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EX

von

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Prolog

Es ist nun schon einige Jahrzehnte her. Nein, ich bin mir nicht sicher, ob es sich tatsächlich um Jahrzehnte handelt, es könnten genau so gut auch Jahrhunderte gewesen sein. Ich weiß es einfach nicht. Mein Gefühl für Zeit und Raum ist schon seit langem nicht mehr intakt. Jedenfalls... wollte ich gerade zu einer Erzählung ansetzen - einer äußerst unschönen Erzählung - in der ich leider selbst eine der Hauptrollen spiele.

Aria

Ein Morgen wie jeder andere auch ereilte mich, wie immer viel zu früh. Ich schaffte es kaum mich aus meinem weichen, warmen und kuscheligen Bett zu quälen und schleppte mich mit müden Schritten in das anliegende Badezimmer. Verdammt auch. Ich schlief nie besonders lange und viel, was vielleicht daran liegen konnte, dass ich einfach zu viel zu tun habe. Kein Minütchen Ruhe konnte ich mir gönnen, einfach deswegen, weil mir so viel abverlangt wurde. Humn... aber was sollte man machen?

Seufzend kämmte ich mir die Haare und machte mich fertig. In weniger als fünf Minuten musste ich schon anwesend sein!

Vier Minuten...

Drei Minuten...

Ich war bereits auf dem Weg in den großen Saal...

Zwei Minuten...

Eine Minute...

Ein Glück, ich war noch nicht zu spät! Die Tür war noch offen!

Weniger als eine Minute...

Geschafft! Gerade so stolperte ich durch die Türe, die sich auch nur eine Sekunde hinter mir schloss. Oh Gott, was ein Glück! Nach Luft japsend musste ich mich erst Mal wieder fangen und sah mich bereits nach einem Platz um. Hmm... wie es schien, war keiner mehr frei. Mist...
 

"Das kommt davon, wenn man sich verspätet.", murmelte es zynisch neben mir.
 

Wer...
 

"Bist du ein Neuling? Kein Wunder."
 

Kein Wunder? Es war also so deutlich zu erkennen, dass ich noch nicht lange auf der Station gewesen war? Okay, nun gut, ich trug auch erst den Suit der ersten Truppe, da war es wirklich nicht schwer aus zu machen, ob ich ein sogenannter Neuling war oder nicht.

Ich wagte nun einen Blick nach oben, um den mir noch Unbekannten zu mustern, und erstarre beinahe, als ich in sein Gesicht blicke. So ein selten schönes Gesicht hatte ich schon lange nicht mehr gesehen... Schmale, blasse Lippen, lavendelfarbendes langes Haar und die schönsten Züge, die ich bisher in meinem Leben erblicken durfte... Er war wirklich eine atemberaubende Schönheit und es schien so, dass ich vor Bewunderung fast schon vergaß zu atmen.
 

"Was ist? Na los, such dir einen Platz und steh' nicht weiterhin hier in der Gegend rum, Neuling!"
 

Erschrocken nickte ich und kämpfte mich mit meinen puddingweichen Beinen durch die Reihen - und ich konnte es nicht lassen und musste immer wieder über meine Schulter linsen, um ihn noch ein mal anzusehen... Voller Enttäuschung musste ich dann aber relativ schnell feststellen, dass er schon wieder verschwunden war.

Synthesia - 1.0

Die Nacht wollte einfach nicht enden.

Nun stand ich schon wieder im großen Gang und bewunderte die dunkle Schönheit, die uns umgab. Endlos viele Lichtlein in den unterschiedlichsten Farben flimmerten zwischen den schwarzen Wolkendecken hindurch und erhellten den stets verdunkelten Himmel, welchen ich nun so oft und so lange schon betrachtet hatte.

An die Sonne konnte ich mich kaum noch erinnern. Ich konnte sie schon seit einer Weile nicht mehr betrachten und fragte mich des Öfteren, wann ich wohl wieder die Möglichkeit dazu haben würde. Die Hoffnung, dass der Tag sich der dunklen Nacht entreißen wird, hatte ich noch lange nicht aufgegeben.

Ein mulmiges Gefühl schlich sich durch meinen Körper, als ich mich an das dicke Glas lehnte und erneut einen Blick über meine Schulter warf.

Es dauerte nicht mehr lange, bis ich ausrücken musste. Mit meinen Kameraden. Ich war noch nicht sehr lange auf dieser Station, aber lange genug, um bald auszurücken, immerhin sollte das ganze Training, die Simulationen und der Unterricht nicht umsonst gewesen sein. Trotzdem wusste ich noch nicht so genau, ob ich mich dazu bereit fühlte. Ausrücken... Das bedeutete, dass ich...
 

"Aria!"
 

"Hier bist du also! Ich konnte es mir schon denken! Wir suchen dich schon seit einer...-"
 

"Seit einer Ewigkeit!"
 

Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen. "Ich verstecke mich eben gerne hier, das müsstet ihr doch mittlerweile wissen, hmm?"
 

Oh ja, ich versteckte mich nur zu gerne hier...
 

"Das kann so aber nicht weiter gehen. Der Tyrann von einem Aufseher hat schon wieder nach dir gesucht und ist total wütend! Du hast noch nicht Mal mehr deine Kabine aufgeraeumt und die Aufgaben, die du erledigen solltest, hast du auch nicht gemacht! Was ist nur los mit dir?"
 

Ich hatte Angst...
 

"Du bist echt schwierig, Aria! In letzter Zeit machst du wirklich nur Probleme!"
 

Ja, ich weiß.

Nicht ein Wort konnte ich von mir geben, ehe ich kurz nickte und dann einfach ging. Ich hatte gehofft, dass sie heute nicht nach mir suchen würden, aber das war eine dumme Hoffnung von mir, die sich, wie immer, nicht bewahrheitet hatte. Ich verstand ja selbst nicht ein mal wirklich, was mit mir los war. Ich habe Angst. Große Angst. Ich habe Angst davor auszurücken. Ich will die Station nicht verlassen. Meine Intuition will es mir verbieten. Mein Körper sagte mir, dass es nicht richtig sei. Dass ich das nicht tun sollte. Das ist der falsche Weg, der falsche Weg...-!
 


 

-
 


 

"Gruppe Z-04-16, Synthesia, Anwesenheitskontrolle. Nummer 01, anwesend. Nummer 02, anwesend. Nummer 03, anwesend. Nummer 04... Nummer 04 ist abwesend."
 

Abwesend? Ich bin doch da...
 

"Nummer 04, Aria Mercure, Sie sind...-"
 

"Anwesend." ...Physisch, aber nicht psychisch.

Mein ganzer Körper zittert. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis ich den Suit anziehen konnte. Die ursprüngliche Vorfreude, die ich, als ich auf die Station kam, darauf hatte war wie weg geblasen. Nicht ein Funken Euphorie war mehr da. Das, was meinen Körper nun beherrschte, war Angst. Angst vor dem, was mich erwarten würde.
 

"Nummer 04, Aria Mercure, rüsten Sie sich aus."
 

Ich... Ich bin noch nicht so weit. Ich bin noch nicht so weit!
 

Das System, mit welchem ich verbunden war, wollte die Verbindung nicht kappen. Mein Körper lud sich bereits mit der in mich strömenden Energie auf und ich spürte, wie sich das erst fremde Gefühl schnell in aufkeimende Schmerzen wandelte. Die Kontrolle über meinen Körper schien vollkommen verloren zu gehen und die Verbindungsschläuche, welche sich unter meine Haut setzten, drückten ihre Verbindungskanäle tief in mein Fleisch. Ich konnte gar nicht anders als aufzuschreien und mich zu winden, mich zu krümmen und zu hoffen, dass dieser Schmerz nicht ewig währte. Eine blaugrüne schimmernde Flüssigkeit wurde durch die Schläuche in meine Venen gepumpt und es die seltsamsten Farben flimmerten vor meinem Augenlicht auf. Wieder begann ich zu schreien. Solche Schmerzen hatte ich noch nie gespürt und mein Körper fühlte sich so an, als würde er jeden Augenblick zerbersten. Nein, halt, stopp. Ich bin noch nicht dazu bereit...-!
 

"Nummer 04, Aria Mercure ... Erfolgreiche Injektion. Starte Programm."
 

Das Programm wird bereits gestartet?

Hastig suchen sich meine scheinbar unkontrollierbaren und konfusen Finger den Weg über den Bildschirm, auf welchem ich kaum etwas erkennen konnte. Nur kleine Bruchteile kann ich erkennen und ich drücke einfach auf irgendetwas, was für mich nach dem Notschalter aussieht. Ich...

Ich musste hier raus.

Ich bin noch nicht dazu bereit, in den Krieg zu ziehen.

Und dann schlossen sich auch schon meine Augen...

Synthesia - 2.0

Wie lange habe ich geschlafen? Wie viele Alpträume waren das, die mich heimgesucht hatten? Ich wusste es nicht. Meine noch immer müden Augen wollten sich kaum öffnen...

Mit Mühe versuchte ich mich daran zu erinnern, was geschehen war. Bevor ich eingeschlafen war. Nein, bevor ich bewusstlos wurde, wohl eher...

Das Einzige, was ich vor Augen hatte, wareb die hektisch flackernden Lichter des Cockpits. Noch immer hallten die Warnsignale in meinen Ohren wieder, unaufhörlich, und mein Kopf fühlte sich so an, als würde er jeden Augenblick zerbersten.
 

"Du bist wach? Mach die Augen auf."
 

Bin ich wach? ...Ja, ich denke schon. In irgendeiner Weise.

Nun entschlossen sich meine müden Lider doch dazu, sich zu öffnen. Das Licht im Raum blendete mich im ersten Moment, aber ich gewöhnte mich schnell daran.
 

"Nun erkläre mir mal... Was war los?"
 

Ich erstarrte beinahe vor Schreck, als ich sah, wer sich in meinem Zimmer befand. Das war diese unheimliche Schönheit, die ich im Schulungsraum getroffen hatte! Aber wie...
 

"Beantworte mir meine Frage. Und achte darauf, dass dir deine Äuglein nicht aus dem Gesicht fallen."
 

Ein leichter Rotschimmer legte sich auf meine Wangen und ich wandt den Blick schnell ab. Gott, wie unhöflich ich nun gewesen sein musste, und dann auch schon zum zweiten Mal...! Mit Mühe schluckte ich, nickte und versuchte, auch nur einen anständigen Satz zu formulieren, während mir mein Herz beinahe aus der Brust gesprungen wäre.
 

"Nun, ich... Ich bin mir nicht ganz sicher, was geschehen ist. Ich saß im Cockpit und... Der Kontaktaufbau begann. Die... Verbindung war im vollen Gange, und ich..."
 

...Ich wehrte mich gegen den Kontaktaufbau mit der Maschine.
 

"Und du? Sprich weiter."
 

Ein paar wenige Worte formten sich auf meiner Zunge, aber sie schafften es nicht, über meine Lippen zu gelangen. Alles in mir sträubte sich davor zu erklären, was geschehen war. Wie auch sollte ich das erklären? Diese Person vor mir war eindeutig einer vom höheren Rang und ich war ein blutiger Frischling, den man gerade erst ins Boot geholt hatte... Ich konnte doch vor so jemandem nicht sagen, dass ich, als zukünftiger Synthesia, nicht bereit dazu gewesen war, in den Krieg zu ziehen?... Doch, das musste ich wohl tun...
 

"Das Protokoll deiner Maschine gibt an, dass die Injektion zwar erfolgte, die Verbindung allerdings gekappt wurde. Welchen Grund gab es dafür? War die Programmierung nicht korrekt?" Sein Blick schien sich nicht auch nur eine Sekunde von mir zu lösen und es schien mir so, als wolle er in meinen Kopf hineinsehen.
 

Zögernd schüttelte ich den Kopf. »Es lag nicht an der Maschine.«, gab ich leise zu, "Es war mein Fehler. Ich war nicht dazu im Stande, eine Verbindung einzugehen."
 


 

-
 


 

Ich erfuhr nicht mal sein Namen, nachdem er all seinen Groll gegenüber Neulingen an mir ausgelassen hatte und dann verschwand. Tagelang hielt ich noch Ausschau nach dieser Schönheit, von der meine Augen einfach nicht ablassen konnten und wollten, und ich fühlte mich nicht gerade wohl. Ich wollte noch nicht mal mehr über die Folgen meines Handelns nachdenken, die Tatsache, dass ich herabgestuft wurde und nicht mehr zu angehenden fähigen Anwärtern dazu gehörte – was sollte ich auch bei diesen Gruppen...? Ich wollte doch gar nicht in den Krieg ziehen.
 


 

-
 


 

Die Nacht wurde nicht mehr zum Tag. Und meine Hoffnung, dass sich das bald ändern könnte, schien langsam aber sicher zu versiegen. Ich fühlte mich krank. Schwach. Fast schon nutzlos. Warum war ich hier, wenn ich unfähig bin? Warum wählte man gerade mich aus, wo ich doch in anderen Kolonien besser zu gebrauchen wäre? Ich verstand den Sinn der ganzen Sache einfach nicht.
 

Werde ich eine derer Blüten sein, die in Windeseile fallen und verwelken werden...?

Synthesia - 3.0

"Er hat drei von ihnen mit einem Hieb getötet!"
 

"Ich hörte, er solle noch nicht ein Mal die Waffen benutzt haben."
 

Hmm, ja, dachte ich mir, als ich das Getuschel um mich herum vernahm. Ich war müde, hatte kaum geschlafen und gegessen und hatte keine Lust auszurücken. Es war immer das Gleiche...
 

"Aria!"
 

Ein guter Freund setzte sich zu mir an den Tisch, und oh... er hatte Essen mitgebracht. Mein Lieblings-Menü.
 

"Stimmt es, dass du heute gleich drei auf einmal ausgelöscht hast? Man munkelt, dass du nicht mal die Waffen nutzen musstest, um das zu schaffen!"
 

Nicht schon wieder dieses Thema... "Ja, kann sein. Gibst du mir was von deinem Lunch ab? Ich habe Hunger, riesigen Hunger."
 

Beiläufig schob er mir das Tablett rüber und hörte währenddessen einfach nicht damit auf, mich voll zu texten und auszufragen. Wie konnte man nur so nervig sein? War ein bisschen Ruhe und gutes Essen denn etwa zu viel verlangt? "Ja, habe ich. Und jetzt? Bin ich jetzt irgendwas besonderes oder so was?"
 

"Irgendwas besonderes, sagst du? Hey, Aria, das ist echt eine tolle Leistung! Vergleich das doch mal mit deinen früheren Leistungen! Damals warst du einer der wenigen Neulinge, die nach der ersten Simulation schon wieder herabgestuft wurden und heute bist du einer der Besten! Darauf kannst du echt stolz sein! ..ich meine, darauf, dass du heute so gut bist."
 

"Stolz sein? Auf was? Auf's Ausrotten von anderen Rassen? Tut mir leid, aber auf so was kann ich nicht stolz sein."
 

Bevor er das erste aber aussprechen konnte war ich schon aufgestanden und gegangen. Das Essen wollte ich nun auch nicht mehr. Na wunderbar, nach ewig langer Zeit gibt es mal wieder gutes Essen in dieser Kolonie und dann verdarb man mir meinen Appetit. So eine Frechheit...

Mir wollte das alles einfach nicht in den Kopf gehen. Warum sollte ich denn bitte stolz sein? Das einzige, was ich empfand, war Trauer. Ich ollte nicht töten. Ich mochte kein Leben auslöschen. Und doch tat ich es...

Ich fürchtete, dass ich so etwas wie Freude, schöne, wunderbare Euphorie, nicht mehr fühlen konnte. Alles um mich herum starb. Der Tag, Planeten, Lebewesen... Die Galaxie erschien mir oft, als wäre sie rabenschwarz. Dunkel, so dunkel, dass nicht ein kleinstes Licht durch diese Dunkelheit hindurch dringen könnte.

Die Sonne und das Licht wurden verschlungen, sowie auch ich.

Synthesia - 4.0

Wie lange hatte ich geschlafen?

Ein paar Stunden? Ein paar Tage? Oder sogar Wochen? Mein Zeitgefühl schien völlig verloren, ebenso meine Orientierung. Was geschehen war, wollte sich meinem Verstand nicht erschließen. Ich sollte kämpfen, ja... Es gab einen Angriff, und ich sollte die Verteidigung sein. Da war meine Machine... Und ich sollte eine Verbindung zustande bringen. Aber... was geschah dann?
 

"Dein Körper wollte sich schlicht und einfach nicht zur Verfügung stellen."
 

Wer...
 

"Tch. Versteh einer, warum sie ausgerechnet jemanden wie dich ausrücken lassen wollen, der es noch nicht einmal schafft, eine Verbindung mit seiner Machine aufzubauen. Was ist es, was dich zurück schrecken lässt? Der Schmerz? Angst?"
 

Ich konnte die Stimme, die ich nur schwach wahrnahm, gar nicht einordnen, und meine Augen wollten sich einfach nicht öffnen...
 

"Was auch immer. Ich sorge dafür, das ein anderer Anwärter den Platz bekommt, den du nicht verdienst."
 

-
 

Erst einige Stunden später war mein Körper wieder einigermaßen genesen. Der Duft von deftigem Essen kroch in meine Nase und eine wohlige Wärme umgab mich. Mein Kopf dröhnte noch immer, aber zumindest fühlte ich mich nicht mehr so elend wie einige Stunden zuvor.

Einer meiner Kommilitonen kümmerte sich scheinbar um mich und räumte gerade ein paar meiner Klamotten in einen Schrank, soweit ich das erkennen konnte.

"Wie fühlst du dich?", fraget er hastig als er bemerkte, das ich wach war. Ich konnte nicht anders als schwach zu lächeln, sofern meine Lippen überhaupt ein Lächeln zustande bekamen, und winkte leicht ab. "Gut... Ich fühle mich nur, als hätte ich ewig geschlafen..."

Ich war irritiert, als er darauf erst nicht reagierte. Hatte ich etwas falsches gesagt? Nein.

"Nun, Aria... du hast einige Wochen 'geschlafen'... wenn man das so nennen kann... Man gab dir einige Medikamente, damit sich dein Körper von dem nicht gerade ungefährlichen Abbruch wieder regenieren konnte... Du kannst froh sein, das einer der Kommandanten der ersten Liga dich aus der Machine zerren konnte, sonst wärst du jetzt wohl nicht mehr hier..."

Was? Das...

"Ein... Kommandant?"

Ein Nicken bestätigte meine Frage.

"Welcher? Wer... wer ist es?"

Nun schüttelte er den Kopf. "Das kann ich dir leider nicht sagen, Aria... Ich weiß selbst nicht, wie sein Name ist, weder noch, wie er aussieht. Ich weiß nur, das die das Kommando der Cad-Liga ebenfalls in der Nähe war, um die Simulation zu überwachen, aber welcher der Kommandanden es war konnte mir keiner sagen... Aber schon komisch, dass sie überhaupt dabei waren, findest du nicht auch? Soweit ich weiß, haben sie bisher keine einzige Simulation überwacht... Vielleicht ist das eine neue Methode, um die neuen Anwärter angehender Ligen sicherer in die Kämpfe zu führen, wenn sie anfangs starke Unterstützung haben?"

Ein Seufzen wich von meinen Lippen und ich nickte... Seine Vermutung machte Sinn, ja, aber... irgendwie erschloss sich mir das alles immer noch nicht so wirklich. Es war wirklich ungewöhnlich, das gerade die Cad-Liga dabei gewesen war, wenn Simulationen gestartet wurden... Die Kommandanten hatten doch sicherlich wichtigeres zu tun, als die Neulinge zu überwachen... Das war wirklich verwirrend. Und der Drang, nun wissen zu wollen, welchem Kommandant ich es zu verdanken hatte, das ich noch lebte, wurde nun immer größer.

Ich wollte aufstehen, mich anziehen und mich auf die Suche nach ihm machen. Ich wollte ihn sehen und ihm danken, wissen, wer mein Retter war, allerdings machte mir mein noch immer schwacher Körper einen Strich durch die Rechnung. Es zogen sich alle möglichen Schmerzen durch meine Glieder, als ich mich schneller bewegte und versuchte aufzustehen, und sie zwangen mich direkt wieder zurück in eine Liege-Position. Ich war wirklich ungeheuerlich schwer verletzt worden, aber... warum? Verlor ich die Kontrolle und entzog mich den Verbindungskanälen, die bereits in meinem Fleisch veranktert waren? Ein Blick auf meine Arme bestätigte meine Vermutung. Narben von bereits heilenden Fleischwunden...

Gerade so konnte ich eine meiner Hände heben, um Besteck zu nehmen und zu essen. Womöglich hatten sie mich die ganze Zeit über mit Schläuchen ernährt - mein Körper war zwar schmaler, aber scheinbar nicht abgemagert. Und so, wie ich es selbst einschätzen konnte, würde mein Körper wohl auch noch eine Weile brauchen, um wieder vollständig genesen zu sein...

"Aria? Du weißt auch... was für Konsequenzen du nun tragen musst, oder?"

Nun wurde ich wieder hellhörig. "Konsequenzen? Warum?

"Kennst du denn nicht den Bericht über den Anwärter aus dem letzten Jahr, dem Ähnliches zugestoßen ist wie dir? Bei der Simulation und Verbindung mit seiner Machine ging einiges schief, keiner kann aber genau sagen, warum. Es wird gemunkelt, das er die Kontrolle über sich selbst verloren zu haben schien und das er deswegen die Verbindung kappte. Vermutlich nur ein Wahnsinniger, aber wie auch immer... Daraufhin wurde er suspendiert und komplett aus der Kolonie ausgeschlossen."

Davon hatte ich tatsächlich noch nichts gehört... "Aber ich bin nicht wahnsinnig. Vielleicht war das alles nur ein kleiner dummer Fehler, der dazu führte, aber das habe ich doch alles nicht absichtlich getan!"

"Ob Absicht oder nicht, das interessiert leider keinen, Aria... Versteh doch, man muss sicher gehen, das soetwas nicht noch einmal passiert. Würde soetwas noch mal geschehen, würdest du vermutlich andere in Gefahr bringen oder sogar gefährden!"

Ich musste mir wohl eingestehen, dass er recht hatte... Ich war, wenn ich meinen Körper nicht unter Kontrolle hatte, in der Tat eine Gefahr für meine Kommilitonen gewesen. Nicht auszudenken was sonst noch hätte alles passieren können...

"Ich muss dich nun leider wieder alleine lassen, hab noch zu tun. Wenn etwas sein sollte... neben deinem Bett befindet sich Schalter, über den du einen Pfleger rufen kannst. Mach's gut."
 

Nun konnte es also sein, dass ich verstoßen werden würde...

Synthesia - 5.0

Man ließ mich noch einige Tage ruhen, bevor man ernsthaft mit mir sprechen wollte. Mein Körper war dank medikamentöser Hilfen wieder relativ gut genesen und stabil, also konnte man mich nun von der Krankenstation entlassen. Als ich aufzustehen versuchte waren meine Beine noch immer ziemlich wackelig, und mein Kreislauf brauchte ein wenig, um sich zu stabilisieren. Zugegeben, mir war schon etwas mulmig, da ich nicht wusste, was nun auf mich zukommen würde. Würde ich wirklich verstoßen werden? Oder war das eine zu harte Strafe, die nicht gerechtfertigt werden könnte? Ich wusste es nicht. Und genau deswegen zermaterte ich mir auch den Kopf darüber.
 

Erst ging ich zurück in mein Zimmer, räumte dort meine paar wenigen Sachen wieder ein, die ich vorübergehend mit im Krankenzimmer bei mir hatte, und räumte ein wenig auf. Vor der Simulation hatte ich eine absolute Unordnung hinterlassen - und genau so, wie es nun in meinem Zimmer aussah, sah es auch in meinem Kopf aus...

Später würde einer meiner Mentoren mit mir sprechen wollen. Er sprach nicht viel mit mir, als er mich kurz besuchen kam, sondern kündigte eben nur an, dass er mit mir sprechen müsste. Alleine das war schon ein ungutes Zeichen für mich, da er sonst immer relativ viel mit mir sprach. Ebenso sah er mir nicht mal ins Gesicht, sondern wich mir aus. Vorsichtshalber packte ich also schonmal einige Sachen zusammen, falls es wirklich so schlimm sein sollte und ich die Kolonie verlassen sollte... Ich war mir nicht sicher darüber, wohin ich dann gehen sollte, Fakt war aber, das ich mein Zuhause verlor und irgendwo neuen Halt suchen musste, den ich mir hier so mühsam erkämpft hatte...
 

Später dann machte ich mich auf den Weg in das kleine Büro meines Mentors, einige Minuten zu früh, klopfte aber schon an die Türe. Ich war so nervös, das ich mich kaum zusammen reißen konnte, biss mir ständig auf die Lippen und schob unsicher meine langen Haarsträhnen aus meinem Gesicht zurück. Er bestätigte mir, dass ich bereits reinkommen könnte.

Mit unsicheren Schritten betrat ich also sein Büro und schloss die Tür hinter mir. Er verwies mich auf den Stuhl ihm gegenüber.

"Nun, ich denke Sie wissen, was für eine Art Gespräch uns nun bevor stehen wird, habe ich recht?"

Ich nicke, antworte aber nicht und warte ab, bis er weiter spricht.

"Dieser Abbruch bei der Simulation war ziemlich riskant. Warum dies genau passiert ist können wir noch immer nicht genau sagen, wissen aber, dass es kein technischer Defekt seitens der Machine war, was bedeutet, das Sie, Nummer 04 des Kommandos 08, Aria Mercure, der Fehler waren."

Es fühlt sich so an, als würden sich sämtliche Muskeln in meinem Körper verkrampfen, und ich suche mit Mühe halt in den Stuhllehnen. "Ich? Der Fehler?"

"Ganz recht. Sie. Man hat, nachdem man Sie aus der Machine geholt hat, Ihren Körper gründlich untersucht. Nun, man hatte Glück, dass ihr Körper noch immer in einer Art Ausnahmezustand war, sonst hätte man gar keine Diagnose fällen können. Bei den Untersuchungen ergab sich dann, dass ihr Blutbild gar außergewöhnlich ist, was so viel heißt, das es dazu fähig ist zu mutieren, sollte Ihr Körper sich bedrohnt fühlen. Nun die Frage: warum fühlte sich Ihr Körper bedroht, wenn es um eine simple Verbindung mit Ihrer Machine ging, die Sie öfter schon durchführen mussten? War es sonst nie ausgeartet, weil sie eben wussten, dass Ihnen keine Gefahr bevorstehen würde? Bei der Simulation sollte es sich um einen Probe-Angriff handeln, zu Trainings-Zwecken, und es ist selten, sehr selten, dass ein Anwärter eben diesen abbricht. Was führte nun also dazu, das Ihr Körper so reagierte? War es Angst, mit der sie nicht umgehen konnten? Und wenn ja, wie konnte soetwas passieren, wenn Sie vorher doch zahlreiche Übungen und Therapien in Sachen Angst-Bewältigung gemacht haben, um all dem eben vorzubeugen?"

So schnell wie er sprach konnte ich gar nicht mitdenken. Mein Blut? Mutieren? Angst? Mir war völlig bewusst, dass Angst eine große Rolle spielte, und dass diese mich im Griff hatte, war auch kein Geheimnis gewesen, aber was war das nun mit der Mutation? Soweit ich wusste, war mein Blutbild völlig normal, nie besonders auffällig gewesen, da kannte ich Kommilitonen, bei denen man viel spektakuläre Ergebnisse aufweisen konnte, also... warum gerade ich und warum mein Blut?

Er setzte erneut an, mit einem tiefem Seufzen: "Ich verstehe, dass Sie nun verwirrt sind, aber wir können, so leid es mir tut, gerade nicht viel für Sie tun. In dem Zustand, in dem Sie sich aktuell befinden, sind Sie eine Gefahr für alle auf dieser Kolonie."

Mein Körper begann allmählich an zu zittern. Hatte ich also recht? Würde ich wirklich verbannt werden? Wegen eines Unfalls, den ich mir selbst nicht mal erklären konnte? "Wovon sprechen Sie? Ich verstehe nicht ganz, was Sie mir mit all dem sagen wollen... Meine Blutwerte waren doch immer relativ normal und sonst auch zeigte mein Körper sowie auch mein Verhalten keine besorgniserregenden Anzeichen! Ich mag mich anfänglich ein wenig blöd angestellt haben, ja, aber ich habe mich schnell verbessert! Sie selbst sagten mir doch, dass Sie in mir viel Potential sehen! Dass es Probleme mit meinen Ängsten gibt, das ist mir absolut bewusst, aber... Ich kann mir doch selbst kaum erklären, was an diesem Tag schief gelaufen ist, warum geben Sie mir nicht noch eine Chance? Ich verspreche Ihnen, dass soetwas nie wieder vorkommen wird!"

Nicht ein Funken Hoffnung konnte ich in seinem Gesicht erkennen. Seine Miene alleine deutete schon darauf hin, dass ich eben keine zweite Chance mehr bekommen würde.
 

"Es tut mir leid für Sie.", fügte er noch hinzu, bevor er mich anwies zu gehen, "Diese Entscheidung liegt nicht in meinen Händen und ich kann nun leider nichts mehr für Sie tun. Machen Sie es gut."
 

Ich konnte es kaum fassen. Meine schlimmste Befürchtung wurde nun also zur Realität und ich konnte nicht nachvollziehen warum. Hunderte von Gedanken schossen mir nun durch den Kopf, das Chaos, welches ich nicht ordnen konnte, wurde nun noch größer und größer und wollte nicht aufhören zu wachsen, und sämtliche Fragen schossen wirr durcheinander. Was sollte ich nun tun? Mich von meinen Freunden und Kommilitonen verabschieden? Gehen, ohne etwas zu sagen? Und wohin sollte ich gehen...?

Erogide - 1.0

Es dauerte gar nicht lange, bis ich all mein Hab und Gut zusammen gepackt hatte und mir meine Tasche um die Schultern schnürte. Ich wollte mit niemandem sprechen, erst recht nicht mit denen, die mir eigentlich so vertraut waren. Vermutlich wäre der Abschiedsschmerz zu brutal gewesen, weswegen ich mich nun einfach still und heimlich davonstehlen wollte. Das Einzige, was man mir noch zur Verfügung stellte, war eine kleine Kapsel mit genug Treibstoff, sodass ich auf einer anderen Kolonie oder gar einem anderen Stern Halt machen konnte, wenn ich nicht sogar dort verweilen würde. Ansonsten musste ich beinahe alles, außer meiner persönlichen Sachen, dort zurück lassen. Einerseits fiel es mir schwer, da viele Erinnerungen daran hingen, andererseits war es wohl ein wichtiger Punkt, wenn es um einen Neuanfang ging. Einen Neuanfang, den ich eigentlich gar nicht wollte und welcher mir aufgzewungen wurde...
 

Das war ein komisches Gefühl noch einmal, ein letztes Mal, auf die Kolonie zurück zu blicken, die ganzen Gebäude zu sehen, welche ich als schön erachtet hatte und die Stimmen in den Ohren hallen zu hören, die diesen Ort so lebendig machten.

Als ich in die Kapsel stieg fühlte ich mich, als würde ich beinahe ohnmächtig werden. Ich konnte es einfach kaum fassen, dass ich tatsächlich gehen musste, und leise Tränen rollten über mein Gesicht. Alles um mich herum versank in Unschärfe, und ich konnte gerade so alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Kapsel startete. Ich konnte einfach nicht aufhören zu schluchzen und zu wimmern, zu groß war der Schmerz, der sich nun in mein Herz fraß und mich zu verschlingen drohte. Schon einmal hatte ich meine Heimat verloren, und nun musste ich diese bittere Erfahrung ein zweites Mal erleben...

Jetzt musste ich sehen, wo ich hingehen musste oder konnte. Die Möglichkeit, als Fremder einfach so auf einem fremden Stern oder einer Kolonie anzusiedeln war alles andere als leicht. Womöglich würde man mich erstmal für einige Tage in Gefangenschaft nehmen und gründlich überprüfen, bevor man mir Gastfreundschaft anbieten würde.

Während ich nun durch die Weiten der Galaxy streifte musste ich um Orientierung ringen, immerhin war ich nicht oft unterwegs gewesen, zumindest nicht so weit entfernt von meiner nun ehemaligen Kolonie. An die Umgebung meines einstigen Heimatsterns kann ich mich partout nicht erinnern - viel zu lange war es her und über die Jahre verblassten meine Erinnerungen mehr und mehr, bis irgendwann nichts mehr davon übrig bleiben sollte.

Bisher war weit und breit kaum etwas zu sehen, zumindest nichts was groß genug gewesen wäre, um dort zu landen. In einer meiner Taschen hatte ich immerhin ein wenig Proviant, den ich mir noch stibitzt hatte, somit würde ich also zumindest einige Tage lang sorglos essen und trinken können und keinen Hungetod fürchten, allerdings war die Kapsel klein und nicht gerade gemütlich und ich merkte immer wieder, wie ein Kribbeln sich durch meine Beine zog und sie einschläferte.
 

Erst nachdem ich ganze zwei Tage unterwegs gewesen war, machte ich erst Halt. Vorher wäre es beinahe zu unschönen Zusammentreffen von anderen Arten gekommen, allerdings wurde ich glücklicherweise verschont und nicht angegriffen. Man dachte sich vermutlich, dass man bei mir nicht hätte viel holen können, weswegen ein Angriff sich nicht gelohnt hätte.

Nun war ich auf einem relativ kleinen Stern gelandet, nördlich des Cyaniden-Dreiecks, und wollte erst einmal nichts anderes als aufstehen und mich bewegen. Mein ganzer Körper fühlte sich wie taub an und es dauerte, bis meine müden Glieder sich langsam wieder erwärmten. Noch gab es mit meiner Atmung keine Probleme, aber es fiel mir trotzdem schwer Luft zu holen. Unendlich viele kleine Partikel und Sand flogen durch die Atmosphaere und suchten sich den Weg in meine Lungen. Es war also nötog gewesen zumindest etwas um Hals und Gesicht zu tragen, damit man nicht irgendwann erstickte...

Die Kapsel ließ ich stehen und machte mich auf dem Weg, auf die Suche nach Leben. Weit und breit konnte ich bisher nichts erkennen, nicht einmal Vegetation oder jegliches, nur blauer, fast grauer Sand, der sich über die Oberfläche des Sterns zieht. Solche Sterne waren nicht selten gewesen - und hier gab es sicherlich auch nicht unbedingt große Kolonien, Städte oder Dörfer, zumindest nicht bei diesen Bedingungen, die hier zu gelten schienen. Es bedurfte also einiger Zeit, bis ich auf Leben staß, allerdings wurde ich nicht, wie ich es vermutet hatte, eingesperrt oder gar angegriffen, nein, man reagierte relativ scheu und ängstlich auf mich. Die Lebewesen, die hier lebten, schienen nicht oft auf andere Kreaturen zu treffen und waren ganz und gar keine Krieger, die andere ausbeuten wollten und sich nach Eroberungen sehnten. Indem ich vor dem Dutzend auf die Knie ging, um ihnen zu symbolisieren, dass ich ihnen nichts Böses wollte und ihnen wohlgesonnen war, ertönte auch das erste Gemurmel. Im ersten Augenblick, als sie mich das erste mal gesehen hatten, waren sie absolut still gewesen, beinahe erstarrt vor Schreck vermutlich, und nun sprudelten Massen von Lauten aus ihren Mündern, in den verschiedensten Klängen und Tonarten. Noch immer befand ich mich auf meinen Knien, wusste nicht, wie ich mit ihnen hätte kommunizieren können und wartete ab, bis sie auf mich zukommen würde. Nur langsam und noch immer sehr scheu traute man sich dann an mich heran, erst mit kleinen Schritten, dann beinahe mit wagemutigen Sprüngen, bis man kurz vor mir die Füße in den Sand schlug.
 

