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Aus dem Tagebuch von Maxim Arthaud

von

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22.11.1812

20.11.1812
 

Vergib mir Herr, denn ich habe gesündigt!

Gestern war ich in der Kirche gewesen, um für mein Leben zu beten, um mein Seelenheil wieder im keuschen Licht durch ein gelobtes eröffnen meiner Ängste zu betrügen. Ich wollte eine Beichte ablegen, wollte dem Pfarrer meine abschließenden Worte anvertrauen und ihm meine verdorbenen Absichten offenbaren. Ich hatte einen endgültigen Entschluss gefasst und erhoffte mir Absolution. Der Pfarrer sollte meiner armen Seele helfen Erlösung im Jenseits zu finden. Ich hatte mir nicht erhofft, dass mein schwerer Entschluss toleriert wird. Jedoch gelang es mir nicht einmal Vergebung zu erhoffen, da ich eines noch schwereren Verbrechens schuldig wurde.
 

Ich machte mich gesengten Hauptes auf den Weg in die Kirche. Meine Füße trugen mich, ohne dass ich einmal aufblicken musste. In Gedanken versunken schritt ich den Weg dahin. Die Umgebung um mich herum war verschwommen, nichts drang in meinen Kopf.

Ich betrat in ehrfürchtiger Haltung das Gotteshaus und ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich meine Gedanken wieder der Wirklichkeit meiner Umgebung öffnete. Kirchen machen mich noch immer ängstlich. Sie sind die Verbindungsstelle zwischen Gott und Mensch, nirgends fühlt man seine Anwesenheit mit solch abstrakter Heftigkeit.

Ich beobachtete die hohen Rundbögen, die sich durch das gesamte Hauptschiff reihten und den Himmel mit Deckenbemalungen in unmittelbare Nähe holen, dennoch unerreichbar in ihrer Höhe.

Ich setzte mich auf eine der harten Holzbänke sagte ein stilles Gebet. Nach einer Weile erhob ich mich wieder und ging auf den Beichtstuhl zu. Unschlüssig blieb ich davor stehen und überlegte mir meine Wortwahl. Wie sollte man ein so heikles Thema ansprechen? Ich wollte um Erlösung bitten, das stand fest, nur wie? Alle hoffen auf Erlösung im Jenseits, doch was erhofft sich ein jeder darauf? Bedeutet Erlösung Glück? Ich hoffe es, darum kann ich es nicht mehr erwarten diese zu erlangen. Ich sehne mich schon viel zu lange danach endlich wieder das reine Glück zu spüren. Doch war es für mich überhaupt möglich diese vollkommene Unbeschwertheit zu erreichen? Nun ja, dies zu erfahren war schließlich der Grund meines Besuches. Mein Ziel jedoch war es diese Erlösung zu erlangen. Die größte Angst der Menschheit ist die Ungewissheit. Wofür kämpfen, wenn man kein Ziel vor Augen hat? Die Ungewissheit bringt den stärksten Barbaren zu Fall. Ich war immer überzeugter Christ und glaubte auch immer an die Jenseitsvorstellung. Es gibt allerdings so viel zwischen Himmel und Erde, was wir uns nicht einmal ansatzweise nur vorstellen können. Ich lebte mein Leben mit dem Glauben an die heilige Schrift. Gottes Gebote und Lehren waren unantastbar, und sind es noch immer, aber dennoch hat sich meine Weltanschauung nach diesem Tag verändert. Aber ich sollte nicht zu weit vorweg greifen. Zurück zum Anfang:

Langsam betrat ich den Beichtstuhl und setzte mich auf die harte Bank. Der enge hölzerne Schrank schien jede Überzeugung aufzusaugen und es blieb nur das Vermächtnis jeder Sünde zurück.

Das kleine Fenster wurde aufgeklappt und ein schwacher bläulicher Lichtkegel erhellte meine Zelle.

"Vater..." begann ich, aber meine Gedanken rasten wie wild und ich kam nicht weiter, Meine Zunge war verknotet und kein Wort wollte über meine Lippen, obwohl ich alle Wörter der Welt gleichzeitig sagen wollte.

