenta und zog sich zu einer intensiven Beratung mit ihrem inneren Schweinehund unter die Bettdecke zurück. Als sich jedoch Pizkols Genörgel, dass sie wohl an diesem Tag nicht mehr nach Stormwind kommen würden, gepaart mit ihren eigenen Bedenken, was wohl ihre Meisterin zu ihrer Bummelei sagen würde, nicht mehr ignorieren ließen, seufzte sie noch einmal laut und vernehmlich und stand schließlich doch auf. Energisch scheuchte sie ihren dämonischen Diener aus dem Fenster, warf ihre ruinierte Kleidung gleich hinterdrein und streifte sich ihre Akolytenrobe über. Etwas grober Faden bändigte die rote Haarflut zu einer nachlässigen Frisur und ein Blick auf den zerbrochenen Wasserkrug erübrigte die restliche Morgentoilette. Man konnte eben nicht alles haben. Jetzt fehlte nur noch ein anständiges Frühstück, wenn möglich ohne weitere Störungen.
 

Wie es schien, waren Ruhe und Frieden jedoch nicht unbedingt das Aushängeschild des Gasthauses in Goldshire. Missmutig stocherte Magenta in ihrer fettigen Portion Rührei herum und versuchte hartnäckig eine höchst quietschige Stimme vom Tisch nebenan zu ignorieren, was jedoch nicht ganz einfach war.

„Und ich sage euch, die Stühle für kleine Leute werden der Hit. Ihr müsst nur einmal die Möglichkeiten betrachten, die sich dadurch eröffnen“, verkündete die Stimme gerade dem brummigen Wirt.

„Ich will keine Kinder hier drin“, wehrte der entsetzt ab. „Die machen immer so viel Dreck und schreien so viel.“

Als wenn man das von den übrigen Gästen nicht auch behaupten könnte, dachte Magenta bei sich.

„Wer redet denn von Kindern?“, fragte die Stimme freundlich, aber bestimmt. „Ich bin ja auch kein Kind. Aber überlegt doch einmal, wie viel so ein Zwerg trinken kann. Und Zwerge mögen es nicht, wenn man sie auf ihre Größe anspricht. Aber sie mögen es auch nicht, wenn sie nicht über den Tisch gucken können. Deshalb sind in Zwergenschänken die Bänke und Tische ja auch so niedrig. Aber darauf werden Eure normalen Gäste nicht sitzen können. Deshalb haben die von mir erdachten Stühle auch einen eingebauten Mechanismus, mit dem man ihre Größe verändern kann. Das ist die Erfindung schlechthin. Also … wie viele soll ich als Bestellung aufnehmen?“

Der Wirt sah inzwischen aus, als hätte er bereits den Anfang der ersten Sätze vergessen, und fing an, nervös seine Finger zu kneten.

„Aber ich sage Euch doch, ich brauche diese Dinge nicht“, versuchte er verzweifelt die energische Stimme zu überzeugen. „Wirklich nicht. Außerdem habe ich überhaupt nicht das Geld dafür.“

Glücklich über eine Ausrede wollte er sich schon in die Küche flüchten, doch er hatte seine Rechnung ohne den Gast gemacht. Unbeirrbar schob dieser nun seinen Stuhl zurück und folgte dem Wirt, während er, oder besser gesagt sie, ihre Rede fortführte.

Magenta blinzelte erstaunt, denn noch nie hatte sie eine so kleine Frau gesehen. Wenn es hochkam, ging dieser Zwerg - oder was es auch war - Magenta bis kurz über das Knie. Zwei buschige, schwarze Pferdeschwänze standen nach beiden Richtungen von ihrem Kopf ab und wippten bei jeden Schritt fröhlich vor sich hin. Gekleidet war die kleine Frau in eine dunkelviolette Robe und an ihrem Gürtel baumelte ein Dolch, der wegen ihrer geringen Körpergröße jedoch eher wie ein Schwert wirkte.

Fröhlich schwatzend (sie war bereits zu Finanzierungsvorschlägen für die Möbel vorgedrungen) folgte sie dem Wirt hartnäckig durch die Gaststube, während dieser sich verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit umsah. Sogar Magenta schien er in seine Überlegungen einzubeziehen, woraufhin diese sich wieder höchst interessiert ihrem Rührei widmete. Sie hatte keine Lust, in diese Angelegenheit verwickelt zu werden. Sollte der Wirt doch selber sehen, wie er damit fertig wurde. Das war nicht ihr Problem.
 

Plötzlich flog die Tür des Gasthauses auf und eine Gruppe junger und, wie es schien, ziemlich angetrunkener Männer, betrat die Gaststube. Grölend und lachend ließen sie sich zwei Tische weiter nieder und verlangten nach Wein und Met. Froh darüber, sich endlich von seinem geschäftstüchtigen Schatten trennen zu können, beeilte der Wirt sich, seine Gäste zu versorgen.

„…und ich sage euch, sooo groß war dieser Drache“, erklärte einer der jungen Männer gerade und holte dabei so weit mit seinen Armen aus, dass sein Nachbar schleunigst in Deckung ging.

„Pass doch auf!“, pöbelte der daraufhin und knuffte seinen Kumpel ganz kräftig in die Seite.

„Ich mach, was ich will!“, brüllte der Geknuffte und fuchtelte wild mit beiden Händen in der Luft herum „Und wenn´s dir nicht passt, dann such dir doch einen anderen Tisch. Da! Da drüben ist noch jede Menge Platz!“

Unangenehmerweise deutete der angetrunkene Mann geradewegs in Magentas Richtung. Eilig schlang sie noch den letzten Rest des Rühreis hinunter und wollte schon aufstehen, als sich ein Körper schwer auf den Stuhl ihr gegenüber fallen ließ. Aus leicht glasigen Augen stierte der Mann Magenta an.

„Na, meine Schöne, wo soll´s denn hingehen?“, pustete er Magenta zusammen mit einer Alkoholwolke ins Gesicht.

„Ähm, nach Stormwind“, erwiderte sie in Ermangelung einer besseren Antwort. „Und ich glaube, ich sollte mich besser beeilen.“

„Aber 's is doch grad so nett mit uns beiden“, grinste der Mann und patschte seine Hand auf Magentas Arm. „Ich glaub, ich hab dich schon mal gesehen.“

„Bei Mekkadrills seligem Sechskantschlüssel! Dass Männer aber auch nicht Besseres einfällt, als immer die gleichen, dummen Sprüche“, schimpfte eine hohe Stimme unter dem Tisch. „Als nächstes erzählt er noch was von vom Himmel gefallenen Sternen und ähnlichem Firlefanz.“

Verblüfft beugte sich der Mann an der Tischplatte vorbei, verfehlte diese nur äußerst knapp mit seiner Stirn und blinzelte die Urheberin dieses Einwandes ungläubig an. „Ja, wer bist denn du?“

„Mein Name ist Emanuelle Fizzlebigg-Shakletrunks, sehr erfreut“, tschilpte die kleine Frau von vorhin, die Magenta jetzt verschwörerisch zuzwinkerte. „Ich verkaufe allerlei interessante Waren der neuesten Ingenieurskunst. Wärt Ihr vielleicht an einer Vorführung interessiert? Das hier zum Beispiel ist im Moment der Hit. Passt mal auf!“
 

Die merkwürdige Frau kramte etwas in ihrer Tasche herum und förderte schließlich einen kleinen Holzkasten zu Tage. Mit dem Kasten trippelte sie in die Mitte der Gaststube, stieg auf einen kleinen Schemel und verkündete mit lauter Stimme: „Wenn ich einmal um Eure Aufmerksamkeit bitten dürfte. Ihr seht jetzt den neuesten Schrei aus Ironforge. Die Kinder lieben sie und die Frauen sind ganz hingerissen davon. Seht, staunt, kauft! Ich präsentiere hiermit voller Stolz: Das mechanische Eichhörnchen!“

Nach dieser Ankündigung öffnete sie den kleinen Kasten und heraus sprang tatsächlich ein Eichhörnchen. Anstatt allerdings wie seine scheuen, natürlichen Vorbilder schleunigst das Weite zu suchen, sprang dieses Tierchen auf seine winzigen, metallenen Pfoten um den Hocker herum, macht Männchen, putzte sich und ließ die zierlichen Schnurrhaare in alle Richtungen vibrieren.