"Dein Name? Rasse? Von welchem Stern kommst du?"
 

Ich war durchaus überrascht, dass ich sie verstehen konnte. Ihre Sprache klang ähnlich wie die, die ich selbst als Muttersprache gelernt hatte, ein wenig abgewandelt vielleicht, aber sehr identisch.
 

"Mein Name ist Aria Mercure. Ich komme vom Stern Aternas."
 

Man erlaubte mir, mich zu erheben.
 

Die Augen meines gegenüber blitzen mit einem seltsamen Schimmern auf und seine Lippen verziehen sich für einen kurzen Moment. "Vom Stern Aternas? Aternas wurde vor vielen Jahren schon zerstört!"
 

"Das ist richtig. Ich habe die Vernichtung damals überlebt und bin woanders aufgewachsen."
 

Wieder hallt helles Gemurmel und Gemunkel durch die Luft und einige mehr trauen sich mich mir zu nähern, bis sie in einem kleinen Kreis um mich herum stehen.
 

"Wenn Ihr woanders aufgewachsen seid, was für einen Grund habt Ihr dann auf einen anderen Stern zu reisen?"
 

Mein Atem stockt für einen Moment, und wieder tanzen unzählige Staubkörner durch meinen Rachen, als ich mein Tuch für einen Moment lang herunter gezogen hatte. "Meine ursprüngliche Kolonie ist 4693, hinter den Cyaniden-Dreiecken, südlich des Mount Crechzon. Ich bin ehemaliger Anwärter im Kampf gegen Terroristen, ausgebildet mit diversen Kampf-Machinen."
 

"Ehemalig?"
 

"Ja... Man hat mich verstoßen, weil ich den Anforderungen nicht mehr gerecht war."
 

Für einen Moment lang war alles wieder still, bis sich alle Stimmen erneut gleichzeitig erhebten, lauter und schriller als vorher, aber nicht aggressiv.
 

"Und nun sucht ihr nach Unterschlupf auf einem neuen Stern?" Einige von ihnen mehr trauen sich näher an mich heran, stampfen mit den Füßen im Sand herum und legen ihren Kopf mal auf die linke, dann auf die rechte Seite, um mich eingehend zu mustern.
 

"So ist es..."
 

Eine kleine Gestalt kommt nun hinter den anderen hervor und kommt vorsichtig auf mich zu. Sie gibt keinen einzigen Laut von sich, und ihre großen, gelbgoldenen Augen starren mich an, während sich eine ihrer Hände den Weg an meine Kleidung sucht, an welcher sie prüfend zerrte. "Er ist gut.", murmelt sie leise vor sich hin, dann lauter werdend, "Er ist gut, gut!"
 

Nun, dies schien nun also die Bestätigung dafür zu sein, dass ich - zumindest für eine Weile - bleiben durfte.

Erogide - 2.0

Lycratek war der Name des Sterns, auf dem ich nun verweilen durfte. Noch nie zuvor hatte ich davon gehört gehabt, was mich aber auch nicht wunderte, so klein und unscheinbar, wie Lycratek nun gewesen war.

Das Volk auf diesem Stern erwies sich als äußerst freundlich und gastfreundlich. Nach anfänglichem Misstrauen mir gegenüber waren nun jegliche Zweifel aus dem Weg geräumt, das ich ihnen hätte Schaden zufügen wollen - was schon sehr naiv war. Ich hätte ein Getarnter sein können, der sich einschleußen mochte, um sie hinterrücks zu hintergehen oder gar auszurotten oder ein Eroberer, der ihren Stern hätte verkaufen wollen - warum also vertrauten sie mir so schnell und ließen mich sogar für eine Weile unten ihnen weilen?

Zu allererst brachten sie mir sämtliche große und kleine Tücher, aus den verschiedensten Stoffen, die sie mir um den Körper wickelten. Die Sandstürme auf Lycratek waren aggressiv und ohne Gnade, umso mehr musste man an seinem Körper tragen, damit man keinen Schaden nahm. Ebenso wies man mich darauf hin, zu welchen Zeiten ich keinesfalls aus der Hütte gehen sollte. Die Hütten der Bewohner waren klein, sperrlich, sehr improvisorisch gebaut, aber sie schienen ihnen vollkommen zu genügen und den Nutzen zu erfüllen, den sie auch haben sollten. Im Gegensatz zu all dem, was ich vorher an Bauten gesehen hatte, waren diese Behausungen die wohl simpelsten und beinahe auch primitivsten - die Lycrateker wollten nicht protzen und zogen den reinen Nutzen aus ihren Werken - was sollten sie auch, bei solchen schwierigen Verhältnissen, mir prunkvollen Häusern und Türmen, die vom Sandsturm in Windeseile zerstört worden wären? Auf den ersten Blick wirkten sie tatsächlich primitiv, allerdings gehörten sie zu den intelligentesten Rassen fernab von anderen Zivilisationen.
 

Der Trubel um mich war wirklich enorm. Die Kleinsten kamen ständig zu mir und baten mich darum ihnen von meiner Heimat zu erzählen, was ich erlebt habe, wen und was ich bisher schon gesehen habe und einfach nur ein paar kleine Geschichten, die ihre überaus große Fantasie gierig verschlang. So, wie sie sich verhielten, schien es wohl wirklich selten gewesen zu sein, dass Fremde auf ihrem Stern Halt machten. Sie lebten hier sehr versteckt, abgeschnitten, in aller Ruhe. Alles, was sie von der weiten Galaxy kannten, kannten sie aus ihren Büchern und Schriften, die sie allesamt beinahe selbst geschrieben hatten, Geschichten und Erzählungen, die ihnen verschiedene Sternschnuppen berichteten.

Wenig später lernte ich dann Kytakes kennen. Sie war nicht unbedingt groß, aber schon ausgewachsen, verkörperte die Schwelle der Jugendlichkeit bis hin zum Erwachsensein, auch wenn ihr Körper dem eines Kindes ähnelte. Anfangs setzte sie sich nur stumm zu mir, lachte und kicherte nicht mit, wenn die anderen es taten, und starrte immer nur auf einen von ihr fixierten Punkt vor sich, der ins Nichts überging. Ihre Körperspannung war ganz anders, und auch die einfachsten Bewegungen, wie sie sich über die Augen rieb und sich die Kleidung zurecht zupfte, war äußerst eigen. Einige der Kinder flüsterten mir zu, dass sie seltsam sei, sie sei immer schon so gewesen, und das es keinen Spaß machte mit ihr zu spielen, weil sie nicht gerne spielte. Sie wäre schon immer so ernst gewesen, munktelten sie.

Als die Kinder zurück in die Hütten eilten, weil ihre Eltern nach ihnen riefen, lief Kytakes nicht mit. Sie blieb noch immer still neben mir sitzen und starrte vor sich hin. Es gab Essen, doch sie schien nicht hungrig zu sein.
 

Ich versuchte nun also den ersten holprigen Versuch mit ihr zu sprechen: "Hast du denn gar keinen Hunger?"
 

Sie schüttelt den Kopf und brummt.
 

Ein Seufzen entwich meinen Lippen. "Nun gut... Aber versprich mir, dass du wenigstens später ein paar Bissen zu dir nimmst. Es ist nicht gut für den Körper, wenn man nicht regelmäßig isst."
 

"Warum soll ich essen, wenn es keinen Sinn macht?" Ihre Stimme klang ganz anders, als ich sie erwartet hätte.
 

"Keinen Sinn? Inwiefern macht es keinen Sinn?"
 

Sie hob das Kinn und linste seitlich zu mir, wandte den Blick dann wieder ab und zog die Knie nah an ihren Oberkörper heran, legte beide Arme um sich und blickte dann in den Himmel hinauf. "Wir werden eh bald sterben. Also muss ich nun auch nichts mehr für meinen Körper tun."
 

Im ersten Augenblick dachte ich, ich hätte mich verhört, oder dass sie scherzte. "Sterben? Wovon sprichst du? Soweit ich das einschätzen kann, gibt es für euch keinerlei Bedrohung. Sind das irgendwelche Märchen, die man euch erzählt hat?"
 

"Ich glaube nicht an Märchen.", flüsterte sie in einem scharfen Ton, "Sie haben es mir selbst gesagt. Dass sie kommen werden, um uns zu töten. Es wird nicht mehr lange dauern, so fühl ich es."
 

"Wer wird kommen, um euch zu töten?" Erst konnte und wollte ich sie nicht ernst nehmen, dachte, sie trieb ein blödes Spielchen mit mir, merkte dann aber schnell, dass sie es ernst meinte und alleine die Tatsache, das eine Schweigsame sich mir, einem Fremden, anvertraute, sprach wohl Bände.
 

"Ich kenne ihren Namen nicht. Sie sind Maskierte mit großen Maschinen und Kreaturen, von denen ich nicht einmal hätte träumen können."
 

Maskierte? Mit großen Maschinen und Kreaturen? Diese Beschreibung war zwar nur sehr vage und ungenau, aber ich konnte mir leider ausmalen, von wem sie sprach...
 

"Bist du die Einzige, die sie gesehen hat?"
 

Sie nickte.

Nun verstand ich auch, warum sie sich so seltsam verhielt und warum die anderen Abstand zu ihr hielten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie schon immer so gewesen war, nur, dass dieses Vorkommnis sie geprägt hatte und sie dazu veranlasste, sich umso mehr von Ihresgleichen zu distanzieren.
 

"Haben sie dir gesagt, wann sie kommen wollen?"
 

"Dann, wenn der vierte Mond in Flammen aufgehen wird, sagten sie. Das ist nicht mehr lange hin... Das ganze Dorf bereitet bereits das Fest vor... Die Entzündung des vierten Mondes ist eine heilige Zeremonie für uns und steht für das Leben und die Existenz Lycrateks..."
 

Umso schlimmer, dass man dann genau diesen für dir Lykrateker wichtigen Zeitpunkt auswählte, um sie auszurotten... Leider wusste ich haargenau, um wen es sich dabei handelte, und es lief ein eiskalter Schauer über meinen Rücken. Meine Hände begannen unweigerlich zu zittern und ich biss mir ständig auf die Lippen, was ein deutliches Zeichen für meine Angst war, die sich wieder durch meinen Körper schlich...
 

Erst merkte ich gar nicht, wie ihre goldenen Augen mich um Hilfe anflehten, bis sie ihre Hand auf meinen Arm legte und mich dazu veranlasste sie anzusehen.
 

"Fremder, hilf uns... Ich will nicht, das meine Rasse ausstirbt."
 

Wie ein Blitz schießen ihre Worte durch meinen Kopf und ich zuckte augenblicklich zusammen. Ein Deja Vu, ein Deja Vu! Genau die selben Worte hatte ich vor zig Jahren von mir gegeben, genau dann, als Aternas zerstört werden sollte und ich wusste, dass man kommen würde, um meine Rasse zu töten! Die Angst in mir sprach sich gegen die Bitte aus, aber ich konnte und wollte ihr die Hilfe nicht verwähren. Ich wollte nicht noch einmal mitansehen, wie ein anderer Stern und eine weitere Rasse ausgelöscht werden sollten!

Erogide - 3.0

In der ersten Nacht, die ich nun auf Lykratek verbrachte, fand ich nicht eine Minute Schlaf. Ich war unruhig und wälzte mich ständig hin- und her, dachte an das, was Kytakes mir anvertraut hatte. Noch immer konnte ich nicht verstehen, warum sie sich gerade mir anvertraute, und was ich nun tun sollte, um ihr und ihrem Volk zu helfen, wusste ich auch noch nicht. Sie dachte wohl, dass ich stark gewesen sein musste, stark genug, um sie zu beschützen, allerdings bedachte sie dabei nicht, dass ich eben ein nur ehemaliger Anwärter zur Führung von Kampfmaschinen gewesen war und ich nicht einmal mehr die Berechtigung hatte eine solche Maschine zu nutzen und selbst wenn stand mir keine zur Verfügung...

War sie wirklich die Einzige, die von dem bevorstehenden Untergang ihres Sterns wusste? Womöglich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Lykrateker, so, wie ich sie bisher einschätzen konnte, dann so ruhig bleiben würden. Das musste nicht leicht für Kytakes gewesen sein, dieses schreckliche Schicksal für sich zu behalten... Nun mochte sie sich vielleicht ein wenig besser fühlen, nachdem sie sich jemandem anvertraut und Hoffnung auf Rettung geschöpft hatte, aber was, wenn ich ihr nicht helfen konnte? Die Bedrohung, mit der sie es nun zu tun hatten, waren weitaus grausamer und skrupelloser, als sie es sich hätte ausmalen können... Wenn ich recht in der Annahme war, dass es sich um die Übeltäter handelte, die ich vermutet hatte... Als Einziger konnte ich gegen diesen Feind kaum etwas machen, aber was sollte ich sonst tun? Ich hätte mich in meine Kapsel setzen und fliehen können, bevor es so weit war, aber ich wollte diese liebenswürdigen Kreaturen nicht im Stich lassen wollen...
 

Nicht eine Sonne drehte sich um Lykratek, nur vier volle, beinahe silberne Monde, die Licht schenkten, so sah der Morgen nicht anders aus als andere Tageszeiten, die in angenehmer Dunkelheit anhielt. Es wäre wohl auch unerträglich heiß gewesen, würde eine Sonne auf den Sand strahlen, sodass man nicht einen Schritt vor den anderen setzen konnte.

Mir war nicht nach Essen zumute, nichtmal einen Schluck Wasser konnte ich zu mir nehmen. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, welches Kytakes mit mir geteilt hatte, hielt mich gefesselt und schien mich nicht mehr loslassen zu wollen. Irgendetwas musste mir einfallen, eine Lösung, eine Möglichkeit, damit ich irgendetwas tun konnte, doch in erster Linie war da meine Angst, die Angst, dass ich noch einmal eine Stern-Auslöschung miterleben musste...

Der Blick in die Gesichter der Kinder machte alles nur noch schwieriger für mich. Die Lykrateker waren wirklich ein wunderbares Volk, gute Handwerker, friedliche Kreaturen, die für sich und ihre Welt lebten - dass sie irgendwann nicht mehr existieren sollten wollte ich mir gar nicht vorstellen.

Ich zog mich nun wieder in die Hütte, die man mir als Unterschlupf zur Verfügung gestellt hatte, zurück und versuchte, meine Gedankengänge in sinnvolle und effektive Richtungen zu leiten. Mir stellten sich ungemein viele Fragen - sollte ich dem Volk von dem erzählen, was Kytakes mir erzählt hatte und sie warnen? Sollte ich abreisen und versuchen irgendwo Hilfe zu holen? Und wenn, wohin sollte ich, und an wen sollte ich mich wenden? Wenn man das hektische Treiben des Volkes beobachtete erkannte man schnell, dass die Zeremonie-Vorbereitungen auf Hochtouren waren, also konnte es nicht mehr lange dauern bis zum Fest. So viel Zeit bliebe mir also nicht um Hilfe zu holen... Ganze zwei Tage hatte ich bis hierher gebraucht und auf dem Weg nach Lykratek befanden sich kaum bewohnte Sterne und Kolonien, wömöglich auch keine Krieger oder sonstige Trupps, die relevant gewesen sein könnten... Mit bloßen Händen und vorallem alleine konnte ich nichts tun, außer zusehen, wie alles in Schutt und Asche verwandelt wurde...
 

Später beschloss ich noch einmal mit Kytakes zu reden, allerdings konnte ich sie nirgends im Dorf finden. Man erzählte mir, dass sie oft durch die Gegend streunte, besonders oft an den gespaltenen Felsen, wo ich sie nun auch aufsuchen wollte. Der Weg dorthin war nicht unbedingt kurz - sie musste schon ziemlich früh losgegangen sein, aber vielleicht war es auch nur die Ungewohnheit für mich, sich durch dicken Sand kämpfen zu müssen, der Meter für Meter höhere Gipfel zu bilden schien. Dort angekommen fand ich sie dann schnell und gesellte mich zu ihr. Sie saß an einem kleinen Bach, umgeben von wunderschönen großen tropischen Pflanzen, die sich von den wenigen durch die Felsen scheinenden Mondstrahlen ernährten und mit ihren neonblauen Blättern Auffangquellen für Wasser boten.
 

"Hilfst du uns?" Ihre Füße, in schäbige Bandagen gewickelt, zogen kleine Bahnen durch das seichte Wasser und ihre Finger sortierten ein paar kleine Steine, die sie sorgfältig neben sich platzierte.
 

"Ich möchte es versuchen, ja...", seuftze ich, "Aber ich bin mir noch nicht sicher darüber, was ich für euch tun kann."
 

Ihre Augen starren mich entsetzt an und ihre zarten Finger lassen das grüne Steinchen sofort zurück ins Wasser fallen. "Du sagtest, dass du ein Anwärter seist! Anwärter können kämpfen, mit Maschinen!"
 

"Ehemaliger Anwärter... Ich habe weder die Erlaubnis noch eine Maschine, mit der ich euch helfen könnte."
 

"Du bist ein Lügner, Fremder! Ich sehe dir doch an, dass du ein Krieger bist! Ehemalig oder nicht, du kannst kämpfen, also kämpfe für meinen Planeten und hilf, anstatt unnötig durch die Galaxy zu reisen, ohne Sinn und Ziel!"
 

Ich konnte ihre Wut und ihr Unverständnis gut verstehen, allerdings änderte das nichts an der Tatsache, dass ich über keinerlei Kampfmaschinen verfügte, die ich nunmal brauchte, um ihr helfen zu können. Die Armee des Feindes war weitaus größer, als sie es sich vorstellen konnte, und ich alleine würde für sie nur ein kleines Hindernis sein. "Ich brauche eine Kampfmaschine.", wiederholte ich, "Nur dann kann ich euch helfen. Ich habe nur eine Raumkapsel, nichts, womit man kämpfen oder sich verteidigen könnte und Waffen besitze ich auch nicht. Mit bloßen Händen werde ich nichts gegen sie tun können..."
 

Nun sah sie ein, dass es so keinen Zweck hatte. Sie rang nun mit den Tränen und schluchzte bitterlich auf, rieb sich hektisch mit dem Ärmel übers Gesicht und warf wutentbrannt die Steine ins Wasser, die sie vorher so mühevoll hatte rausfischen müssen...
 

"Ich will nicht, dass wir alle sterben müssen! Wir haben nichts getan, wir wollen nichts von ihnen, warum wollen sie uns und unseren Planeten?!"
 

"Aus reiner Habsucht. Einen anderen Grund gibt es nicht."
 

Langsam beruhigte sie sich wieder, atmete tief ein und aus und trocknete die letzten Tränen in den Augenwinkeln. "Woher bekommen wir Maschinen? Können wir welche selbst bauen? Wir haben viele Baustoffe, die man verwenden könnte..."
 

"Eine Maschine selbst zu bauen würde Jahre dauern, das ist unmöglich, selbst dann, wenn wir viele helfende Hände hätten. Uns würden andere Maschinen fehlen, die wir zum Bau benötigen. Aber..." Der Gedanke, der mir durch den Kopf tanzte, war schier wahnsinnig. "Ich weiß, wie ich an eine Maschine heran komme..."

Erogide - 4.0

Ich ließ einige Tage vergehen, in denen ich Kytakes nicht mehr in meine Pläne einwies. Was ich geplant hatte war für sie womöglich absolut nicht nachvollziehbar und verständlich gewesen, also wollte ich keine Zeit damit verschwenden zu versuchen es ihr zu erklären, da mir bewusst war, dass mir eben nicht mehr viel Zeit geblieben war.

Das Treiben im Dorf war noch immer energisch und mit anzusehen, wie die Lykratker mit solch einer enormen Freude ihr Fest vorbereiteten, war ein großer Motivationsschub für mich. Dadurch, dass ich auf diesem Stern kaum Hilfsmittel hatte, war meine Planung sehr eingeschränkt - ich hätte, rein theoretisch, einiges bauen können, dafür fehlte mir allerdings die Zeit...

Es war schwieriger als gedacht, Kytakes von meinen Plänen fern zu halten. Sie war neugierig und wollte natürlich helfen, aber sie würde mir im Endeffekt keine Hilfe sein, womöglich würde sie eher in ihren eigenen Tot stürmen.
 

Das Kribbeln in meinen Händen wurde allmählich stärker. Dieses seltsame Gefühl schnellte teilweise durch meinen ganzen Körper, legte meine Muskeln für einen Augenblick lahm und ließ dann wieder von mir ab. Die Angst war es, die wieder versuchte Macht über mich zu bekommen und mich zu lähmen, noch aber konnte ich sie so weit kontrollieren, dass sie nicht die Überhand bekam. Kritisch würde es dann werden, wenn ich die Kontrolle tatsächlich verlieren würde... Zu meinem Unglück hatte ich allerdings auch keinerlei Medikamente mehr, die mir dabei helfen würden alles in den Griff zu bekommen. Alleine durch psychosomatische Hilfe also musste ich Fassung bewahren und meine größte Schwäche, die Angst, in die Ecke treiben.
 

Nur noch eine Nacht, dann würde das Luna on Lykratek, die Zeremonie im Namen des 4. Mondes, stattfinden und der Feind würde püntklich sein und genau dann eintreffen, wenn das Fest im vollen Gange war.

Schmerzliche Erinnerungen an die Zerstörung meines eigenen Heimat-Sterns schlichen sich immer wieder vor meine Augen. Ich konnte und wollte einfach nicht zulassen, dass noch mehr Sterne ausgelöscht wurden...

Kytakes folgte mir auf Schritt und Tritt und versuchte heraus zu finden, was ich im Schilde führte. Sie beobachtete jede kleinste Geste von mir und studierte meinen Blick akribisch mit solch einer Geduld, die sie nur selten hatte aufbringen können. Ihr war ihre innerliche Unruhe absolut anzusehen, und doch bemühte sie sich, gerade auch vor ihrem Volk, sich nicht noch seltsames zu benehmen als dass sie es sonst schon tat. So grummelig sie auch sonst sein mochte, Angst wollte sie ihnen keine einjagen und sie nicht auch noch in Unruhe bringen, auch wenn sie sich selbst nicht sicher darüber war, ob es die richtige Entscheidung gewesen war ihnen eben nicht davon zu erzählen, was sie alleine in Erfahrung gebracht hatte. Vermutlich war ihr Vertrauen in mich so groß gewesen, dass sie dabei nicht mal in Erwägung zog, dass ich es nicht schaffen könnte, etwas gegen den Feind zu tun und dass sie und ihr Volk weiterhin in Frieden hätten leben können. Was sich mir an der ganzen Sache allerdings noch immer nicht erschloss war eben dieses Vertrauen, was sie zu mir aufgebaut hatte. Sie wusste doch, dass ich über keinerlei Waffen verfügte und sie merkte auch, dass mein Körper ständig zitterte und ich um Fassung kämpfen musste, warum also war sie sich so sicher, dass ich ihr helfen konnte? Ich verstand es einfach nicht.
 

-
 

Harmonische Melodien und der Klang von vielen mir unbekannten Instrumenten hallte durch das Land und erfüllte selbst die Wüsten mit Leben und Energie. Sie tanzten, sangen, schwangen sich um ein großes blaues Feuer, johlten und jaulten und schreiten all ihre Ergebenheit für den vierten Mond in die Atmosphäre heraus, im Wissen, dass er ihre Darbietung sehen und hören konnte. All dies wirkte auf mich wie ein einziges Ritual, dass die Lykrateker mit Stolz ausführten. Am liebsten hätte ich mich erhoben und mich ihnen angeschlossen, mit ihnen getanzt und gesungen, aber ich war angespannt. Jede Faser meines Körpers schien unter Strom zu stehen und ich wartete geduldig auf die ersten Zeichen, die mir der Himmel zeigen würde. Die Zeremonie war in ihrer vollen Blüte, es durfte also nicht mehr lange dauern, bis der Feind erscheinen würde - wenn er denn überhaupt erscheinen würde. Ich war noch immer in einem Zwiespalt gefangen, in welchem ich nicht wusste, ob ich dem, was Kytakes mir erzählte hatte, Glauben schenken sollte oder nicht. Natürlich würde ich erleichtert sein, würde es zu keinem Angriff kommen, aber ich wollte vorsichtshalber vorbereitet sein, falls es doch geschehen würde.

Kytakes selbst nahm an den Feierlichkeiten Teil, ihre Mimik und Gestik war denen der anderen aber vollkommen fremd. In ihrem Gesicht lag keinerlei Freude, und ich erahnte winzige funkelnde Tränen in ihren Augenwinkeln, die sich in das blaue Feuer flüchteten, um welches sie tanzte.

Noch immer konnte ich am Himmel nichts erkennen. Normalerweise würde ich früh genug zumindest die winzigsten Anzeichen sehen und deuten können, in dieser Nacht allerdings nicht. Die Sicht war klar und nicht eine Verfärbung war erkennbar - in meiner Grundausbildung hatte ich alles über das Erkennen und Deuten von Feinden in bestimmter Entfernung gelernt, weshalb ich nicht glauben konnte, dass ich mich irrte. Ich irrte mich nicht, nein, auf keinen Fall.
 

Wenig später verstand ich sofort, warum ich sie nicht hatte kommen sehen.

Sie kamen nicht von oben, sondern von unten!

Die ganze Zeit über hatten sie sich in den Wüsten versteckt, tief im Sand, wo sie niemand erahnen oder entdecken konnte! Große, rabenschwarze Maschinen, so mächtig, wie ich kaum welche bisher gesehen hatte, tauchten langsam aus dem Sand heraus auf und wirbelten alles so weit auf, dass man kaum noch etwas erkennen konnte. Die ganzen Schreie um mich herum versuchte ich gezielt ausbzublenden, nun aber wusste ich in diesem wichtigen Moment nicht, was ich tun sollte. Sollte ich erst das Volk in Sicherheit bringen, oder sollte ich direkt versuchen, meinen Plan in die Tat umzusetzen? Ich hatte absolut nicht damit gerechnet, dass sie auf solch eine Art und Weise auftauchen würden, sondern rechnete fest damit, dass sie von oben kommen würden! Ein Großteil meiner Strategie wurde somit sinnlos und ich musste in Eile vieles neu überdenken. Ich musste spontan aber sinnvoll handeln, da mir keine Zeit mehr geblieben war, um alles neu zu planen.

Und es waren genau die, mit denen ich gerechnet hatte. Diese Kreaturen würde ich immer wieder erkennen - und auch die Angst in mir erkannte, mit wem ich es zu tun hatte, und schlich sich mit schnellen Zügen immer weiter in mich hinein.

Nein, dachte ich immer und immer wieder, ich wollte nicht noch einmal einfach nur da stehen und zusehen, wie alles zerstört wurde, nein, ich musste endlich kämpfen und etwas tun!

Erogide - 5.0

Mein Atem stockte für einen kurzen Moment, als noch einige mehr Maschinen aus dem Sand hervor kamen. Es waren viel mehr als ich vermutet hatte, und ich fühlte mich für einen Augenblick lang wie paralysiert. Die Angst war mir bereits bis ins Mark gekrochen und alles Rütteln und Schreien von Kytakes, die mich anflehte, doch etwas zu tun, half nichts. Ich konnte mich einfach nicht rühren, nicht einen kleinen Zentimeter, und starrte entsetzt auf die massiven Maschinen, die sich uns immer schneller näherten.
 

Nun war es ein kleines Mädchen gewesen, welches ohne jegliche Furcht und mit ausgebreiteten Armen den Maschinen entgegenlief. Ihre winzigen Füßchen versanken immer wieder im Sand und sie hiefte sich jedes Mal wieder auf, breitete erneut die Arme aus und kicherte munter vor sich hin - sie war so jung, dass sie noch nicht verstand, welchem Unheil sie dort entgegenlief.

Meine Angst blieb auf der Strecke. Ich hatte sie abgeschüttelt, schneller als sonst, und ich rann ihr hinterher. Kytakes wollte mir folgen, fiel allerdings glücklicherweise und blieb dann auch dort gekniet, anstatt mir weiter hinterher zu kommen. Es dauerte zum Glück nicht lange, bis ich das kleine Bündel an Fleisch und Knochen eingeholt hatte und zog sie in meine Arme. Wieder kicherte sie und deutete mit dem kleinen Strauß Blümchen zwischen ihren Fingerchen auf das große schwarze Böse, welches uns immer näher kam. Das Kind musste in Sicherheit gebracht werden, also rannte ich zurück. Der unebene Sand und meine mangelnde Erfahrung, damit umzugehen, lähmte mich zunehmenst, bis ich kaum noch vorran kam. Mit einem Ruck zog ich sie also wieder nach oben und warf sie dann, mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, von mir. Und so, wie ich es erhofft hatte, hatte Kytakes sich aufrappeln können und fing das kleine kichernde Geschöpf.

Duch den ganzen Wind, der durch die Luft geschleudert wurde, konnte ich meine Umgebung kaum noch erkennen, aber ich spürte sie, sie, wie sie sich mir näherten. Es waren bestimmt sechs oder sieben, auf gar keinen Fall mehr, außer, es würden sich noch einige von ihnen verstecken, aber das war unsinnig gewesen. Sechs oder Sieben von ihnen also, in einem Ausmaß von knapp drei oder vier Metern, gebaut und geschmolzen aus einem Material, dass kaum einer verarbeiten konnte. Sie waren es, sie. Unverkennbar.
 

Wie ich es erwartet hatte wendeten sie die gleichen Angriffsstrategien an, wie sie es auch schon vor etlichen Jahren getan hatten. Auf den ersten Blick hatten sie sich also kaum verändert...

Nachdem mir zwei der Maschinen gefährlich nahe gekommen waren, stiegen sie aus - was mich überraschte. Warum stiegen sie aus ihren Maschinen, wenn sie es doch viel einfacher hatten, mit ihnen einfach alles zu zermalmen? Das ergab keinen Sinn!
 

"Lange nicht gesehen, Kind des Aternas."
 

Diese Stimme... diese Stimme kam mir bekannt vor... Aber ich konnte sie nicht einordnen. Ich kannte sie, ja, auf jeden Fall, aber ich hatte kein Gesicht dazu.
 

"Dass du noch lebst... Unglaublich. Ich dachte, du hättest dir aus lauter Verzweiflung und Trauer um dein ach-so-geliebtes Volk das Leben genommen!"
 

Der Sand braucht eine Weile, um sich wieder zu legen und zu beruhigen, und dann erkenne ich auch endlich die zwei Gestalten, die mit langsamen Schritten auf mich zukommen.
 

"Erinnerst du dich an uns? Wäre auch ein Jammer, wenn nicht, immerhin hat es uns unglaublichen Spaß bereitet, deine geliebte Familie vor deinen Augen zu zerquetschen!"
 

Mir war es kaum möglich nach Luft zu ringen und meine Brust fühlt sich so an, als würde sie von eisernen Drähten zugeschnürt werden.
 

"Natürlich erkennst du uns..." Die Stimme, die mir immer näher kam, legte sich bereits an mein Ohr und wisperte in unglaublicher Bosheit weitere Worte, "Glaubst du, du überlebst ein weiteres Zusammentreffen mit uns? Es hat sich herum gesprochen, dass du nach unserem Spielchen von Aternas fliehen konntest und Zuflucht auf einer süßen Kolonie gefunden hast. Stimmt es, dass du dann... entschuldige, aber das ist so spaßig, dass du dann ernsthaft eine Ausbildung in Sachen Kampf- und Verteidigung mit Kampfmaschinen machen wolltest?"
 

Meine Stimme verankerte sich tief in meiner Kehle und kein einziger Laut entloh meinen zitternden Lippen. Ich war erneut gelähmt. Hilflos und unfähig zu handeln. Wenn ich mich nun nicht zusammen reißen würde, würde sich alles wieder wiederholen...
 

"Was führt dich auf diesen Stern hier, hm? Ich kenne niemanden, der ohne triftigen Grund hier Halt macht, kann es also sein, dass du ein neues zu Hause gesucht hast? Warst du so schlecht, dass man dich rausgeworfen hat?"
 

Scharfe Klauen zogen ihre Kreise über meinen Oberkörper und übten einen Druck aus, der mir unglaubliche Schmerzen bereitete. Solch eine enorme Körperkraft hatte ich noch nie an eigenem Leibe erlebt und wollte mir nun auch gar nicht ausmalen, was für Kräfte sie noch mobilisieren konnten. Sie waren scheinbar auch ohne ihre Maschinen starke Gegner gewesen...
 

"Du bist auch ganz schön gewachsen... Im Gegensatz zu damals bist du nun wirklich ein Leckerbissen..."
 

Stimmt, sie waren... Fleischfresser.

Langsam tasteten die gewaltigen Klauen meinen Körper Stück für Stück ab und ich erwartete jeden Augenblick einen gewaltigen Hieb, der mich niederstrecken würde. Ich verfluchte meinen Körper dafür, dass es sich nicht rühren wollte! Die anderen Maschinen waren bereits an uns vorbeigezogen und erreichten bald das Dorf. Die Schreie aus der Ferne hörte ich nur zu deutlich und ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich bereits versagt hatte...
 

"Was ist denn, Kind des Aternas? Willst du denn nicht mit uns spielen? Oder noch besser, es uns ein wenig schwierig machen, bevor wir dich genüsslich verspeisen? Ich hörte, dass das Fleisch von Chyrnas* unglaublich süß schmecken soll!"
 

Ich war ein Insekt, dass in das Netz einer Spinne getappt war. Beide hielten mich fest und ließen mir beinahe keine Möglichkeit, mich aus ihrem Griff zu befreien. Ein leichter Druck gegen meinen Brustkorb wies darauf hin, dass sie mir mit Leichtigkeit mehrere Knochen auf einmal hätten brechen können. So, wie ihre Körper aussahen waren sie um einiges robuster als meine Hülle und schienen über mehrere Hautschichten zu verfügen, die Angriffe besser abblocken konnten. Die Klauen, mit denen sie mich festhielten, waren beinahe drei Mal so groß wie meine Hände und verfügten über eine Art von kleinen Stacheln, mit denen sie ihr Opfer noch besser festhalten konnten. Dass ich sie noch nicht in meinem Fleisch spürte war womöglich ein kleines Wunder gewesen...
 

Plötzlich aber lösten sie sich von mir und ließen mich wieder frei. Ich schnappte hastig nach Luft und schreckte einige Schritte zurück, um schnellstmöglich Distanz zwischen ihnen und mir zu schaffen. So langsam kehrte wieder Gefühl zurück in meine Glieder und ermöglichte es mir, mich wieder ein Stück weit mehr zu bewegen. Die überaus amüsierten Blicke, mit denen sie mich musterten, jagten mir einen eiskalten Schauer über den Rücken, aber noch weiter wollte ich mich von ihnen nicht einschüchtern lassen.
 