Der Pfarrer atmete leise ein und begann zu reden: "was hast du mir zu sagen, mein Sohn? Keine Sünde kann schlimm genug sein, um nicht vor Gottes Gericht vorgebracht zu werden." Sachte wob sich seine Stimme durch die Ruhe und gelangte wie eine sanfte Welle an mein Ohr.

"Das Problem liegt nicht darin, dass ich nicht vor dem Herrn gestehen will, sondern dass ich nicht alles, was mich bedrückt, gegenüber dieser Welt und mir selbst offenbaren kann."

"Du weißt, dass du irgendwann beichten musst. Nur so kannst du Absolution erlangen."

"Aber Vater, sie sagten doch selbst, dass jede Sünde vor Gottes Gericht aufgenommen wird. Ist es nicht möglich von diesem Gericht selbst die Absolution zu erhalten?"

"Wäre dies möglich, wozu bräuchte man dann die Kirche, mein Sohn?"

"Ich weiß, dass der natürliche Weg die Beichte in der Kirche ist. Nur ist mein Vergehen so schlimm, dass ich nur mit dem Herrn darüber sprechen kann."

"Und woher nimmst du dir dann die Gewissheit, dass der Herr sich deiner annehmen kann? Welches Verbrechen kann so schwerwiegend sein, dass keine Möglichkeit besteht, es dem Gesandten Gottes anzuvertrauen? Ich wurde auserwählt dem Herrn zu dienen, du brauchst dich vor mir nicht zu schämen."

"Und doch ist es genau das, was ich tue. Gott weiß alles und vergibt dem Menschen. Jedoch könnte ich keine Sekunde den Gedanken ertragen, jemand anderes wüsste von meiner Qual. Ich habe mich nicht nur eines Verbrechens belastet. Eins führt zum anderen und nun frisst es mich von innen auf. Scham ist ein großes Manko, aber eins, dass ich nur allzu gern auf mich nehme, damit niemand etwas erfährt."

"Ich fürchte, dann musst du bis zum jüngsten Tag warten, denn vorher wirst du keine Chance haben von Gott gerichtet zu werden."

"Das ist wohl wahr, aber bis zum jüngsten Tag kann ich nicht warten, wenn er nicht noch diese Nacht eintritt."

"du weißt hoffentlich, dass du Absolution nicht ins Himmelreich eintreten kannst."

"Nun ja, Gottes Wege sind unergründlich. Wäre es nicht möglich von dem Herrn selbst die Absolution zu erhalten?"

"sie kommt immer vom Allmächtigen selbst, mein Sohn."

"Ja schon, aber nicht von ihm persönlich."

"Wir drehen uns im Kreis, mein Sohn."

"Vielleicht."

Eine Pause trat ein. Ich musste nun den Sprung ins kalte Wasser wagen.

"Ich habe einen Entschluss gefasst, Vater."

Ich atmete leise und lies die kurze Stille auf uns wirken. Das Holz duftete angenehm und draußen konnte man das Klappern und Scheppern einer vorbeifahrenden Kutsche vernehmen. Und wie die Räder sich immer im gleichen Rhythmus bewegen, so sagte ich mit monotoner Stimme "Ich möchte nicht mehr Leben. Ich sehe keinen Sinn mehr darin. Ich..."

Ein seufzen unterbrach mich und die mahnende Stimme des Pfarrers war zu vernehmen.

"Selbstmord ist keine Lösung, es ist eine Sünde. Damit machst du alles nur noch schlimmer. Gott hat uns das Leben geschenkt, jedem einzelnen, und dieses Geschenk darf nicht leichtsinnig verschwendet werden. Ich habe mir schon gedacht, dass dein Entschluss darauf hinausläuft. Ich frage mich nur welche Qual deine Seele plagt, um so eine grässliche Idee zu entwickeln. (...)"