„Ah“- und „Oh“-Rufe folgten dieser possierlichen Vorstellung und binnen weniger Minuten war die kleine Frau um etliche Silberstücke reicher und die Männer allesamt damit beschäftigt, ihre neuen, mechanischen Haustiere zu bewundern.

„Wir sollten uns vielleicht lieber auf den Weg machen“, grinste die kleine Frau Magenta an. „Bevor diese Kindsköpfe noch auf die Idee kommen, sich gegenseitig Duelle damit liefern zu wollen. Glaubt mir, ich kenne diese Sorte. Denen ist in Bezug darauf alles zuzutrauen.“

„Äh … ja. Gute Idee.“, bestätigte Magenta und folgte der kleinen Frau etwas zögernd aus dem Gasthaus.
 

„Ich muss nämlich auch nach Stormwind“, erklärte die kleine Frau Magenta in fröhlichem Plauderton, während die beiden einem Wegweiser folgend den Weg in die Hauptstadt einschlugen. „Ich besuche da meine Tante und meinen Onkel. Den beiden bekommt in ihrem Alter die Luft in Ironforge nicht mehr so gut. Und wo ich gerade auf dem Rückweg aus dem Redridge-Gebirge war, habe ich gedacht, ich mache hier mal Station. Übrigens könnt Ihr mich „Emanuelle“ nennen. Ich weiß ja, dass die Menschen mit der Aussprach der gnomischen Nachnamen so ihre Schwierigkeiten haben.“

„Und mein Name ist Magenta“, gab Magenta notgedrungen zur Auskunft und notierte gedanklich, dass es sich bei ihrer Begleiterin um einen Gnom handelte. Schien so etwas Ähnliches wie ein Zwerg zu sein.

„Fein, Magenta. Freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Und was führt Euch nach Stormwind?“

„Ich … meine Meisterin hat mich geschickt. Ich soll dort einen mächtigen … äh … Zauberer treffen.“

„Ach!“ Emanuelle schien höchst erfreut. „Ihr seid ebenfalls eine Magierin? Ich suche schon lange nach jemanden, mit dem ich gemeinsam meine Studien vertiefen kann. Was ist denn Eure Spezialisierung? Ich habe mich ja größtenteils der Feuermagie gewidmet. Vielleicht liegt das an meinem Heimatort, dass mir dieses Element einfach das liebste ist. Aber es gibt in meinen Augen einfach nicht Besseres, als ein schönes, heißes Feuer, um seinen Gegnern mal so richtig einzuheizen. Findet Ihr nicht auch?“

Höflich nickte Magenta und versuchte sich, so gut ihr bald vor lauter Geplapper schwirrender Kopf das noch zuließ, durch die restliche Unterhaltung hindurchzuwinden, ohne dabei zu verraten, dass sie mitnichten eine Magierin war. Allerdings war ihre Gnomen-Gefährtin so gut in der Lage, das Gespräch auch ohne ihre Hilfe im Gange zu halten, dass das nicht weiter auffiel. Außerdem war ihr dieses fröhliche Schwatzen alle Mal lieber als die griesgrämigen Kommentare, die sie von ihrem recht verschnupft aussehenden Dämonen-Diener zu erwarten hatte, der in einiger Entfernung hinter ihnen her schlurfte und sich immer wieder halbherzig hinter Büschen und Bäumen versteckte, sobald jemand ihnen entgegen kam. Sollte der Kerl sich ruhig noch eine Weile ärgern. Schließlich hatte der ganze Schlamassel mit seinem dämlichen Weckruf angefangen.
 

Gegen Spätnachmittag lichtete sich der Wald rechts und links des Weges und gab schließlich unvermittelt die Sicht auf die hoch aufragende Silhouette von Stormwind frei. Ganz gebannt von dem prächtigen Anblick, musste Magenta erst einmal einen Augenblick lang stehen bleiben.

Zwei gewaltige, mit je einem riesigen, steinernen Löwenkopf verzierte Wachtürme flankierten einen noch immenser wirkenden Torbogen. Die hellen Steinmauern waren über und über mit den leuchtend blauen Bannern Stormwinds geschmückt, auf denen ebenfalls goldene Löwenköpfe prangten. Auf allen Türmen flatterten bunte Wimpel und auf den Wehrgängen patrouillierten mehrere Wachen in auf Hochglanz polierten, silbernen Rüstungen.

Auch in dem gewaltigen Torbogen standen mehrere Wachen Spalier. Sie musterten Magenta und Emanuelle aufmerksam, ließen sie jedoch unbehelligt passieren. Eine mehrere Meter breite Brücke führte jenseits des Tores über einen kristallgrünen See auf die eigentliche Stadtmauer zu. Dahinter waren bereits die Türme der Kathedrale von Stormwind erkennbar. Gesäumt wurde diese Brücke von vier gewaltigen Statuen:

Zur Linken stand ein mit einem mächtigen Hammer bewaffneter Zwergenkrieger und dahinter ein Magier, mit einem bodenlangen Bart, der den Ankömmlingen seinen Stab drohend entgegen reckte. Ihnen gegenüber stützte sich ein Ritter auf sein titanisches Schwert und eine wunderschöne Jägerin mit einem Langbogen, deren überlange Ohren sie unverkennbar als Elfe auswiesen, hielt eine Eule in den azurblauen Himmel gereckt. Übertroffen wurden diese Figuren nur noch von der zentralen Statue, die dem Besucher gottergeben entgegensah. Ein Ritter, den Gürtel versehen mit dem allgegenwärtigen Wappen Stormwinds, dessen Schwert jedoch in der Mitte abgebrochen war und der in seiner linken Hand ein gewaltiges Buch trug.
 

Die Feder ist eben doch mächtiger als das Schwert, schoss Magenta dabei durch den Kopf. Leider fehlte ihr die Zeit, auch die glänzende Messingtafeln zu lesen, die an den Sockeln der Statuen angebracht waren, denn jetzt nahm Stormwind selbst und das rege Treiben seiner Bewohner ihre Aufmerksamkeit in Beschlag. Genauer gesagt musste sie aufpassen, dass sie nicht von einer Schar Wachleute zu Pferd über den Haufen geritten wurde. Etwas desillusioniert und schimpfend wie ein Rohrspatz konnte Magenta gerade noch ihre Füße in Sicherheit bringen, bevor die mächtigen Streitrösser mit funkensprühenden Hufen an ihnen vorbei preschten, um ihre Herren dem nächsten Schlachtfeld entgegen zu tragen.

Emanuelle schien das Ganze allerdings nicht im Geringsten zu stören. „Wir Gnome sind es gewohnt, übersehen zu werden“, erklärte sie der fluchenden Magenta fröhlich. „Aber dafür werden wir auch leicht unterschätzt. Und außerdem ist das hier noch gar nichts gegen das Gewühl, das in Ironforge herrscht.“

Die beiden umrundeten die Mauer, an der die letzte Statue gestanden hatte, gingen durch einen mit mächtigen Fallgittern gesicherten Wehrgang und standen schließlich im Handelsdistrikt von Stormwind. Es schien nichts zu geben, was man hier nicht kaufen konnte.

In den breiten, blitzblank gefegten Gassen überboten sich die Auslagen der Händler förmlich an Köstlichkeiten. Da gab es Käse von fein bis stinkig, ein Brothändler bot feinstes Weißbrot und duftende Kirschkuchen an, ein Weinhändler verteilte Kostproben seiner Ware und lud zu einer intensiveren Verkostung in seine Weinhandlung in Kanaldistrikt ein. Daneben strömten eigenartige Gerüche und Dämpfe aus einer vor Flaschen und Tiegeln nur so strotzenden Apotheke und Waffenhändler boten sich gegenseitig übertönend ihre Waren an. Dazwischen spielten ein paar Kinder Fangen und eine kleine, runzlige Frau verkaufte kleine Katzen und Kanarienvögel in Holzkäfigen. Und trotz allem lag eine so friedliche und fröhlich Atmosphäre über dem ganzen Markt, als wäre der Krieg, der an den Grenzen des Landes tobte, nicht mehr als ein böses Märchen, das man unartigen Kindern erzählt, die nicht ins Bett gehen wollen.

Es gab allerdings auch Ausnahmen.