"Beweg dich! Versuch deine Freunde zu retten, wenn du es kannst! Andernfalls landest du auf unseren Tellern und.. ach, egal, was du nun tun wirst, verspeisen werden wir dich allemal!"
 

Ihr Lachen schlug sich wie ein Gewitter durch mein Gehör und setzte alles, was vorher meinen Körper gelähmt hatte, in Gang. Ich begann zu laufen, schneller, immer schneller, aber ich hatte mich nicht herum gedreht. Eigentlich erwarteten sie, dass ich in die Richtung des Dorfes laufen würde und nicht an ihnen vorbei. Es waren nur wenige Meter, die mich von den still stehenden Maschinen trennten, und ich würde es schaffen sie zu erreichen, bevor sie mich hätten angreifen können.

Der Einstieg in die Maschine erwies sich als reinste Qual. Die Technologie war eine vollkommen andere als die, die ich durch meine ehemalige Maschine kannte, und scheinbar auch sehr viel schwieriger zu kontrollieren. Die Luke hinter mir schloss sich in Windeseile, als ich nach den ersten Kabeln griff und mich auf den Sitz hinauf hiefte, wo ich tief durchatmete und versuchte, über meinen Schatten zu springen. Es blieb keine Zeit für meine Angst, ich musste nun eine Verbindung herstellen!

Die Verbindung mit der Maschine erwies sich als eine noch schmerzhaftere Qual als der Einstieg. Die Verbindungskanaele waren beinahe die selben wie in den Kampf-Maschinen meiner ehemaligen Kolonie und stellten direkte Verbindung zum Körper und Gehirn dar. Die Verbindungspunkte fraßen sich tief in mein Fleisch und die Schmerzen, die ich nun aushalten musste, waren bestialisch. Diese Technologie war auf den Hauttyp der Feinde aufgebaut und machte mir Schwierigkeiten - mein Körper war noch lange nicht so robust und würde die Verbindung nur schwer aufbauen können. Ich krallte mich mit aller Mühe an den Steuerungshebel und ertrug das kräftige Pulsieren in meinen Adern, mit welchen sich nun die Kabeln verbunden. Meine Kleidung riss beinahe vollständig auf und alle Muskeln in meinem Körper schienen zu reagieren, auf all das, was meinen Körper nun bevorstehen würde. Die Verbindung hatte bereits Fleischwunden von meinem Körper verlangt und so viel Blut, wie es gerade aus meinem Körper strömte, hatte ich zuvor noch nie verloren.
 

Als sich nur noch ein kehliges, gar bestialisches Keuchen aus meinem Mund kämpfte war die Verbindung abgeschlossen. Die Maschine und ich waren Eins geworden.
 


 


 

-
 

*Chyrnas: Wesen zweigeschlechtlicher Natur

Erogide - 6.0

Die Verbindung von Körper und Gehirn war vollzogen und ich spürte die ersten elektrischen Schläge, die sich durch meinen Venen zogen. Die Maschine, mit der ich mich nun vereinigt hatte, war um einiges größer und stärker als die, in der ich alles gelernt hatte. Die Steuerung würde wohl auch eine gar andere sein, aber das war das kleinste Problem - ich merkte sehr schnell, dass es gar nicht so einfach war, die Verbindung zu halten, da mein Körper sehr geschwächt war durch den Verbindungsaufbau zur Maschine...
 

"Erodige 01 - Verbindung abgeschlossen."
 

Erogide also, ja?

Vor mir lud sich das Energiefeld mit Informationen auf und ermöglichte mir dann die freie Sicht durch den Kopf der Maschine hindurch. Verdammt, ihre Technologie war wirklich ungemein fortgeschritten... Doch alles Staunen und Bewundern hielt mich nur unnötig auf, ich durfte keinerlei Zeit verlieren. Die ersten Versuche mit der Maschine erwiesen sich als äußerst mühvoll, aber immerhin schaffte ich es, sie zu lenken und kontrollieren. Zwei der weiteren Maschinen waren vom Dorf wieder umgekehrt - womöglich hatten sie bemerkt, dass nun etwas schief gelaufen war und eilten zur Unterstützung dabei. Es schien so, als hätte ich wirklich das Glück gehabt die Maschine des Anführers des Trupps zu erbeuten, was so viel bedeutete, dass sie die war, die am besten ausgerüstet war. Glückstreffer. Umso besser war dann natürlich auch, dass ich absoluten Zugang zu den anderen Maschinen hatte, mithören konnte, worüber die Insassen sprachen und auf meinem Kontrollfeld überwachen konnte, welche Einstellungen sie vornahmen... Ein absoluter Glückstreffer!
 

"Holt ihn aus der Maschine raus! Holt dieses Dreckskind da raus!"
 

Ja, das sollten sie ruhig versuchen - sicher war aber, dass sie es nicht schaffen konnten. Die ersten sprinteten bereits auf mich zu, holten mit den gewaltigen Maschinenarmen aus und luden ihre Energien auf den Punkt zusammen, an dem sie mich treffen wollten. Ich realisierte erst gar nicht, wie schnell und geschickt ich ausweichen konnte, allerdings machten sich solche Manöver auch schnell bemerkbar in Form von unheimlichen Schmerzen, die ich überwinden musste. Das würde ein harter Kampf werden, der meinen Körper ziemlich beanspruchen würde.

"Erogide 01! Lade Kanone 3 auf, aktualisiere den Standort der erfassten Zielobjekte. Start!" Das System funktionierte prächtig. Diese Maschine schien wie perfekt auf mich abgestimmt zu sein, zumindest führte sie jeden meiner Befehle an und versuchte nicht, die Verbindung mit mir zu kappen! Diese Art von Maschinen war so hochentwickelt, dass sie über eine Art eigenes künstlisches Bewusstsein verfügten, mit welchen sie Auswertungen trafen, ob die Piloten auch geeignet waren für sie - und ich war es scheinbar gewesen.

Der Abschuss der Kanonen war geglückt. Ich hatte die zwei von den dreien, die sich um mich herum versammelt hatten, an den Gelenken erwischt, die sie buchstäblich in die Knie zwingen würde. Sie hatten wohl niemals in die Planung der Bauweisen der Maschinen mit eingerechnet, wie stabil die Unverwundbarkeit gegenüber eigener Maschinen war - ein großer Fehler!

Ich ließ die Maschine erneut eine Kanone laden und informierte mich kurzerhand über weitere Möglichkeiten, die sie mir bat. Neben etlichen Kanonen und sonstigen Schusswaffen hatte ich noch Zugriff über Nahkampfwaffen, die ich abrufen hätte können. Für den Nahkampf war es allerdings noch zu früh... Ich musste Energie sammeln und durfte nicht zu leichtfertig mit der Macht sein, die ich nun in der Hand hatte, immerhin war dies das erste Mal, dass ich in einer solch hochentwickelten Maschine saß und diese steuerte. Die, die ich ehemals besaß, war ein Spielzeug dagegen, in Größe, Form, Masse und Ausrüstung. Diese hier war intelligent, mächtig, fähig, alles und jeden auszumerzen.
 

"Was ist? War das schon alles? Warum greift ihr mich nicht an und holt mich, damit ihr mich endlich verspeisen könnt?!"
 

Durch den Funk einer anderen Maschine konnte ich deutlich das erboste Knurren eines Anderen hören, was mir ein Grinsen auf die Lippen zauberte. "Na kommt schon. Es wird doch wohl nicht so schwer sein, ein Kind des Aternas zu bezwingen? Habt ihr etwa schon vergessen, dass ich nicht mal einer Krieger-Rasse angehöre?"
 

Einer von ihnen hielt mit seiner Wut nicht mehr an sich und stürmte auf mich los. Er hatte eine seiner Nahkampfwaffen lokalisiert und war bereit, mit dieser auf mich einzuschlagen.
 

"Erogide 01. Aktiviere Nummer 74!"
 

Binnen minimaler Sekunden führte die Maschine meinen Befehl aus und ich staunte tatsächlich nicht schlecht, als sich in ihrer rechten Hand eine gewaltigte Waffe, schwertähnlich, aufbaute. Sie war massiv und sehr viel größer als die, mit der man auf mich zielte. Es war wohl wieder nur ein Glückstreffer gewesen, dass ich nicht gerade die kleinste ausgewählt hatte, da ich noch nicht einschätzen konnte, welche auf dem Schirm vor mir aufgelisteten Waffen welche war.

Ein Hieb seitlich blockte den Angriff des Anderen ab.
 

"Verdammt seist du, Kind des Aternas! Ich werde dich in Stücke reißen und dein Fleisch zerfetzen!" Noch ein Mal holte er zu einem Hieb aus und wieder schaffte ich es zu blocken. Es war wirklich mühsam gewesen mit der Maschine dagegen anzugehen, aber noch hatte ich genug Kraft, die es mir ermöglichte gegen sie anzukämpfen.
 

"Jetzt spuckt ihr nur noch große Töne, anstatt Taten walten zu lassen! Sagt mir doch, wie es mir gelingen konnte, eine euer Maschinen an mich zu reißen? Muss das nicht ein Einsehen von Schwäche für euch sein, dass selbst ich es schaffen kann sie zu steuern?"
 

Ich hatte einen Fehler gemacht. Durch den Nahkampf war ich so abgelenkt gewesen, dass ich nicht mehr auf mein Umfeld achtete und auch nicht merkte, dass einer von ihnen hinter mir gewesen war. Ein kräftiger Hieb auf die hintere Seite meiner Maschine erschütterte mich für einen Moment, stieß mich aber noch nicht nieder. Verdammt! Nun waren es zwei von ihnen, einer vor und einer hinter mir, und ich war eingekesselt! So schnell würde es mir nun nicht gelingen sie abzuschütteln, also musste ich versuchen sie aus dem Weg zu räumen.
 

"Erogide 01, lade Schutzschild Stärke 4, aktiviere Nummer 44!"
 

Das Schutzschild hatte sich irrsinnig schnell aufgebaut und in der linken Hand der Maschine baute sich eine zweite Waffe auf. Ein Ausholen nach rechts, eines nach links, und ich schaffte es zumindest sie für einen kurzen Moment auf Distanz zu schaffen. Ich hatte keine andere Wahl, als eine weitere Kanone zu nutzen, um mir den Weg frei zu räumen.
 

"Erogide 01, lade Kanone 6 auf, Ziel: unmittelbarer Umkreis im Radius von 100 Metern!"
 

Diese Kanone benötigte nun einige Zeit mehr um sich aufzuladen als die bisherige, und man näherte sich mir erneut. Während des Kanonen-Aufbau's konnte ich keine weiteren Angriffe einleiten, noch konnte ich blocken. Wenn man mich nun also erwischen würde, hätte ich keine Chance mehr gehabt... So mächtig diese Maschine hier nun auch gewesen sein mag, gegen eine Hand voll von ähnlichen Modellen würde sie trotzdem kaum eine Chance haben.
 

"Lade Kanone 6. Aufbau beendet in 6... 5... 4..."
 

Tosendes Gelächter drang durch den Funk und ein triumphierendes Jaulen. Sie waren sich also sicher, dass sie mich nun kriegen würden und ihre Chancen standen wirklich nicht schlecht. Ich war in absolutem Stillstand und konnte auch keinerlei Aktionen ausführen.
 

"3... 2... 1... Aufbau beendet."
 

Ich setzte den Hebel mit einem kräftigen Druck in Gang und schaffte es, die Kanone noch rechtzeitig zu aktivieren. Der Schuss übte einen gewaltigen Druck auf mich aus und wurde mit solch einer enormen Kraft in den Sitz zurück gezwungen, dass ich glaubte, mir seien mehrere Rippen gebrochen worden. Für einige Momente rang ich mit meinem Bewusstsein und klammerte mich mit letzter Kraft an die Verbindungshebel der Maschine, damit die Verbindung nicht gekappt werden würde. Ich vernahm nichts anderes mehr als die Schreie, die ich im Cockpit hörte, und die Schmerzen, die mich nun beherrschten.

Es schien funktioniert zu haben. Mindestens drei, vielleicht sogar vier von ihnen hatte ich erwischt... So viele konnten nicht mehr übrig sein. Und wenn ich recht in der Annahme war, dass die Kanone, die ich nun betätigt hatte, wirklich die Enormste gewesen war, dann würde von ihnen wohl wirklich nicht mehr viel übrig sein.

Als die Sicht klarer wurde und ich so langsam wieder etwas erkennen konnte, bestätigte sich meine Vermutung. Vier Stück von ihnen hatte ich zerstört und die Maschinen waren vollendest in Flammen aufgegangen. Die Chance, dass die Insassen sich nun noch retten konnten, war sehr gering. Nun waren es also nur noch zwei oder drei, mit denen ich es aufnehmen musste - allerdings musste ich für einen kurzen Moment wieder meine Kräfte aufladen, damit ich die Maschine überhaupt weiterhin noch steuern konnte. Mehrere Fleischwunden sammelten sich bereits an meinen Gliedern und ich hörte bereits ein Pochen in meinen Ohren, was nichts Gutes verhieß. Wenn sie mich nun also direkt angreifen würden, wäre es aus gewesen...
 

"Unglaublich. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du zu soetwas fähig bist!"
 

Eine Stimme, durch den Funk geleitet, drang durchs Cockpit hindurch. Wer war das? Einer von den Anderen? Das war nicht möglich. Ich konnte keinen von ihnen in meiner Nähe lokalisieren und ausfindig machen, ein Funkspruch über solch eine Distanz war nicht möglich!
 

"Nun besteht die Frage, was du noch alles aushalten kannst... Das würde ich nur zu gerne testen. Also mach dich bereit, Aria Mercure, und sammle deine letzten Kräfte und beweise mir, dass deine Fähigkeiten weitaus mehr Potential haben!"

Erogide - 7.0

Meine Verwirrung hielt noch eine ganze Weile an - die Stimme, die ich soeben gehört hatte war mir bekannt gewesen, ich konnte sie aber keinem Gesicht zuordnen, weder noch konnte ich sagen, woher ich sie kannte.

Es bereitete mir Mühe mich wieder einigermaßen gerade hinzusetzen und meine Finger umklammerten noch immer zitternd die Kontakthebel. Die Erschöpfung meines Körpers war nur allzu deutlich gewesen und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich mich wieder erholen konnte. Hoffnungsvoll sah ich mich im Cockpit um, es war allerdings keine Spur von irgendwelchen medikamentösen Mitteln zu sehen. Ich musste nun also meine letzten Kräfte mobilisieren und einfach nur durchhalten - irgendwie würde das schon funktionieren.
 

"Scheint nicht gerade einfach für dich zu sein, mit einer solchen Maschine umgehen zu müssen, hm? Kein Wunder, wenn man bedenkt, in was für einer mickrigen Gerätschaft man dich deine Ausbildung hat machen lassen."
 

Schon wieder diese Stimme...

Warum wusste diese Person, was für eine Art Maschine ich vorher hab bedienen müssen? Es war gar nicht so offensichtlich, welche Geräte die Kolonie für Anwärter hatte bauen lassen, es musste also jemand sein, der über Informationen verfügte, die er eigentlich gar nicht hätte haben dürfen...
 

"Warum so still, Aria Mercure? Vor einigen Momenten hast du meine Leute ganz schön harsch provoziert, und nun bekommst du kein Wort mehr heraus? Sag bloß, du bist schon so sehr geschwächt, dass du gerade mal so noch deine Äuglein offen halten kannst?"
 

Moment.

War das nun ein Deja Vu gewesen? Diese Phrase, das mit den Äuglein, das kam mir bekannt vor! Man hatte soetwas Ähnliches schon einmal zu mir gesagt, aber wann...? Und vorallem, wer hatte dies zu mir gesagt?

Ein leises Kichern reißt mich wieder aus meinen Gedanken. Verdammt. Ich war wirklich ungemein geschwächt und konnte mich kaum noch rühren - die restlichen Feinde würden nicht mehr lange zögern, um mich zu attackieren, und dann würde mir selbst die Schutzpanzerung der Erogide nichts mehr nützen.
 

"Du musst schon etwas tun, um das süße Volk dieses Sterns hier zu retten, oder fehlt dir etwa die Kraft dazu? Da hat man dich schon um Hilfe gebeten, und dann bist du doch wieder nur nutzlos!"
 

Nun schlich sich eine böse Ahnung an mich heran, und ich...
 

Bevor ich aussprechen konnte, was mir durch den Kopf ging, wurde ich erneut angegriffen. Die Wucht, mit der man gegen mich gedonnert war, war so enorm gewesen dass ich erneut zurück in die harte Polsterung des Sitzes gedrückt wurde und diesmal wies ein eindeutiges Knacken darauf hin, dass mindestens eine meiner Rippen Schaden genommen hatte. Einige Tropfen Blut schmeckte ich nun auf meiner Zunge und versuchte diese wieder mit Mühe herunter zu schlucken. Ein ätzendes Piepen hallt in meinen Ohren und meine Hände schaffen es nur noch gerade so weiterhin mit den Kontakthebeln in Verbindung zu bleiben. Würde ich nun loslassen, dann...
 

"Du bist zu schwach, viel zu schwach. Ein Jammer, nicht wahr?"
 

Ich realisierte kaum, dass sich die Luke der Maschine öffnete und dass jemand zu mir hinein gestiegen kam, direkt ins Cockpit. Eiskalte Hände legten sich auf meine, die vor Schmerz zitterten, und lösten meine Finger mit grober Gewalt von den Kontrollhebeln. Ich schrie, als sich die Verbindungskabel wieder aus meinen Venen lösten und sich grob aus meinem Fleisch heraus zerrten. Hastig japste und schnappte ich nach Luft, versuchte in irgendeiner Weise den Schmerz zu bändigen und scheiterte daran kläglich. Warmes Blut ronn aus etlichen Wunden an meinem Körper und alles pochte und zuckte. Von meiner Kleidung und meinem Suit war kaum noch etwas übrig geblieben, außer ein paar blutgetränkter zerrissener Fetzen, die noch wahllos an mir klebten.

Eine der Hände zwang meinen Kopf nun sich in meinen Nacken zu legen und ein grobes Zerren an meinen Haaren ließ mich erneut aufschreien.
 

"So siehst du noch schöner aus als beim letzten Mal...", flüstert es vor mir und die zweite mir unbekannte Hand suchte sich den Weg über meinen verwundeten Oberkörper, "Blut steht dir unglaublich gut, Aria..."
 

Meine Augen schafften es gerade so, sich einen kleinen Spalt zu öffnen, allerdings konnte ich kaum etwas erkennen und vernahm nur verblasste und schwummrige Umrisse, die ich zu keinem Ganzen zusammen fügen konnte.
 

"Soll ich dich noch einmal retten? Oder soll ich es mir gönnen, dich endlich sterben zu lassen?"
 

Noch einmal... retten? Bedeutete das...?

Mein Blick musste Bände sprechen, mein Gegenüber reagierte darauf nämlich mit einem bestätigendem Lachen und einem leisen Kichern, dass mir einen Schauer durch den gesamten Körper jagte. "Ganz recht.", säuselt er nun in mein Ohr, "Wäre ich nicht gewesen, wärst du vor geraumer Zeit schon gestorben - und das bei einer nur simplen Übungssimulation. Aber wie kann das möglich sein, fragst du dich nun sicherlich?"
 

Ein mir ebenso bekannter Geruch stieg in meine Nase und meine Augen entschlossen sich wieder dazu sich zu schließen. Die Berührungen der eiskalten Fingerspitzen auf meiner nackten Haut rissen meinen Körper immer wieder aus dem ersehnten Schlaf, den ich dringend gebraucht hatte.
 

"Nun hast du die Wahl. Entweder schließt du dich mir an, oder... du wirst in nur wenigen Augenblicken sterben. Was klingt verlockender für dich? Sehnst du dich nach dem süßen Tod und wünschst dir deinen Frieden? Damit deine Angst dich nicht mehr im Griff hat und dich terrorisiert? Damit du dem Krieg endlich entkommen kannst? Sag, wofür entscheidest du dich, Aria?"
 

Ich zwang mich noch einmal dazu meine Augen zu öffnen. Ich brauchte die Gewissheit endlich, ob ich in meiner Annahme richtig gelegen hatte.

Langes, hell-violettes Haar fließt sanft vor meinen Pupillen herab und beinahe rubin-, nein, blutrote Augen fixierten mich. Ein schmerzliches Lächeln zwang sich mir auf die Lippen und ich musste mir eingestehen, dass ich recht gehabt hatte.

"Du scheinst nun also endlich zu erkennen, wer dein persönlicher Teufel ist?" Das Grinsen in seinem Gesicht machte es mir noch schwerer, als es ohnehin schon war, und leise Tränen rollten meine Wangen herab. Er war es, ja, er war es höchstpersönlich. Und so sehr ich mir ein Zusammentreffen mit ihm so lange und ständig, immer und immer wieder, herbei gesehnt hatte, wünschte ich mir nun, dass ich ihm niemals zuvor begegnet wäre. Wie konnte er...? Und warum... Seine kalten Fingerkuppen tanzen erneut über meinen Oberkörper und machen Halt an meiner Brust, welche er dann grob mit den Händen umschloss.

"Nun antworte mir, Aria, ich warte nicht mehr lange auf deine Entscheidung..." Dieses Flüstern klang so ungemein verführerisch und schrecklich zugleich, und ich konnte in meinem Zustand kaum noch einschätzen, was mein gesunder Verstand für eine Wahl getroffen hätte.
 

Vor meinem inneren Auge sah ich dann Lykratek, das Volk und vorallem Kytakes, die allesamt in den Flammen des blauen Feuers nach mir geschrien und getobt hatten, aus lauter Zorn und Enttäuschung über meine Schwäche und Unfähigkeit, andererseits war da diese atemberaubende Schönheit, die Spinne, die mich in ihrem Netz gefangen hielt und bereits an meinen Knochen nagte, mir süßliche Worte zuflüsterte und mich verführte.
 

Seine Berührungen wurden gröber als ich nicht antwortete und ein leises Knurren raunte gegen meine Lippen, was mich wieder aus meinen Vorstellungen riss. "Was wirst du tun? Sag es mir nun."
 

"...Leben.", wisperte ich mit leiser Stimme, "...aber nicht mit dir."

Cyvethum - 1.0

Seine Händen drückten immer fester zu, als ich versuchte mich aus seinem Würgegriff zu befreien. Meine Antwort schien ihm absolut gar nicht gefallen zu haben und er war so erbost darüber, dass er mich seine Wut darüber auch spüren lassen wollte.
 

"Du bist dir wohl nicht im Klaren darüber, mit wem du dich hier gerade anlegst, Aria Mercure!", fauchte er, "Du bist nur ein schwaches Insekt, welches ich mühelos zerquetschen könnte! Warum lehnst du es ab, dich mir anzuschließen?!"
 

Es würde nicht mehr lange dauern, bis ich das Bewusstsein verlor. Meine Wunden mussten dringend behandelt werden, andernfalls würde ich verbluten - oder, gar noch schlimmer, von den bestalischen Feinden gefressen werden. Es war mir ein Rätsel gewesen, warum er mich unbedingt an seiner Seite wollte. Es ergab einfach keinen Sinn, da er mir selbst zu verstehen gegeben hatte, wie schwach und nutzlos ich eigentlich war, inwiefern sollte ich also nützlich für ihn sein?

Langsam aber sicher verlor er die Geduld mit mir. Die Kraft in seinen Händen schien immer mehr anzunehmen und sein Würgen ließ nicht nach, bevor allerdings der letzte Schub Luft aus meinen Lungen weichen wollte, ließ er ab. Noch einige Sekunden mehr und ich wäre tatsächlich erstickt, was er aber scheinbar doch nicht zulassen wollte. Ich wusste nun, was er wollte. Er wollte mich brechen. Egal wie, aber er wollte es unbedingt.

Nachdem er aus dem Cockpit gestiegen war und ich mich wieder alleine in diesem befand, wollte ich mich aufraffen. Irgendetwas tun, auch wenn eine Flucht quasi unmöglich gewesen wäre. Es war eine Höllenqual, als ich mich aus dem Sitz kämpfte und stürzte direkt wieder zu Boden. Die ganzen Wunden an meinem Körper waren tief und raubten mir zusätzlich Blut und Kraft. Alles flimmerte und funkte und ich glaubte schon, dass ich halluzinieren würde - aber nein, mein Körper gaukelte mir das alles nur vor, dessen war ich mir sicher, und ich musste mich einfach nur zusammen reißen. Letzten Endes schaffte ich es, mich zum Ausstieg zu hiefen, schaffte es allerdings nicht mich an einer Halterung festzuhalten und stürzte aus der Maschine heraus, gute zwei Meter weit. Der Aufprall auf den harten sandigen Boden ließ mich erneut aufschreien und mich winden. Ich wollte sehen, wie es dem Volk ging, ob sie noch lebten, ob ich wirklich etwas tun konnte, aber man hielt mich davon ab.

Einer der Beiden, die mich zu Beginn des Angriffs hatten aufhalten wollen, hatte mich entdeckt und sorgte auch dafür, dass ich mich nicht noch weiter rühren konnte.
 

"Ich würde dir ja am liebsten alle Knochen auf einmal brechen, aber leider erlaubt man mir das nicht, weil man noch Verwendung für dich hat!"
 

Erst schien es so, als wolle er mich mit diversen Hilfsmitteln fesseln, was ja aber kaum Sinn machte, da ich mich eh nicht rühren konnte, oder eher: kaum. Wenn ich nicht bald meine Wunden verarzten würde, dann...

Er war zurück! Meine Augen wollten und konnten kaum noch etwas erkennen, das lavendelfarbene Haar aber war so reizvoll, dass meine Lider sich nicht schlossen. Dieses Gefühl in meinem Körper, wenn er sich mir näherte, konnte ich mir nicht erklären. Es war so undefinierbar und seltsam. Ich fühlte mich fast, als würden heilende Prozesse in Gang gebracht werden, wenn er mit seinen Fingern über meine klaffenden Wunden glitt und keuchte schmerzlich auf, als er mit seinen langen Fingernägeln, die eher schon feinen Klauen glichen, in das Fleisch hineingriff. Für ihn war mein Schreien und Wimmern eine wohlklingende Melodie und er flüsterte mir leise, kaum verständliche Worte entgegen, die nur für mich gelten sollten.

Diese Mischung aus grausamer Zärtlichkeit und seinem böswilligen Worten war ein erneutes kaum lösbares Rätsel für mich und vor lauter Bewunderung, die ich zu unterdrücken versuchte, bemerkte ich gar nicht, dass sich wieder Kraft in meinem Körper aufbaute und die Wunden allmählich, aber doch sehr schnell, zu heilen begannen.

Das unverständnisvolle Murmeln seiner Kameraden - oder Untertanen, ich wusste es nicht - drang nur schwach zu mir hervor, wäre es nach ihnen gegangen hätten sie mich einfach in Stücke gerissen und verspeist...
 

-
 

Ich erwachte erst einige Stunden später wieder und fühlte mich, im Gegensatz zu dem letzten Zeitpunkt, an dem ich wach gelegen war, unglaublich gut regeneriert. Mühelos konnte ich mich aufrichten und auch die Wunden an meinem Körper schienen gut verheilt - was ich mir nicht erklären konnte. Sicher war, dass ich in Gefangenschaft des Feines gewesen sein musste. Aber wo genau befand ich mich nun und vorallem... wo war er nun? Was was nun mit Lykratek geschehen?

Die Zimmertüre war abgeschlossen. Nicht mal ein kleines Fenster gab es. Kein Funken natürliches Licht, nur das schwache Blitzen von kleinen Lampen, die wohl bald ihren Geist aufgeben würden.

Verdammt, ich musste dort rauskommen. Nach Kytakes und ihrem Volk sehen. Nun konnte ich nur hoffen, dass sie den Angriff überlebt hatten... Es zwangen sich mir Bilder in den Kopf, die ich partout nicht sehen wollte. Diese Fleischfresser und... nein, diese Gedanken musste ich abschütteln. Es war nicht gut, wenn ich mir das Schlimmste schon ausmalte.
 

Ein Knacken aus Richtung der Tür!

"Es scheint wohl zur Routine zu werden, dass ich immer dann auftauche, wenn du verletzt und geschwächt in irgendeinem Bett liegst und kaum etwas tun kannst." Im ersten Moment überkam mich fast schon ein euphorisches Gefühl als ich seine Stimme hörte, verdrängte dieses dann aber auch schnell wieder. Solche Gefühle durfte ich nicht zulassen!
 

"Wo... wo bin ich hier? Was habt ihr mit mir vor?! Und was ist mit den Lykratekern?!"
 

Ohne irgendeine Scheu trat er nah an mich heran, legte eine Hand in meinen Nacken und zog mich noch näher an sich heran. "Das soll ich dir also alles verraten, ja?" Das Grinsen auf seinen Lippen ließ mich kurz zittern. "Du bist in meiner Obhut, nirgendwo anders sonst. Und was ich mit dir vorhabe... nun, das darfst du selbst heraus finden. Wäre ja langweilig, wenn ich dir alles schon im Vorraus verraten musste, findest du nicht?" Kein einziges Wort über das Schicksal des Volkes! Das machte er mit Absicht! "Was scherst du dich über minderwertige Kreaturen, die keinerlei Wert haben und nur eine Art von Abfall darstellen, den man eben beseitigen muss? Man sollte froh sein, dass ich mich überhaupt zu solch einer Aufgabe habe bereit erklären lassen."

Die Finger in meinem Nacken wirbelten sachte durch mein langes Haar und mein Herz schien einen Moment lang stillzustehen, als ich seinen Atem an meiner Wange spürte. "Du bist einfach viel zu gutmütig, Aria. Das sollte ich dir wirklich schnellstmöglich austreiben..."
 

"Was... ist mit ihnen geschehen? Ich will es wissen." Sie hatten keinesfalls diese Bezeichnungen verdient, die er ihnen gegeben hatte - keinesfalls!
 

"Ich habe sie leben lassen. Einige von ihnen zumindest. Das sollte dir ausreichen."
 

Nur einige von ihnen...? Was bedeutete das? Und vorallem... wie viele von den Einigen waren noch am Leben? Waren es ein paar Hundert? Oder nur ein Dutzend? Oder vielleicht sogar... noch weniger? "Wie... wie viele?" Meine Stimme klang noch immer schwach und meine Stimmbänder zitterten.

"Genug." Diese knappe Antwort wollte mir nicht genügen und ich wollte ihn dazu zwingen, mir mehr Informationen zu geben. Ohnehin verlangte ich nach ungemein vielen Informationen, Lösungen für die ganzen Rätsel, die er mir aufgegeben hatte.

Ich wollte erneut zu Fragen ansetzen, bekam allerdings keine Chance. Seine Lippen auf meinen fühlten sich wie ein elektrischer Schlag an und meine Finger krallten sich in seine Oberarme. Alles, was er nun mit mir teilte, überwältigte mich. Hunderte von Bildern blitzen vor meinen Augen auf in einer solchen Schnelligkeit, dass ich keines von ihnen genau betrachten konnte, und ich schmeckte etwas Bitteres, eine Art von Gefühlen, die ich nicht deuten konnte. Es fühlte sich so an, als würde er mit seiner Zunge nach meiner Seele tasten, die er gierig verschlingen wollte, bis nichts mehr davon übrig geblieben war.

Nur noch ein Keuchen entrann meinen Lippen, als er sich von mir löste. Ich fühlte mich tatsächlich so, als hätte er mir einige meiner neu erlangten Kräfte geraubt, und konnte mich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten.
 

"Diese Art von Verbindung ist dir neu, hm?" Äußerst zufrieden gleitet seine Zunge über seine Lippen und seine rubinroten Augen drohen mich zu fesseln.

"Was..."

"Was das für ein Zauber ist, möchtest du wissen?"

Ich nickte.

"Das ist ganz einfach, aber andererseits auch wieder nicht so einfach, dass es jeder verstehen könnte. Du und ich, wir sind etwas Besonderes, zu Höherem auserkoren. Diese Art von Verbindung, zu der wir fähig sind, ist selten. Du könntest diese Verbindung nun mit kaum einem Anderen teilen als mir."
 

Das verwirrte mich hochgradig. Kein Wort von dem, was er mir dort erzählte, wollte Sinn ergeben. "Aus... welchem Grund? Nur mit dir?"
 

"Diesen Grund darfst du irgendwann selbst erfahren. Ich werde nun erstmal so nett sein und dir noch ein wenig Ruhe gönnen. Du siehst erschöpft aus, also schlaf."
 

Und ehe ich mich versah, war er schon wieder verschwunden und hatte die Türe erneut verriegelt.

Cyvethum - 2.0

Das Unwissen über den genauen Verbleib der Lykrateker machte mich beinahe wahnsinnig. Das Futter, was er meinen Hirngespinsten und schlimmsten Vermutungen gegeben hatte war viel zu groß portioniert gewesen, nur eine vage Angabe von dem, was ich wissen wollte - und nun blieb es mir überlassen mir auszumalen, was wohl der Wahrheit entsprach.

Irgendwann löschten sich auch die kleinen künstlichen Lichter, die in dem kleinen Raum verteilt gewesen waren, in welchem er mich eingesperrt hatte, und alles um mich herum wurde von gnadenloser Dunkelheit verschlungen. Wie lange würde ich noch dort eingesperrt sein müssen? Und würde er mir überhaupt irgendwann mitteilen, was nun wirklich aus dem Volk geworden war? Ständig musste ich an Kytakes denken und fragte mich gefühlte hundert Male, ob sie noch unter den Lebenden weilte. Auch mochte ich gar nicht an die ganzen unschuldigen Kinder denken, die diesen grausamen Angriff womöglich nicht überlebt hatten...

Hätte ich ein wenig länger durchgehalten, wäre es dann überhaupt so weit gekommen? Diese Frage quälte mich. Im Endeffekt hatte ich versagt und konnte ihnen nicht helfen, nicht so, wie ich es gerne für sie getan hätte...

Ebenso schwirrten mir seine Worte noch ständig im Kopf herum - und ich spürte noch immer seine Lippen auf meinen, obwohl schon Stunden vergangen waren, als er mir so nah gewesen war... Ich verstand seine Beweggründe einfach nicht. Wer war er überhaupt genau? Und warum war er auf der Kolonie gewesen? Er ging dort immer ein und aus und war, wenn ich das Puzzle richtig zusammen setzte, sogar ein Kommandant der ersten Liga gewesen! Oder täuschte ich mich? War er es vielleicht gar nicht?

Dieses ganze Wirrwarr in meinem Kopf würde mich wohl noch in den Wahnsinn treiben, wenn ich nicht schnellstmöglich all die Antworten bekam, nach denen ich so sehr verlangte.
 

Nach ein paar weiteren Stunden in Dunkelheit, wo ich einfach nur in einer Ecke gesessen hatte und meinem Körper Ruhe schenkte, während mein Kopf schier durchdrehte, öffnete sich erneut die Türe. Diesmal war er es allerdings nicht - nur jemand, der mir ein wenig Nahrung bringen sollte. Ich erhob mich aus meiner dunklen Ecke und trat an den kleinen Serviertisch heran, auf dem etwas Undefinierbares platziert wurde, was ich hätte essen sollen, und wollte noch drum bitten, dass man mir neue Lampen bringen würde, da schloss sich die Tür auch schon wieder.