Der Pfarrer steigerte sich in seine Moralpredigt und ich spürte, wie langsam Wut in mir aufstieg. Was wusste er schon von mit und meinen Gefühlen? Wie konnte ich nur hoffen Einverständnis seitens der Kirche zu bekommen.

"(...) Gott wird dich zu sich holen, wenn es soweit ist, aber das entscheidet er und nicht du."

Mit zitternder Stimme fiel ich ihm ins Wort. Meine Hände krallte ich in das weiche Holz und hatte das Gefühl es gleich zu zerquetschen.

"Warum muss man denn warten, bis er einen zu sich holt? Warum kann man nicht zu ihm, wenn man selbst es möchte? Und wieso kann es nicht sein, dass er schon lange nach mir ruft, um mich endlich meiner Schmerzen zu befreien? Ich spüre seine Hand, wie sie an meiner Seele zieht und mich erlösen will, aber das Lebensband will einfach nicht reisen. Ich muss zu ihm, aber dazu miss ich selbst das Band durchtrennen. Vielleicht ist es ja meine letzte große Prüfung..."

"Genug!" herrschte mich die zornige Stimme neben mir an. Das hatte er wohl noch nie erlebt, dass ihm jemand bei der Beichte Widerworte gab. Seine Meinung war unantastbar. Ich hingegen hatte mich so fest an meinen Entschluss geklammert, dass ich nicht bereit war die Richtigkeit zu leugnen oder nur zu überdenken.

"Merkst du nicht, wie du von dunklen Mächten reingelegt wirst? Du stürzt dich in dein Unglück"

Ungläubig nahm ich die Worte in mich auf und antwortete ihm voller Verachtung. "Mein Unglück steckt auf dieser Erde", zischte ich, giftig wie eine Schlange. "Ich habe mich schon von diesem Leben losgelöst. Es gibt keine Alternative, ich spüre es."

Mit diesen abschließenden Worten stürmte ich aus dem Beichtstuhl in die kalte graue Kirche. Inzwischen war es schon dunkel geworden. Die Finsternis strömte durch die großen Fenster, um das Licht zu vertreiben. Schatten schlichen aus den Ecken, wie schwarze Todesengel, die ihre dürren Finger nach mir ausstrecken, um mir meine arme Seele zu entreißen. Ich stand kurz mitten in der Kirche und ließ dieses Bild auf mich wirken. Dann drehte ich mich nochmals um. "Ich hoffe sie beten trotzdem für mich, Vater, und verzeihen mir meine Sünde."

Ich schritt auf das große Kirchenportal zu, hinaus in meine Freiheit. Meine Schritte hallten durch den dicken Stein, ich streckte die Hand nach dem Türgriff aus und betrat die eisige Nachtluft.
 

‹‹Ich irre mich nicht, ich irre mich nicht, ganz bestimmt!›› dies war der einzige Gedanke, der mich begleitete. Ich ging schnellen Schrittes zum Hafen und immer wieder sagte ich mir diesen Satz. Wut und Verzweiflung überkamen mich und ich beschleunigte zusätzlich mein Tempo, ein Antrieb, der mich in wilde Raserei führte.

‹‹Es ist meine Bestimmung, ich kann nicht mehr anders, mein Leben, zerstört, verkümmert, ausgebrannt, sinnloses Dasein, sinnlose Hoffnung, die meine Qual so lange Zeit nährte, wie ein letzte Versuch das erlöschende Feuer mit trockenen Spänen neu zu entfachen, wieder größer, immer heißer, immer tödlicher, je mehr Holz, desto gefährlicher das heiße Element, wie meine Qual, je mehr Hoffnung, desto tödlicher mein Entschluss, endgültig, erlösend, nichts mag mich jetzt noch zu retten, ich irre nicht, er ruft mich, er versteht mich, oh Erlösung, wie sehne ich mich nach deinen sanften Fingern, die mich leicht umschmeicheln, ihre Zärtlichkeiten meiner Seele gönnen, warte auf mich, geliebte Erlösung, ich suche dich, meine sanfte Erlösung, errette mich aus den Fängen dieser Scheußlichkeit, die sich Leben nennt, sieh nun, wie ich dir davonrenne und in die warme Geborgenheit der süßesten Erlösung flüchte.››

Atemlos blieb ich abrupt an einem Geländer stehen, krallte mich dran fest und blickte tief hinab in die schwarze Seine. Und für eine Ewigkeit gab es nichts. Die Welt um mich herum blieb stehen und nur die schmerzhafte Kälte schlug gegen meinen erhitzten Körper. Nichts!