„Gute Waffen machen sowieso nur Zwerge“, brummelte ein grimmig aussehender Vertreter eben dieser Gattung und drängelte sich grob an Magenta vorbei. So ganz konnte sie sich dem Eindruck nicht erwehren, er sei ihr mit Absicht auf den nun schmerzenden Fuß getreten.

„Wo er Recht hat …“, grinste Emanuelle. „Es geht nichts über ein Schwert oder einen Dolche, der in der Großen Schmiede im Herzen Ironforges gehärtet wurde.“

„Aha“, machte Magenta lediglich, rieb sich den Fuß und starrte eine kleine, schwarze Katze an. Diese saß nicht wie die anderen Tiere der Verkäuferin in einem Käfig, sondern sonnte sich auf einer kleinen Steinmauer neben dem Stand. Grüne Augen sondierten Magenta, als wäre sie nicht mehr als eine höchst interessante Maus.

„Ah, die Damen sind an einem kleinen Haustier interessiert“, lächelte die Frau hinter den Käfigen. „Was darf es denn sein. Ein kleines Kätzchen? Oder vielleicht ein hübscher Singvogel? Alle feinen Damen haben heutzutage einen solchen putzigen Begleiter.“

Emanuelle schüttelte entschieden den Kopf. „Tut mir leid, Frau, aber für solch ein unnützes Tier habe ich keine Verwendung. Ein Katze taugt nun mal lediglich zum Mäusefangen und davon gibt es bei mir zu Hause nicht allzu viele.“

Magenta jedoch starrte immer noch die schwarze Katze an. „Wie viel kostet die?“, wollte sie plötzlich wissen.

„Die?“, fragte die Frau erstaunt und schien einen Augenblick lang zu überlegen. „Aber die … ähm …40 Silber. Ja genau. Die schwarze Katze kostet 40 Silber.“

„WAS?“, Emanuelles Augen schienen förmlich Funken zu sprühen. „40 Silber für so einen lausigen Flohfänger? Für den Preis verkaufe ich ja drei Eichhörnchen. Nein, tut mir leid, meine Freundin braucht diese Katze nicht.“

Energisch packte Emanuelle Magenta am Rocksaum und zerrte sie hinter sich her. Mit einem letzten, sehnsüchtigen Blick auf die schwarze Katze, folgte Magenta schließlich der keifenden Gnomin mitten hinein in das Gewühl des Marktes.

„Die wollte Euch über den Tisch ziehen, Magenta, das habe ich im Gespür“, grollte Emanuelle immer noch. “Diese Katze war nie und nimmer eine von ihren Tieren. Und überhaupt: 40 Silber! Das ist ein Vermögen. Ach was sage ich zwei Vermögen. Wucher! Abzocke! Ich sollte mir diesen Trick wirklich merken.“

Magenta musste nun anhand dieser letzten Bemerkung doch lachen. Die beiden ließen sich von dem Weinhändler noch auf eine kleine Kostprobe einladen, dann kamen sie zu einer Kreuzung, an der Emanuelle einen der Wegweiser genauer unter die Lupe nahm.

„Hier trennen sich unsere Wege wohl“, verkündete sie.“ Ich muss jetzt in Richtung Altstadt. Wenn Ihr den Magierbezirk sucht, der ist hier links. Gar nicht zu verfehlen. Bei den violetten Bannern seid Ihr richtig. Ich wünsche Euch noch viel Glück, Magenta, und besucht mich doch einmal, wenn Ihr zufällig in Ironforge seid. Einfach zur Halle der Forscher durchfragen, dort werdet Ihr garantiert jemanden treffen, der weiß, wo ich zu finden bin.“
 

Damit winkte Emanuelle Magenta noch einmal zu und verschwand dann irgendwo in der entgegengesetzten Richtung zu der, in die sie Magenta verwiesen hatte. Seufzend packte Magenta ihr Bündel fester und folgte einem nicht zu übersehenden Schild, auf dem „Magierviertel“ stand. Sie überquerte einen der vielen Kanäle Stormwinds mit Hilfe einer der noch zahlreicheren Brücken, durchquerte einen der ebenso allgegenwärtigen Gänge und stapfte schließlich auf einem sanft ansteigenden, von saftigem, grünen Gras bewachsenen Pfad hinauf, der sich zwischen eng aneinander stehenden Häuserreihen hindurchschlängelte. Hier war es merklich kühler und ruhiger als im hektischen Handeldistrikt. Man konnte förmlich das Wissen von den Wänden tröpfeln hören. Am Ende des Pfades erwartete Magenta schließlich ein sonnenüberfluteter Platz, in dessen Mitte ein hoher Turm stand. Auf der Außentreppe dieses Turms schwebten so eben drei Grazien zur Erde, tief verstrickt in eine wissenschaftliche Diskussion über magische Flüsse und Kraftlinien.

„Die Magiefelder würden sich dann also in eine Kettenreaktion positiv aufgeladener Energien verwandeln“, sagte die Blonde der drei gerade, während eine ihrer Begleiterinnen zustimmend nickte.

„Aber ist es nicht genau das, was die anfänglichen Probleme mit Adept Sylverias magischen Formeln verursacht hat?“, warf die andere, eine junge Frau mit kastanienbraunen Haaren, ein.

„Nur, wenn man nicht die richtigen Initialisierungsprozeduren befolgt“, wusste die Dritte im Bunde dazu beizutragen.

Magentas Augenbrauen hatten bereits beim zweiten Satz ungefähr die Höhe ihres Haaransatzes erreicht und sie beschloss, dass sie diese drei Frauen auf keinen Fall leiden konnte. So ein aufgeblasenes Gewäsch hielt man ja im Kopf nicht aus. Noch dazu trugen die drei Kleider aus hellen, fließenden Stoffen von einer Qualität, neben der Magenta sich vorkam, als hätte sie einen Futtersack für Pferde am Leib. Doch noch bevor sie sich dem holden Dreigestirn entziehen konnte, hatten diese sie schon entdeckt und kamen mit fröhlichem Lächeln auf sie zu geschwebt. Ein Mauseloch erschien Magenta in diesem Moment ein ziemlich erstrebenswerter Aufenthaltsort zu sein, aber leider gebot die Höflichkeit, die Grüße der jungen Magierinnen (wenngleich auch zähneknirschend) zu erwidern.

„Ich grüße Euch“, sagte die Blonde, offensichtlich die Rädelsführerin des Trios. „Ihr scheint etwas zu suchen. Können wir Euch helfen?“

„Ich …äh …“, stammelte Magenta. „Ich suche einen … äh Magier. Ziemlich mächtig. Soll hier in der Gegend wohnen.“

Ach du dicker Dämon, dachte Magenta bei sich, ich höre mich an, als wäre ich aus der tiefsten Provinz. Diese blöden Gänse können nichts, was ich nicht auch könnte. Haltung bewahren.

„Ihr sprecht sicher von Meister Malin“, überlegte die Brünette. „Er erzählte uns, dass er einen neuen Schüler erwarte. Allerdings sagte er nicht, dass es sich dabei um jemanden wieEuch handelte.“

Der Blick, den sie Magenta bei dieser Bemerkung zuwarf, schien Bände zu sprechen; und die meisten von ihnen enthielten nicht besonders freundliche Wörter. Ganz offensichtlich beruhte die Abneigung auf Gegenseitigkeit.

„Malin?“, versuchte Magenta Zeit zu schinden und kratzte sich etwas nervös am Kinn. „Ja, schon möglich. Wieso sagt Ihr mir nicht einfach, wo ich ihn suchen muss? Dann finde ich den Weg schon allein.“

„Zu Meister Malin kann man nicht einfach so hinein spazieren“, wies die Dritte, die bis jetzt nur die Stirn gerunzelt hatte, Magenta zurecht. „Ich werde Euch anmelden.“

Damit schwebte sie wieder der Turmspitze entgegen und ließ Magenta mit ihren beiden Freundinnen zurück. Ein peinliches Schweigen entstand, in der die zwei verbliebenen jungen Frauen, höchst ungeniert Magentas leicht schäbige Erscheinung in Augenschein nahmen, während diese sich den Kopf darüber zerbrach, wie sie möglichst schnell von hier wegkam. Gerade, als sie vorschlagen wollte, dass die zwei ihrer Freundin doch helfen gehen sollten, dröhnte eine laute und merkwürdig bekannt scheinende Stimme quer über den Platz.