Nicht einen Happen konnte ich zu mir nehmen. Sowieso wollte ich dieses seltsame Zeug nicht anrühren, wo ich nicht mal wusste, was ich essen würde. Wieder hatte ich etwas Abscheuliches vor Augen, vielleicht war es sogar das Fleisch von einem der...

Nein. Ich unterbrach den Gedanken sofort wieder. Nicht zulassen, dachte ich immer wieder, nicht zulassen. Trotz das mein Körper nach Nahrung verlangte, wollte ich nichts essen. Der Appetit war mir schon lange vergangen.

Ich hatte viel zu viel Zeit um über all das nachzudenken, was ich am liebsten aus meiner Gedankenwelt gestoßen hätte. Eine Mischung aus Verzweiflung, Trauer, Angst, Wut und Anziehung war nicht gut gewesen...
 

-
 

Zwei Tage vergingen, bis man mich aus dem Zimmer herausholte. Man hatte mir die Hände hinter dem Rücken gefesselt und dafür gesorgt, dass auch meine Füße nicht allzu viel Platz zwischen den Schritten finden konnten und ein aus Eisen gegossenes Mundstück um mein Gesicht geschnallt, damit ich nicht sprechen konnte. Trotz dass ich keinen Bissen zu mir genommen hatte, war mein Körper erstaunlich vital und gesättigt, was ich mir in keinster Weise erklären konnte. Alle Wunden waren vollständig verheilt.
 

Nun beweg dich endlich, du blödes Miststück!” Ein kräftiger Hieb gegen meine Schultern ließ mich für einen Augenblick lang schwanken, aber ich fing mich schnell wieder und fand mein Gleichgewicht wieder. Ich weigerte mich, den Wachleuten zu folgen und ging ihnen nur mit langsam Schritten nach. Die eiserne Kette, die an dem Mundstück befestigt gewesen war, hing stramm vor mir und deutete ebenfalls darauf hin, dass ich Gehorsam leisten musste - jedes festere Ziehen drückte die Gurte der Maske an meinem Hinterkopf fester in meine Kopfhaut und verursachte Schmerzen.

Das Gebäude - oder was auch immer es war, wo ich festgehalten wurde - war ebenso schwarz und erdrückend wie das kleine Zimmer, in welchem ich die letzten Tage verbrachte.

Halt machten wir erst am Ende eines Korridors, an welchem sich eine letzte massive Tür erstreckte, die dann auch Mithilfe von Identifikationsprogrammen geöffnet wurde. Als sie sich einen Spalt öffnete, konnte ich wieder nichts anderes erkennen als ein bloßes Schwarz. War das mein neues Gefängnis gewesen?
 

Als ich eintrat war ich absolut verwirrt. Der Wachmann, der mich soeben noch an der Kette hielt, hatte mich in dem Raum alleine gelassen und schloss die Tür hinter mir. Ein Gefühl von Angst kroch meine Waden hinauf. In diesem Raum konnte man rein gar nichts erkennen und ich konnte nicht einschätzen, ob ich alleine gewesen war. Keine Anzeichen eines anderen Lebewesens, aber was, wenn ich mich irrte? Ich rührte mich keinen Zentimeter und versuchte meine Atmung zu regeln - vor Nervosität atmete ich automatisch schneller, und durch das Zittern, was ich nun vor Angst hatte, raschelte die Kette, die noch immer an der Maske befestigt war.

Ein Geräusch! Ein Rascheln aus einer Ecke, welche es war, konnte ich nicht deuten, aber ich war mir nun sicher darüber, dass ich nicht alleine gewesen war! Irgendetwas weilte dort ebenfalls in diesem Raum und hatte nun Notiz von mir ergriffen. Ich atmete hastiger, konnte das Rascheln der Kette nicht aufhalten, da ich meine Hände durch die Fesseln hinter meinem Rücken nicht rühren konnte und versuchte einige Schritte zurück zu gehen, bis ich an der Tür gelehnt hatte.

Wieder ein Rascheln. Es wurde lauter, und weitere Geräusche hallten durch den dunklen Raum, bis ich Schritte vernahm, die sich mir näherten. Verzweifelt versuchte ich mich weiter an die Tür zu drücken, obwohl es absolut keinen Sinn ergab, da ich mich so noch mehr selbst in die Ecke drängte, und hoffte einfach darauf, dass ES mich nicht finden würde, was auch immer es war!
 

Mein Herz setzte für einen Augenblick aus, als es mich dann packte. Es war eine Klaue, kalt, eiskalt, und ein hungriges Knurren stieß sich mir entgegen, als er mich von der Tür wegzerrte.

Die Panik in mir trieb mich in eine Verzweiflung, in der ich versuchte all meine Fesseln und Ketten zu lösen, was mir allerdings nicht gelang. Es hatte mich gepackt und hielt mich fest, hatte mich an der Kette erwischt und zog diese so stramm nach oben, dass ich nur noch mit den Zehenspitzen auf dem Boden weilen konnte. Die Gurte schnitten nun fester ein.
 

“Ariaaaa..”
 

Vor mir entzündete sich ein grelles Feuer und ich erkannte dann auch sofort, mit wem ich es zu tun hatte. ER war es, aber... was war mit ihm geschehen? Sein Körper hatte nun eine andere Form und lange, spitze Zähne erstreckten sich über seine Lippen. Eine Art von Transformation, von der immer nur gemunkelt wurde, ein Mythos, weil so etwas niemals möglich gewesen sei, und nun musste ich mich einem reellen Märchen stellen...

Ein unverständliches Jaulen gab er von sich, bevor er mich wieder losließ. In Windeseile versuchte ich erneut zu fliehen, doch wieder war seine Klaue schneller gewesen als ich und packte erneut nach der Metallkette, mit welcher er mich zu sich zurückgezogen hatte. Als mein Körper an seinen gedrückt wurde fühlte ich die eisige Kälte, die von ihm ausging, erneut und fröstelte für einen kurzen Augenblick, ehe mich die Flamme des Feuers, die er in einem einer Fackel ähnlichem Behälter in der linken Klaue hielt, schnell wieder wärmte.
 

“Du musst mich nähren...”, zischte er in einer Unnatürlichkeit, die ich bisher noch nie erlebt hatte und zog mich dann weiter in den Raum hinein, bis zu einer Art Tisch, auf welchen er mich stieß. Noch immer war es mir unmöglich, mich in irgendeiner Weise zur Wehr zu setzen und ich wand mich unter ihm, als er sich dann über mich gebeugt hatte. Diese Form, die er nun angenommen hatte, glich nichts anderem als einer Bestie, die sich nach Nahrung sehnte - und genau das schien nun auch bittere Realität für mich geworden zu sein. Ohne großartige Mühe entfernte er meine Maske und warf diese achtlos zur Seite. Wenig später kratzen seine langen Zähne an meinen Lippen, bis das erste Blut hervorquoll, was er genüsslich mit seiner Zunge empfing. Alles in meinem Körper begann zu beben, als ich seine Zunge an meinen Lippen spürte und ich fühlte mich, als wäre ich durch seinen Speichel mit einem Gift infiziert worden, was mich nach und nach lähmen sollte. Seine Zunge glitt über meine Lippen, bis über meine Wangen, bis sie zurück zu meinem Mund fanden. Er wollte mich schmecken und zwang mich dazu, meinen Mund zu öffnen. Ein leises Wimmern war das Einzige, was ich in diesem Moment von mir geben konnte, und - tatsächlich - ich konnte mich kaum noch rühren. Er würde mich also fressen, er würde mich fressen! Er war ein hungriges Tier, das seine Beute mit einem Gift betäubte, damit es nicht mehr fliehen konnte, und er würde mich bei lebendigem Leib fressen!

“Ariaaa...”, knurrte er leise und tastete mit einer der Klauen über meine Wange, wollte erneut zu einem Wort ansetzen, unterbrach sich aber selbst und ließ dann von mir ab - zumindest für einen kurzen Moment, bis er sich wieder zu mir herunter gebeugt hatte und mir tief in die Augen sah, ehe er sich erneut mit mir verband. Diese Art von Verbindung war so ungeheuerlicher skurril, dass ich sie mir kaum erklären konnte. Er war mit seinen Klauen unter meine Haut getaucht, in mein Fleisch hinein, und schien sich von meinem Blut zu ernähren, während ein Kreislauf automatisch dafür sorgte, dass auch ein Bruchteil von seinem Blut in meinen Körper gelangte. Ich spürte das Pochen seines Herzens, als wäre es mein Eigenes, und ich glaubte seine Gedanken hören zu können, auch wenn nur für einen kurzen Augenblick...

Während er sich von meinem Blut und meinen Gedanken ernährte, schien sein Körper sich wieder zur normalisieren - ich war für mich absolut nicht nachvollziehbar gewesen, wie das alles geschehen konnte und war einfach nur so fasziniert von ihm, dass die Anziehung, die ich ihm gegenüber empfand, wieder einen Triumph über die Angst erlangte, die mich eben noch völlig beherrscht hatte... Ich wollte beinahe schon Nein schreien, als er die Verbindung zu meinem Körper unterbrach, schaffte es aber nicht auch nur einen Ton von mir zu geben...
 

“Was ich gerade gemacht habe, fragst du dich sicherlich...” Sein Körper hatte binnen weniger Momente wieder seine normale Form angenommen und nicht nur noch eine Spur war von der Transformation war noch zu sehen gewesen. Die Zähne hatten sich wieder zurück in seinen Mund geschoben und waren nun wieder deutlich kleiner, und auch seine Klauen hatten sich wieder normalisiert. ”Das passiert, wenn ich hungrig werde.”
 

“Hungrig?” Noch immer lag ich, schnell atmend, auf dem Tisch und konnte mich kaum beruhigen. Meine Arme waren an den Stellen, wo er sich mit mir verbunden hatte, unversehrt und nichts mehr war von dem erkennbar, was geschehen war.
 

“Ein ganz besonderer Hunger.”, murmelte er und beugte sich zu mir herunter, zog mich an den Schultern in eine Sitzpostion und griff hinter mich, um die Fesseln von meinem Handgelenk zu lösen. Er war mir so nah, dass einige seiner Haarsträhnen mir ins Gesicht gefallen waren und ich den betörenden Geruch seines Körpers tief einatmen konnte... Was war das, wenn er mir so nahe gewesen war? Was war das für eine Anziehung, durch welche ich mich am liebsten in seine Arme werfen wollte, obwohl ich negative Gefühle ihm gegenüber empfand? Diese verdammten Puzzleteile, die ich einfach nicht finden konnte...

Cyvethum - 3.0

Mit einem Mal entzündeten sich unzählige Flammen, die den kompletten Raum in warmes Licht getaucht hatten. Eine angenehme Welle der Wärme durchflutete meinen Körper und vertrieb jeglichen Anzeichen von einem Frösteln, was kurz zuvor noch in mir gehaust hatte. Ich wagte nur vorsichtig meine Hände hinter meinem Rücken hervor zu holen, betrachtete diese und linst dann wieder zu ihm herüber.

Sein Blick weilte die ganze Zeit über auf mir und nicht ein Wimpernschlag war mittels dieser vergangen Weile auszumachen. Das Rot seiner Augen war kräftiger und heller und verschmolz mit dem warmen Licht des Feuers und ein Blick auf seine Klauen löste eine Sehnsucht in mir aus, die ich als unheimlich empfand. Dieses Gefühl, als er sich mit mir verbunden hatte, war atemberaubend gewesen. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt, weder noch hatte ich davon gehört. Wer oder was war er genau, wenn er solche Fähigkeiten beherrschte. Dass er nicht unbedingt typisch aussah, war mir bewusst, aber da war noch viel mehr an ihm, was seine aktuelle Erscheinung als eine Maskierung erschienen ließ... und ich wollte diesem Geheimnis auf die Spur kommen und meinen Wissensdurst nach ihm endlich stillen.
 

“Dir wird von nun an nichts anderes übrig bleiben, als an meiner Seite zu weilen, ob du das möchtest oder nicht.” Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. “Auf Lykratek wirst du keinen Frieden finden können - sowieso, ein Leben, so einsam, das wäre doch wirklich schrecklich.”
 

Er begann endlich wieder über Lykratek zu sprechen! Diese Chance musste ich nutzen! “Wie meinst du das? Sag mir nun endlich, was ist mit dem Stern geschehen?!” Ich hatte mich auf meine Füße gezwungen und näherte mich ihm mit zielsicheren Schritten, um ihn dann zu packen. “Sag es mir!”

Wieder bestätigte er mir, dass ich gegen ihn machtlos war. Nicht ein Wort hatte er nun noch von sich gegeben und konnte meine Hand, welche eben noch an seiner Kehle weilte, mühelos lösen.
 

“Sei nicht so, Aria... Das gefällt mir nicht.” Diese Nähe zu ihm war für mich kaum aushaltbar gewesen. Wieder war ich ihm so nah und das Organ in meinem Brustkorb überschlug sich beinahe, als seine Lippen kurz vor den meinen stoppten. “Ich muss dich wohl wirklich noch erziehen... Aber das dürfte das kleinste Problem darstellen.”
 

“Bitte...”, flehte ich leise und versuchte mich aus seinen Fängen zu befreien, “Ich möchte Gewissheit...”
 

Sichtlicht amüsiert über mein Flehen ließ er dann doch wieder ab von mir, schenkte mir aber auch diesmal keinerlei Antworten auf meine Fragen. Dieses Spiel, was er dort mit mir spielte, war alles andere als spaßig - außer für ihn - und ich fühlte mich wie ein Fisch, den er aus dem Wasser heraus holte, ihn für einige Momente lang auf dem Boden zappeln ließ und kurz vor dem Austrocknen wieder ins Wasser zurück warf... Zweifelsohne war ich sein Gefangener, wenn nicht sogar eine Art Spielzeug.
 

Er war zur Tür zurück gegangen und wollte scheinbar gehen. Zügig versuchte ich ihm hinterher zu kommen was durch die seltsamen Fußfesseln allerdings gar nicht so einfach gewesen war, und schaffte es nur mit Mühe ihn einzuholen, ohne zu stolpern.
 

“Du wirst in sein Zimmer zurück gehen.”, murmelte er in einem harschen Ton und packte mich am Oberarm, “Ich habe noch einiges zu erledigen. Wenn ich wieder zurück bin wirst du mir Gesellschaft leisten. Hast du das verstanden?”
 

Ich verstand erst gar nichts, nickte dann aber zögernd. “Wo gehst du hin? Kann ich nicht mitkommen? Ich würde auch weiterhin an der Kette bleiben, aber ich möchte nicht hier bleiben!” Alles, was ich wollte, war eine Möglichkeit zur Flucht. Alles Betteln und Flehen half allerdings nichts, er war beständig und lehnte immer wieder ab.
 

Ich denke nicht, dass deine ehemalige Heimat dich nun so gerne wieder sehen mag, Aria. Sie wären dir sicherlich nicht freundlich gesinnt, wenn du nach einigen Tagen einfach so wieder zur Kolonie zurück kehren würdest. Gar nicht auszudenken, was sie wohl tun würden, würden sie dich entdecken.”
 

Die Kolonie...?

Die Kolonie, ja, richtig!
 

“Warum gibst du dich als ein Kommandant dort aus? Sie müssten doch wissen, dass du nicht der bist, für den sie dich halten! Warum tust du das?”
 

Ein Grinsen musste mir als Antwort genügen - und ein Kuss brachte mich zum Schweigen und erstickte all meine auf der Zunge aufkommenden Worte...
 


 

-
 


 

Seine Beweggründe und Ziele waren mir unergründlich. Ohnehin war er ein Buch mit sieben Siegeln gewesen, welches ich nicht auch nur ansatzweise hätte aufbrechen können. Ich war so perplex und verwirrt über all dies gewesen, dass ich gar nicht wusste, welche Emotionen ich nun zulassen sollte. Nun war ich in Gefangenschaft eines Terroristen, der eine Art Doppelleben führte, Massen an Sternen und Lebewesen auslöschte und war aber so angetan von seinem Wesen, dass ich all dies am liebsten vergessen wollte...

Er war es sogar möglicherweise gewesen, der damals Aternas zerstört und meine Familie ausgerottet hatte, warum also empfand ich solch seltsame Gefühle für eine Bestie wie ihn, für die ich nur eine Art von Nahrung und ein Spielball gewesen war?

Ich wollte ausbrechen und fliehen, seinen Fängen entfliehen, und mich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Diese Störungen in meinem Verhalten und Empfinden, die er verursachte, waren nur Hindernisse, die ich überwinden und ausmerzen musste.
 

Das kalte Nass auf meiner Haut wollte meine Gedanken auch nicht hinfort spülen... Bevor er gegangen war hatte man mir ein neues Zimmer eingeteilt, welches eine beachtliche Größe vorweisen konnte und in welchem es im Gegensatz zu dem Vorherigem mit unzähligen Lichtern glänzte. Ebenso wurde mir neue Kleidung gebracht, die ich nach seinen Anweisungen von nun an tragen sollte. Eine Art Suit, wie ich sie bisher schon oft tragen musste, nur um einiges stabiler und mit einem anderen Schnitt angefertigt. Das Material dieses Anzuges floss förmlich über meine Haut und schien wie angegossen zu sitzen.

Er machte sich wirklich Mühe damit, mich auf seine Seite zu ziehen. Aber warum...? So langsam konnte ich mir eine Strategie zurecht legen, mit der ich ihn überlisten wollte, ihn, dessen Namen ich nicht einmal wusste - dass dies nicht so einfach werden würde, war mir von Beginn an klar, aber ich musste es wenigstens versuchen...
 


 

-
 

Am späten Abend - oder war es ein Morgen? - kehrte er wieder zurück und sein Anblick entfachte bloßes Entsetzen in mir. Sein Suit war völlig blutbeschmiert, es schien allerdings nicht so, als sei es sein Blut gewesen, da keinerlei Spuren von einer Verletzung an seinem Körper zu sehen waren. Mir fiel es schwer ihn anzusehen, als wand ich meinen Blick ab und bemerkte erst gar nicht, wie sich meine Zähne in meine Unterlippe gerammt hatten.

Er ließ sich von seinen Untertanen ausziehen und reinigen, bis kein Tropfen von dem fremden Blut mehr auf seinem Körper übrig gewesen war, und zog sich dann neue Kleidung an, die beinahe schon etwas majestätisches hatten.
 

“Aria?”
 

Ich schreckte auf. “J-...ja?” Meine Stimme musste brüchig und unsicher geklungen haben.
 

“Wie ich sehe bist du brav gewesen... Dieser Suit steht dir ausgezeichnet. Lass mich dich näher betrachten.”
 

Es kostete mich einiges an Mut mich ihm zu nähern und blieb dann kurz vor ihm stehen, blickte ihm allerdings nicht ins Gesicht, was er mit einem Anheben meines Kinns schnell korrigierte.
 

“Du siehst fantastisch aus...”, flüsterte er beeindruckt und suchte sich den Weg tief in meine Augen, um ihn meine Seele blicken zu können, “Ich mag es, wenn du Angst vor mir hast... Das bringt mein Blut richtig in Wallung... Willst du spüren, wie heiß mein Blut kocht?” Er fasste mich an den Oberarmen und zog mich dichter an sich heran, bis sich unsere Oberkörper beinahe berührten. Meine Knie waren binnen weniger Sekunden weich geworden und hätte er mich nicht festgehalten, hätte ich mich wohl nicht mehr auf den Beinen halten können. Ich fühlte bereits, wie seine Fingerkuppen sich verlängerten und nach einer Möglichkeit suchten, um sich unter meine Haut zu legen...
 

Dann ließ er plötzlich von mir ab. Vollends. Doch er hatte nicht freiwillig von mir abgelassen - es war ein heftiger Ruck, der das ganze Schiff erschütterte, was ihn nun abgelenkt hatte.
 

“Kch... Ich fasse es nicht...”
 

Ich verstand erst gar nicht, worum es ging, wurde dann von ihm mitgezerrt und hastete ihm so lange nach, bis er endlich Halt machte. “Du wirst an meiner Seite bleiben, verstanden?” Den Befehl bestätigte ich mit einem Nicken und folgte ihm dann erneut - wir waren in einen kleineren Raum gelaufen, wo sich die Tür automatisch hinter uns schloss.
 

“Was geschieht hier nun? Was ist passiert?”
 

“Noch einmal: du wirst an meiner Seite bleiben.”
 

Auf einmal wurde mir alles ganz klar. Natürlich. Er wurde angegriffen! Jemand musste ihm gefolgt sein und seinen Standort ausgemacht haben! Nur... welche Rolle spielte ich nun in diesem Angriff? Sollte ich ihm nun als ein Schutzschild dienen oder ein Köder, damit es ihn nicht erwischen würde?
 

In diesem Raum gab es einen direkten Anschluss zu einer Erogide, die sich scheinbar in das Schiff einfügen konnte. Der Eingang war unversiegelt und er stug unverzüglich ein und riss mich mit ins Cockpit hinauf. Wie sollten zwei Personen in einem Cockpit von solch einer Größe Platz finden? Zumal, was für eine Funktion sollte ich dort haben, wenn er derjenige war, der die Verbindung mit der Maschine eingehen würde? Er nahm auf dem Sitz Platz und zog mich auf sich herauf, so, dass seine Arme und Beine noch seitlich von mir gestreckt waren und noch genug Reichweite zu den Kontakthebeln bestand.
 

“Was... was soll ich hier? Ich kann hier nichts tun!”
 

“Sei still!”, raunt er in mein Gehör und ich beobachtete, wie die Maschine den Verbindungsaufbau zu ihm begann. Die Kabel und Anschlüsse fügten sich ohne irgendwelche Probleme mit seinem Körper zusammen und es schien, als würde es ihn keinerlei Anstrengung kosten - wenn ich mich daran zurück erinnerte, welche Schwierigkeiten ich damit ha-...

Ich schrie auf, als ich etwas in mein Fleisch dringen spürte. Im ersten Augenblick konnte ich nicht aus machen, ob es die Maschine gewesen war, erkte dann doch aber schnell, dass es nicht die Maschine, sondern er war, der die Verbindung zu mir aufbaute. Da war es wieder gewesen! Ich spürte seinen Puls, seinen Herzschlag, und ich fühlte den Ärger in seiner Brust, Hass, der sich wie schwarzer Rauch duch seinen Körper fraß und Energie, eine unglaubliche Energie, die nun auch in meinen Körper strömte.
 

“Dieses Spiel wird dir nicht gefallen, Aria...”

Cyvethum - 4.0

Was geschah hier gerade mit mir? Ich war eng an seinen Körper gepresst und konnte nur mit Mühe ordentlichen Halt finden, ohne nach vorn ins Kontrollfeld zu stürzen, was die körperliche Verbindung, die noch in einem Aufbauprozess verweilte, allerdings verhindern konnte. Ungläubig betrachtete ich dieses absurde Spektakel, wie sich unsere Beine und Arme beinahe ineinander fraßen und wie Fäden ähnliche Hautfetzen uns zusammen hielten. Alles in Allem war für mich absolut überfordernd gewesen und ich dachte nicht mal daran auch nur zu weiteren Fragen anzusetzen - wo er doch eh keine Zeit hatte, um sie mir zu beantworten. Durch die Verbindung zu ihm konnte ich einen Bruchteil seiner Gedanken in meinem Kopf hören - eine Art Barriere verhinderte, dass ich kompletten Zugriff zu seinem Innenleben erhielt. Wie viele von meinen Gedanken konnte er empfangen? Alle? Oder ebenfalls nur ein Minimum?
 

“Es sind nur zwei, die mir gefolgt sind. Also nichts, was der Rede wert wäre.”
 

“Zwei? Zwei was?” Natürlich blieb meine Frage unbeantwortet.
 

Er, nein, wir, waren nun vollends mit der Erogide verbunden und ich spürte kleine elektrische Schläge durch meinen Körper tanzen, als er sein Kinn auf meine Schulter stützte, damit er die volle Übersicht über das Kontrollfeld erhielt. Ich linste nur für einen Augenblick zu ihm hin und blickte dann schnell ebenfalls nach vorn. Er startete die ersten Befehle.

Wer war sein Feind gewesen? Jemand von denen, die er vorher bekämpft und womöglich - das Blut, was vorhin noch an ihm gewesen war, ließ mich darauf schließen - einen von ihnen getötet hatte? ...Wenn nicht sogar mehrere? Der Sinn meines Beiseins war mir noch immer nicht klar geworden und ich versuchte mich nun einfach auf das einzustellen, was mich wohl noch erwarten würde. Die körperliche Verbindung zu ihm war anstrengend und stärkend zugleich, mein Körper war solch eine Vereinigung einfach nicht gewohnt und musste sich erst daran gewöhnen und das, obwohl ich nicht einmal wusste, wie oft ich das noch mitmachen musste...
 

Die Erogide löste sich nun vom Schiff, was ich nun wirklich eindeutig als Schiff erkennen konnte, und auf dem Sensor blinkten bereits zwei Punkte auf, die auf den Aufenthaltsort des Feindes hinwiesen. Alles in mir zog sich zusammen. Ich wusste nicht, wie stark der Feind gewesen war, und ich war so perplex von allem, was um mich herum geschah, dass ich mich auf nichts konzentrieren konnte. Meine Position bedeutete zum Glück auch nicht, dass ich viel tun musste, eher noch empfand ich mich als eine Energiequelle für ihn, die ihm zusätzlich Stärke verlieh.

Die zwei Punkte näherten sich uns in einem massiven Tempo. Es würde nicht noch länger als eine Minute dauern, bis sie uns eingeholt haben würden. Er sprach die ersten Ausrüstungsbefehle aus.
 

“Du wirst dich nicht freuen...”, wisperte er mir zu und schenkte mir daraufhin wieder keinerlei Aufmerksamkeit mehr, sondern konzentrierte sich auf den Angriff.

Ich war verwirrt. Unheimlich verwirrt. Ich sollte mich nicht freuen? Ja, warum auch, wenn es um einen Kampf ging? Im Gegensatz zu ihm empfand ich keinerlei Euphorie für den Kampf und diese Gefühle, die sich von seinem Körper in meinen pumpten, irritierten mich. Er war aufgeregt, fast schon nervös, und er fieberte dem Angriff entgegen. Er wollte es.

Und dann verstand ich, was er gemeint hatte...

Die Maschinen, mit denen man uns verfolgt hatte, erkannte ich sofort. Es waren die Selbigen, in denen ich auch hatte kämpfen müssen, als ich noch Anwärter auf der Kolonie gewesen war.

Das waren meine ehemaligen Kameraden gewesen. Es bestand keinerlei Zweifel in meiner Annahme. Es waren wirklich...
 

“Konzentriere dich. Sie sind nicht mehr deine Kameraden, sondern deine Feinde. Du gehörst nicht mehr zu ihnen!”
 

Aber sie hatten mir nichts getan... Sie waren nicht schuld daran gewesen, dass ich die Kolonie verlassen musste!

Die erste Kanone lud auf, während sich eine andere Schusswaffe bereits aufgebaut hatte, mit welcher er sie ins Ziel nahm.

Nein, ich wollte nicht, dass er auf sie schießen würde. Ich wollte nicht, dass er ihnen Schaden zufügen würde, sie waren unschuldig! Hatten sie heraus gefunden, wer er nun wirklich war? Hatte man frei gegeben, dass er getötet werden durfte? War er wirklich aufgeflogen?

Meine ganze Verwirrung machte mich völlig unfähig noch in irgendeiner Weise zu reagieren und die Tränen, die sich in meinen Augen gebildet hatten, machten es mir unmöglich noch irgendetwas auf dem Kontrollschirm genau zu erkennen. Aber sie waren nun da, das wusste ich ganz genau, und ich wusste, dass er sie töten würde.
 

Das alles war so schnell geschehen, dass ich es gar nicht realisieren konnte. Als sich die Tränen langsam den Weg über mein Gesicht kämpften und ich wieder einigermaßen klar gesehen konnte, musste ich feststellen, dass die zwei Punkte auf dem Sensor verschwunden waren. So, als wären sie nie da gewesen...
 

Sie waren tot. Er hatte sie getötet.

Die Trauer in mir konnte sich nicht mehr halten und brach aus. Ich begann lauthals zu schluchzen und zu wimmern und zerrte an meinen Armen und Beinen, wollte los kommen von ihm, nicht mehr hören, wie er in Gedanken zu mir sprach. Ich war mit seinem Körper verbunden und hätte es aus rein logischer Sicht verhindern können, indem ich seine Aktionen einfach stoppte!
 

“Hättest du mich aufgehalten, wärst du nun tot. Und ich auch.”
 

“Dann wäre ich eben tot! Ich... ich...-”
 

Vor lauter Jammern brachte ich keinen anständigen Satz mehr heraus. Ich wollte, dass er die Verbindung zu mir löste und mich endlich frei ließ. All dies war nichts, was ich aushalten konnte - ich war im falschen Boot gesessen, dachte ich, und ich wollte nicht länger als Puppe an den Fäden tanzen, die er in der Hand hatte. Ob ich es wollte oder nicht, ich musste als sein Verbündeter her halten, da er mir keine andere Wahl gelassen hatte. Er war noch immer ein Fremder für mich, dessen Namen ich nicht kannte, und so fremd, als wie ich ihn eigentlich empfinden wollte, war er mir leider nicht. Zu ihm spürte ich eine unheimliche Nähe, die ich noch nie zuvor erlebt hatte, und es erklärte sich mir einfach nicht, warum das so gewesen war...
 


 

-
 

Zurück im Schiff angekommen wollte ich meine Ruhe.

Ich hatte mich in mein neues Zimmer zurück gezogen und verbrachte mehrere Stunden damit zu weinen und zu trauern. Dass ich miterleben musste und im schlimmsten Fall auch noch mit schuld daran war, dass zwei meiner ehemaligen Kameraden sterben mussten, raubte mir alle Kraft. Das war es, was ich an diesem Krieg nicht verstand - warum musste man andere töten? Es gab doch sicherlich andere Lösungen die weitaus mehr Sinn ergeben hätten als das!

Man musste ihm auf jeden Fall auf die Schliche gekommen sein... Der Angriff auf Lykratek hatte bestimmt, auch wenn kaum einer diesem Stern Beachtung geschenkt hatte, sicherlich aufgefallen. Sowieso, wie hatte er es so lange geschafft, dieses Doppelleben zu führen? Und warum war es niemandem aufgefallen, dass sich ein so mächtiger Feind mitten unter ihnen befand, nein, sogar an der Spitze!

Wie lange würde er mich wohl noch bei sich behalten? Ich wollte nun einfach nur noch fliehen, irgendwohin, Hauptsache fort von ihm. Ohne irgendeine emotionale Regung hatte er sie getötet, und ich...
 

Die Tür öffnete sich.
 

“Wie lange willst du noch weinen?” Wer sonst sollte es gewesen sein... “Mir gefällt es nicht, wenn du dich so sehr verausgabst. Du schläfst und isst kaum.”
 

“Dann verhungere ich eben. Dann sterbe ich wenigstens endlich und muss das alles nicht mehr ertragen.”
 

Als er sich mir näherte wich ich schnell zurück. Nicht noch einmal wollte ich seiner Anziehung erliegen und schwach werden, nein, das wollte ich nicht noch mal zulassen. Ich musste mich zusammen reißen und Abstand gewinnen, bevor er mich noch völlig wahnsinnig und abhängig machte.
 

“Warum wehrst du dich so gegen mich, Aria? Du weißt es genau so gut wie ich, dass du meine Nähe brauchst. Du willst, dass ich mich von dir und deinem Blut ernähre und nichts anderes wünschst du dir mehr, als mir deine Kraft zu schenken. Also lass es endlich zu und verbünde dich mit mir! Was trauerst du solchen Kreaturen nach, die dich verstoßen haben und die es nicht interessiert hätte, ob du nun derjenige gewesen wärst, der getötet worden wäre?”
 

Wie konnte er... “Was...?”, entglitt es mir ungläubig, als ich mir seine Worte nochmals durch den Kopf hatte gehen lassen, “Sie waren nicht schuld daran, dass ich gehen musste! Das war einzig und allein das Ergebnis meiner Unfähigkeit gewesen, woraus ich eben Konsequenzen ziehen musste!”
 

Wieder kam er näher... Und meine Fluchtmöglichkeiten schränkten sich immer mehr ein.
 

“Sieh es doch endlich ein... An meiner Seite hast du es besser. Du wirst es nicht bereuen, dich mir angeschlossen zu haben.”
 

Was wollte er von mir? Ich verstand einfach nicht, was er von mir wollte - und warum ich von solch einer Bedeutung für ihn zu sein schien. “Was soll ich an der Seite einer Bestie...? Ich will nicht plündern, zerstören und töten! Ich will Frieden, ich will Frieden für alle Existenzen in dieser Galaxy und keine absolute Zerstörung!”
 

“Wer sagt denn, dass ich genau das will?”
 

Was sollte er sonst wollen, wenn nicht das? Er, sein ganzes Sein, das ergab alles keinen Sinn! Er war irgendeine Kreatur, von der ich nicht wusste, woher sie genau stammte! Ich wusste nichts über ihn und seine Vergangenheit, ja noch nicht einmal seinen Namen! Irgendwo in irgendwelchen Ecken meines bisherigen Lebens hatte er sich immer herum getrieben und ließ mich einfach nicht in Ruhe. Warum war es ausgerechnet ich gewesen, welchen er sich ausgesucht hatte? War ich so leicht zu brechen gewesen und daher ein leichtes Opfer? Vereinfachte er sich einfach die Jagd und hatte sich wahllos das schwächste Glied heraus gepickt, um leichtes Spiel zu haben?
 

“Das... nein, das ergibt alles keinen Sinn...” Meine Stimme zitterte schon wieder. “Du ergibst keinen Sinn. Dass ich hier bin, das auch nicht! Nichts ergibt auch nur irgendeinen Sinn! Lass mich doch endlich gehen, ich will nicht mehr länger..-”
 

Nein, er durfte mich nicht berühren! Seine Hände sollten von mir ablassen! Ich konnte und wollte nicht zulassen, dass er wieder Macht über mich gewann. Nun musste ich Stärke beweisen und gegen ihn angehen.
 

“Wehr dich nicht länger gegen mich... Du machst es dir nur unnötig schwer. Im Endeffekt wirst du erkennen, dass dies die richtige Entscheidung ist und dass es dein Schicksal ist, an meiner Seite zu weilen. Als mein Verbündeter.” Seine Finger in meinen Haaren wirkten zu verführerisch und ich spürte bereits, wie der eben noch so starke Wille in mir wieder nachgeben wollte. Ich wollte nachlassen, meine ganze Wut ihm gegenüber abschütteln und mich ihm hingeben, so, wie er es wollte, und alles vergessen, die ganzen Sorgen und Fragen, alles um mich herum, das ganze Elend und Leid und...
 

“So ist es gut...”, flüsterte er gegen meine Lippen und küsste mich sachte. Die Tränen in meinen Augen wollten einfach nicht trocknen und das Zittern, was durch meinen ganzen Körper gedrungen war, wollte sich nicht mehr legen.
 

"Lass mich doch einfach gehen... Ich will gehen... Irgendwo hingehen... Ich will endlich meinen Frieden finden... Diesen Krieg... ich will diesen Krieg nicht..."