Meine Gedanken schwiegen; langsam lehnte ich mich immer weiter vornüber, bis ich nur noch das Gewässer unter mir sah. Ich musste nur noch loslassen und ich würde hinunterstürzen in das liebliche Nass, dass meinen Tod empfing. Mit lachenden Wellen rief mich der starke Fluss, lud mich ein in seiner Tiefe zu schmelzen und ich erkannte meine Sehnsucht.

Dies also war mein ende. So sollte alles aufhören; mitgerissen von den erbarmungslosen Fluten würde ich den Freitod erwarten. Würde es wohl schmerzhaft und beängstigend sein oder, meiner Hoffnung entsprechend, endlich das glücklichste aller Abenteuer darstellen? Da wurde mir klar, dass es vollkommen gleichgültig wäre, da mein Körper schon genug Schmerzen erlitten hatte und das Glück würde sicherlich eintreten, endlich!

Der Wind peitschte mir um die Ohren, der nasse Duft der Seine kitzelte meinen Gaumen, mein Rücken begann zu brennen unter der unnatürlichen Haltung, aber ich harrte weiter aus, zögerte den Moment hinaus, der alles beenden würde und kostete jede Sekunde vor dem vernichtenden Fall voll und ganz aus.

Da ließ ich plötzlich los!

Wasser und Wind, beides kreuzte meinen Fall. Wie in Zeitlupe, so glaubte ich, bewegte sich mein Körper vornüber und trat seine lange, aber ewige Reise in die erwartungsvolle andere Welt an. Mein Atem setzte aus, meine Augen versagten ihren Dienst. Das Rauschen, es wurde immer lauter und drängender. Ich glaubte das Ziel meiner Sehnsucht erreicht zu haben, aber ein starker Arm packte mich von hinten. Mein freier Fall in Richtung Unendlichkeit änderte seine Richtung. Als ich die Augen aufschlug entfernte sich der Boden und das All näherte sich meinen Sinnen. War dies der Flug meiner Seele in das Himmelsreich? Wo war der Aufprall gewesen oder hatte ich ihn durch mein Sterben gar verpasst? Ich suchte nach einer Antwort, während ich immer höher emporstieg. Ein Engel geleitete mich auf dem geheimnisvollen Weg.

Plötzlich fuhr ein Schmerz durch meinen ganzen Körper; mein Hals brannte und ich spürte, dass mein Blutkreislauf nicht mehr seinen gewöhnlichen Fluss tat, sonder an einer Wunde am Hals unterbrochen wurde. Sonderbar war nur, dass ich nicht das Gefühl hatte, als würde ich bluten. Und wie konnte ich ein körperliches Empfinden haben, da ich doch dachte ich sei gestorben und nur noch als Seele auf der letzten Reise?

Ich erlitt einen Schock. Mein Herz raste und pumpte immer mehr Blut in die Wunde. Ich war betäubt, nichts als unerklärliche Angst jagte meine Gefühle.

Und dann lag ich auf dem Boden, entlassen aus dem festen Griff, unterbrochen war meine sehnsuchtsvolle Reise; zurück auf dem Erdboden verlor ich das Bewusstsein und stürzte in das schwarz des Vergessens.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BLVCKMORAL
2007-07-14T19:11:48+00:00 14.07.2007 21:11
Wuah o,o das ist toll die Geschichte gefällt mir du kannst super gut schreiben *-* die Story ist echt klasse *Q* freu mich schon auf den Rest >< hoffentlich lässt du dir nicht zuviel Zeit >< xD


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