„Ja, hier Abu sein richtig. So eine Stadt sein schließlich kein Dschungel. Obwohl Abu gesehen hat ein Krokodil im Kanal. Aber das sein jetzt nicht wichtig. Abu jetzt geht suchen Meister Malin, damit der ihm beibringt Magie.“

Magenta fielen fast die Augen aus dem Kopf, denn fröhlich pfeifend und immer noch in den grellsten Farben gekleidet stand dort auf einmal wie aus dem Boden gewachsen der komische Magier aus dem Wald vor den drei jungen Frauen. Er strahlte über das ganze Gesicht und verbeugte sich überschwänglich.

„Ah, welch Augenschmaus. Abu sich freuen, Eure Bekanntschaft zu machen.“

„Der Blumenpflücker“, krächzte Magenta matt.

„Ihr kennt Euch?“, fragte die Blonde erstaunt, und nahm dann mit kokettem Lächeln einen Handkuss des Magiers entgegen.

„F-flüchtig“, stammelte Magenta, während der komische Kerl die zweite Dame mit einem Handkuss beglückte.

Als er schließlich bei ihr ankam, steckte sie ihre Hände, so schnell sie konnte, in ihre Rocktaschen und lächelte schief. Der Kerl hatte schließlich einen Bart. Und wenn Magenta etwas war, dann kitzlig. Nicht auszudenken, wenn sie vor diesen blöden Sumpfrallen auch noch in albernes Gelächter ausgebrochen wäre. Dann schon lieber ertragen, dass der Mann sie einen Moment lang aus wasserblauen Augen verblüfft ansah, und sich dann lediglich vor ihr verbeugte.

„Mein Name sein Abumoaham. Ich mich freuen, Euch kennen zu lernen.“

„Magenta“, murmelte Magenta. „Also, mein Name ist Magenta.“

„Das sein kurzer Name für so hübsche Frau“, scherzte der Magier und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Aber Ihr vielleicht nichts dafür könnt, dass Euer Name so kurz. Ich auch nur habe Namen von Mama und Papa. Andere sein verloren gegangen bei großes Feuer in unserem Dorf. Das war schwerer Verlust.“

Einen Moment lang sah es so aus, als würde der Magier Abumoaham in Erinnerungen versinken, dann jedoch zog er ein riesiges, weißes Taschentuch hervor und schnäuzte sich so laut, dass Magenta kurz davor war, sich die Ohren zuzuhalten. Die beiden anderen Damen schienen auf jeden Fall sehr gerührt. Sie nahmen den Mann sogleich in ihre Mitte, boten ihm etwas zu essen und zu trinken an und schienen Magenta vollständig vergessen zu haben.
 

„Pst, worauf wartest du denn noch?“, zischelte mit einem Mal der Busch neben Magenta. „Schwing die Hufe!“

Erschrocken zuckte Magenta zusammen und starrte wie vom Donner gerührt das Gestrüpp an, bis sie endlich die kleinen Hörner zwischen den Ästen sah und den leichten Schwefelgeruch wahrnahm, der Pizkol immer begleitete.

„Musst du mich denn so erschrecken?“, fauchte sie zurück. Dass sie im ersten Moment gedacht hatte, es wäre tatsächlich der Busch, der mit ihr sprach, war ihr mehr als peinlich.

„Na sonst stehst du ja übermorgen noch hier“, kam die leicht verärgerte Antwort aus Pizkols Versteck. „Und überhaupt weiß ich jetzt, wo es langgeht. Ich kann die anderen spüren. Komm!“

Mit diesen Worten hüpfte der Dämon aus dem Busch, schlich sich in weitem Bogen um die Dreiergruppe am Fuße des Turmes herum und winkte Magenta, ihm in eine weitere, grasbewachsene Gasse zu folgen. Möglichst unauffällig kam Magenta dieser Aufforderung nach und ließ sich von Pizkol zu einer etwas herunter gekommene Herberge führen.
 

In dem kleinen, schmuddeligen Schankraum standen gerade einmal drei wacklige Tische und hinter dem Tresen warf ein grobschlächtiger Kellner, mit langen strähnigen Haaren Magenta finstere Blicke zu. Dabei polierte er wieder und wieder ein Glas mit einem Lappen, bei dem sie sich ernsthaft fragte, ob das Glas nicht ohne diese Behandlung sauberer gewesen wäre. Als der Blick des merkwürdigen Gesellen jedoch auf Pizkol fiel, der ganz ungeniert durch die Gaststube spazierte, verzog sich sein Gesicht zu einem beifälligen Grinsen und er grüßte Magenta mit einem fast ergeben wirkenden Kopfnicken. So schnell Magenta konnte, folgte sie Pizkol, der inzwischen durch eine Tür an der Hinterseite der Gastube getreten war. Vor ihnen wand sich ein schneckenförmiger Gang in die Tiefe, aus der seltsame Worte und Geräusche hervordrangen. Der durchdringende Geruch von Schwefel lag in der Luft und die klamme Feuchtigkeit des Ganges schien irgendwie ölig zu sein.

„Spürst du sie?“, fragte Pizkol neugierig. Seine Flammenaura schien in der Dunkelheit heller geworden zu sein.

„Wen?“, fragte Magenta. Sie spürte etwas, so viel war sicher. Es war wie ein Prickeln auf der Haut. Dort unten, das wusste sie plötzlich genau, befanden sich Dämonen. Einer von ihnen schien ebenso wie Pizkol ein Wichtel zu sein, der andere jedoch fühlte sich merkwürdig an; fast so, als wäre dort, wo er stand, eine leere Stelle in Magentas Wahrnehmung.

„Was ist das?“, fragte sie Pizkol erstaunt, als die merkwürdige, blinde Stelle anfing, sich zu bewegen. Schritte näherten sich ihnen und dann drängte sich ein Mann in dem schmalen Gang an ihnen vorbei. Er trug einen violetten Spitzhut tief ins Gesicht gezogen und hielt eine merkwürdig aussehende Kugel in seiner Hand. Doch noch bevor Magenta sich über die Kugel wundern konnte, hatte sie einen Blick auch den dämonischen Begleiter des Mannes riskiert.

Im ersten Moment glaubte sie, einem riesigen und äußerst hässlichen Hund gegenüber zu stehen, der eine ziemlich unsanfte Begegnung mit einem Stachelschwein gehabt hatte, denn sein ganzer Rücken war über und über mit schwarz-weißen Stacheln bedeckt. Doch dort, wo über der mit unzähligen Zähnen bewehrten Spitzschnauze die Augen hätten sitzen müssen, ragten lediglich zwei große Hörner vom Kopf ab. Noch viel schrecklicher waren allerdings zwei fühlerartige Tentakel, die sich auf dem Rücken des Wesens aus seinen Stacheln erhoben und mit widerlichen, schnüffelnden Bewegungen nach Magenta tasteten.

Ein kurzer, abgehackter Befehl brachten den Dämonenhund wieder zur Ordnung und mit einem fast belustigt klingenden Knurren, folgte er seinem Herren.

„Ein Teufelsjäger“, nickte Pizkol fachmännisch. „Der Hexenmeister muss eine ganze Menge riskiert haben, um ihn zu bekommen. Sind selten heutzutage.“

„Der war eklig.“Magenta verzog angewidert das Gesicht. „Ich hatte das Gefühl, dass er irgendwie … ich weiß nicht. Er ist wie ein blinder Fleck im Gehirn.“

Einen Moment lang sah Pizkol Magenta verblüfft an, dann brach er in lautes, meckerndes Lachen aus.

„Ich wüsste nicht, was es da zu lachen gibt“, schmollte die daraufhin. „Genauso hat es sich aber angefühlt.“

Pizkol beruhigte sich langsam wieder. „Das ist gar nicht mal eine so schlechte Beschreibung“, kicherte unter den letzten Ausläufern seines Heiterkeitsausbruchs. „Teufelsjäger ernähren sich ausschließlich von Magie. Sie fressen sie sozusagen. Das macht sie zu furchtbaren Waffen, wenn sie gegen einen zaubernden Gegner eingesetzt werden. Und dieser blinde Fleck, wie Ihr es nennt, ist eine Nebenwirkung dieser Fähigkeit.“

„Und was ist daran jetzt so lustig?“, beharrte Magenta störrisch.