Diese sanften Berührungen schienen meine Wut aus meinem Körper zu nehmen und beruhigten mich ungemein, die Trauer, die ich jedoch empfand, konnte er mir nicht einfach so stehlen. "Lass mich gehen... Lass mich endlich gehen...", wiederholte ich immer wieder nur und hämmerte mit schwachen Fäusten gegen seinen Brustkorb, "Ich weiß nicht, wer oder was du bist... Ich weiß überhaupt gar nichts..."
 

"Mein Name ist nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass du dich für mich entscheidest - ich werde nicht zulassen, dass du stirbst."
 

Warum sprach er immer nur von mir und sich? Waren ihm alle anderen wirklich so egal gewesen? "Es... Es gibt eine Bedingung." Es kostete mich Mühe, das Wort zu erheben. "Wenn du mich an deiner Seite willst, musst du nach meinen Zielen streben. Du wirst... eins mit mir sein und im Einklang mit meinen Motivationen und moralischen Prinzipien leben müssen. Wenn ich wirklich so wertvoll und wichtig für dich bin, dann musst du diesen Pakt mit mir schließen, ansonsten..."
 

"Ansonsten?"
 

"...Werde ich all dem persönlich ein Ende setzen."

Turanithas - 1.0

Diesmal hatte er mich nicht mehr um den Finger wickeln können - ich war standhaft geblieben und hatte ihm angewiesen, dass er mich nur auf seine Seite ziehen könnte, wenn er meine Forderungen eingehen würde, allerdings sprach er nun mit mir nicht mehr darüber und zog sich zurück, während er mich in meinem Zimmer eingeschlossen hatte, damit ich auch jah nicht hätte fliehen können.

Ich brauchte ohnehin Zeit für mich, um mich erst einmal wieder zu sammeln. Der Tod meiner ehemaligen Kameraden war für mich nicht unbedingt leicht zu verkraften und meine Gedanken hingen ebenso noch an Lykratek und seinem Volk. Diese Bestie, die mich gefangen hielt, war im Endeffekt für all dies verantwortlich und ich konnte selbst kaum fassen, dass ich mit ihm zu verhandeln begann - aber es blieb mir ja nichts anderes übrig. Ich wollte nicht kampflos aufgeben und mich ihm als seinen Verbündeten hingeben, wo ich seine mir nicht nachvollziehbaren Ziele doch eh nicht teilen konnte.
 

Wenig später schloss ein Bediensteter von ihm meine Türe auf und bat mich, ihm zu folgen. In Windeseile sollte ich mich noch umziehen, weil ich ordentlich hätte aussehen sollen, und folgte ihm dann ohne jegliche Widerworte.

Er führte mich zu einem relativ großem Saal, ähnlich wie jener, in welchem ich vor einigen Tagen schon einmal gewesen war, dieser hier war aber um einiges prunkvoller und wies nicht so eine Kälte vor, wie es das restliche Schiff tat. Natürlich war er es gewesen, der mich erwartet hatte. Ich wartete, bis er sprach.
 

"Wir werden in wenigen Stunden abreisen und unseren aktuellen Standort verlassen. Die aktuelle Position ist nicht unbedingt sicher und ich bekam den Befehl, abzureisen."
 

Einen Befehl? Vom wem?
 

"Du wirst also dazu gezwungen sein mit zu kommen. Eine andere Wahl bleibt dir nicht übrig.” Seine Miene wies nicht eine einzige Regung auf und er war so dermaßen emotionslos, dass es mir beinahe einen Schauer eingejagt hätte. Er wirkte wirklich so, als wäre er eiskalt. Ich wollte erst zu einem Protest ansetzen, biss mir dann aber auf die Unterlippe und schluckte all meine Wut schnell wieder herunter. Mir war wirklich keine andere Wahl geblieben - er hätte mich nun nicht ausgesetzt, auch wenn ich das wollte, und hatte wohl lieber sein Augenmerk weiterhin auf mir, immerhin schien ich wertvolle Ware zu sein.

Ich nickte also nur stumm und verbeugte mich kurz, bevor ich mich wieder auf den Weg in mein Zimmer machte. Alles in mir brodelte. Das Einzige, was ich gerade wollte, war ihm an den Hals zu gehen und ihn zu würgen, so wütend war ich, aber im Endeffekt war ich machtlos. Und hilflos. Ich kannte mich auf dem Schiff nicht aus und konnte auch nicht einschätzen, wo sich die Raumkapseln befinden würden. Eine Suche war ausgeschlossen, dafür hatte man mich zu gut bewacht und man würde mir keinerlei Eintritt zu einigen Bereichen des Schiffes gewähren, also verwarf ich diesen Gedanken schnell wieder.

Wer war es, von wem er einen Befehl bekommen hatte? Von einer Kommandozentrale? War sein Schiff also nur eines von mehreren oder gab es sogar jemanden, der über ihm stand? War er vielleicht also gar nicht der Drahtzieher all seiner Aktionen, sondern nur eine Marionette? Diese Vorstellung war für mich erst sehr unrealistisch, aber ausschließen konnte ich es nicht, immerhin verfügte ich nicht unbedingt über viele Informationen.
 

Als das Schiff wenige Stunden später startete, wagte ich einen Blick aus einem der kleinen Fenster meines Zimmers. Dunkelblaue und ultraviolette Wolken schwirrten durch die Atmosphäre und zogen sich in wilde Kreise und Spiralen und unter uns konnte ich sehr deutlich kleinere Sterne erkennen. Einer von ihnen war sicherlich Lykratek gewesen und wieder fragte ich mich, was dort geschehen war...
 

-
 


 

Am Ziel angekommen konnte ich erst gar nicht erkennen, um was für eine Landeunterfläche es sich handelte, abschätzen, ob es eine Kolonie, Plattform oder ein Stern gewesen war, war schwierig gewesen. Ein Blick aus dem Fenster half nichts, da gar absolute Dunkelheit uns umgeben hatte, und ein Bediensteter holte mich aus meinem Zimmer heraus, sicherheitshalber legte man mir erneut Ketten an und zerrte mich hinter sich her, obwohl ich brav Schritt geleistet hatte. Alle um mich herum waren in einer seltsamen Aufregung und ich spürte eine seltsame Spannung in der Luft. Nirgends konnte ich ihn entdecken, die Bestie, und meine Augen suchten ständig nach ihm, konnten ihn allerdings nicht finden.

Das Verlassen des Schiffes bereitete mir im ersten Augenblick Schwierigkeiten. Die Luft um mich herum war stickig und ein seltsamer Nebel schweifte über die Köpfe hinweg. Nun aber war es mir möglich zu erkennen, wo wir gelandet waren. Es war zweifelsohne ein Stern gewesen, wenn auch keiner, den ich zu kennen schien, aber eindeutig ein Stern. Vor uns baute sich ein gewaltiges, russ-schwarzes Monument auf, was nur der Beginn eines großen Imperiums darstellen sollte. Direkt dahinter erstreckten sich große, ebenso dunkle Bauten in den Himmel hinauf, die sich in einer unheimlichen Weise immer weiter nach oben schlängelten und sich dann miteinander verbanden - dann erinnerte ich mich an einen Moment aus meinem früheren Unterricht, an ein Bild, was ich aus einem Buch kannte, aber mir kam nicht mehr in den Sinn, um welchen Stern es sich handelte. Der Name... wie nannte man das Volk dieses schwarzen Planeten? Der Name war... ja, genau, es musste sich um den Stern Liverath handeln, und das Volk, dass diesen Stern bewohnte, wurden Liverans genannt!

Man zerrte mich noch immer an der Kette hinterher und die Blicke, die auf mir weilten, bereiteten mir gar unschöne Gefühle. Mir wurde ganz schnell klar, dass man mich hier nicht willkommen hieß, jedoch griff mich noch niemand an. Wenn ich die Geschichte der Liverans richtig im Hinterkopf behalten hatte, waren sie ein nicht unbedingt soziales und sogar sehr unangenehmes Volk, die auf keinen Frieden aus waren. Und er war sicherlich einer von ihnen gewesen, auch wenn seine Gestalt eine ganz andere war - aber wie ich es bereits selbst erlebt hatte wusste ich, dass er seine Gestalt verändern konnte...

Ein Ende nahm die Strecke erst am größten und imposantesten Gebäude. Übelkeit überkam mich, als ich die Tore durchschritten hatte und es kostete mich viel Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Es schien so, als hätte dieser Ort eine ganz besondere Ausstrahlung, die nicht unbedingt etwas Gutes bedeutete.
 

“Willkommen... Aterun. Ich hoffe, dass es dir keine Schwierigkeiten bereitet, hier zu weilen?”
 

Ich folgte der mir unbekannten Stimme und traf dann den Blick eines Liverans, der mich mit einem schelmigen Grinsen von Kopf bis Fuß musterte. Sein Körper schien in einem Zwischenstadium zu verweilen, eine gestoppte Transformation vielleicht, oder eine Mutation, die ewig anhielt. Dunkelblaues, leuchtendes langes Haar erstreckte sich über seine schuppigen, glänzenden Schultern und massive Klauen trommelten an der Lehne des Throns, auf welchem er saß. In den Augen, mit welchen er mich fixiert hatte, konnte ich nur ein giftgrünes Schimmern vernehmen und sie wirkten alles andere als lebendig. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, dass der personifizierte Tod mir gegenüber saß.
 

“Großartige Arbeit hast du da geleistet, Lexus! Ich hatte erst im Traum nicht mehr daran gedacht, dass du einen Aterun aufgabeln würdest - wo es doch ohnehin nicht mehr so viele von ihnen gibt! Wenn nicht sogar nur diesen einen...”
 

Lexus?

Dann verstand ich.

Aus einer dunklen Ecke, mir vorher nicht sichtbar, trat er dann hervor. Er war es gewesen. Und nun kannte ich seinen Namen! Allerdings sprach er nicht, sondern wand den Blick ab. Seiner Körper war so angespannt und seine Lippen so fest aufeinander gedrückt, dass es mich in irgendeiner Weise beunruhigte. Dieser Liveran, der dort saß, musste tatsächlich eine Art Anführer gewesen sein und auch in der Rangordnung über ihm stehen, sonst hätte er sich nun nicht so verhalten.
 

“Oh, ich vergaß mich vorzustellen.”, mit einer gar skurrilen Bewegung erhob der Blauhaarige sich nun aus seinem Thron und kam mit großen Schritten auf mich zu, riss die Kette einem der Bediensteten aus der Hand und zog mich ohne Scheu dann in die Luft hinauf, so, dass ich mit meinen Füßen nur knapp über dem Boden baumelte. “Mein Name ist Luranthan han Chem, und ich bin der Anführer meiner Rasse, kleiner Aterun... Seine Zunge schlängelte über seine blassblauen Lippen und mir entrann ein leises Keuchen, als sich das Band um meinen Hals tiefer in meine Kehle drückte. Er lachte amüsiert auf, riss die Kette nochmals höher und ließ mich dann achtlos auf den Boden fallen. “Lange ist’s her, dass ich einen Aterun verspeisen konnte... So wenig Fleisch auch an euren Körpern sein mag, umso köstlicher schmeckt es. Eine absolute Delikatesse.”

Alles in mir zog sich zusammen, als ich seine Worte hörte, und versuchte mich aufzuraffen. Ein flüchtiger Blick zu Lexus, der mich allerdings nicht ansah, und ich spürte, wie sich auch das Organ in meiner Brust zusammen zog. War das der Grund dafür gewesen, dass man mich nicht entkommen lassen wollte? Weil ich als Leckerbissen für einen Liveran enden sollte, für den meine Rasse ein Gaumenschmaus gewesen war?
 

Er trat zurück und machte es sich wieder in seinem Thron gemütlich, schnippte dann und befahl Lexus somit, näher an ihn heran zu treten. Nur mit langsamen Schritten trat er aus der dunklen Nische heraus und näherte sich ihm.

“Für diesen Leckerbissen sollst du belohnt werden, mein Lieber.”, verkündete Luranthan ihn mit einem Grinsen und zog ihn grob am Haarschopf näher zu sich, “Aber erst... sollst du mir Rede und Antwort stehen, Lexus. Dieser Aterun riecht nach dir, ganz gewaltig, und sein Blut scheint nicht rein zu sein. Ich hab dich an ihm gerochen, heißt das also, dass du deine Klauen nicht bei dir behalten konntest? Hat dich dein unstillbarer Hunger überkommen und dir den Verstand geraubt?” Lexus’ Lippen verzogen sich und er schloss seine Augen gepeinigt, als Luranthan umso fester an seinem Haar zerrte, sodass er schon einiges heraus gerissen hatte. Eine kleine Blutspur suchte sich den Weg über seine Stirn und wurde kurz darauf von der Zunge des Anderen aufgefangen. “Ich hasse es, wenn du dich an meinem Essen vergreifst, Lexus. Bisher warst du immer standhaft geblieben und hast es nie gewagt, dich an meiner Beute zu vergreifen, diesmal aber scheinst du an deine Grenzen gekommen zu sein. Was ist das an dem kleinen Aterun, was dein Blut hat kochen lassen? Ist es der süßliche Geruch seines Fleisches, was dich schwach gemacht hat? Antworte mir...”

Immer tiefer gruben sich Lexus’ Zähne in seine Unterlippe und es dauerte fast eine kleine Ewigkeit, bis er sie löste. “Ich kann es mir nicht erklären, mein Herr...”, wisperte er, “Es war nicht meine Absicht, ihn...-”

Luranthan unterbrach ihn: “Und wie es deine Absicht gewesen war. Im Gegensatz zu vielen anderen deiner Rasse kannst du dich kontrollieren und beherrschen, und ich kaufe dir in keinster Weise ab, wenn du behauptest, dass du die Kontrolle über dich selbst verloren hättest. Du hast einen Narren an diesem Aterun gefressen und hast ihn dir genommen, sein Blut genommen, weil du dich unbedingt von ihm nähren wolltest, das war es! Aber nun, mein lieber Lexus... tu ich dir den Gefallen und sorge dafür, dass dieser ungebändigte Hunger nach diesem Aterun in dir stirbt.”
 

Ich begriff erst nicht, was er damit meinte, zuckte dann aber augenblicklich zusammen, als er Lexus von sich staß, sich erneut erhob und auf mich zukam. Er würde mich in Stücke reißen und mich, vor Lexus’ Augen, bei lebendigem Leib fressen...

Turanithas - 2.0

Ein lautes Jubeln hallte durch den großen Saal, als mich Luranthan erneut an der Kette packte und mich achtlos auf den Knien schleifend einige Meter lang über den harten und kalten Boden zog, bis er mich auf die Füße zwang und meinem Kopf am Haar nach hinten zerrte, sodass ich ihn anblickte. Ich wimmerte leise und schmerzlich, als er dann mit seinen spitzen Krallen über mein Gesicht glitt und mied es, ihm direkt in die Augen zu sehen. Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich Lexus erkennen, der starr und untätig weiter dort verharrte, wo er zu Stein geworden zu sein schien, und es wollte mir einfach nicht begreiflich werden, warum gerade ich in solch eine miese Situation geraten war. So, wie Lexus sich nun benahm, dachte ich nicht dass er wollte, dass Luranthan mich fressen würde, aber...- Die Zunge an meinen Lippen riss mich aus meinen Gedanken und erfüllte mich mit purem Ekel.
 

"Verzieh dein hübsches Gesicht doch nicht so, Aterun... Hast du auch so geschaut, als Lexus sich dir so näherte? Erzähl mir, wie weit er gegangen ist."

Luranthan's linke Klaue hatte sich um meine Hüfte gelegt und ein stechender Schmerz bohrte sich durch meinen Körper. Er hatte keinerlei Skrupel gehabt und versank mit einer seiner spitzen Krallen bereits in meinem Fleisch. "Du sollst reden, sagte ich..."
 

Gerade wollte ich zu einem Wort ansetzen, da unterbrach mich Lexus. Er war einige Schritte nach vorn getreten, näher an uns heran, und blickte mich mit einem Blick an, den ich absolut nicht deuten konnte. "Ich habe mich mit ihm verbunden und... mich von seinem Blut genährt. Ganz so, wie ihr es vermutet hattet, mein Herr." Ein seltsames Zittern lag in seiner Stimme und ich glaubte eine Art von Respekt zu hören. So, wie er sich jetzt verhielt, schien er mir wie jemand ganz anderes als der, mit dem ich die letzten Tage verbringen musste. Diese Selbstsicherheit, die er vorher ausgestrahlt hatte, schien wie aufgelöst zu sein. Seine ganze Körperhaltung und Gestik wies eine Unsicherheit auf und er war sehr darauf bedacht, keinen falschen Schritt zu wagen.

"Und weiter? Das war doch sicherlich nicht alles, was du versucht hast."

Lurathans Stimme an meinem Ohr ließ mich erzittern und ich hatte unglaubliche Mühe, jeglichen Schmerzens-Ton herunter zu schlucken. Seine Kralle rührte noch immer in meiner nun offenen Wunde und er machte keinerlei Anstalten, mir noch schlimmere Schmerzen zu zufügen. “Kann es nicht sogar sein, dass dieser kleine Aterun hier dir sehr ähnlich ist? War er deswegen so unwiderstehlich für dich, weil er eine Art Gleichgesinnter für dich ist? Ist es so, Lexus?”
 

Im ersten Augenblick brachte Lexus nicht ein Wort zustande, nickte dann auch nur stumm und senkte den Blick. Der Blick in mein Gesicht war wohl zu viel von ihm verlangt.
 

“Ein Chyrnas* also, ja? Ich dachte es mir schon... Einen Chyrnas erkennt man auf den ersten Blick. Gleich und gleich gesellt sich also gern, was? Wie lange... wusstest du das schon, Lexus? Dir war scheinbar von Anfang an klar, dass du ihn für dich behalten wollen würdest. Sag an, hast du vielleicht sogar begonnen Pläne zu schmieden, damit er nicht in meine Hände fallen würde? Deine Gier nach ihm muss ungeheuerlich riesig sein, wenn du für ein Insekt wie ihn so viel aufs Spiel setzen würdest, mein Lieber.”
 

Ich glaube zu erstarren, als Luranthan den Begriff Chyrnas ausgesprochen hatte und wagte einen Blick zurück zu Lexus, den ich ungläubig anstarrte. Ein Chyrnas... Er auch? War das der Grund dafür gewesen, dass er mich nicht einfach getötet hatte und mich an sich binden wollte?

Eine weitere Kralle versenkte sich in meinem Fleisch und nun konnte ich nicht mehr anders, als lauthals aufzuschreien. Ein weiteres Jubeln toste durch die Halle und die anderen Liverans ermutigten Luranthan dazu, noch weiter zu gehen. Der Geruch meines Blutes war ihnen vermutlich zu Kopf gestiegen und der Hunger in ihnen unstillbar. Meine einzige Hoffnung war Lexus gewesen, der aber war nicht mehr im Stande dazu, sich überhaupt noch in irgendeiner Weise zu verständigen. Die Vermutung seines Herren schien also ins Schwarze getroffen zu haben...
 

Luranthan lachte herzlich auf, als er sich Lexus so ansah. “Was willst du nun tun? Dir wird nichts anderes übrig bleiben als mit anzusehen, wie ich ihn verschlinge. Stück für Stück. Das Blut des Ateruns ist wirklich betörend... Alleine der Geruch hat so viel Wirkung, dass es einem fast den Verstand raubt - ich verstehe also, dass du dem nicht widerstehen konntest. Aber ich will nicht nett und freundlich zu dir sein, das steht mir nicht, ansonsten hätte ich dir eventuell sogar die Wahl gelassen, dass du ihn hättest verspeisen dürfen, was aber nicht geschehen wird, da er eindeutig auf meiner Speiseliste steht.”

Wieder leckte er über mein Gesicht und stoppte an meinen Lippen, zwischen welche er sich mit Gewalt zwängen wollte - die Krallen fraßen sich tiefer in meinen Körper als ich mich weigerte und ich löste dann mit einem gequälten Jaulen meine Zähne aus meinen Lippen und spürte kurz darauf seine Zunge an meiner. Da war er wieder, dieser seltsame Geschmack und dieses Gefühl, was mich langsam aber sich betäubte. Die Liverans trugen einiges an Gift in ihren Körpern und verwendeten es gezielt, um ihre Beute unfähig zu machen. Jegliche Kraft wich aus meinen Gliedern und selbst meine eben noch so starr gewordenen Finger erschlafften mittels Sekunden - hätte man mich nicht festgehalten, wäre ich einfach so zu Boden gegangen. Luranthan schnupperte an meinem Hals und an meinem Haar, leckte genüsslich jede freie Stelle meiner Haut ab, bevor er kurz mit den Zähnen daran nagte.
 

“Quält mich nicht, mein Herr...”
 

Lexus’ Worte waren wie Öl, welches man in einer großen Menge ins lodernde Feuer goss. Mit einem Lachen hatte mich Luranthan in seinen Thron geworfen, sich über mich gebeugt und vergrub seine Zähne dann tief in meiner Schulter. Ich wollte die Hände heben und ihn von mir drücken, konnte mich aber nicht bewegen. Selbst meine Zunge und meine Lippen waren betäubt, sodass ich nicht einen kleinsten Ton von mir geben konnte. Ein lautes Schmatzen deutete für die Anwesenden darauf hin, dass er sich genüsslich an meinem Fleisch labte und ich wollte für einen Augenblick nichts anderes, als dass er mich mit einem Bissen vollends verschlingen würde, damit ich das alles nicht noch miterleben musste.

Als ich im Augenwinkel zu Lexus linste, sah ich, wie sich seine Fäuste ballten. Sein gesamter Körper schien in Wallung geraten zu sein und es kostete ihn Mühe, sich zu beherrschen. An seinen Krallen konnte ich erkennen, was nun geschehen würde. Seine Haut verfärbte sich zunehmenst und seine Transformation würde beginnen. Er war also kurz davor, seine wahre Gestalt ein weiteres Mal anzunehmen.
 

Luranthan bemerkte dies erst nicht, erst als Lexus ein gar erbostes Knurren von sich gab, was sich schnell in ein Zischen wandelte, als die spitzen Zähne sich über seine zerbissenen Lippen erstreckten.
 

“Habe ich dich etwa wütend gemacht? So was aber auch...”, säuselte der Blauhaarige mit einer gespielten Unschuld und leckte sich mein Blut sachte von den Lippen, “Ich sagte dir doch bereits, dass ich ihn alleine verspeisen würde. Oder... wünschst du sogar eher, MICH zu verspeisen? Du schaust gewaltig hungrig aus, mein Lieber!” Die Provokation, die er ihm gegenüber ausgesprochen hatte, ließen Lexus erneut zischen. Seine Transformation war inzwischen abgeschlossen und genau die Bestie hatte sich vor uns aufgebaut, die ich vor einigen Tagen erlebt hatte. Es war mir so, als könnte ich seinen Zorn förmlich riechen.

Bevor er sich allerdings Luranthan gefährlich nähern konnte, riss dieser mich wieder aus dem Thron heraus und zog mich vor sich, legte einen Arm um meine Kehle und hatte mich als eine Art Schutzschuld positioniert, damit Lexus ihn nicht direkt angreifen würde. “Ich hielt mal große Stücke auf dich, aber nun... wenn ich dich jetzt so ansehe, verstehe ich nicht, wie ich dich für einen intelligenten Untertanen halten konnte. Du bist noch törichter als ich es zu glauben wagte, und ich kann nicht glauben, dass du nur wegen einem Aterun deine gesamte Rasse gegen dich aufhetzt, Lexus er Chak!”
 

“Er gehört mir allein, also lasst ab von ihm.” Lexus’ Stimme vibrierte vor Wut und jagte ein Schaudern durch meinen erschlafften Körper. Ich konnte kaum glauben, dass er sich gegen seinen eigenen Herrn und seine Rasse auflehnen wollte, um mich aus ihren Fängen zu reißen. Wieder schlichen Luranthan's Krallen über meinen Hals, diesmal aber wollte er sie nicht einfach so darin versenken, nein, diesmal tat er etwas anderes. Ich spürte, wie sich seine Krallen langsam unter meine Haut legten und ich wollte gegen die angehende Verbindung zu ihm ankämpfen, das Gift in mir verhinderte dies allerdings. Ich konnte nun seinen Herzschlag und seinen Puls hören, so, wie ich es bei den Verbindungen mit Lexus auch hatte, und spürte, wie er langsam aber gezielt das Blut aus meinem Körper heraus pumpte. In dieser Verbindung konnte Lexus unmöglich angreifen, wenn er mir nicht schaden wollte - wenn er Luranthan angegriffen hätte, hätte ich den Selbigen Schmerz wie er empfunden und nahm den gleichen Schaden. Ich hörte, wie er hinter mir grinste und er stieß ein unheimliches Kichern aus, als er sah, wie Lexus sofort inne hielt.
 

“Was willst du nun tun? Warten, bis ich ihm all sein Blut genommen habe, oder angreifen? Egal, wofür du dich entscheidest, er wird leiden! Und er wird es deinetwegen tun!”
 

Langsam wurde mir schwarz vor Augen. Mein Körper war geschwächt und der Blutverlust würde dazu führen, dass ich nicht mehr lange brauchte um das Bewusstsein zu verlieren.
 

"Die Verbindung zu ihm fühlt sich wirklich fantastisch an... Liegt das daran, dass er ein Chyrnas* ist? Wie viele von euch Kreaturen gibt es noch, die so besonders sind? So viele sollen das ja nun auch nicht mehr sein, hörte ich. Willst du ihn deswegen so sehr?"
 

Nur noch vage Worte fanden den Weg in mein Gehör und ich konnte kaum noch verstehen, worum es überhaupt ging, bevor ich dann bewusstlos wurde...
 


 

-
 


 

Mein Körper fühlte sich an, als sei er nur noch zur Hälfte da gewesen und der Schmerz in Schulter und Brust hielt mich noch immer in Schacht.

Wo war ich gewesen? War ich noch immer auf Liverath? War ich bereits tot oder noch lebendig, träumte ich nur oder war ich bei Bewusstsein? Ich war so verwirrt, dass ich es nicht sagen konnte - nur die Schmerzen waren real gewesen, das konnte ich mit Sicherheit sagen.

Nachdem sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten und einigermaßen sehen konnten, versuchte ich einen Anhaltspunkt aus zu machen. Ich war nirgendwo, wo ich mich besonders hätte orientieren können und ich war unfähig, mich zu erheben.

Wo war Lexus? Was war geschehen? Hatte er sich tatsächlich gegen Luranthan gestellt? Meine Augen suchten jeden Winkel nach einem Zeichen von ihm ab, konnten aber nichts finden. So langsam stieg eine Art Panik in mir auf, die mich dazu veranlasste zu schluchzen. Mein Gefühl war alles andere als gut gewesen und es bestätigte sich auch wenig später, als ich erst ein Mal sah, auf WAS ich die ganze Zeit über gelegen hatte.
 

Es war Lexus gewesen. Und nur es war nur ein Bruchteil seines Körpers, den ich erkennen konnte. Ich rieb mir ungläubig über die Augen und blinzelte mehrmals, um mich dann zu vergewissern, dass ich mich verguckt haben musste. Ein weiterer Blick bestätigte allerdings, dass ich richtig gesehen hatte...

Sein rechter Arm war beinahe vollkommen abgetrennt und ein riesiges Loch klaffte aus seiner Brust. Jegliche Farbe war aus seiner Haut gewichen und kleine, unheimlich schimmernde Adern zogen sich den Weg unter seiner Haut hindurch über sein Gesicht.

Ich wollte nicht glauben, was ich dachte. Er war nicht tot, nein, er konnte nicht tot sein!
 


 


 

___
 


 

*Chyrnas: Bezeichnung für Lebewesen zweigeschlechtlicher Natur

Turanithas - 3.0

Unzählige Tränen rannten über mein Gesicht, als ich ihn so zugerichtet erblickt hatte. Er, und auch ich, waren voller Blut und meine Wunden klafften noch immer in solch einer Intensivität, sodass ich bald wieder Ohnmächtig werden würde, wenn ich die Blutungen nicht schnell stoppte. Das Einzige, was ich nun schnell zur Hand hatte, war ein Stück von Lexus' zerrissener Kleidung, welches ich mit Mühe abtrennte und damit dann kläglich versuchte, mich selbst zu verarzten. Die Tränen wollten einfach nicht versiegen und ich starrte ständig wieder Lexus an, der reglos unter mir lag. Noch immer wusste ich nicht, ob er tot oder noch lebendig war, aber ich konnte auch keinerlei Puls fühlen, weder noch vernahm ich den Klang seines Herzschlages. Seine Wunden waren viel massiver als meine gewesen und die Wahrscheinlichkeit, dass selbst ein Liveran solche Verletzungen überleben konnte, schätzte ich als sehr gering ein.

Nachdem ich es unter Schluchzen geschafft hatte, meine Blutungen irgendwie zu stillen, wollte ich nur noch die Augen schließen und wieder einschlafen. Alles, was in der vergangenen Zeit geschehen war, konnte nur ein böser Alptraum gewesen sein und ich musste nur eine Möglichkeit finden, um wieder aufzuwachen!

Wimmernd schmiegte ich mich an Lexus' kalten Körper. Letzten Endes hatte er versucht mich zu retten und hatte sich auf meine Seite geschlagen, obwohl er gewusst haben musste, was ihn dann erwarten würde. Hatte ich ihn also etwa vollkommen falsch eingeschätzt und war fälschlicherweise in der Annahme gewesen, dass er eine durchweg bestialische und bös-wollende Kreatur war, obwohl er nur eine kleine Figur auf dem Schachbrett eines anderen war, die vielleicht gar nicht all das tun wollte, was ihm aufgetragen wurde? Ich kannte die Sitten und Regeln dieses Volkes nicht und wollte mich früher auch nicht unbedingt mit ihnen beschäftigten und hatte gehofft, dass ich ihnen niemals begegnen würde... nun, meine Hoffnung war wohl nicht erhört worden.
 

“Lexus... Lexus...” Unzählige Male wisperte ich seinen Namen an sein Ohr und hoffte, dass er darauf reagieren würde. Dass er die Augen aufschlagen würde und mich ansehen würde - doch das geschah nicht. In meiner Verzweiflung wollte ich beinahe alles versuchen, um ihn aus seinem Toten-Schlaf zu wecken, doch er regte sich einfach nicht. Zitternd hob ich meinen linken Arm, den einzigen, den ich noch irgendwie bewegen konnte, da meine rechte Schulter noch immer unter den Bisswunden von Luranthan litt, und legte meine Zähne an mein Handgelenk. Im ersten Moment zögerte ich, doch dann überwand ich mich und biss zu, bis ich mein Blut schmeckte. Der Geschmack des Blutes ließ mich würgen, anstatt es aber auszuspucken behielt ich es in meinem Mund und sammelte es mitsamt meines Speichels vor meinen Zähnen, beugte mich über Lexus und drückte seine Lippen mit dem Daumen leicht auseinander und ließ das Gemisch meiner Körperflüssigkeiten in seinen Mund träufeln. In meinem Wahn und meiner Verzweiflung war mir der irrwitzige Gedanke aufgekommen, dass er auf mein Blut reagieren könnte, immerhin wusste ich, dass er sich durch die körperliche Verbindung nährte und auf diese Weise mein Blut nahm, damit er Nahrung zu sich nehmen konnte. Also dachte ich, dass ich es auf diese Art und Weise vielleicht auch schaffen könnte, seinen reglosen Körper zu aktivieren. In der ersten halben Stunde geschah gar nichts, egal, wie oft ich mein Blut noch in seinen Mund tropfen ließ. Nicht einmal seine Zunge regte sich ein kleines bisschen, nein, nicht mal ein kleines Stück. Mir selbst wurde schon wieder schwummrig - der Geschmack meines eigenen Blutes bescherte mir Übelkeit und mein Körper verlangte nach absoluter Ruhe um sich zu regenerieren, ich aber schenkte ihm keine Ruhe und verausgabte mich weiterhin. Meine Hand zitterte, aber ich wollte sie nicht von Lexus’ Wange nehmen. Irgendwann war ich dann, vor Erschöpfung, wieder eingeschlafen...
 


 

-
 


 

Ein Zucken rüttelte mich aus dem Schlaf und aus meinem Traum, der sich mittels Sekunden in Fetzen riss und mir jegliche Erinnerung an ihn stahl. Erst als ich realisierte, dass ich wieder wach wieder, schreckte ich auf. Da war eine Hand in meinem Nacken gelegen, die mich sachte gekrault hatte, und ich hoffte, dass es die Hand gewesen war, welche ich vermutet hatte.
 

“Warum so erschrocken? Ich wollte dich eigentlich nicht wecken.”
 

Mich überkam ein unglaubliches Glücksgefühl, als ich sein Schmunzeln sah. Ich blinzelte erst ungläubig, blickte an seinem Körper herab und konnte kaum glauben, dass ich dort keine Wunden zu sehen bekam, und warf mich ihm dann um den Hals. Ich war so glücklich darüber gewesen, dass er nicht tot gewesen war, und ich wollte nun nichts anderes als ihn fest an mich zu drücken, damit ich auch jah realisieren konnte, dass er es wirklich war. Er war es, eindeutig, ich erkannte ihn an seinem Geruch, dem Gefühl von seinen seidigen Haaren an meiner Haut und natürlich an der Stimme, die selbst im Traum ständig zu mir gesprochen hatte. “A..- aber wie... Ich verstehe nicht, wie...” Er legte eine seiner Krallen auf meine Lippen und setzte zu einer Erklärung an: “Das ist nichts, was ich dir so einfach erklären kann, dafür ist dieser Vorgang viel zu komplex. Aber ich kann dir sagen, dass dien Blut eine entscheidende Rolle gespielt hat. Mein Körper war beinahe völlig ausgetrocknet und setzte bereits zum Sterbe-Prozess an. Das, was du vermutlich gesehen hast, war eben genau dieser, welchen du aber unterbinden konntest. Selbst wenige Tropfen Blut können diesen Prozess stoppen und dazu führen, dass der Körper sich wieder regeneriert.”

All seine Worte ließ ich mir mehrmals durch den Kopf gehen - ich konnte noch immer kaum glauben, dass er lebte. Das war für mich, auch wenn seine Erklärung logisch klang, ich allerdings keinerlei Erfahrungen mit solchen Prozessen hatte, ein Wunder gewesen.
 

“Wieso hast du das alles getan? Wieso hast du dich gegen deinen Herren gestellt?!” Es war mir noch immer unbegreiflich gewesen. Und nun hoffte ich auf Antworten, die er mir endlich beantworten sollte.
 

Sein Schmunzeln wandelt sich zu einem Grinsen und für einen Moment lang wirkte es sogar wie ein Lächeln, welches aber schnell wieder verflogen war: “Das hatte ich doch bereits gesagt. Weil du mir gehörst.”

Ich spürte, wie meine Wangen allmählich wärmer wurden und wand den Blick ab. War das nur ein dummer Spruch von ihm gewesen, oder sagte er wirklich das, was er ehrlich meinte? “Glaub es mir ruhig, Aria. Ich will noch immer, dass du an meiner Seite weilst, und ich lasse nicht zu, dass sich da irgendjemand zwischen stellt.” Ihm bedeutete meine Verbundenheit also so viel, dass er sich für mich in einen Kampf stürzte, obwohl er wusste, dass er der Schwächere gewesen war...

Für eine Weile antwortete ich ihm nicht auf seine Worte - in mir sammelten sich erneut Gefühle von Verwirrung, aber gleichzeitig auch eine seltsame Euphorie, die ich nicht einschätzen konnte.
 

“Stimmt es auch, dass du... Dass du ebenfalls ein Chyrnas bist...?”
 

Erst schwieg er, berührte mich dann aber wieder sanft und strich mir mit einer solch ungewohnten Sanftheit durch mein zerzausten Haar, dass es mich umso mehr verwirrte. “Es stimmt, ja. Und ich spürte sofort, schon als ich dich damals auf Aternas zum ersten Mal sah, dass du mir gleichgesinnt bist. Seit daher wusste ich, dass ich dich suchen musste - und seit daher wusste ich auch, dass ich dich an meiner Seite wollen würde.”
 

“Aber warum...? Warum einen anderen Chyrnas als Verbündeten wollen, wenn du-” Er unterbrach mich und zog mich näher zu sich heran, bis seine Lippen sich an meine klaffende Schulter legten und sachte an meinem verwundeten Fleisch saugten. Erst schrie ich auf vor Schmerz und wollte ihn wegstoßen, bis ich aber merkte, dass ein Heilungsprozess startete. Der Kontakt mit seinem Speichel hatte die Wunde innerhalb von wenigen Momenten heilen und schließen lassen und ich starrte ungläubig auf meine Schulter, die nun so aussah, als wäre ihr nie ein Unheil geschehen.
 

“Du wirst schnell erkennen, dass es Schicksal ist, Aria.”, flüsterte er mir dann entgegen, “Ich hoffe, du bist mir inzwischen nicht mehr so feindlich gesinnt... Es spricht nichts mehr dagegen, dass du an meiner Seite weilst.”
 

Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich ihm Recht gab. Er hatte wirklich recht. Alles in mir hatte sich nach ihm gesehnt und die Sorge, die ich wenige Stunden vorher für ihn empfunden hatte, sprach Bände. Lexus hatte sich für mich eingesetzt und sein Leben riskiert, damit ich nicht sterben musste, und ich wollte ihm dankbar sein. Ich wollte mir diese Anziehung, die ich für ihn empfand, endlich eingestehen und diese Gefühle zulassen. Doch irgendetwas in mir haderte noch immer und es stieß ein Strom von Worten durch meine Kehle hinauf, die all dies ablehnen wollten, die er aber mit einem Kuss wieder erstickte. Da war er wieder, der Geschmack seiner Lippen, der mir ein leichtes Gefühl von Betäubung schenkte, was sich aber angenehm anfühlte, und dieses flaue Gefühl in meinem Bauch, von dem ich immer nur hab andere reden hören. Vielleicht war es, so, wie er es sagte, wirklich Schicksal gewesen, dass wir uns begegnet waren - und vielleicht sollte es auch Schicksal sein, dass ich an seiner Seite weilte. Mit jeder Berührung die er mir schenkte wuchs immer mehr das Gefühl in mir, dass wir tatsächlich für einander geschaffen waren - oder so etwas. Es fühlte sich in keinster Weise fremd an, sondern eher als etwas, was normal gewesen war. Da war keinerlei Angst mehr in mir und all meine negativen Emotionen ihm gegenüber waren wie aufgelöst, anstattdessen füllte sich mein Körper mit seltsamen Glücksgefühlen, die ich erst einmal kennen lernen musste.

Ich wollte beinahe protestieren als er sich von meinen Lippen löste und sogar sagen, dass ich ihn noch mehr schmecken wollte, schluckte all dies aber schnell herunter und ließ zu, dass er sich um meine weiteren Wunden kümmerte. Durch die Auseinandersetzung und die ganzen Verletzungen war nicht mehr viel von meinem Suit übrig, und als ich dies bemerkte, wollte ich schnell meine Hände vor all die Körperteile legen, auf welche ich ihm keine freie Sicht geben wollte. Meine Gesicht mochte wohl von einem dichten Rotschimmer bedeckt sein.
 

“Wofür schämst du dich? Es gibt nichts an deinem Körper, was meinem nicht gleicht.”
 

Er mochte wohl Recht haben, eigentlich, aber das wollte ich mir nicht eingestehen. Es war seltsam für mich gewesen, dass er meinen Körper beinahe unbekleidet sah und es bereitete mir nicht unbedingt schöne Gefühle, eher noch wollte ich vor Scham am liebsten im Erdboden versinken.

Ohne weitere Worte erhob er sich dann und sammelte dann einige der Fetzen auf, die noch von seiner Kleidung stammten, und brachte mir diese, damit ich meinen Körper damit bedecken konnte. An den Stoffresten haftete noch immer sein Blut... “Ich versuche schnellstmöglich etwas anderes für dich zu finden, so leicht wird das aber nicht werden...” Erst verstand ich nicht, was er meinte, begriff es dann aber, als ich einen genaueren Blick auf unser Umfeld warf. Wo wir gewesen waren konnte womöglich keiner von uns sagen, und alles, was sich um uns herum befand, war eine Einöde inmitten eines Nichts...

Wie waren wir an diesen Ort gelangt? Hatte man uns wie Abfall einfach irgendwo abgeladen, um sich unserer Körper zu entledigen? Aber das machte keinen Sinn - wenn, dann hätten die Liverans die Chance genutzt, sich an uns zu sättigen. Sie hatten also eigentlich keinerlei Grund dafür gehabt, uns einfach so weg zu werfen und unsere Körper zu entsorgen.
 

Es erstaunte mich, wenn ich Lexus nun beobachtete. Sein Körper wirkte so, als hätte er keinerlei Schäden, als wäre überhaupt gar nichts geschehen, obwohl er vor wenigen Stunden schon kurz davor gewesen war zu sterben. Er war einfach unglaublich...
 

“Kannst du alleine aufstehen, Aria? Oder tut dir noch irgendetwas weh? Dein Körper dürfte schon wieder relativ fit sein.”
 

Ich war erst skeptisch und wollte den Versuch nicht wagen aufzustehen. Mein logisches Denken sagte mir ständig, dass das nicht möglich sein konnte, so schnell wieder zu genesen, allerdings sah ich es doch auch an Lexus - und die Schmerzen, die ich vor kurzem noch empfunden hatte, waren so gut wie ausgemerzt...

Und dann - tatsächlich. Nichts. Ich spürte keinerlei Schmerz, weder noch ein Ziehen oder Ähnliches. Seine Fähigkeiten waren wirklich faszinierend...

Turanithas - 4.0

Lexus hatte mir versichert, dass wir noch immer auf Liverath weilen würden, wo genau konnte aber auch er nicht sagen. Um uns herum befanden sich mehrere schwarze Monumente, ähnlich den ganzen Türmen, die ich bei der Ankunft auf diesem Stern gesehen hatte, allerdings zeichnete sich hinter ihnen nichts anderes aus als eine kahle Einöde. Hin und Wieder hörte man die seltsamsten Laute von allerlei Kreaturen, die sich im Schutz der Dunkelheit versteckten, und das Pfeifen des Windes.

Mein Körper war, trotz, dass er wieder genesen war, noch immer etwas geschwächt. Es war nun doch schon eine Weile her, als ich das letzte Mal feste Nahrung zu mir genommen hatte, und mein Magen rumorte im ständigen Takt - die Möglichkeit, in dieser Umgebung etwas zu finden, war wirklich gering. Die wildesten Früchte wurden zwar von den Gipfeln dunkelblauer Bäume getragen, aber essen sollte ich dieser eher nicht, wenn ich mich nicht vergiften wollte. Alles auf diesem Stern war auf seine Bewohner ausgerichtet gewesen und machte es Fremden beinahe unmöglich, etwas Essbares zu finden.
 

"Gibt es denn keine Möglichkeit, eine Kapsel zu finden? Oder ein Schiff? Irgendetwas, womit wir fähig wären Liverath zu verlassen?" Ich hoffte, dass mein ständiges Aufseufzen und Stöhnen nicht zur Folter von Lexus' Ohren wurden, "...So langsam brauche ich wirklich ein wenig Essen... und irgendeinen sicheren Ort, wo ich schlafen kann."
 

"Das ist leider nicht so einfach... Wenn ich das genau einschätzen kann, befinden wir uns in einer unteren Schicht Liverath's, was so viel bedeutet, dass wir uns erst einmal einen Weg zur oberen Schicht suchen müssen, damit wir überhaupt eine Möglichkeit hätten, uns von hier zu entfernen. Versteh es einfach so... Dieser Stern besteht aus mehreren Platten, die sich innerhalb von Jahrhunderten zusammen gefügt haben. Die Platten fügten sich allerdings zu keiner einzelnen Masse zusammen, sondern bildeten Hohlräume zwischen der einen und der jeweils anderen - man könnte es vielleicht als eine Art von verschiedenen Dimensionen verstehen."
 

Erst konnte ich mir das wirklich nur schwer vorstellen, doch als ich genauer hinsah, verstand ich so langsam was er meinte. Über uns schwebte eine schwarze Schicht, die auf den ersten Blick wie die normale Atmosphäre wirkte, beim zweiten Blick aber erkannte man, dass es sich um eine Ebene handelte. Nun stand aber noch die Frage im Raum, wie man von der unteren Platte, auf welcher wir uns befanden, zur oberen gelangen konnte. Geschätzt befanden sich zwischen den Platten mindestens fünfzig Meter, die man ohne irgendwelche Hilfsmittel niemals überbrücken konnte, nur wo sollten wir nun irgendetwas finden, inmitten dieser Einöde, was uns helfen könnte?
 

Seine Füße scharrten über den unebenen Boden und für einen kurzen Moment wirkte Lexus so, als wüsste er ebenfalls keinen Rat. Sein Blick suchte in der Ferne nach irgendwelchen Punkten, die für meine Augen gar nicht existent waren, und dann sah er sich um. Mehrmals.

"Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als zu suchen. Auf dieser Platte dürften einige Liverans mehr leben, als man Glauben mag, was allerdings größtenteils, wenn nicht sogar nur, Verstoßene sind. Würden wir welche finden und ihnen erklären, in welcher Situation wir uns befinden, könnte man auf Hilfe hoffen, andererseits..." Er stockte kurz und verschränkte die Arme vor der Brust, wirkte selbst etwas skeptisch, "Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass man uns angreifen würde. Die Verstoßenen sind Kreaturen voller Hass und Wut, grausamer als das gemeine Volk selbst, sollte man sie unnötig provozieren, aber sie verfügen oft noch über wertvolles Hab und Gut... Eine andere Wahl als dieser Versuch bleibt uns nicht."
 

Eine andere Wahl blieb uns wohl wirklich nicht. Es graute mir schon davor, wenn ich an den Marsch dachte, den wir hinter uns bringen mussten, und mein Magen begann schon wieder zu protestieren und die wenigen Fetzen an meinem Körper konnten mich kaum wärmen, nun wollte ich aber nicht jammern, sondern folgte ihm ohne jegliche Widerworte, als er die ersten Schritte in die von ihm ausgewählte Richtung ging.
 

Während ich ihm schweigend folgte, fragte ich mich, wie es wohl in ihm aussehen würde. Was ging nun in ihm vor, wo er von seiner eigenen Rasse scheinbar verstoßen wurde, nachdem er sich gegen ihren Anführer gestellt hatte? Ich dachte mir schon, dass er sicherlich sehr lange im Auftrag von Luranthan Missionen erfüllt hatte, und dass es vielleicht auch eben von ihm so eingefädelt gewesen war, dass Lexus sich in der Kolonie den Posten eines Kommandanten der Klasse Cad-Liga, der ersten Klasse, erschlichen hatte. Der Blick auf seinen Rücken und sein lavendelfarbenes Haar erinnerten mich daran, wie ich ihm zum ersten Mal in der Kolonie begegnet war. Ich war so fasziniert und hingerissen von seiner Schönheit und war so durch den Wind, dass ich kaum noch an etwas anderes denken konnte. Er war mysteriös und strahlte eine Art von Autorität aus, die ich von keinem anderen bisher kannte... und nun trottete ich ihm in Gedanken schweifend hinterher und wusste nicht mehr, wie es mit uns weiter gehen sollte. Ich wollte einfach nur wissen, was er dachte, was er fühlte, und ich wünschte mir, ich könnte in diesem Augenblick eine Verbindung mit ihm eingehen, um meinen Wissensdurst zu stillen...

Plötzlich blieb er dann stehen und riss mich aus meinen Gedanken, als ich gegen ihn gestoßen war. Seine rubinroten Augen blickten sanft auf mich herab und eine seiner Hände streichelte mir durchs Haar. “Du frierst, hm?” Mit einem kurzen Nicken bestätigte ich seine Vermutung und nur wenige Sekunden später hatte er mich auf seine Arme gehoben. Beinahe wäre mir vor Schreck ein Fiepen entglitten, noch aber konnten meine Lippen inne halten und bevor ich irgendetwas sagen konnte ging er einfach weiter, nicht duldend, dass ich seine Geste nicht schätzen würde.

Irgendwann war ich dann einfach in seinen Armen eingeschlafen, obwohl ich mich mit Zwang noch wach halten wollte, allerdings war mein Körper so sehr auf Schlaf bedacht, dass ich dagegen nichts tun konnte...
 


 

-
 


 

Es schienen einige Stunden vergangen zu sein als ich wieder aufwachte, und eine wohlige Wärme umgab mich, die jegliches Frösteln aus meinem Körper verscheuchte. Das helle Licht einer Flamme hatte es mir möglicht eine Übersicht über meine Umgebung zu gelangen und ich lächelte, als ich Lexus entdeckte, der nun selbst schlief. Meine noch müden Glieder wollten sich kaum strecken, als ich mich erheben wollte, und ich setzte mich erst langsam auf, bevor ich mich aufmachen würde um die Umgebung zu erkunden. Scheinbar hatten wir Unterschlupf in einer Art Höhle gefunden, so genau einschätzen konnte ich das allerdings noch nicht. Als ich an meinem Körper herunter blickte bemerkte ich erst, dass mehrere einfache Stoffe um mich herum gewickelt war, sowie ich darunter einfache Kleidung trug... woher...
 

“Ihr scheint wirklich erschöpft gewesen zu sein. So lange habe ich schon seit Ewigkeiten niemanden mehr schlafen sehen.”
 

Ich zuckte zusammen, als ich die unbekannte Stimme hörte und suchte hektisch mit den Augen nach der Gestalt, zu der sie gehörte.
 

“Dein Freund bat mich um Asyl - wenn man das so nennen kann... Es ist schon lange her, dass sich jemand hier herum getrieben hat... Und ich denke mir, dass ihr nicht freiwillig durch die Steppen geirrt seid.” Eine etwas zierlichere, kleine Gestalt hatte sich hinter der Flamme des Feuers versteckt. “Und... dass ein Liveran eines solch hohen Rangs mal in meiner Höhle sitzen würde... das hätte ich mir meinen Lebtag nicht erträumt!”
 

Das Erwähnen von seinem Wissen, wer Lexus gewesen war, beunruhigte mich - vielleicht war es jemand, der einen Groll gegen ihn gehegt hatte und der es nun ausnutzen wollte, um sich an ihm zu rächen? Ich konnte mir schon vorstellen, dass Lexus dafür verantwortlich gewesen war, dass einige seiner Rasse verstoßen wurden.
 

“Du aber... Du siehst nicht aus wie einer von uns. Du riechst auch nicht so. Sag mir also, mit wem habe ich die Ehre?”
 

Erst zögerte ich. War es klug gewesen, wenn ich einem Fremden sagte, wer und was ich war? Die Vorliebe, die die Liverans für meine Rasse hatten, war mir ja schmerzlich bewusst geworden... Es war also vielleicht besser, wenn ich ihm nicht zu viele Informationen über mich verriet. “Mein Name ist Aria...”
 

Ein Kichern ertönte hinter der Flamme: "Das klingt wirklich nicht nach einem Liveran... Ein viel zu sanfter und liebevoller Name, der hier nicht hingehört. Also, nun sprich, mit was für einem Wesen habe ich es nun zu tun?" Es war mir so, als könnte ich die Neugierde in seiner Stimme riechen - doch ich blieb weiterhin schweigsam und wollte es vermeiden, ihm mehr über mich zu erzählen. Mit wem oder was ich es nun genau zu tun hatte wusste ich immerhin nicht, und so lange Lexus noch schlief wollte ich keinerlei Risiken eingehen. Ein kurzer Blick zu Lexus bestätigte, dass dieser noch ruhte. Es kam mir auch nicht in den Sinn ihn nun zu wecken, nur weil ich unsicher war. Man konnte ja denken, so, wie ich mich verhielt, dass ich wie ein scheues, kleines Tier war, dass sich vor seinem Jäger verstecken und hüten wollte...
 

“Du musst lernen, mit deinen Ängsten umzugehen, schönes, fremdes Kreaturen-Kind. Von Angst gelähmt zu sein ist nicht gerade eine wünschenswerte Verfassung - und du scheinst allerlei Erfahrung damit zu haben.”
 

Woher wusste er...?
 

Die Gestalt hinter den Flammen erhob sich, langsam, und ging dann um das Feuer herum, mit langsam Schritten an Lexus vorbei, bis ich sein Gesicht nun erkennen konnte. Blass-grüne Haut und tiefe Krater unter den Augen zeichneten das magere Gesicht, welches ich gerade so nur unter einer massiven, dunkelgrauen Kapuze entdecken konnte. “Das ist die Fähigkeit, die mir inne wohnt. Die einzige Fähigkeit, wenn ich ehrlich bin. Und was nützt sie mir, wenn ich nie jemanden bei mir habe, bei wem ich sie nutzen kann?”
 

Ich schluckte, als er mir näher kam. Von seiner Körpergröße und Gestalt malte ich mir nicht allzu viel Kraft aus, mit der er mich hätte angreifen können, aber es gab da eine Aura, die einen massiven Druck in meinem Kopf erzeugte, der mir langsam unangenehm wurde.
 

“Normalerweise...”, begann er zu erklären, “...benötigt man für das Eindringen in eines anderen Kopfes, genauer gesagt, in des anderen Gehirnes, eine Verbindung. Eine körperliche Verbindung. Vielleicht... Täusche ich mich nun nicht und der Geruch, der sich an deinen Körper gefressen hat, ist auch jener des Liverans, der mit dir hierher kam... Sein Blut hat sich mit deinem Blut gemischt... Nun... Um die Erklärung endlich zu Stande zu bringen... Wie ich bereits sagte, andere brauchen dafür eine körperliche Verbindung, ich hingegen... brauche dies nicht. Mit meiner bloßen Gedankenkraft ist es mir möglich, in deinem Fleisch zu wühlen und mich deines Blutes mächtig zu machen... und in deine Gedanken vor zu dringen...”
 

Jedes kleinste Härchen an meinem Körper stellte sich auf. Er war mir immer näher gekommen und ich versuchte immer weiter nach hinten zu rutschen, bis sich ein kalter Stein gegen meinen Rücken stemmte, der mir den Weg verwehrte. Der Druck, der sich in meiner Schädeldecke aufgebaut hatte, wurde immer größer und ein stechender Schmerz war es, der mich dann aufwimmern ließ. Es war mir so, als wäre er bereits in mein Gehirn eingedrungen, als würde er meine wirren Gedanken packen und sie einschläfern, damit ich bald gar nichts mehr dachte. Ich spürte ein komisches Gefühl von einer Leere in mir, die ich noch nie zuvor gespürt hatte, und ich spürte auch seine Gedanken, zu denen ich allerdings keinen Zugriff hatte.

“Es ist schon so lange her, als ich mich zuletzt von einem so schönen Wesen ernähren konnte... Es ist ganz gut, dass dein Freund noch schläft... Sein Schlaf ist so tief, dass er auch so schnell nicht mehr wach werden wird... Selbst deine Schreie sollten seinen Schlaf nicht stören...”

Ich erschauderte, als ich dann ein kräftiges Pochen in meinen Venen spürte. Das war... Wie war das möglich gewesen? Er hatte meinen Körper nicht einmal berührt, wie also konnte er es schaffen, eine Verbindung mit mir einzugehen? Dass er Druck auf meine Gedanken ausüben konnte, das konnte ich mir noch irgendwie vorstellen, zumindest, dass solch ein Vorgang ohne eine körperliche Verbindung möglich sein konnte, aber... Ich spürte, wie er das Blut aus meinem Körper pumpte, das Blut, was sich selbst noch nicht wieder komplett herstellen konnte, und ein seltsamer Geschmack hatte sich auf meine Zunge geschlichen, den ich nicht deuten konnte.
 

“Keine Angst...”, wisperte er, “...So viel will ich gar nicht von deinem Blut, auch wenn es verführerisch ist... Er wird gar nicht merken, dass ich mich von dir genährt habe... Und du wirst nicht dazu fähig sein, ihm ein nur ein kleinstes Wörtchen davon zu berichten...”
 

Relativ schnell konnte er mein Blut aus meinem Körper ziehen, viel schneller als Lexus, und ich spürte, wie er mir meine neu erlangten Kräfte raubte. Ich begann zu wimmern und jaulen, schrie dann und hoffte, dass Lexus aufwachen würde. Alles half nichts, er rührte sich kein Stück. Dieser Mistkerl musste nachgeholfen haben, damit er einen so festen Schlaf hatte, und hatte diesen Übergriff womöglich sogar geplant!

Kurz, bevor mir die Ohnmacht drohte, kappte er die unsichtbare Verbindung zu mir und ich spürte, wie ein Schwall meines Blutes, welcher kurz davor war, in seinen Körper überzugehen, in meinen Körper zurück schwappte. Einschätzen, wie viel Blut er mir wohl geraubt hatte, konnte ich nicht, aber es war mehr als genug gewesen. Mein Körper war nicht unbedingt fähig, sehr schnell neues Blut zu reproduzieren, zumal ich dafür Nahrung benötigte.
 

Gesättigt und zufrieden ließ sich die Gestalt wieder auf den Boden sinken und ich konnte vage erkennen, dass seine Haurfarbe an Stärke zugenommen hatte, sowie dass seine eben noch eingefallenen Wangenknochen wesentlich mehr Stabilität vorweisen konnten.

Er saß nun einige Stunden einfach vor dem Feuer, warf hin und wieder etwas hinein, damit die Flamme nicht sterben würde, aber sagte kein Wort mehr. Es bereitete mir Mühe ihn zu beobachten, wo sich mein Körper wieder nach Schlaf gesehnt hatte, aber nun wusste ich, dass man ihm nicht trauen konnte. Und ich wollte Acht geben, dass er sich nicht noch an einigem mehr versuchte, zumindest so lange, bis Lexus wieder aufgewacht wäre. Ich wollte näher zu ihm heran rücken, Schutz bei ihm suchen, doch ich war kaum in der Lage mich zu rühren - die Angst in mir hatte mich schon wieder im Griff und ich fühlte mich so, als sei ich gelähmt gewesen, und das nur, weil ich mich erneut nicht zur Wehr setzen konnte. Ich war, ohne jeglichen Hilfsmitteln, Waffen und Maschinen, wirklich hilflos. Mein Körper allein war nur eine schwache Hülle - ich musste so schnell wie möglich an irgendwelche Waffen kommen, um mich verteidigen zu können...

Turanithas - 5.0

Mein Zeitgefühl war ganz wirr. Ich konnte kaum sagen, wie viele Stunden nun wieder vergangen waren und wie lang ich nun, an kalten Stein gelehnt, hungrig und müde, den mir seltsamen Fremden beobachtet hatte, aus Vorsicht, weil ich ihm nicht über den Weg traute. In mir war die Angst, dass er sich noch am schlafenden Lexus zu schaffen machen wollte, aber ich wusste nicht einmal, wie das mit der Nahrung unter Liverans untereinander war - konnten sie mit dem Blut der eigenen Rasse überhaupt etwas anfangen oder musste es das Blut einer anderen Kreatur sein? Das hätte ich nur zu gerne gewusst.

Der Fremde saß noch immer ungerührt vor seinem Feuer und starrte mit einem zufriedenem Grinsen auf den Lippen in die lodernden Flammen.
 

Und dann, endlich, war Lexus wieder aufgewacht! Er hatte wirklich viele Stunden geschlafen und ich war mir sicher darüber gewesen, dass der Mistkerl ihm etwas verabreicht hatte, damit er in solch einen tiefen Schlaf gelangen konnte. Mit Mühe erhob ich mich nun und ging mit unsicheren Schritten zu ihm hin, um mich neben ihm wieder auf die Knie zu werfen und ihn besorgt zu mustern. Auf den ersten Blick sah er so aus, als würde ihm nichts fehlen.

Er wisperte leise meinen Namen und legte seine Hände sachte an meine Wangen, um mich kurz heran zu ziehen und zu liebkosen, und ließ dann wieder ab von mir. Noch ganz bei Sinnen war er nicht - was mich bei dem Tiefschlaf nicht wunderte...

Nun wandte der andere seinen Blick zu uns. Er grinste noch immer. "Erwacht?" Den amüsierte Unterton in seiner Stimme war mir nicht unbedingt angenehm gewesen. "Ihr scheint einiges durch gemacht zu haben. So erschöpft kann man ja vom einfachen Herumwandern sein, hmmhmm."
 

Alles in mir spannte sich an. Der Kerl war mir nicht geheuer gewesen und ich wollte so schnell es ging wieder verschwinden. Seine Nähe erschien mir nicht als sicher und der Vorfall, der sich einige Stunden zuvor ereignet hatte, war Grund genug für mein Misstrauen.

Lexus merkte es. Er merkte, dass ich in einer Art Schutzhaltung und auf Distanz bleiben wollte - ob ich ihm aber sagen könnte, was mir geschehen war, wusste ich noch nicht so genau. Mir gingen die Worte des Fremden noch durch den Kopf, die, dass ich eh nicht dazu fähig sein würde, es Lexus zu erzählen. Ich sammelte die ersten Worte in meinem Mund zusammen, aber sie konnten nicht über meine Lippen springen. Es war, als hätte ich einen Kloß im Hals, der alles, was ich äußern wollte, verschlang.
 

“Ich danke Ihnen für den Unterschlupf. Wir sind gerade auf einer Durchreise und brauchten einen Ruheplatz. Wir werden Sie nicht mehr länger belästigen und auch schon bald wieder gehen.”

Ich blickte Lexus irritiert an, als er sich auch noch für die Gastfreundlichkeit des seltsamen Fremden bedankte und wollte ihm dazwischen reden, bekam aber wieder kein einziges Wort aus mir heraus. Es war, als wäre ich verflucht worden!
 

“Kein Dank dafür... Ich freue mich, wenn Reisende einen kleinen Halt bei mir einlegen... Es ist immerhin selten, dass ich Besuch habe... wisst ihr...?” Alles an ihm, selbst wie er sprach, wirkte hinterhältig. Er war eine Schlange gewesen - und ich war mir dessen sicher, dass er uns nicht einfach gehen lassen würde. Meine Intuition war untrüglich, und die Spannung in meinem Körper sprach ebenfalls für Vorsicht. Ich griff nach Lexus’ Hand und drückte diese fest, in der Hoffung, er würde meine Unruhe spüren können. Er blickte mich kurz an, etwas perplex, und blickte dann zurück zu dem Fremden, der seinen Blick wieder dem Feuer zugerichtet hatte.

Konnte er es denn nicht riechen? Mein Blut musste nun einen anderen Geruch haben, nachdem es verunreinigt worden war, und ich war, obwohl ich geschlafen hatte, nicht unbedingt ausgeruht. Schöpfte er denn gar keinen Verdacht?

Zögernd neigte er sich näher zu mir, um an mein Ohr zu flüstern: “Sage mir... Aria, was hat er getan? Hat er dir etwas getan?”

Erneut wollte ich zu Worten ansetzen, die allerdings schnell wieder verschlungen waren. Verzweifelt biss ich mir auf die Unterlippe. Ich wollte ihm sagen, was geschehen war, aber ich wurde daran gehindert. Es war so, wie der Fremde es gesagt hatte: Ich würde ihm kein einziges Wörtchen von all dem erzählen können, selbst wenn ich es versuchen würde. Eine andere Möglichkeit als ein Nicken, um seine Vermutung zu bestätigen, blieb mir nicht, also setzte ich zu einem zögernden Nicken an.

Lexus’ Miene verzog sich und er drückte meine Hand fester. Er verstand also...
 

“Entschuldigt, Fremder...”, begann er leise, “Habt Ihr noch irgendetwas Essbares für meine Begleitung?”
 

Der Fremde reagierte erst nicht und schien Lexus zu ignorieren, drehte sich dann seitlich zu uns herum und legte den Kopf ein wenig schief: “Essbares?”, fragte er verwirrt, “Was soll ich Euch nun Essbares geben...? Ihr wisst doch selbst, dass ich nichts habe, was ich Euch geben könnte...”
 

“Deswegen schien es ein gefundenes Fressen zu sein, unser Besuch, ja?”
 

Er stellte sich dumm und reagierte erneut nicht auf Lexus. Womöglich hatte er gedacht, oder zumindest gehofft, dass er nicht heraus finden würde, dass er sich von mir genährt hatte.
 

Die Hand an meiner löste sich und tätschelte mich noch einmal, bevor Lexus aufstand und die wenigen Schritte zu dem Fremden überbrückte, setzte sich neben ihn und blickte mit ihm zusammen in die Flammen: “Das war sehr unklug von dir... So dankbar ich dir für die Gastfreundschaft bin, die du uns angeboten hast... umso wütender macht mich die Tatsache, dass du nicht von meiner Begleitung ablassen konntest. Es gibt Dinge...” Ohne Scheu legte er seinen Arm um die Schulter des Anderen, “...Es gibt Dinge, die man einfach nicht macht. Ich denke, dass dürfte man dir auch gelehrt haben. Dazu gehört, dass man sich nicht am Eigentum anderer vergreift, nicht wahr? Ich bin da wirklich empfindlich, musst du wissen, und ich lasse so etwas auch nicht ungestraft geschehen...”
 

Und dann geschah alles so schnell, dass ich kaum realisieren konnte, was geschah. Lexus war wirklich wütend geworden - und es überraschte mich, dass er dann wirklich zu grausamen Taten neigte. Es war, als würden jegliche Schalter in ihm umgelegt werden und eine Art Monster aktivieren, welches nur noch auf Zerstörung aus gewesen war.
 

“Du weißt, mit wem du es zu tun hast, nicht wahr? Irgendwann in unserem Leben sind wir uns schon einmal begegnet, ganz sicher, und nun soll ich das Letzte sein, was dir begegnet ist...”
 

Ich konnte es gar nicht mit ansehen.

Ich wollte Lexus nicht so sehen. Mit Mühe drückte ich also meine Hände auf die Augen und versuchte alles um mich herum auszublenden, doch das Geräusch seiner Zähne, wie sie sich in Fleisch gruben und das Zerreißen von Hautfetzen hatte sich durch mein Gehör geschlagen. Was ich nicht vergessen durfte war, dass er eben zu einer Rasse gehörte, die auf diese Weise Nahrung zu sich nahmen - auf diese grausame Weise und auch auf eine andere, die sich mittels Blut anderer Lebewesen erlangen konnten. All das wollte ich nun aber für einen kurzen Augenblick ausblenden...

Erst nachdem er ihn vollends verspeist hatte, kam er langsam wieder zu mir zurück. Ich zuckte zusammen, als er mich vorsichtig berührte, und hatte noch immer meine Hände vor den Augen. Würde sein Gesicht voller Blut sein, wenn ich ihn nun anblicken würde? Und haftete auch an seinen Händen, die mich nun berührt hatten, das Blut seines Opfers? Das wollte ich gar nicht wissen.
 

“Du kannst mich ruhig ansehen...”, flüsterte er mir mit ungemein sanfter Stimme zu, obwohl ich wenige Augenblicke vorher noch sein boshaftes Knurren gehört hatte, “Es ist vorbei.”
 

Jetzt, wo er ihn gefressen hatte, schien auch der Kloß in meinem Hals verschwunden zu sein, der mich vorher noch blockiert hatte: “...Musstest du... so weit gehen?” Nicht nur meine Stimme, sondern mein gesamter Körper zitterte. “Ich meine... hättest du ihn nicht am Leben lassen können? Und wir wären einfach wieder gegangen...?”

“So einfach wäre das nicht gewesen. Er mochte nun zwar harmlos wirken, aber das war nur Schein. Es hatte schon einen Grund, dass er auf dieser Platte hier lebte, und das war nicht, weil er sich nach einem ruhigen Plätzchen gesehnt hatte. Hätte ich noch länger gezögert, wären wir zu seiner Beute geworden. Wäre dir das lieber, als dass ich ihn als Gefahr für uns nun beseitigt habe und nun gesättigt bin? Und außerdem...” Seine Hand, die soeben noch auf einer meinen geweilt hatte, legte sich in meinen Nacken, um mich näher heran zu ziehen, “Ich hasse es, wenn sich jemand an dir vergreift... Du gehörst mir, und ich bin der Einzige, der dich berühren darf. Geschweige denn auch der Einzige, der sich von deinem Blut ernähren soll. Verstehst du das?”
 

Seine Worte lösten ein gewaltiges Schaudern in mir aus, was mich schüttelte. Wieder stieg diese Wärme in meinem Körper auf, die ich noch nicht einschätzen konnte. Seine Worte machten mich irgendwie glücklich - und ich wollte bejahen, dass ich sein Eigentum gewesen war. Er war der Einzige, mit dem ich mich verbinden wollte, und nun schämte ich mich dafür, dass mein Blut verunreinigt gewesen war... Wie lange würde es dauern, bis die Spuren des Fremden aus meinem Blut verschwunden waren? Würde er sich so lange nicht mehr mit mir verbinden und sich von mir nähren wollen?

Als sich seine Arme um meinen Körper schlangen und er mich fest an sich drückte, spürte ich die Wärme, die von ihm ausgegangen war. Ich spürte, dass er neue Kräfte erlangt hatte, und ich schloss wohlig die Augen, als er meine Stirn küsste.

Was bedeutete es für ihn, dass ich sein Verbündeter war? Bedeutete das schlicht und einfach nur, dass ich ihn nicht alleine ließ, jetzt, wo er ein Verstoßener war, und dass ich eine Energie- und Nahrungsquelle für ihn darstellte? Oder basierte diese Verbundenheit auf einer freundschaftlichen Basis? Alles andere wollte sich keinen Platz in meinem Kopf erlauben...
 

“Du denkst wieder über zu viel nach...” Sein Flüstern ließ mich kurz zittern. Seine Stimme klang so angenehm. “Warum teilst du deine Gedanken nicht mit mir?”