„Och, gar nichts“, grinste Pizkol frech und hüpfte leise vor sich hin lachend den Gang hinunter.

„Ich hasse diesen Wichtel“, knirschte Magenta, bevor sie Pizkol in den halbdunklen Raum am Ende der Treppe folgte.
 

In der Mitte prasselte ein großes, einem Scheiterhaufen nicht unähnliches Freudenfeuer, an den Wänden standen Tische mit merkwürdigen Apparaturen, in denen verschieden farbige Flüssigkeiten leise vor sich hin blubberten und zischten. Der Wichtel, den Magenta bereits gespürt hatte, rief Pizkol einige kurze Worte auf Dämonisch zu, die dieser ebenso beantwortete. Eine völlig in schwarze und dunkelviolette Stoffe gehüllte Frau, saß vor einem riesigen Webstuhl und nickte Magenta zu. Der Stoff, den sich webte hatte dieselbe Farbe, wie ihre Gewänder.

„Schattenweberei, mein Kind“, erklärte sie auf Magentas fragenden Blick hin. „Etwas, das jeder Hexenmeister gut gebrauchen kann. Diese Stoffe haben magische Kräfte, die die Eurigen um ein Vielfaches steigern können. Könnt ihr Schneidern?“

Stumm schüttelte Magenta den Kopf, woraufhin die Frau sofort sämtliches Interesse an ihr verlor und sich wieder ihrem Webstuhl zuwandte.

Als Magenta sich noch weiter in dem schwülwarmen Raum umsehen wollte, kam eine weitere Frau auf sie zu. Ihr unwirsch wirkendes Gesicht wurde von einer schweren, schwarzen Haarmähne eingerahmt,

„Was wollt Ihr hier?“, blaffte sie Magenta an.

„Ich suche Gakin Dunkelbinder“, erklärte Magenta und versuchte, sich nicht von dem gebieterischen Auftreten ihres Gegenübers beeindrucken zu lassen.

„Was wollt ihr von ihm?“, fragte die Frau misstrauisch nach, doch noch bevor Magenta antworten konnte, betrat ein Mann den Raum aus einem Gang, der offensichtlich noch weiter in die Tiefe führte. Als er Magenta sah, erhellte sich seine Miene.

„Ah, da seid Ihr ja endlich.“ Er machte eine nachlässige Geste in Richtung der schwarzhaarigen Frau. „Es ist gut Demisette, ich erwarte diese junge Dame bereits.“

„Wie ihr wünscht, Meister Gakin“, nickte sie daraufhin und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.

Gakin Dunkelbinder hatte eine dunkle Haut, wachsame Augen und strahlte eine fast unangenehme Aura der Kraft aus, die Magenta gleichzeitig beeindruckte und einschüchterte. Er führte sie in einen kleinen, von oben bis unten mit Büchern vollgestopften Nebenraum, bot ihr etwas zu essen und zu trinken an und ließ sich anschließend auf einem breiten Lehnstuhl nieder. Magenta nahm ihm gegenüber auf einer kleinen Bank Platz.

„Wisst ihr Magenta“, begann er, „ich will ganz offen sein. Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit bereits eine vielversprechende Schülerin, Surena Caledon. Sie stand dort, wo Ihr jetzt steht, und brannte darauf, die Kunst der Hexenmeistermagie zu erlernen. Ihr Talent war nicht von schlechten Eltern … mehr als das; und sie war jung und eine wahre Augenweide. Hätte ich sie doch nur damals schon durchschaut, die falsche Schlange!“

Magenta, die sich so eben noch gefragt hatte, was diese Lobeshymne auf seine vorige Schülerin eigentlich sollte, horchte auf.

Gakin Dunkelbindes Augen sprühten förmlich Feuer, als er weiter sprach. „Dieses diebische Weib brannte mit einem der Defias durch, Erlan Drudgemoor. Der Verlust ihrer Person ist unbedeutend, aber ich schenkte ihr einen Blutsteinhalsschmuck, den ich unbedingt wiederhaben muss.“

Er taxierte Magenta. „Bringt mir diese Halskette, Magenta, und ich werde euch als meine Schülerin aufnehmen. Ja mehr noch, ich werde Euch beibringen, wie man die Schatten, das Feuer und die Leere selbst beherrscht. Bringt mir diese Kette und wenn ihr dafür Surenas Kopf von ihrem Hals schneiden müsst, so soll mir das Recht sein. Ihr Leben hat keinerlei Bedeutung mehr für mich. Meine Informanten berichteten mir, dass sie und ihr diebischer Freund sich in der Nähe von Brackwells Kürbisbeet verschanzt haben.“
 

Wieder vor der Gaststätte musste Magenta zunächst einmal blinzeln. Nach der schwefelschwangeren Düsternis des Kellergewölbes erschien ihr das sonnendurchflutete Stadtbild Stormwinds merkwürdig fremd. Die eindringlichen Worte ihres zukünftigen Lehrmeisters noch in den Ohren, wandte sie sich zum Gehen. Sie würde sich beeilen müssen, denn Brackwells Kübisbeet lag, wie sie auf Anfrage von dem schmierigen Wirt erfahren hatte, fast am anderen Ende des Waldes von Elwynn. Sie kaufte noch ein paar Vorräte auf dem Markt und machte sich wieder zurück auf den Weg, den sie heute Vormittag schon einmal in entgegen gesetzter Richtung zurückgelegt hatte.

„Hast du dir eigentlich schon überlegt, wie du mit den ganzen Kerlen fertig werden willst“, fragte Pizkol sie, nachdem sie Goldshire schon eine ganze Weile hinter sich gelassen hatte und die Sonne langsam begann, hinter dem Horizont zu versinken. „Wenn Meister Gakins Informationen stimmen, dann ist diese Surena nicht allein, und ohne Hilfe bin ich mir nicht sicher, ob du dieser Aufgabe wirklich gewachsen bist.“

Magenta, die es inzwischen aufgegeben hatte, ihre Diener immer und immer wieder an die richtige Anrede zu erinnern, überlegte scharf. So ungern sie das zugab, irgendwie hatte Pizkol nicht ganz Unrecht. Sie würde das alleine nicht schaffen. Aber wo sollte sie…
 

„Ha, nimm dies!“, rief da plötzlich eine Stimme aus dem Wald und kurz darauf taumelte ein ziemlich mitgenommen aussehender Mann auf den Weg. Seine Hose rauchte und an seiner Nase hing ein großer Eiszapfen. Als er Magenta sah, warf er die Arme in die Luft und lief schreiend davon. Verwundert sah Magenta ihm nach.

„Halt!“, brüllte die Stimme von vorhin erneut. „Du wiederkommen und mir dein Halstuch geben, elender Strauchdieb!“

Es schnaufte und knackte und raschelte im Gebüsch und Magenta musste geblendet die Augen schließen.Grün und violett, schoss es ihr durch den Kopf. Oh bitte, nicht der schon wieder!

Doch es half alles nichts, vor Magenta stand wieder der Magier aus Stormwind. Mit kampfbereiter Miene und gezücktem Zauberstab sah er sich wild suchend um. Als sein Blick auf Magenta fiel, breitete sich jedoch ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

„Ah, schöne Frau ist gekommen. Abu freut sich. Allerdings hat Abu keine Zeit, denn er sammelt Halstücher für Lady Timberlain beim Holzfällerlager. Sie hat Abu ein Hemd dafür versprochen.“

„Aha…“, murmelte Magenta“, Halstücher ... Ja nein, alles klar.“

„Jaha!“, erklärte Abumoaham gewichtig, während er sich an den Waldrand setzte und eine Wasserflasche entkorkte. „Diese roten Halstücher sein von guter Qualität. Lady Timberlain hat gesagt, sie viel besser als die von den Defias in Northshire. Und außerdem es sein gute Tat, wenn man beklaut diese Defiasbande, die unsicher macht den ganzen Wald von Elwynn.“
 

Unauffällig stupste Pizkol Magenta in die Seite und machte einige Gesten in Richtung des Magiers. Magenta schüttelte vehement den Kopf, doch als Pizkol gar nicht locker ließ, sah sie ein, dass es zumindest einen Versuch wert war.