Seine Hände legten sich bereits an meine Seiten und ich ahnte, was er vor hatte, was ich zu verhindern versuchte - ich wollte nicht, dass er sich nun mit mir verband, nicht jetzt, wo mein Blut verunreinigt war. Ich hatte tatsächlich Angst davor und wollte nicht, dass er sein Blut ebenfalls schmutzig machte, allerdings konnte ich mich kaum gegen seinen Willen wehren. Ein leises Seufzen entglitt mir, als sich seine Krallen unter meine Haut legten und er somit den Prozess der Verbindung begann. Noch immer wollte ich dagegen protestieren, nun aber erstickte ein Kuss, und nicht ein Kloß im Hals, meine Worte. Meine Wangen erwärmten sich mittels weniger Sekunden und ich spürte, wie wir eins miteinander wurden. Da war es wieder, das Geräusch seines Herzschlags in meinem Ohr und leise Gedanken von ihm, die nun in meinen Kopf durch dringen konnten. Der bittere Geschmack auf seinen Lippen ließ mich kurz die Miene verziehen, aber das wurde dann zu einer unwichtigen Nebensache, als ich spürte, wie mein Blut zu pochen begann. Nein, wollte ich schreien, ich wollte nicht, dass er sich von mir nährte, doch er ließ mir keine Chance für Widerworte. Er pumpte mein Blut in seinen Körper hinein und es ließ mich erschaudern, als er wohlig aufseufzte. Die Verunreinigung meines Blutes schien ihn in diesem Augenblick kaum zu stören - und auch mich störte es immer weniger. Zu betörend war diese Verbindung zu ihm gewesen, als dass ich nun an etwas Negatives denken konnte.

Die Barriere, die meine Gedanken vor ihm schützen wollte, war wie umgestoßen. Alle meine wirren Fragen gingen zu ihm hinüber, und ich war mir sicher, dass er sie alle hören konnte, obwohl ich kein Wort von mir gab. Er schmunzelte, als er meine Frage hörte, was für eine Art Verbundenheit das zwischen uns war, und ließ mich für einige Momente lang im Unwissen, bis er meine Lippen erneut mit den seinen verschloss.

War das die Antwort auf meine Frage?

Eine Welle von Gefühlen baute sich in mir auf, als ich seine Zuneigung, die er für mich empfand, in mir spürte und wimmerte leise in seinen Mund hinein, als ich merkte, dass er seine Klauen langsam wieder aus meiner Haut zurück zog. Das Pochen seines Herzens löste sich in der nun anhaltenden Stille meines Kopfes und ich sank erschöpft zurück, als er sich von mir gelöst hatte und fand Platz an seinem Oberkörper, an welchen ich mich sehnsüchtig schmiegte.
 

“So, wie ich Besitz von dir ergriffen habe, sollst du auch Besitz von mir ergreifen, Aria...”
 

Seine Worten verwirrten mich. “Was bedeutet das...?”
 

“Dass wir Liebende sind.”

Turanithas - 6.0

Irgendwie war es mir nicht mehr möglich gewesen auch nur einen kleinen klaren Gedanken zu fassen und mein Herz trommelte so hektisch gegen meinen Brustkorb, dass ich dachte, es würde bald explodieren. Das, was Lexus gesagt hatte, wiederholte sich in meinem Kopf bestimmt schon zum hundertsten Mal und ich war ihm bei seiner Suche nach nützlichen Materialien nun keine große Hilfe. Achtlos und gedankenverloren wühlte ich in irgendwelchen Kisten herum, kümmerte mich gar nicht darum, was mir durch die Hände glitt und war unfähig das Brauchbare vom Müll zu unterscheiden. Ich war einfach völlig durch den Wind. Der Hunger und all meine Erschöpfung schien nun Nebensache gewesen zu sein und das dämliche Lächeln auf meinem Gesicht wollte auch nicht mehr so schnell verschwinden.
 

"Aria?"
 

Mit großen Augen drehte ich mich zu herum: "J-ja...?"
 

Er war sichtlich darüber amüsiert, über mein Verhalten, und es war mir so, als würde er es sogar genießen, mich in solch eine Verlegenheit gebracht zu haben. Bedeutenden seine Worte denn wirklich, dass er Gefühle für mich hegte? Also, Gefühle, die über einen normalen Basis von Gefühlen standen, wenn ich das so richtig verstanden hatte? Das war für mich sehr seltsam gewesen, immerhin war er der Erste gewesen, der mir gegenüber nun so etwas geäußert hatte - und immerhin war er auch ebenfalls der Erste gewesen, für den ich solche seltsamen Gefühle hegte. Nur, dass er uns tatsächlich als Liebende bezeichnete, war doch schon etwas komisch für mich und ich konnte kaum realisieren, dass er es ernst mit mir meinte.
 

“Ich habe ein paar brauchbare Sachen gefunden. Dieser Kauz hat wirklich einiges zusammen gesammelt, wer hätte das gedacht... Sind bestimmt einige Dinger, die er hat mitgehen lassen, als man ihn verstoßen hat.” Lexus hatte eine beachtliche Menge an Materialien zusammen gesammelt und sortiert, während ich noch immer irgendwelche nutzlosen Bau-Teile in den Händen hielt, die ich bestimmt schon zum dritten oder vierten Mal in die Hand genommen hatte, was er amüsiert belächelte.

Voller Bewunderung schaute ich ihm dann zu, wie er sich daran machte einige der Materialien zu Gefügen zusammen zu setzen. Natürlich, eine Kapsel konnte er damit nicht bauen, aber irgendetwas Sinnvolles würde sein Machen und Tun schon ergeben. Im Gegensatz zu ihm war ich in solchen Hinsichten völlig unbegabt, aber das gehörte auch nicht zu meinen Lehren, als ich noch Anwärter gewesen war - mein Unterricht war mehr theoretisch als praktisch und ich besaß mehr Wissen als Geschick. Fraglich, ob ihm mein Wissen nun helfen würde - ich wollte erst einmal nur zusehen und ihm meine Bewunderung schenken.

Nun hatten wir zwar diesen kleinen Unterschlupf, aber noch immer nichts Essbares, was ich so langsam dringend benötigte. Einige wilde Kreaturen schlichen um die Höhle herum, Lexus aber riet mir davon ab, mich an einen von ihnen zu versuchen - das Fleisch würde mir eh nicht gut bekommen, sagte er, riskieren, dass ich mir eher noch schaden würde, wollte er nicht.

Ich wollte endlich etwas essen und an einen anderen Ort, weg von diesem Stern, irgendwo anders hin, wo es nicht so gefährlich war, nur aber weilten wir noch immer auf der unteren Platte Liverath’s und mussten erst mal eine Möglichkeit finden, wie wir auf die obere gelangen würden, damit wir endlich fliehen konnten. Dazu kam, dass wir, wenn wir es erst einmal geschafft hätten, auf die obere Platte zu gelangen, wir aufpassen mussten, dass man uns nichts entdeckte. Laut Lexus würde uns nichts Schönes erwarten, sollte man auf uns aufmerksam werden.
 

Nach einer weiteren Nacht - wenn es überhaupt eine Nacht gewesen war - brachen wir wieder auf. Aus den Sachen, die Lexus gefunden hatte, konnte er immerhin ein paar Waffen und andere nützliche Dinge anfertigen, die wir sicherlich brauchen würden. Außerdem fanden wir noch einige Stoffreste- und Fetzen mehr, die wir uns um die Körper binden konnten und sammelten in alten Behältern ein wenig Wasser, was wir in einer kleinen Quelle inmitten der Höhle bargen.

Ich schaffte es nicht lange mit ihm Schritt zu halten, obwohl er schon extra langsamer ging, also beschloss er mich wieder zu tragen. Erst war es mir unangenehm und ich glaubte, ich würde ihm damit nur unnötige Mühe machen, aber für ihn schien ich gar kein Gewicht darzustellen - was mich nicht wunderte, immerhin war ich in den letzten Tagen schon ziemlich abgemagert.

Mein Blick richtete sich immer wieder gen Himmel, beziehungsweise zur Platte, die sich über uns befand, und ich versuchte mir vorzustellen, wie wir da herauf gelangen würden. Was ich mir nicht vorstellen konnte war eine Art Treppe, die einen hinauf führen würde - das war schon deswegen unlogisch, weil die ganzen Verstoßenen dann eine Möglichkeit gehabt hätten, einfach so wieder auf die obere Platte zu gelangen, was sie ja nicht sollten. Irgendeine Möglichkeit musste es ja aber doch geben...
 

“Hättest du jemals gedacht, dass man dich verstoßen würde? Du schienst ja eine hohe Position inne gehabt zu haben...” Ich wollte mehr über ihn wissen. Noch viel mehr. Und nun ergriff ich die Chance, um ihm einige Fragen zu stellen.
 

“Ich habe es mir gewünscht, sagen wir es so.” Ich erahnte, wie sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen bildete, “Und ich habe immer auf den Zeitpunkt gehofft, an dem all das ein Ende finden würde. Als Diener Luranthan’s zu agieren war sicherlich nichts, was ich jemals wollte, aber er war noch nicht lange der Anführer meiner Rasse. Er stürzte den eigentlichen Anführer, der lange nicht so verdorben war wie er, auf eine sehr demonstrative Art und Weise.”
 

Neugierig versuchte ich über seine Schulter hinweg in sein Gesicht zu blicken. “Wie denn?”
 

“Indem er ihn vor versammeltem Volk köpfte und seine Überreste genüsslich verspeiste. Luranthan hatte ihn in eine Falle gelockt - wäre ihm dies nicht gelungen, wäre es nie so weit gekommen.”
 

Ich musste schon mit Mühe schlucken, als ich das hörte und versuchte die Bilder, die nun vor meinen Augen auftauchten, schnell wieder zu vergessen. “War der vorherige Anführer denn ebenfalls so sehr auf Krieg aus? Oder entstand diese ganze Rebellion gegen andere Sterne und Rassen erst, als Luranthan zum neuen Anführer wurde?”
 

Nun merkte ich auch, dass es Lexus Mühe bereitete, über dieses Thema zu sprechen. Er schien seinem ehemaligem Anführer gegenüber loyal gewesen zu sein und hatte nicht akzeptiert, dass ein Tyrann wie Luranthan nun die Macht an sich gerissen hatte. “Unser ehemaliger Anführer, Lishea hieß er, war sehr besonnen. Er war ein Taktiker und nicht auf Mord und Totschlag aus, aber er führte uns mit logischen moralischen Prinzipien an, die der Großteil des Volkes nicht gut hieß. Liverans sind Wesen von grausamer Natur und sehnen sich nach Gewalt - man könnte sagen, dass sie so geboren werden. Nun, man hatte Lishea nicht zum Anführer gewählt, er war nur der Thronfolger des ehemaligen Anführers geworden, da er von ihm abstammte - einen anderen Grund gab es dafür nicht. Luranthan stand lange in Lishea’s Dienst, ähnlich meiner ehemaligen Position, und es war von Anfang an klar, dass er ihn stürzen und zur Strecke bringen wollte. Das war auch das, was das Volk unterstützte.”
 

Meine Ahnung hatte sich nun also bewahrheitet - und die Hoffnung, dass Lexus’ diesem Scheusal nicht freiwillig gedient hatte, ebenso.
 

Er setzte erneut an: “Ihm war von Anfang an bewusst, dass ich ihn nicht als Anführer akzeptierte, aber in meiner Position konnte ich mich ihm nicht entgegen stellen - zumindest vorerst nicht. Ich war ihm ein Dorn im Auge gewesen, aber er wusste, wie er mich benutzen konnte. Leider auch hatte er eine vollkommene und absolute Kontrolle über mich und es war mir unmöglich, mich seinen Befehlen zu widersetzen. Seine Methoden, seine Untertanen zu seinen Sklaven zu machen, war bestialisch. Ebenso war er es, der mich dazu zwang, mich in deine ehemalige Kolonie einzuschleusen. Es war leider einfacher gewesen, als ich gedacht hatte, und schnell wurde mir die Position im ersten Kommando-Trupp zugeschrieben, was ich dazu nutzen sollte, um die Kolonie selbst unschädlich zu machen - immerhin war es von Vorteil, dass der Feind an der Spitze weilte, so war es für die Kolonie eine Unmöglichkeit gewesen, sich gegen uns zur Wehr zu setzen, würde es zu einem Angriff kommen, da ich über allerlei geheimen Informationen verfügte und zudem auch noch die stärkste Maschine steuerte.“ Dann stockte er. Mir war schnell klar geworden, dass er nun nicht mehr darüber sprechen wollte, und wollte das Thema schon unterbinden, dann sprach er allerdings weiter: “Ebenso wusste ich aber auch, dass du auf dieser Kolonie Schutz gefunden hast, nachdem wir deinen Heimat-Stern Aternas zerstört hatten, also nutzte ich meine Position immerhin so weit aus, dass ich ein Auge auf dich haben konnte.”
 

Er wusste also, dass ich auf der Kolonie Unterschlupf gefunden hatte? Es war also auch nie ein Zufall gewesen, dass er immer in meiner Nähe war und mich auch aus der Maschine heraus geholt hatte, als ich zu sterben drohte?

Ich war sprachlos gewesen, unfähig, auch nur irgendetwas dazu zu sagen - was er zum Glück auch nicht von mir erwartete - anstattdessen gruben sich meine Finger nur umso fester in seine Kleidung, an der ich mich festhielt, und versteckt mein Gesicht in seinem Haar. Mein Gefühlschaos war somit nur umso mehr gewachsen und ich wusste auch nicht, wie ich es ordnen konnte. Ich war einfach nur dankbar dafür gewesen, dass er existierte.
 


 

-
 


 

Wir irrten noch eine Zeit lang durch die unübersichtliche Einöde, bis wir Halt machten. Langsam rutschte ich von seinem Rücken herab und suchte festen Stand auf dem Boden, ehe ich mich umsah. Wir waren an einer Sackgasse angekommen, die sich durch viele Felsen gebildet hatte. Wenn man nach Rechts und Links blickte, beugten sich weitere dunkle Felsen über die Strecke hinweg und es schien sich kein Weg daran vorbei zu ergeben.
 

“Es gibt nur eine Möglichkeit.” Lexus tastete das schwarze Gestein prüfend ab und blickte daran hinauf. “Diese Felsen sind die ‘Brücke’ zur oberen Platte. Oben angekommen wären es nicht mehr viele Meter, die uns von ihr trennen würden.”
 

“Und wie kommen wir die Felsen hinauf? Das sieht alles nicht so aus, als könnte man so einfach daran hinauf klettern.” Ich war skeptisch. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie wir auf die Spitzen der Felsen gelangen sollten.
 

Er beantwortete meine Frage, indem er nach einer der Stoffbeutel gegriffen und eines seiner Bau-Objekte heraus geholt hatte, von welchem er nicht wusste, wozu es gut sein sollte. Sonderlich groß war es nicht, und auch nicht sehr auffällig, was daran war also so herausragend, dass dies die Lösung unseres Problems darstellen sollte?

“Es ist ganz einfach. Eine ähnliche Bau-Konstruktion habe ich auf einem anderen Stern gesehen und habe Erfahrungen sammeln können, was die Hilfsmittel verschiedener Rassen angeht. Dieses Teil hier... dürfte dem Original nun sehr nahe kommen. Seine Funktion ist nun nicht unbedingt ein Wunder der Technik, aber nützlich.”
 

Zwischen all dem, was er mir darüber erzählte, verstand ich kaum ein Wort. Vom bloßen Anblick des Sichel-Ähnlichem Gebilde konnte ich die Funktion nicht erkennen - dafür, um es in den Felsen zu stoßen und es als Anker dafür zu nutzen, dass man sich daran hinauf hangeln konnte, schien es nicht stabil genug.
 

“Schau es dir einfach an...”
 

Lexus warf es nun in die Höhe, am Fels hinauf, und dann verschwand es inmitten der Nebelschwaden, die die Sicht ab einigen Metern schon verschlechterte, und ich wartete ab. Erst geschah nichts. Hatte seine Konstruktion einen Fehler gehabt und funktionierte nicht ganz so, wie er sich das gedacht hatte? Es wirkte so.

Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass noch irgendetwas passieren würde, und dann geschah es. Eine riesige Masse aus einem mir undefinierbaren Gefüge schnellte zu uns herab und ich befürchtete, dass es auf uns einschlagen würde, mittels weniger Sekunden vernahm ich dann ein lautes Kreischen, was ohrenbetäubend war.

Unmittelbar vor uns gruben sich lange, mit Stacheln und Dornen besetzte Stängel, die ich als Beine eines Insekts erkennen konnte, in den Boden hinein und unzählige Augen fixierten mich mit einem neugierigen Blick.
 

“Du fragst dich, was das ist?” Ohne irgendein Anzeichen von Scheu ging Lexus auf die relativ große Kreatur zu und berührte es sachte an einem seiner unzähligen Beine, was scheinbar eine Art von Beruhigung sein sollte. Es kreischte nicht mehr und seine hektischen Bewegungen wurden allmählich immer kontrollierter. “Das ist ein Mohernas. Eine Art von Insekt, das sich meist an Felsen und Gebirgen ansiedelt. Eigentlich sind sie nicht unbedingt handzahm und nett, aber durch eine bestimmte Art von Geräuschen, kann man sie zähmen. Und dieses Gebilde, was ich eben in den Himmel warf... Nun, das ist Lösung des Rätsels. Ab einer bestimmten Höhe, die es durch die Luft segelt, kann es einen Schall erzeugen, der die Mohernas anzieht. Es ist wie eine Hypnose, wenn man es irgendwie erklären will.”
 

Und wieder erstaunte mich. Was würde er noch alles aus seinen Taschen ziehen, um mich zu verblüffen?
 

Langsam stiegt er langsam auf das gewaltige Insekt hinauf, welches wirklich eine beachtliche Größe vorweisen konnte. Es gab so viel an dieser Kreatur zu sehen, dass ich gar nicht wusste, wohin ich als erstes sehen sollte. Die unzähligen Augen schauten mir aufmerksam dabei zu, als ich mich ebenfalls daran machte, auf es herauf zu klettern und griff schnell nach Lexus’ Hand, bevor ich auf der glitschigen Oberfläche seines Panzers ausrutschen würde.
 

“Auf jeden Fall zeichnen sich die Moherans besonders dadurch aus, dass sie mit ihren Beinen, als wären es Haken, sich in Felsen festhalten können und somit an ihnen hinauf klettern.”
 

Nun verstand ich des Rätsels Lösung. Das war also sein Plan gewesen. Und er hatte tatsächlich funktioniert.

Aerun - 1.0

Mit aller Mühe krallte ich mich an Lexus fest, als wir Platz auf dem Rücken des Mohernas genommen hatten. Als das riesige Insekt die Beine aus dem Boden wieder heraus zog und sich dann der riesigen schwarzen Feldwand zugewandt hatte, hoffte ich inständig darum, dass wir nicht herunter fallen würden. Halt zu finden war wirklich schwierig gewesen - der Panzer war mit einer dünnen Schleimschicht überzogen und ließ mich ständig abrutschen; ich konnte mich gerade so an Lexus festhalten, der es, wie auch immer, ohne irgendwelche Mühen schaffte sich an dem riesigen Geschöpf festzuhalten. Er griff nach meinen Armen und legte sich diese um den Bauch, zog dann eines der Bänder von seinem Oberarm, welche er vorher drumherum gewickelt hatte, und band es um meine Handgelenke zusammen, so fest, dass ich es so einfach nicht hätte wieder lösen können. So jedenfalls war sicher gestellt worden, dass ich nicht noch weiter abrutschen würde...
 

Das Schreien des Moherans, als es sich daran machte den Fels wieder hinauf zu klettern, war wirklich kaum auszuhalten. Ich fühlte einen ungeheuerlichen Druck in meinen Ohren und dachte für einen Augenblick, dass mein Trommelfell platzen würde, dann aber erstickte es sein unerträgliches Schreien wieder in Stille. Ein unangenehmes Piepen hallte noch einige Zeit lang in meinem Gehör wieder...

Zu meinem Erstaunen dauerte es auch nicht lange, bis es den Felsen bestiegen hatte. Diese Felswand war sicherlich einige Meter hoch, mehr als ein paar Hundert, und dieses Insekt schaffte es innerhalb von wenigen Minuten den Gipfel zu erreichen. Als ich nun herauf blickte erkannte ich, dass es nur noch wenige Meter bis zur oberen Platte waren. Bevor wir wieder von seinem Rücken herab stiegen, löste Lexus die Bänder um meinem Handgelenk und ließ mich als erstes vom Panzer herunter rutschen. Gerade so konnte ich mein Gleichgewicht finden, torkelte einige Schritte, als ich auf dem Boden aufgekommen war, aber fiel nicht hin. Aus einer solchen Höhe einfach so von einem riesigen Insekt herunter zu rutschen war nichts, was ich schon öfter gemacht hatte - um genau zu sein: noch nie. Für Lexus hingegen schien es nichts gewesen zu sein, was ihm Mühe bereitete, und er tätschelte dem ehrlich gesagt unheimlichem Wesen noch einmal über den Panzer, bevor er es sich wieder eingraben ließ.
 

“Hast du... schon öfter Kontakt mit ihnen gehabt? Es schien mir so.”
 

Er nickte und richtete all die Stoffbeutel an seinem Körper wieder zurecht und band sich die Bänder erneut um den Oberarm, welche er für meine Sicherheit zuvor gelöst hatte: “Schon sehr oft. Es gibt sehr viele von ihnen auf diesem Stern und gehören zu den Kreaturen, mit denen ich aufgewachsen sind. Sie wirken auf den ersten Blick vielleicht nicht so, aber sie sind sogar die friedlichsten Wesen, die du auf Liverath finden kannst.”
 

So vom ersten Eindruck her dachte ich auch eher, dass sie weniger friedlich waren. Ich hatte ein riesiges, mit Reißzähnen bestücktes Maul erkennen können und all die Stachel an ihren dürren Beinen deuteten für mich auch eher auf Arten von Waffen hin, wie ich sie von vielen Räubern kannte. Aber alleine die Vorstellung, wie Lexus schon in jüngeren Jahren mit ihnen kooperierte, zauberte mir ein kleines Lächeln aufs Gesicht.

Der Mohernas hatte sich inzwischen schon vollständig in den Felsen hinein gegraben und hinterließ ein großes, dunkles Loch, welches nun einige Meter tief sein musste. Ein weiterer Blick nach oben warf allerdings wieder Fragen auf. Wie würden wir die letzten Meter nach oben nun überbrücken?
 

“Hier gibt es einige Wach-Leute, irgendwo auf der großen Felsplatte, die dafür sorgen, dass Nichts und Niemand zur oberen Platte gelangt - zumindest ist das ihre Aufgabe. Wir müssten nur einen von ihnen auf uns aufmerksam machen.”
 

Und das sollte die Lösung gewesen sein? Die Liverath’s, die ich bisher gesehen hatte, waren alles andere als einfache Gegner. Sie waren, im Gegensatz zu mir zumindest, um einiges größer und kräftiger gebaut. Für die Normalgröße seiner Rasse war Lexus wirklich auch ein wenig klein - aber ich entsann mich daran zurück, dass er in einer höheren Position gestanden hatte und das ja nun auch bedeuten musste, dass er stärker gewesen war als ein Normal-Bürger seines Volkes.
 

“Sie lassen sich leichter überlisten als man denkt. Ob sie bereits die Information erhalten haben, dass ich ebenfalls zu den Verstoßenen gehöre, weiß ich nicht. Sollte dies der Fall sein, müsste ich sie nicht mal um die Ecke bringen, sondern einfach austricksen.”
 

Ich nickte - und hoffte, dass sich uns keine Schwierigkeiten in den Weg stellen würden. Etwas anderes zu tun, als mich hinter Lexus zu verstecken, konnte ich ohnehin nicht tun. Manchmal verfluchte ich meinen Körper wirklich dafür, dass er so schwach gewesen war...

Trübsal blasen wollte ich nun aber auch nicht. Ich wollte helfen und würde tun, was ich für ihn hätte tun können, wenn es nötig gewesen war.

Wir warteten einige Zeit lang, bis uns die erste Wache begegnete. Die Felsplatte musste von einer unglaublichen Breite sein - immerhin konnten wir ihn erst spät erkennen und richteten uns sofort auf, als er auf uns zu kam.
 

“Name!”

Das, was er trug, war ohne Zweifel ein Suit, der kein einfaches Kleidungsstück gewesen war. Ich erkannte, dass einiges daran angebracht worden war, unter anderem einige Arten von Sensoren. Dass man damit auch fliegen konnte, bezweifelte ich nicht...
 

“Lexus er Chak.” Ohne irgendein Zögern hatte sich Lexus ihm genähert und sich zu erkennen gegeben...
 

Die Wache musterte ihn erst skeptisch, tippte mit einer Klaue gegen einer seiner Sensoren, der an seiner Stirn angebracht war, wartete einen Augenblick und nickte dann. Ich staunte, als er sich dann sogar verbeugte. “Entschuldigt, mein Kommandant, dass ich Euch nicht vorher erkannt habe...”
 

“Ich verzeihe Dir. Wie viele Wachen sind heute hier angebracht? Mehr als ein Dutzend? Ich bin hier, um die Situation zu überprüfen.”
 

“Wir sind... zehn, wenn ich mich recht entsinne, mein Kommandant.”
 

Ich sah, wie sich in Lexus’ Mundwinkeln ein schmales Schmunzeln formte. So, wie wir es uns erhofft hatten, war es scheinbar. Die Wachen schienen nicht über die wichtige Information zu verfügen, dass Lexus ein Verstoßener war - was einen fatalen Fehler darstellte.
 

“Nun gut... Ich bin mit einem Gefangenem hier und benötige zwei Kapseln. Solltet ihr nicht über allzu viele verfügen, werde ich das in meinen Bericht übernehmen. Es sollte gewährleistet sein, dass genug Kapseln zur Verfügung stehen.” Der autoritäre Unterton in seiner Stimme ließ mich für einen Moment schaudern und ich staunte nicht schlecht, als der Wach-Mann ihm wirklich Folge leistete und ihm zwei Kapseln zur Verfügung stellte... Dieser Liverath schien schon alt gewesen zu sein und scheute sich vor Unannehmlichkeiten - er war wohl nur zwecks seines treuen Dienstes so lange dort behalten worden.

Als Lexus mich dann grob packte und hinter sich her zog, ließ ich über mich ergehen und spielte bei dem kleinen Schauspiel mit. Es musste glaubhaft wirken, dass ich ein Gefangener sein sollte, also ließ ich mich in die Kapsel schubsen und wartete dann nur noch ab, bis er in die zweite Kapsel gestiegen war. Dass wir so leicht entkommen würden, hätte ich nicht gedacht...
 


 

-
 


 

Lexus hatte via Funk zu mir gesprochen und mir Anleitungen darüber gegeben, wie ich die Kapsel bedienen musste. Das Modell war in der Tat ein eher älteres gewesen und auch die Steuerung ließ zu wünschen übrig, aber es erfüllte seinen Zweck.

Völlig hingegen meiner Erwartungen landeten wir nur sehr kurz auf der oberen Platte, als wir dort angekommen waren. Ich hatte erst gedacht, dass wir dort noch eine Weile bleiben würden, aber das erledigte sich sehr schnell. Lexus besorgte nur Treibstoff und Trinkbares - Essbares war noch immer nichts, was er für mich auftreiben konnte - und, was mich dann völlig verwirrte, zog mich mit in seine Kapsel hinein. Er sagte, dass wir keine zwei bräuchten und dass er auch nicht so viel Treibstoff auftreiben konnte, wie wir ihn für zwei Kapseln bräuchten, also musste ich ebenfalls Platz in der einen finden, in welcher wir uns nun befanden.

Das erinnerte mich daran, wie ich mit ihm zusammen in der Erogide gewesen war, als er auf dem Sitz Platz nahm und mich auf sich zog und ein kleines Gefühl von Aufregung machte sich in mir breit. Seitdem er mir gegenüber geäußert hatte, dass wir Liebende waren, war es umso seltsamer für mich, ihm so nahe gewesen zu sein - aber all dies war nun nichts, was von Bedeutung war, also konzentrierte ich mich darauf, für ihn die Steuerung zu übernehmen. Er selbst hatte noch die Koordinaten eingeben, an welchen sich die Kapsel hatte orientieren sollen, ich aber konnte mit der Zahlenkombination rein gar nichts anfangen...
 


 

-
 


 

Es bedurfte uns fast eines Tages, bis wir landen konnten. Ich hatte, weil ich so viel geschlafen habe, kaum mitbekommen wo wir Halt machten und war erst etwas perplex, als sich die Kapsel dann öffnete. Uns begrüßte ein helles Licht, welches mich blendete, und eine liebevoll klingende Stimme sprach leise Wort aus, die ich nicht verstehen konnte. Ich glaubte mir sicher zu sein, dass wir nirgends gelandet waren, wo man uns angreifen wollte, und ließ mich von Lexus mit aus der Kapsel heraus ziehen und versuchte mich zu orientieren. Es waren einige Lichtgestalten mehr, als ich vermutet hatte, und ich war verwundert, als Lexus einige von ihnen herzlich begrüßte. Es waren also Kreaturen gewesen, die er kennen musste, anders konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären.
 

Noch immer stand ich vor der Kapsel und wagte mich keinen einzigen Schritt, auch wenn Lexus mich gerufen hatte. Mein Körper war an seine Grenzen gelangt und ich glaubte zu verhungern, wenn ich nicht bald endlich etwas essen würde. Kurz, bevor meine Knie eingeknickt waren, hatte Lexus mich festgehalten - und alles, was dann geschah, erlebte ich wie einen seltsamen Traum. Meine Wahrnehmung war durch meine Erschöpfung getrübt und alles, was ich vernehmen konnte, waren irgendwelche Stimmen und Gesichter, die ich nicht kannte und die sich so schnell schon wieder verzerrten, dass ich sie eh nicht richtig erkennen konnte.

Ich hatte erst nicht mehr daran geglaubt, doch dann tanzte der Geruch von Leckereien in meine Nase und man servierte mir Allerlei Köstlichkeiten, von denen Lexus mir versicherte, dass ich sie tatsächlich essen konnte. Noch nie zuvor war ich so hungrig gewesen und aß so viel, wie ich nur konnte. Ich empfand noch nicht einmal Scham dafür, dass ich so hastig gegessen hatte und dachte nicht darüber nach, wie es für andere ausgesehen haben mag.
 

“Ihr scheint wirklich schon lange nichts mehr gegessen zu haben.” Da war sie wieder, einer der Stimmen, die ich vorher auch schon gehört hatte. Und nun zeichnete sich auch endlich ein klares Bild von der Kreatur, die mit mir gesprochen hatte und ich war verblüfft über die Schönheit, die sich zu mir neigte.
 

“Lexus hat so oft schon von dir gesprochen. Ein Jammer, dass er uns so selten besucht hat, und es ist ebenfalls ein Jammer, dass er dich uns so spät erst vorstellt! Ich war so gespannt darauf, wie du wohl aussehen magst!”

Meine Verwirrung schien sichtlich zu sein und wandte meinen Blick hilfesuchend zu Lexus, der sich neben mich gesetzt hatte. “Ich erkläre es dir alles später, Aria. Vorher würde ich mich gerne etwas zurück ziehen und meine Ruhe genießen - mit dir natürlich.”

Man kicherte um uns herum, als er das sagte, und meine Verwirrung stieg nun ins Unermessliche. Die Röte auf meinen Wangen schien auch ganz klar deutlich gewesen zu sein und ich wollte nun nichts anderes mehr, als mich irgendwo zu verkriechen. Wo waren wir hier gelandet und warum kannte Lexus all diese Personen, die sich wie neugierige Kinder um uns herum versammelt hatten?

Ich war froh, als er sich dann mit mir von ihnen distanzierte und wir dann in einen Raum gingen, wo wir alleine waren. Nun war ich zwar wieder gestärkt, aber noch immer verwirrt.
 

“Wir befinden uns hier auf Karatek. Man könnte Karatek als einen Stern bezeichnen, allerdings ist er ziemlich klein und gleicht eher einer Kolonie. Es bleibt dir also selbst überlassen, als was du dieses Fleckchen Lebensraum nun ansiehst.”
 

Der Begriff war mir völlig neu gewesen. Noch nie zuvor hatte ich von Karatek gehört und auch, wenn ich mich mit Mühe an den Namen zu entsinnen versuchte, erschloss sich mir nichts an Informationen, die ich vielleicht mal aufgeschnappt haben konnte. “Wie hast du von diesem Stern... dieser Kolonie... erfahren? Du scheinst schon öfter hier gewesen zu sein und das Volk hier scheint dich zu kennen.”

Lexus’ Miene wies mir für einen Augenblick an, dass er nicht gerne darüber sprach, und ich beschloss ihm keine weiteren Fragen zu stellen. Manchmal war er wirklich schwierig und es kostete mich einiges an Mühe, mir Informationen anzueignen, aber ich wollte mich auch nicht mit ihm anlegen. Ich schätzte es, dass er mir ab und an freiwillig etwas erklärte, aber mein Wissensdurst war unstillbar...
 

"Du wirst schon noch schnell genug alles erfahren was du erfahren möchtest."
 

Ich nickte und beschloss, ihn nicht weiter zu stören. Lexus schien wirklich genervt zu sein. Er hatte zwar gesagt, dass er mit mir alleine sein wollte, aber es fühlte sich für mich so an, als würde er dies in diesem Augenblick gar nicht wollen. "Ich sehe mich ein wenig um, ja? Kann ich mit einigen anderen sprechen? Oder möchtest du das nicht?"
 

Er äußerte keinerlei Einwände, also verließ ich den Raum und schaute mich ein wenig um. Sein Verhalten war wirklich seltsam gewesen und ich konnte mir nicht erklären, warum er nun so reagiert hatte. Hatte ich vielleicht etwas Falsches gesagt?

Das Gebäude, in welchem wir uns nun befanden, war von unglaublicher und einzigartiger Schönheit, die ich kaum in Worte fassen konnte. Unzählige Arten von Blumen und Gewächsen hatten ihren Platz an allen möglichen Ecken gefunden und überall, wo ich nur hinsah, erstreckte sich eine Art von Schönheit, die ich noch nie zuvor bewundert hatte. Ich war so beschäftigt damit, mich umzusehen und immer wieder Neues zu entdecken, dass ich gar nicht bemerkte, dass sich jemand zu mir gesellte.
 

“Aria, richtig?”
 

Schnell drehte ich mich herum und verbeugte mich des Respekts halber vor der mir fremden Person, welche mich mit einem Lächeln begutachtete. “Ja... Das ist mein Name. Und mit wem... habe ich die Ehre?”
 

“Imperidus Novalis. Aber ich mag es nicht, wenn man meinen Namen komplett ausspricht, also sag einfach Novalis!” Die Schönheit, die dieses Wesen ausstrahlte, war wirklich verblüffend. Das Haar strahlte in einem beinahe unnatürlichem Glanz und schien die Farben von einem reinem Weiß bishin zu einem Eisblau zu wechseln, während sich beinahe silberne Augen unter den langen dichten Wimpern versteckten. “Lexus hat so oft schon von dir gesprochen... Und ich hoffte, dass er dich mir irgendwann einmal vorstellen würde - immerhin wollte ich ja wissen, wer es ihm so angetan hatte, dass er von nichts anderem mehr sprach.”
 

Wieder schien sich ein leichter Rotschimmer auf meine Wangen gelegt zu haben und ich merkte erst nicht, wie ich nervös einige meiner Haarsträhnen zu sortieren versuchte, was mir misslang.
 

“So oft schon?”, fragte ich schüchtern und war froh darüber, dass ich überhaupt etwas sagen konnte, “Wie oft... war er denn schon hier?”
 