„Ich suche ebenfalls nach den Defias“, bemerkte sie möglichst beiläufig und setzte sich neben Abumoaham ins Gras. „Ich habe gehört, einer ihrer Anführer soll hier ganz in der Nähe sein Lager aufgeschlagen haben.“

„Wirklich?“, fragte der Magier begeistert und sprang tatendurstig auf. „Dann lasst uns zusammen hingehen und ihnen zeigen, wo die Harke hängt.“

„Äh, das heißt Hammer“, verbesserte Magenta ihn automatisch. „Aber ansonsten hört sich das vernünftig an.“

„Dann los, schöne Magenta“, strahlte der Magier und hielt ihr hilfsbereit die Hand hin. „Zusammen wir werden noch viel mehr Halstücher bekommen.“
 

Während sie nun also zu dritt über den Waldweg wanderten, erfuhr Magenta eine Menge über ihren neuen, redseligen Begleiter. Abumoaham war in Stranglethorn, dem südlichsten Gebiet der östlichen Königreiche, geboren und aufgewachsen. Nicht unbeeindruckt lauschte sie seinen farbenprächtigen Schilderungen von Tigern, Panthern und Raptoren, den kilometerlangen, weißen Sandstränden, die ganz Stranglethorn umgaben, und dem Klang der Trommeln, die von den Lagern der Trolle nachts durch den Urwald dröhnten.

„Trolle sein nicht alle schlecht“, erklärte Abumoaham ernsthaft. „Mein Vater mit ihnen Geschäfte gemacht, als noch am Leben war. Sie guter Lieferant für alle Arten von Kräutern und Tränken. Ich auch von ihnen gelernt.“

Einem alten Trollmedizinmann sei es dann schließlich auch zu verdanken gewesen, dass Abumoaham den Überfall der Blutsegelkanoniere auf sein Dorf überlebte, so erklärte er weiter. Der Troll hatte den jungen Abu damals vor den Angreifern versteckt und ihn bei sich behalten, als dessen Eltern getötet worden waren. Als er wenige Jahre später starb, hatte Abumoaham sich allein durch den Dschungel geschlagen und war schließlich in Booty Bay gelandet, dem Handelshafen von Stranglethorn. Dort hatte er dann einige Zeit als Dockarbeiter verdient, bis ein Reisender aus Stormwind seine magische Begabung entdeckte und ihn mit einem Empfehlungsschreiben nach Stormwind schickte.

„Und nun ich bin hier, Seite an Seite mit schöner Frau, um die Welt von Dieben und Mördern zu befreien“, schloss er und stürzte sich mit wahrer Begeisterung auf ein Silberblatt, das am Wegesrand bis dahin still und friedlich vor sich hin gewachsen war.

Na ja, dachte Magenta bei sich, eigentlich ist er ja wirklich nett und vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee, mit einem Mann an der Seite durch Azeroth zu reisen.
 

Als die letzten roten Schimmer des Sonnenuntergangs dem bläulichen Mantel der Nacht gewichen waren, kam das Trio schließlich an dem beschriebenen Kürbisbeet an, das jedoch, wie sich herausstellte, eher das Ausmaß eines kleinen Feldes hatte. Zwei einsame Wachen, in die die Abenteurer unvorsichtigerweise hinein gerannt waren, lagen zum Glück ziemlich schnell mit den Gesichtern nach unten im Gras. Nur noch dumpfes Gemurmel drang zwischen ihren Knebeln hervor und ihre Halstücher ruhten warm und sicher in Abumoahams Rucksack. Nachdem sich Magenta noch einmal von dem festen Sitz der Fesseln überzeugt hatte, schlich sie weiter, wenngleich auch etwas umsichtiger als vorher.

„Dort es muss sein“, flüsterte Abumoaham kurze Zeit später und deutete auf einen beleuchteten Schuppen auf der andere Seite des Kürbisackers. Wenn man genau hinsah, konnte man immer wieder Gestalten sehen, die vor den Fenstern auf und ab gingen. Offensichtlich wurde die Hütte bewachte.

„So ein Mist!“, fluchte Magenta leise. “Und wie sollen wir da jetzt rankommen? Wir können ja schließlich schlecht alle umbringen. Es muss einen anderen Weg geben, die Halsk… äh -tücher zu bekommen.“

Der Magier schien zwar nicht besonders begeistert von diesem Vorschlag - er wäre wohl am liebsten sofort in die Hütte gestürmt, um den Defias ihr Habe zu entreißen - doch dann nickte er und sie robbten leise und vorsichtig näher an den Lichtschein heran. Tatsächlich schlichen insgesamt drei Wachen um das Haus, jeder von ihnen bis an die Zähne bewaffnet. In das feuchte Gras gedrückt beobachteten Magenta, Abumoaham und Pizkol die Hütte. Wie man es auch drehte und wendete, es schien keine Lücke in dem gut durchdachten Rhythmus der Wachen zu geben.

„Wir sie doch umbringen müssen“, bemerkte Abumoaham nachdenklich. „Ich nicht sehen andere Möglichkeit um an Halstücher zu kommen. Es seien zu viele.“

„Nein!“, fauchte Magenta ärgerlich. Schlimm genug, dass sie wahrscheinlich Gras- und Erdflecken in ihrer Robe haben würde. Blut würde da nicht auch noch dazu kommen.
 

Ein lautes Schnauben ließ die Helden zusammenzucken. Etwas prustete und schnüffelte ganz in ihrer Nähe. Man hätte meinen können, eine ganze Herde besoffener Wildschweine machte sich über den kleinen Acker her, an dessen Rand sie lagen.

Etwas quiekte.

„Was zur Hölle ist das?“, zischte Magenta beunruhigt. Unauffällig schob sie sich etwas näher an Abumoaham.

Der runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. Dann erhellte ein Lächeln sein gebräuntes Gesicht.

„Das müssen sein Prinzessin“, strahlte er Magenta an. „Ich schon überall gesucht nach ihr.“

Magenta zweifelte einen Moment lang ernsthaft an dem Geisteszustand ihres Begleiters. Eine Prinzessin? Hier? Angestrengt richtete sie ihr Augenmerk wieder auf das Feld und der Mond tat ihr den Gefallen, ausgerechnet jetzt hinter seiner Wolke hervor zu kommen, so dass sie in seinem Licht einen Blick auf das Kürbisfeld werfen konnte.

„Ja! Das da sein Prinzessin!“, flüsterte Abumoaham aufgeregt und deutete auf ein riesiges, mit hellem Fell bedecktes Schwein, das sich vor Magentas staunenden Augen majestätisch über den Acker walzte. Es hätte bestimmt zwei ausgewachsene Männer gebraucht, um das Gewicht des Tieres auf einer Waage auszugleichen und ungefähr fünf, um die gefährlich blitzenden Hauer im Schach zu halten. Begleitet wurde Prinzessin, wie das Schwein offensichtlich hieß, von zwei weiteren Schweinen, die einer Leibgarde gleich hinter dem blonden Tier her trotteten. Immer wieder sicherten sie mit tückisch blitzend Augen nach allen Seite, offensichtlich um notfalls alle Gefahren für ihrer Anführerin aus dem Weg zu räumen.

„Das ist ein Schwein“, murmelte Magenta. Wie ihr auffiel, war das nicht besonders geistreich und so schickte sie vorsichtshalber einen drohenden Blick an Pizkol, der bereits den Mund zu einer spitzen Bemerkung geöffnet hatte.

„Richtig“, bestätigte Abumoaham nickend. „Diese Schwein sein berüchtigt in ganze Gegend. Besitzer kümmert sich nicht, wessen Gemüse es frisst. So hat mich Frau Stonefield - sie sein gemüsebestohlene Nachbarin von Schweinebesitzer - beauftragt, zu töten Prinzessin.“

Magenta rollte innerlich mit den Augen. Hatte diese Nichtsnutz denn nichts Besseres zu tun, als jeden noch so dämlichen Auftrag anzunehmen, dem ihm irgendein Bauer aufs Auge drückte? Jetzt würde sie es wohl nicht nur mit einer räuberischen Diebesbande, sondern auch noch mit einem riesigen Mastschwein aufnehmen müssen. Einem Schwein, das Leibwächter hatte. Es sei denn…

„Pizkol?“, flüsterte Magenta. „Meinst du, du kannst das Schwein dazu bringen, dass es dir nachrennt?“

Der Dämon sah sie misstrauisch an.

„Ja sicher könnte ich das“, raunze er. „Aber ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte. Bin ja nicht lebensmüde.“

„Nein, dafür haben wir ja andere Gruppenmitglieder“, murmelte Magenta und hielt Abumoaham vorsichtshalber an seiner Robe fest, denn der Magier war schon drauf und dran, sich auf Prinzessin zu stürzen. „Aber du bist als Einziger klein genug, damit die Wachen dich nicht sehen. Ich denke, wenn wir das Schwein dazu bringen könne, dass es die Wachen beschäftigt wird es einfacher werden die Hals…äh …tücher zu bekommen.“

Pizkol rang mit sich. Einerseits war das ein direkter Befehl seiner Herrin. Andererseits war der Plan einfach schwachsinnig. Schließlich seufzte er schicksalsergeben. Was blieb ihm schon anderes übrig?

„Also gut“, maulte er. „Aber glaub nicht, dass das zur Gewohnheit wird. Das nächste Mal kann irgendwer anders Lockvogel spielen.“ Er warf noch einen letzten, bösen Blick auf die beiden Menschen und hüpfte dann in Richtung der Schweine davon.

Angespannt beobachtete Magenta den kleinen Lichtpunkt, den Pizkols Feueraura in der Nacht bildete. Er wurde kurz heller, es knallte und ein unglaubliches schrilles Quieken durchschnitt die Nacht.

Das nächste, was Magenta wahrnahm war der durchdringende Geruch von gebratenem Speck und ein höchst hektischer Pizkol, der schreiend an ihr vorbeilief.

„Ich hab die Schweine, wo sollen sie hin?“, rief er im Laufen und schickte dann mehrere höchst unfreundlich klingende Flüche auf Dämonisch hinterher, denn die Schweine holten auf.

In der Ferne erklangen bereits aufgeregte Rufe. Fackeln versuchten die Dunkelheit zu vertreiben und die Angreifer ausfindig zu machen. Offensichtlich war ihre Aktion nicht unbeachtet geblieben. Mehrere Wachen liefen bereits in ihre Richtung, in ihren Händen sah man Dolche und Messer.

„Zum Haus!“, brüllte Magenta Pizkol hinterher. „Lauf zum Haus!“

„Die Bruderschaft wird eure Machenschaften nicht dulden!“, erklang da ein Ruf hinter Magenta. Sie drehte sich um und sah sich einem Defias gegenüber, der sich mit einem heiseren Kampfschrei auf sie stürzen wollte. Ihr blieb keine Zeit mehr zu reagieren, Ihr Kopf war wie leergefegt von sämtlichen rettenden Zaubern und auch ihren Dolch hätte sie unmöglich rechtzeitig erreichen können. Die Augen des Defias blitzten triumphierend auf, als er seinen Dolch zum tödlichen Stoß erhob.

Entsetzt schloss Magenta die Augen und schickte noch einen letzten, leise gemurmelten Fluch zum Himmel. Sie hatte doch gleich gewusst, dass das hier nur schief gehen konnte. Wieso war sie auch nicht zu Hause geblieben? Neben ihr murmelte jemand eine eigenartig klingende Formel.

Einige Sekunden verstrichen und immer noch war nichts passiert. Allerdings war es merklich kühler geworden und ein seltsames Knacken lag in der Luft. Magenta fröstelte. Als aber nach einer kleinen Ewigkeit immer noch nichts passiert war, entschloss sie sich zaghaft, ein Auge zu öffnen. Vor Schreck blieb ihr buchstäblich die Luft weg.

Ungefähr zwei Zentimeter vor ihren Rippen, genau dort, wo sich ihr Herz befand, stak der Dolch des Defias in die Luft. Allerdings bewegte er sich nicht, ebenso wenig wie der Rest des Mannes. Eine dünne Eisschicht bedeckte seinen gesamten Körper und hatte ihn offensichtlich bei lebendigem Leibe festgefroren. Nur die Augen rollten wild hin und her und versuchten Magenta anstatt des Dolches zu durchbohren.

Abumoaham grinste. „Ich neu gelernt.“

Magenta machte vorsichtshalber einen Schritt von der Dolchspitze weg und funkelte Abumoaham an. „Warum hast du das denn nicht gleich gemacht. Das hätte uns eine Menge Ärger erspart.“

Der Magier kratzte sich etwas verlegen den Bart. „Ich vergessen. Wenn Spruch neu, ich manchmal vergesse, was gelernt. Außerdem Spruch nicht hält ewig.“

Tatsächlich begann die Eisschicht um den gefrorenen Dieb schon verdächtig feucht zu glänzen. Wahrscheinlich würde er in spätestens einer halben Stunde wieder auf freiem Fuß sein, eventuell sogar früher. Und Magenta hatte nicht vor, so lange zu warten.

„Komm!“ Sie winkte Abumoaham und gemeinsam rannten sie leicht geduckt zu der Hütte, um die herum inzwischen ein Heidenspektakel herrschte. Die drei Schweine hatten begonnen völlig Amok zu laufen und die Defias-Bande hatte alle Hände damit zu tun, den gefährlichen Hauern auszuweichen. Doch allzu lange würde diese Ablenkung nicht vorhalten, denn in der Tür der Hütte erschien in diesem Moment eine Frau.

Sie war in der Tat wunderschön, aber ihre Züge waren zu einer boshaften Grimasse verzogen, was ihren Zauber doch erheblich minderte. Ununterbrochen keifte sie Befehle durch die Nacht und man hätte fast den Eindruck haben können, die Defias hätten mehr Angst vor ihr als vor dem wahnsinnig gewordenen Schweinen.

In diesem Moment hatte Surena Caledon - um niemand anderen konnte es sich bei der Frau handeln - offensichtlich Pizkol entdeckt. Ein Schrei gellte durch die Nacht:

„Tötet den Wichtel!“

Fast augenblicklich stürzten sich drei der Defias auf Pizkol, der einen jämmerlichen, gurgelnden Schrei von sich gab und dann unter deinem Haufen Körper begraben wurde. Magenta zuckte unwillkürlich zusammen.

Als die drei Männer sich wieder erhoben, lag Pizkol reglos auf der Seite, seine Flammenaura war verschwunden und es war unübersehbar, wer diesen Kampf gewonnen hatte. Befriedigt lachte Surena auf.

„Na bitte, es geht doch, ihr nutzlose Bande“, rief sie und strich sich die langen, dunklen Haare aus dem Gesicht. „Und jetzt fangt endlich diese Schweine ein! Treibt sie meinetwegen drüben in der Scheune zusammen, aber macht, dass ihr hier wegkommt. Ich will keinen Laut mehr hören.“

Damit wandte sie sich um und schmetterte die Tür der Hütte ins Schloss. Die zusammengelaufenen Defias taten, was Surena befohlen hatte und lotsten mit Hilfe von Fackeln und eilends herbeigeschafften Heugabeln die immer noch tobenden Schweine in Richtung des gegenüberliegenden Feldrandes, an dem der dunkle Umriss eines Gebäudes erkennbar war.

Magenta und Abumoaham dagegen nutzten die Chance, um sich näher an die Hütte heran zu schleichen, die nun inzwischen unbewacht da lag.
 

„Mhm, das sieht nicht gut aus“, murmelte Magenta, nachdem sie einen Blick durch eines der Fenster geworfen hatte. Tatsächlich befand sich in dem Haus nicht nur Surena, sondern gleich drei Personen. Einer der beiden anderen Männer musste Surenas Geliebter, Erlan Drudgemoor, sein. Wer der andere Mann war, war nicht zu erkennen, aber da beide rote Halstücher trugen, konnte es sich lediglich um einen weiteren Defias handeln. Auf jeden Fall stellte er ein weiteres Hindernis dar.

„Morgan!“, schnappte Surena gerade und wandte sich an den blonden der beiden Männer, der wie ein gefangenes Tier in dem kleinen Raum herumlief. „Du musst diese Liste wieder finden. Wenn Marshal Dugan von der Sache Wind bekommt, wird er dir Soldaten auf den Hals hetzen. Dieser Wisch wird uns noch alle an den Galgen bringe. Ich bin nur von Inkompetenz umgeben.“

„Beruhige dich, Surena!“, schaltete sich der andere Mann ein. „Wird schon keiner den Fetzen finden. Und selbst wenn, bezweifle ich, dass der dämliche Dugan herausfindet, dass es sich dabei um einen Abholplan für unseren Anteil an den königlichen Goldminen handelt.“

„Schrei doch noch lauter“, schimpfte Surena und funkelte den Mann an. „Warum gehst du nicht nach draußen und siehst nach, ob deine schwachsinnigen Untergebenen wenigstens mit einem einfachen Schwein fertig werden?“

Morgan, dessen Blick Surenas wütend ausgestreckten Arm gefolgt war, blieb mit einem Mal wie angewurzelt stehen, als er Magenta am Fenster entdeckte. Seine Überraschung dauerte allerdings nicht lange.

„Dort!“, rief er „Wir werden beobachtet.“

„Die schnapp ich mir“, rief der andere und die zwei stürmten aus der Tür.
 

Noch bevor Magenta richtig wusste, wie ihr geschah, hatte sie von Morgan einen Hieb in die Nieren bekommen und sah für einen Augenblick lang nur noch bunte Sterne. Mühsam rang sie nach Luft, und taumelte unter einem Schwertstreich des anderen hindurch. Zum Glück, wie sie dann feststellte, denn dort, wo sich eben noch ihr Kopf befunden hatte, versengte ein Feuerball die Holzwand der Hütte. Surena hatte sich ebenfalls in den Kampf gestürzt.

Während die beiden Männer sich nun gleichzeitig auf Abumoaham stürzten, tat Magenta einfach das Nächstbeste, was ihr einfiel und hechtete mit einem verzweifelten Spruch auf Surena zu. Sie schaffte es tatsächlich, die abtrünnige Hexenmeisterin zu überrumpeln und kreischend, fauchend, kratzend und spuckend wälzten die beiden Frauen kurz darauf auf dem Boden.

Surena war stark und sie schreckte vor keinem noch so fiesen Trick zurück. Immer wieder schlugen ihre Fäuste auf Magenta ein. Die wehrte sich verbissen und als Surena einige Schritte zurücktaumelte, um erneut einen Feuerball zu schleudern, nutzte Magenta die Atempause, um sich zu konzentrieren. Sie begann eine Formel zu murmeln, die, wie Drusilla ihr beigebracht hatte, einen Schattenblitz erzeugen konnte.

In einem irren Wettlauf wirkten die beiden Frauen ihren Zauber. Fast gleichzeitig lösten sich ein Schatten- und ein Feuerball von den Händen ihrer Beschwörerinnen. Doch während Magenta dem für sie bestimmten Feuerzauber noch um Haaresbreite ausweichen konnte, wurde Surena von Magentas Schattenblitz mitten ins Gesicht getroffen. Von der Wucht des Anpralls wurde Surena zu Boden geschleudert und blieb dort in einer fast anmutig wirkenden Pose liegen. An ihrem Hals glitzerte noch die gestohlene Halskette.
 

Schwer atmend stand Magenta mitten im Raum und lauschte ängstlich auf die Geräusche, die von draußen hereindrangen. Es war nichts mehr zu hören; nur die Grillen zirpten leise im Dunkel der Nacht. Dann jedoch erklangen Schritte, die Stufe vor der Hütte knarrte und die Tür begann aufzuschwingen. Kampfbereit und ihre schmerzenden Rippen ignorierend sprang Magenta auf. Immer weiter öffnete sich die Tür und gab schließlich den Blick auf den Mann in der Tür frei.

„Abu…“, stöhnte Magenta auf, aber sie lächelte erleichtert.

„Abu hat es diesen Strauchdieben gezeigt“, grinste der Magier und hielt ihr freudestrahlend zwei weitere, rote Halstücher entgegen. „Sie jetzt sein Eis am Stiel. Aber was sein mit deinem kleinen Freund?“

„Ich weiß nicht“, antwortete Magenta leise. Müde rappelte sie sich auf und trat zu der am Boden liegenden Surena. Mit einem kurzen Ruck entfernte sie die Halskette vom Hals der anderen Hexenmeisterin. Dabei bemerkte sie eine kleine Blutlache, die begann sich von deren Hinterkopf langsam über den Fußboden ausbreitet. Wenn man genau hinsah, konnte man aber die flachen Atemzüge erkennen, unter denen sich die Brust hob und senkte. Magenta spuckte noch einmal neben Surena auf den Boden und verließ dann mit Abumoaham die Hütte.

Draußen kamen sie an den eingefrorenen Defias vorbei, aber Magenta beachtete sie gar nicht. Vorsichtig näherte sie sich der Stelle, an der Pizkol lag. Seine kohleglühenden Augen waren geschlossen und die behaarte Brust bewegte sich nicht. Magenta musste schlucken. Sicherlich, sie hatte diesen Dämon nicht unbedingt gemocht, aber jetzt, da er anscheinend diese Welt verlassen…

Ja, genau… Und wo wir gerade dabei sind, wäre es nett, wenn du mich vielleicht mal neu beschwören könntest, meckerte eine Stimme in Magentas Kopf. Es zieht ziemlich in der Zwischenwelt.

„Pizkol“, fragte Magenta verwundert und sah sich um.

Nein, Altvater Winter …, stöhnte die Stimme. Ja natürlich ich. Und jetzt mach halt, wir haben nicht ewig Zeit.

Halb grinsend, halb verärgert murmelte Magenta die Formel, die zur Beschwörung des Wichtels diente. Pizkols Körper verschwand vor ihren Augen und wenige Augenblicke später stand er wieder gesund und munter vor sich hin nörgelnd neben Magenta.
 

„Aber das mir das nicht zur Gewohnheit wird“, schimpfte der Dämon, während sich die drei Abenteurer durch die dunkle Nacht auf den Rückweg nach Goldshire machten. „Dass ich nicht wirklich sterben kann, heißt nicht, dass dieser Vorgang angenehm ist. Jedes Mal, wenn ich von dort nach hier wechseln muss, fühlt es sich an, als würde man durch einen fünf Meter langen Flaschenhals gepresst. Ich bin nicht dafür geschaffen, um dir deine Feinde vom Hals zu halten. Sieh zu, dass du dir dafür jemand anders suchst.“

„Ich hab dich auch lieb“, grinste Magenta und klimperte mit der wieder gewonnen Halskette. Gleich morgen würde sie diese bei Meister Gakin abliefern. Und sie würde sich zur Schneiderin ausbilden lassen, denn ihre Robe hatte unter der ganzen Aktion doch ziemlich gelitten. So schwer konnte das mit dem Schneidern schon nicht sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Carifyn
2008-10-15T13:34:26+00:00 15.10.2008 15:34
Hmm... ich brauch wohl noch ne Weile, bis ich die Ff durch habe... *schmunzelt*

Naja, wie gesagt, die Geschichte ist sehr schön geschrieben. Pizkol ist mit seinen Kommentaren wirklich sehr sympathisch - ich dachte nicht, dass ich sowas jemals über einen Wichtel sage - und das Geschehen ist ausführlich und spannend geschildert... Auch der Bezug zu den existierenden Quests finde ich sehr schön.

Ach, ich sollte mich wirklich ranhalten, mit dem weiterlesen...

lg
Cay
Von: abgemeldet
2006-08-23T08:03:21+00:00 23.08.2006 10:03
also bis jetzt bin ich wirklich von dienem ff angetan^^ wirklich geil das ganze XD
abu läst mcih an horst von allimania denken, scheint genau so begriffsstutzig wie der liebenswürdige krieger zu sein^-^
udn dann der leerwandler... auf den bin ich besonders gespannt^^ mach nur weiter so11 ^0^ich will emrh lesen!!
Von:  Xell
2006-02-16T19:55:13+00:00 16.02.2006 20:55
Tolles Kapitel. Ich fand toll wie sie die Aufgabe mit Köpfchen gemeistert hat ohne alle abzumurksen. ^^
Von: abgemeldet
2006-02-13T22:58:35+00:00 13.02.2006 23:58
Also ich muß dir gratulieren is wirkilch gut wie du die wow welt rüber bringst.
Schreib weiter !
mfg ch
PS: hast du was gegen Paladine ? is nur ne frage


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