Novalis ging einige Schritte um mich herum, bis er einige meiner Haarsträhnen einfing und sachte durch seine Finger gleiten ließ: “Nicht so oft, wie ich es mir gewünscht hätte, aber doch schon relativ oft. Es ist einige Jahre her, dass er uns zuletzt besuchen kam, und da sprach er von nichts anderem mehr, dass er dich wieder gefunden hätte. Er schien wirklich lange und beharrlich nach dir gesucht zu haben... Und es freut mich, dass er dich nun endlich gefunden hat. Du bist tatsächlich so, wie er dich beschrieben hat.”
 

Wie er mich beschrieben hatte? Ich glaubte, dass die Verwirrung in mir noch mehr zunahm und konnte kaum verstehen, wovon Novalis nun sprach - allerdings ereignete sich nun auch das gleiche Spektakel, wie ich es mit Lexus immer wieder erlebte: immer dann, wenn ich nach Antworten auf meine Fragen verlangte, blockte man ab...

Aerun - 2.0

Viel Zeit verbrachte ich nicht mit Novalis als ich ihm begegnet war - dass nun noch mehr Fragen in meinem Kopf herum schwirrten, hatte ich eigentlich nicht gewollt...

Ein wenig wollte ich mich noch umsehen und ging dann zurück auf das Zimmer, in dem Lexus war. Vorsichtig und leise öffnete ich die Türe und trat herein, schloss die Tür wieder und sah mich nach ihm um. Er lag in aller Ruhe auf einem der großen Betten und schien zu schlafen. Die Reise, die wir vor kurzer Zeit noch bestreiten mussten, hatte ihm auch einiges an Energie geraubt. Ich wollte ihn nicht wecken, also schlich ich mit behutsamen Schritten durch den Raum, bis zu einer Tür, hinter der ich ein Badezimmer vermutete. Meine Annahme wurde bestätigt, als ich in den Raum hinein blickte und seufzte innerlich auf, immerhin war es nun auch schon einige Tage her, dass ich ein Bad nehmen und mich waschen konnte.

Ich gönnte mir also den Luxus von heißem Nass und lehnte mich in die große, üppig verzierte und prachtvolle Badewanne zurück, bis ich bis zur Nasenspitze in wohl riechendem Schaum versunken war. Für ein paar Minuten wenigstens wollte ich abschalten, bevor das Chaos in meinem Kopf mich wieder belästigen würde... Der Duft von unzähligen verschieden Blumen verwöhnte meine Sinne und es gelang mir, mich zu entspannen.
 

Dieser Ort, Karatek, war mir bisher sehr geheimnisvoll vorgekommen. Ebenso wie alles andere, was ich inzwischen damit verbinden konnte. Es schien ein Fleck gewesen zu sein, an dem Lexus in der Vergangenheit oft gewesen war und all die Wesen hier, die uns sehr glichen, waren von unglaublicher Schönheit - zumindest alle, die ich bisher gesehen hatte.

Und dann dachte ich an Novalis und die Worte, die er gesagt hatte. Was meinte er damit, dass ich...-
 

“Warum hast du mich nicht geweckt und mir bescheid gegeben? Hätte ich gewusst, dass du ein Bad nehmen willst, hätte ich dir doch Gesellschaft geleistet.”
 

Lexus stand auf einmal in der Tür und trat in das Badezimmer hinein. In seinem Blick war nicht ein Anzeichen von Schlaf und im Gegensatz zu mir schien er schnell wach zu werden, jedenfalls wirkte er sehr ausgeruht.

Als er zu mir kam und sich auf den Wannenrand setzte, versank ich umso tiefer im nur noch lau-warmen Nass und war glücklich darüber, dass wenigstens noch ein bisschen Schaum an der Oberfläche schwamm, der den Großteil meines Körpers verdeckte. Das sachte Grinsen auf seinen Lippen verunsicherte mich.
 

“Wie lange möchtest du dich noch vor mir verstecken? Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest.”
 

Wofür ich mich nicht schämen müsste? Ich wusste ja nicht, wie es bei ihm so Sitte gewesen war, aber für mich war es etwas sehr intimes, wenn man meinen nackten Körper sah und nichts, was ich einfach so geschehen lassen wollte!

Fast schon panisch blickte ich dann auf seine Klauen, die über die Wasser-Oberfläche strichen und somit die Schaum-Decken auseinander wirbelte. Das Wasser, in welchem ich badete, war glasklar gewesen, unabhängig von dem Schaum.
 

“Dein Körper ist wunderschön. Also verstecke ihn nicht vor meinen Augen, die sich nach ihm sehnen.”
 

Mein Herzschlag war so hektisch geworden, dass ich nicht mehr wusste, wie ich ihn wieder beruhigen konnte. Noch immer starrte ich wie gebannt auf seine Klauen, deren Spitzen langsam ins Wasser eintauchten und meinem Körper gefährlich nahe kamen, bis sie meine Haut berührten und sich um meine Hüfte legten, um mich langsam aus dem Wasser heraus zu ziehen.

Ich spürte, wie das inzwischen bald kalte Nass von meiner Haut herab prasselte und nur noch wenige Tropfen darauf verweilten - und vor allem spürte ich den Blick, mit welchem Lexus meinen nackten Oberkörper nun bewunderte. Erst wollte ich meine Hände schützend davor legen, doch er hielt sie fest.

“Kscht.”, zischte er mir entgegen, als er sich zu mir beugte und küsste sanft die kleinen Tränen von meinen Augen, die sich aus lauter Scham gebildet hatten, “Ich will nicht, dass du dich für deinem Körper schämst. Er ist unglaublich schön. Und er gehört mir.”
 

Der Moment, in dem er mich gemustert hatte, fühlte sich für mich wie eine Ewigkeit an und ich hoffte, dass er endlich von mir ablassen würde. Sein Blick, der auf mir weilte, löste in mir seltsame Gefühle aus, die ich nicht kennen lernen wollte und ich atmete erleichtert auf, als er den Griff endlich löste. Doch entgegen meiner eigentlich geplanten Reaktion, mich sofort wieder ins Wasser zurück zu ziehen, zog ich ihn näher an mich heran. Wie meine Hände sich an seine Wangen gelegt hatten, hatte ich selbst gar nicht realisiert, und warum sich meine Lippen danach sehnten, seine zu küssen, konnte ich mir auch nicht erklären. Ich glaubte, in mir sei ein Feuer entfacht worden, welches er entzündet hatte und ich fühlte mich, als würde er mich verschlingen wollen, als er meinen Kuss erwiderte.
 

“Entschuldige.”
 

Perplex blickte ich ihn an, als er sich von mir löste. Er hatte seinen Blick abgewandt und war schon drauf und dran aufzustehen, aber ich wollte ihn nicht gehen lassen. Meine Hand hatte nach seinem Handgelenk gesucht und verkrallte sich in dieses, als sie es gefunden hatte.

“Bitte... bleib.”, wisperte ich kleinlaut und hoffte inständig darum, dass er meiner Bitte nachkommen würde. So unangenehm mir diese Situation auch gewesen war... Ich wollte nicht, dass er ging. Das hätte mein Gewissen wohl noch um einiges mehr geplagt. “Das ist alles normal so, wenn man...”, erst musste ich einmal tief ein und aus atmen, bevor ich es aussprechen konnte, “...wenn wir... Liebende sind, ist das so?”

Er schien erstaunt über meine Frage und nickte dann aber zögernd. Dass ich keinerlei Erfahrungen in solchen Sachen hatte, musste ihm doch offensichtlich gewesen sein, immerhin war er der Erste gewesen, der mir je so nah gewesen war, sei es im psychischen und auch im physischen Sinne gemeint.

Entgegen meiner Erwartungen lächelte er nun und hatte sich erneut zu mir herunter gebeugt, um mir leise beruhigende Worte entgegen zu flüstern, die meinen noch immer schnellen Herzschlag einfach nicht aufhalten konnten... Es war seine Nähe gewesen, die mich so verrückt machte, und ich konnte absolut gar nichts dagegen tun.
 

Er hatte das Badezimmer verlassen, als ich aus der Wanne heraus stieg und trocknete mich sorgsam ab. Vorher hatte er mir noch frische, neue Kleidung bereit gelegt, welche ich nun mit großen Augen bewunderte. So etwas Schönes war mir vorher noch nie zwischen die Finger gelangt und ich konnte kaum glauben, dass ich es tragen durfte. Ebenso sorgsam, wie ich mich abgetrocknet hatte, zog ich das schöne Kleidungsstück nun an und bewunderte es mit Staunen im Spiegel. Wer auch immer es mir zur Verfügung gestellt hatte, ich wollte demjenigen für dieses Prachtstück von Kleidung danken!

Als ich in unseren Raum getreten war, musterte mich Lexus mit ebenso großen Augen, wie ich mich selbst im Spiegel betrachtet hatte. Das Kleid-ähnliche Gewand, dass ich nun am Körper trug, war mit viel Aufwand bestickt geworden und unzählig viele kleine Steine glitzerten im violetten Licht der Zimmerlampe.
 

“Bin ich schön genug?", fragte ich vorsichtig und strich behutsam einige kleine Falten glatt, “Ich meine... kann ich mich so vor all den anderen hier blicken lassen?” Wenn ich nun an unser Eintreffen auf Karatek zurück dachte schämte ich mich dafür, dass ich in Lumpen aufgetaucht war und hoffte, dass man nun nichts Falsches von mir dachte. So, wie ich es bisher einschätzen konnte, legten die Wesen auf Karatek viel Wert auf Schönheit.
 

“Schöner als alles andere.” Diesmal war da kein Grinsen auf Lexus’ Gesicht, was mich hätte glauben lassen können, dass er scherzte, nein, nun dachte ich, ich könnte eine einfache und schlichte Wahrheit in seinem Blick erkennen. Er selbst hatte sich aber auch umgezogen und trug nun ähnlich prunkvolle Kleidung, die ich ebenfalls bewunderte.
 

“Man hat uns eingeladen, zu einem kleinen Fest-Essen.”
 


 

-
 


 

Ich wusste gar nicht, wen ich als erstes begrüßen sollte, als wir dann in einem kleinen Festsaal angekommen waren, und verbeugte mich unsicher vor jedem, der sich vor mir aufgebaut hatte. Man hatte mein Verhalten mit einem Lächeln gewürdigt und ich atmete erleichtert auf, da ich scheinbar nicht negativ aufgefallen war. Eher noch war es sogar so gewesen, dass man insbesonders mir sehr viel Aufmerksamkeit zu Teil kommen ließ. Novalis war auch Teil der kleinen Runde und winkte uns zu sich an den Platz heran.
 

“Ich hatte schon Angst, dass ihr euch ewig in eurem Zimmer verkriechen würdet!”, kicherte er unverlegen, “Lexus mag es ja nicht so, wenn man seine Privatsphäre stört, also wollte ich es nicht riskieren, mal an der Tür zu klopfen!”
 

Schon wieder schien sich ein kleiner Schimmer in meinem Gesicht sichtbar zu machen und hoffte, dass nicht noch ein ähnlicher Kommentar folgen würde. Lexus hatte mir den Platz direkt neben Novalis angeboten und setzte sich dann neben mich - ungewöhnlich schweigsam. Es schien ihm nicht unbedingt zu gefallen, dass wir in Novalis’ Nähe waren.
 

“Ihr seit wirklich ein unglaublich schönes Paar. Mich macht es fast schon neidisch, dein schönes Gesicht, und ich kann mir gut vorstellen, was Lexus daran findet!”
 

All die Komplimente überforderten mich völlig und ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Was ich bemerkte war allerdings, dass Lexus diese Kommentare nicht so sehr schätzte wie ich es tat, und wollte deswegen auch sehr verhalten reagieren. Aber warum verhielt er sich so? So, wie ich dachte, war Novalis doch wirklich nett gewesen und hatte mir gegenüber nichts Böses geäußert - aber ich wusste ja auch nicht, was in der Vergangenheit zwischen ihnen vorgefallen war. Aber anstatt nun wieder zu viel über alles nachzudenken, wollte ich mich dem gut aussehenden Köstlichkeiten widmen, die auf dem Tisch serviert wurden.

Während des Essens unterhielt ich mich mit einigen Leuten am Tisch mehr und war wirklich erstaunt darüber, wie viele Komplimente man mir machte, obwohl alle anderen um einiges hübscher waren als ich. Neben Novalis lernte ich nun auch noch Fyhas und Zera kennen, mit denen ich allerdings nur ein paar Worte hab austauschen können.

Man versicherte uns, dass wir einige Zeit lang auf Karatek weilen durften, allerdings unter der Bedingung, dass wir eben arbeiten würden, was für mich eine Selbstverständlichkeit darstellte.
 

Auf Lexus’ Wunsch hin blieben wir nicht lange und ich folgte ihm gehorsam mit auf unser zugeteiltes Zimmer. Seine Laune hatte sich verschlechtert und ich konnte nicht nachvollziehen, was der Grund dafür gewesen war.

Er zog sich in das anliegende Badezimmer zurück und ich zog mir dann die prachtvollen Kleidungsstücke aus, legte sie sorgfältig zusammen und suchte dann in den Schränken nach Nacht-Kleidung, die ich schnell gefunden hatte. Selbst die Nachtbekleidung war aufwendig bestickt und ließ mich staunen.

So langsam war ich wieder müde geworden und legte mich schon ins Bett. Wie lange war es her gewesen, als ich zuletzt in einem ordentlichen - und einem so komfortablem - Bett geschlafen hatte? Die letzten Tage über musste ich auf ungemütlichem Boden und teilweise im Dreck schlafen und dachte fast schon, dass ich den Luxus eines Bettes nie wieder erfahren würde. Ich döste bereits, als Lexus in den Raum zurück kam, und kuschelte mich in die warme Bettwäsche, die mich fast vollständig einhüllte, merkte erst gar nicht, dass er sich zu mir gesellte und schlug meine Lider erst auf, als ich ihn mein Haar berühren spürte.
 

"Habe ich dich geweckt?" Ich gab leise Geräusche des Verneinens von mir und zog im Halbschlaf dann die Decke herauf, sodass er mit mir darunter Platz finden würde. Was ich wollte war, dass er sich einfach nur zu mir legte, und ich hoffte, dass das seine schlechte Laune bändigen würde. Kurz darauf spürte ich seinen Körper nah an meinem, spürte das Gefühl eines seidigen Stoffes an seinem Körper und atmete tief seinen Geruch ein, der mich immer wieder betörte. Er musste wohl gebadet haben - sein körpereigener, schöner Geruch hatte sich mit dem Duft von wilden Blumen vermischt. Ich mochte es, wie er mir durchs Haar kraulte, bis zu meinem Nacken, den er dann ebenfalls verwöhnte, und ich streckte mich ihm wohlig seufzend entgegen.
 

“Ich möchte nicht, dass du so viel mit Novalis zu tun hast...”, flüsterte er mir leise an mein Ohr und kraulte mich behutsam weiter. In mir baute sich natürlich die Frage auf, warum, aber ich wusste, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt dazu gewesen war, zu fragen, also schwieg ich und genoss weiterhin seine Berührungen, bis ich letzten Endes einschlief...

Aerun - 3.0

Am Morgen nach der ersten Nacht, die wir auf Karatek verbracht hatten, fühlte ich mich nach etlichen Stunden Schlaf sehr ausgeruht. Alles um mich herum sorgte für eine heimische Wärme und es missfiel mir, dass ich so langsam aufstehen musste. Lexus war schon aufgestanden und ich bedauerte, dass er nicht das Erste war was ich sah, als ich meine Lider aufschlug. Zu gerne entsann ich mich seiner Nähe, die ich am Abend zuvor gespürt hatte und wollte mich direkt wieder zurück ins Bett kuscheln, als ich daran zurück dachte, doch ich überwand den kurzen Anflug von Gemütlichkeit und stand dann auch endlich auf. Einschätzen, wie spät es wohl gewesen sein mochte, konnte ich nicht - und ich wusste ja auch nicht, wie man die Zeit auf Karatek rechnete - also machte ich mich sofort daran mich kurz zu waschen und umzuziehen. Lexus hatte mir freundlicherweise erneut einige Kleidungsstücke bereit gelegt, die ich wohl anziehen sollte. Im Gegensatz zu der Kleidung, die ich am vorigen Tag getragen hatte, war diese nun um einiges schlichter und weniger auffällig.

Als ich fertig war verließ ich das Zimmer und wollte mich nach Novalis umsehen, auch wenn mir noch die leisen Worte von Lexus durch den Kopf gingen, die er mir am Abend zuvor zugeflüstert hatte... Da ich ja aber nicht wusste, wo er sich aufhielt und ich ihn deswegen nicht fragen konnte, was ich tun sollte, musste ich mich an den Nächstbesten wenden, was in diesem Fall tatsächlich Novalis war, der mir schon auf dem Flur entgegen gekommen war und mich herzlich begrüßte.
 

“Wie war deine erste Nacht hier? Ich hoffe, du hast dich gut erholen können?”
 

Sein strahlendes Lächeln war wirklich einzigartig und die Freude, mit der er mich begrüßte, verwunderte mich. “Ich habe gut geschlafen, ja... Danke der Nachfrage! Nun, ich wollte fragen, was ich nun tun soll.”
 

Novalis schnappte sich meinen Arm und hakte sich bei mir ein und zog mich bereits mit sich, bevor ich auch nur irgendetwas sagen konnte: “Du wirst mit mir zusammen arbeiten! Ich bin für den Großteil der Pflanzen hier verantwortlich und brauche etwas Hilfe... Du musst wissen, der Großteil der Leute hier ziert sich vor solch einer Arbeit, weil ach, man könnte sich dabei ja schmutzig machen! Du hast ja gesehen, wie sehr sie alle auf Sauberkeit und Perfektion aus sind, da können sie es nicht gebrauchen, wenn sie ein bisschen Dreck unter ihren Nägeln tragen. Und ich denke, dass du nicht so einer bist, der sich da so anstellt, hm?”
 

Seine Art und Weise, sich ein wenig über die anderen lustig zu machen, war schon irgendwie witzig - auch wenn ich noch immer nicht wusste, was ich von ihm denken sollte. Mir persönlich war er bisher keinesfalls negativ aufgefallen und ich dachte, dass es einfach ein Groll von Lexus gewesen sein musste, warum er nicht wollte dass ich mit Novalis zu tun hatte. So lange mir nichts auffallen würde, was ich bedenklich fände, würde ich auch nicht den Kontakt zu Novalis meiden.

Nach etlichem Gekicher und Gequatsche waren wir dann am großen Glasgarten angekommen, wo ich mit ihm arbeiten sollte. Der Glasgarten war ein riesiges Gebäude, kugelartig geformt, mit einer riesigen Anzahl an verschiedensten Pflanzen und Gewächsen, die ihn den unterschiedlichsten Farben und Formen strahlten und mich staunen ließen. Solch eine Pracht hatte ich vorher noch nie zuvor gesehen und ich wollte und konnte kaum noch meinen Blick von all dem nehmen.
 

“Wir werden uns heute um eine ganz besondere Pflanze kümmern.”, warf Novalis zwischen all meine undeutlichen Worte der Bewunderung, “Das würde ich alleine nicht schaffen, gut also, dass du mir nun hilfst!”
 

“Um was für eine Pflanze handelt es sich denn?” Ich konnte meine Finger kaum von den zarten Blüten lassen, die sich, als ich sie mit den Fingerkuppen berührte, ihre Knospen öffneten und sich hungrig dem Licht entgegenstreckten, was vom Mittelpunkt des Glasgartens hinein schien.

Als Novalis mir dann die besagte Pflanze zeigte, war ich ein wenig verwundert. Sie wirkte nicht unbedingt auffällig und war auch nicht besonders groß - was für eine Besonderheit hatte sie, dass er, für ihre Pflege, meine Hilfe benötigte?
 

“Berühr sie nicht leichtfertig.”, murmelte er, als er sich ein Paar Handschuhe über die Hände streifte, “Du erkennst es auf den ersten Blick vielleicht nicht, aber sie ist etwas ganz besonderes.”
 

In der Tat, ich erkannte wirklich nicht, was an dieser Pflanze so besonders sein sollte. Ihre Blätter waren dunkelgrün und ihre wenigen, kleinen Blüten verblassten in einem fast nicht mehr erkennbarem Rot-Ton. Ich sah Novalis dabei zu, wie er sie vorsichtig an einer ihren Blüten berührte und war verwirrt, als sich nichts rührte. Hatte er vielleicht einfach nur gemeint, dass diese Pflanze giftig sei, und trug deswegen die Handschuhe? Für einen Moment hatte ich vermutet, dass es sich vielleicht um eine Spezies handeln würde, die zu den Fleischfressern gehörte, aber dem war auch nicht so.

Die Blüte hatte sich nur kurz geschüttelt, als Novalis sie zum zweiten Mal antippte, und nur wenige Sekunden später spürte ich etwas seltsames in der Luft. Kleine Stacheln, die die Blüte abgeworfen hatte, als er sie berührte, wurden durch die Luft gestoßen und hatten sich an einigen Stellen meiner Haut niedergelassen, die nicht von Stoff bedeckt waren und ich fühlte ein leichtes Stechen, was mich verunsicherte.
 

“Keine Angst, das ist kein Gift.”, Novalis lächelte mich unbesorgt an und ließ dann von der Pflanze ab, deren Blüte sich wieder schloss, “Warte mal ab.”
 

Sein Verhalten und seine Unbesorgtheit verwirrte mich, aber ich beschloss ihm zu vertrauen und ihm Glauben zu schenken - er musste Ahnung von dem haben, was er sagte, er war für die Pflanzen zuständig gewesen, und ich glaubte nicht, dass er mir etwas antun wollte.

Die minimalen Stacheln hatten sich langsam in meine Poren gelegt und das Kratzen unter meiner Haut, was ich dann empfand, war wirklich unangenehm. Für einen kurzen Augenblick wurde mir schwindelig, aber noch nicht schwarz vor Augen, und ich suchte Halt an Novalis’ Arm. “Was geschieht mit mir?”
 

Noch immer hatte er ein Lächeln auf seinen Lippen und stützte mich leicht ab, als ich drohte in die Knie zu gehen. Das anfängliche Schwindelgefühl war nur langsam gewichen, doch anstattdessen fühlte ich nun etwas ganz anderes. Eine mir unbekannte Wärme hatte sich in meinem Körper aufgebaut und ich konnte partout nicht sagen, was sie zu bedeutete.
 

“Diese Pflanze produziert eine Art von Aphrodisiakum, deswegen ist sie so besonders, verstehst du?”
 

Ein Aphrodisiakum? Ich musste erst einmal nachdenken, was das noch mal gewesen war, und dann wurde es mir plötzlich ganz klar. Das erklärte, warum sich mein Körper in solch einer rasenden Geschwindigkeit erwärmt hatte und warum ich mich so seltsam fühlte. Mir war danach mich meiner Kleidung zu entledigen, die die ansteigende Hitze nur noch unerträglicher machten, und mich irgendwo einzuschließen, doch ich konnte nichts anderes tun als mich einfach nur an ihm abzustützen, da jegliche Kraft aus meinen Gliedern gewichen war.
 

Seine Hand hatte mein Kinn umfasst und hob es an, damit er mir ins Gesicht sehen konnte, und sein zufriedener Blick ließ mich erschaudern. “Wie es wohl Lexus gefallen würde, wenn du ihm solch einen Blick schenken würdest? Ich bin mir sicher, er würde sich nicht mehr halten können... Deine Wangen sind ganz rot und deine Lippen bereits angeschwollen vor Begierde.” Das Lächeln, welches ich zuvor gesehen hatte, wandelte sich in einen gar undefinierbaren Gesichtsausdruck. “Wie lange er wohl noch warten muss, bis du dich ihm endlich hingeben wirst? So lange hat er nach dir gesucht und sich so ewig nach dir verzehrt, und nun hältst du ihn auf Distanz zu dir, obwohl er dich, mit großen Worten, als deinen Geliebten bezeichnet? Ein Jammer.”
 

Ein leises Wimmern war das Einzige, was ich von mir geben konnte, als er mich dann anfasste. Er legte seine Hand ohne irgendeine Scheu auf meinen Oberkörper und öffnete ungeniert das Oberteil meines Suits, welches langsam an mir herunter glitt. Gepeinigt schloss ich meine Augen, als ich ihn meine Brust berühren spürte und zog scharf die Luft ein. Hingegen meines Unwillens dieser Art von Gefühlen reagierte mein Körper unheimlich empfindlich auf seine Berührungen, was ihn leise kichern ließ.
 

“Bestimmt hat er dich schon darum gebeten, dich nicht in meiner Nähe aufzuhalten, stimmt’s?”, gurrte er mir entgegen, als er meine Brust umso gröber anfasste, “Du solltest auf ihn hören...”
 

Er ließ von mir ab. Vollkommen.

Ich war auf die Knie gesunken und zog schnell den Suit wieder meinen Oberkörper hinauf. Alles, was ich wollte, war zu verschwinden, doch ich konnte mich kaum rühren. Mir war unsagbar heiß und ich konnte mich nur mit Mühe aufrichten. Die Hand, die er mir hingehalten hatte, wollte ich keinesfalls berühren und ich biss mir fest auf die Unterlippe, als er dann zu lachen begann. Mir war erst gar nicht bewusst, dass er mich demütigen wollte, und ich versuchte schnell auszublenden, was mir passiert war.

Eine gefühlte Ewigkeit brauchte es, bis ich endlich zurück in unserem Zimmer angekommen war. In meinen Augen hatten sich unzählige Tränen gesammelt und ich schluchzte ständig wieder auf, obwohl ich mich zu beruhigen versuchte. Ich konnte einfach nicht fassen, dass ich wirklich so naiv gewesen war ihm blind zu vertrauen und seiner Fassade Glauben zu schenken, anstatt auf Lexus’ Worte zu hören. Mein einigstes Glück war, dass er nicht in unserem Zimmer gewesen war, sodass ich alleine sein konnte. Ich wälzte und rekelte mich unaufhörlich, als ich mich endlich aufs Bett geschleppt hatte, und wollte, dass diese Hitze in mir endlich verschwinden würde. Ich weigerte mich gegen diese lustvollen Gefühle, die mich bezirzen wollten, und krallte mich fest in das Laken unter mir, so fest, dass ich es schon auseinander gerissen hatte. Mein Körper schrie und flehte nach Erlösung, die ich ihm aber nicht schenken wollte. Nichts wollte ich tun, rein gar nichts, dieser körperlichen Lust würde ich nicht erliegen!

Als ich es geschafft hatte mich ins Badezimmer zu flüchten, als ich die Tür knacken hörte und Lexus vermutete, ließ ich eiskaltes Wasser über meinen Körper laufen, wovon ich mir endlich ein Ende dieser Qualen erhoffte. Langsam, aber sicher, zeigte es ein wenig Wirkung und ich spürte, wie mein Körper sich abkühlte. In meinen Gedanken waren allerdings noch immer viel zu viele Sachen, vor allem Vorstellungen, die ich nicht sehen wollte und-
 

“Was tust du hier? Ich dachte, du würdest schon arbeiten.”
 

Oh bitte nicht, nein!

Ohne Erfolg versuchte ich mich in die Kacheln vor mir zu krallen und versuchte das Wasser noch kälter werden zu lassen - und vor allem hoffte ich, dass er schnell wieder gehen würde. Ich antwortete ihm nur knapp und wollte wimmern, als seine Stimme meinem Körper einen erneuten Schauer der Begierde schenkte.

Er war zu mir gekommen und stieg in die Duschkabine zu mir hinein, fasste mir durchs nasse Haar und küsste sachte meinen Nacken. Meine Zähnen gruben sich augenblicklich fest in meine Lippe, damit nicht ein kleiner Ton mich verraten würde, und es rollten erneut unzählige Tränen über mein Gesicht, die man unter dem Wasser zum Glück aber nicht als solche erkennen konnte. Er wollte mich mit einem Mal sachte zu sich herum drehen, doch ich weigerte mich und ging dagegen an, bis er mich gröber packte und es anschließend doch schaffte, mich zu ihm herum zu drehen.

Ich hatte mein Gesicht schnell abgewandt und hoffte, dass er nicht an meinem Körper herab blicken würde - zu groß war die Schmach für mich, dass ich in solch einem Zustand war und ich wollte mir nicht die Blöße geben, dass er mich so sah. Doch entgegen meiner Hoffung tat er genau das, was ich nicht wollte. Seine Lippen hatten fest auf meinen Mund gedrückt. Der Kuss war so ungestüm gewesen und als ich seine Zunge an meinen Lippen spürte, keuchte ich letztlich auf. Mein Körper wollte ihn, sehr deutlich, aber ich weigerte mich dagegen - zumindest versuchte ich es. Novalis’ Worte waren mir durch den Kopf gegangen und lösten ein seltsames Gefühl in mir aus. Lexus wollte mich und er machte auch keinerlei Anstalten dies zu verbergen, aber ich verwährte mich ihm, obwohl ich ihm gehörte. Ich gehörte ihm, mit Leib und Seele, und doch wollte ich mich nicht von ihm verführen lassen.

Kurz hatte er von mir abgelassen und öffnete sich seinen Suit, den er bis zur Hüfte einfach herunter gleiten ließ. Der Anblick seines nackten Oberkörpers ließ mich erzittern und die Lust in mir drohte mich zu überwältigen, als ich meinen Blick über seine Brüste schweifen ließ. Sie waren sehr viel kleiner als meine, aber um einiges schöner. Er im Gesamten war eine Schönheit...

Ich zog scharf die Luft an, als er mit seinen Atem ans Ohr raunte, und krallte mich verzweifelt in seine nassen Schultern, als er seinen Körper an meinen drückte. Ob er verstanden hatte, warum mein Körper so erregt gewesen war? Sein Körper an meinem fühlte sich fantastisch an - von ihm ging eine so angenehme Wärme aus, die ich unbedingt spüren wollte...

Aerun - 4.0

Das Pochen in meinem Unterleib machte mich schier wahnsinnig. Alles, was in diesem Moment für mich existierte, war meine körperliche Erregung, die der sexuellen Lust verfallen wollte, und Lexus, eine Verführung, der ich zu Widerstehen versuchte. Mein Körper bejahte seine Berührungen mit solch einer wilden Sehnsucht, dass ich mich kaum wieder erkannte. Der Staub der Blüte, das Aphrodisiakum, was Novalis mir im Endeffekt unter gejubelt hatte, zeigte noch immer eine andauernde und quälende Wirkung und nichts wollte ich mehr als Erlösung. Es wäre so einfach gewesen, wenn ich mich Lexus einfach hingegeben hätte, doch ich zierte mich.

Jede seiner Berührungen ließ mich aufkeuchen und wimmern, mich innerlich darum betteln, dass es endlich vorbei sein würde, obwohl ich es eigentlich genoss, und konnte dieses Wirrwarr, geformt aus meinen Gefühlen und der sexuellen körperlichen Lust, kaum in Ordnung bringen. Seine Zähne gruben sich sachte in meinen Hals, nur so weit, dass es noch keine Anzeichen einer körperlichen Verbindung gab, aber das war schon genug um mich zum Betteln zu bringen.
 

“Lexus, ich...”
 

Nichts weiter als ein Stammeln von irgendwelchen Worten, die nicht zueinander gehörten, brachte ich aus meinem Mund heraus, wenn es nicht ein weiteres Stöhnen war, was er mir entlockte...

Wenn ich an ihm herab blickte konnte ich nur zu deutlich erkennen wie erregt er selbst war und jede seiner Liebkosungen ließ mich förmlich spüren, wie sehr er nach mir verlangte.
 

“Ich weiß.”, raunte er mir entgegen, “Ich werde dir nichts tun... Nichts, was du nicht auch willst.”
 

Es fiel mir schwer zu schlucken. Als sich Lexus’ Hände an meine Brüste legten fühlte ich, wie sich umso mehr Wärme in mir aufbaute und ich bat innerlich inständig darum, dass er auch halten würde was er soeben von sich gegeben hatte.

Als seine Krallen sich langsam in meinen Oberkörper hinein gruben, stöhnte ich erneut auf. Kein Schmerz, nichts, nur ein Gefühl reinsten Entzückens. Scheinbar ging es während eines solchen Akts ebenfalls eine körperliche Verbindung ein - alleine der Gedanke daran ließ mich erschaudern und ein aufgeregtes Kribbeln in meinem Bauch hatte mich verraten. Er hatte es gespürt, sofort, als er mit seinen Krallen in meine Brust getaucht war, und schenkte mir ein zufriedenes Schmunzeln. Da war es wieder, das Pochen seines Herzens, dass ich in meinen Ohren hallen hörte und ein gewaltiger Schwall an Emotionen, die sich in meinen Körper übertrügen und mich überwältigten. Ebenfalls konnte ich seine Begierde spüren, in einer ganz anderen Art und Weise, wie ich es mir vorher nie hätte erträumen können. Unser Blut begann sich zu mischen, ebenso wie es unser Speichel tat, und ich wollte nichts anderes mehr als sein Eigen zu sein. Anders als die körperliche Verbindung, die ich bisher kannte, war diese um einiges intensiver. Was da genau mit ihm geschah, konnte ich nicht sagen, aber sein Körper setzte erneut zu einer Transformation an. Aus seinen Armen drängten sich schlangenartige Gewebe-Zusammensetzungen, die sich erst wirr an mich heran tasteten und sich dann aber ebenfalls unter meine Haut legten, um sich mit mir zu verbinden. All meine empfindlichen, von Lust beherrschten Gliedmaßen, hatten sich mit ihm verbunden, auf eine skurrile Art und Weise, und ich spürte, wie sie etwas aus meinem Körper heraus pumpten und mir somit Befriedigung verschafften - all meine sexuellen Empfindungen schienen in Lexus’ Körper über zu gehen und brachten ihn zum keuchen und stöhnen, was mich erschaudern ließ. Die ganze Hitze, die vorher so unerträglich für mich gewesen war, war langsam aus meinem Körper gewichen und in den von Lexus über gegangen, bis das letzte Fünkchen der Lust erstickt schien.
 

Ich war noch so überwältigt von diesem Akt gewesen, dass ich keinerlei Worte dafür fand. Eigentlich hatte ich eine ganz andere Vorstellung von Sex gehabt und war nun doch verwundert darüber gewesen, dass er es auf eine ganz andere Weise ausleben konnte. Das, was ich mit ihm zusammen erlebt hatte, war weitaus mehr als eine einfache fleischliche Verbindung gewesen. Im Endeffekt hatte er mir meine Qualen genommen und sie für mich ertragen, anstatt dass er sich an mir vergangen hätte. Alles, was ich in diesen Momenten gefühlt hatte, war nichts gewesen, was mich mit Abscheu erfüllte, eher noch im Gegenteil: meine Faszination für ihn war mehr und mehr gewachsen und ich mochte ihn mit funkelnden Augen betrachtet haben, die nicht mehr von ihm ablassen wollten.
 

Ein letztes Keuchen flüchtete aus meinem Mund, als er seine Krallen aus meiner Brust zurück zog. Die Male des Eindringens in das Fleisch schlossen sich in sekundenschnelle wieder und nichts war mehr von dem zu erkennen, was vorher geschehen war. Auch an ihm nicht. Sein Körper hatte sich schnell wieder in einen Normalzustand zurück entwickelt und ließ keine Anzeichen mehr von einer vorherigen Transformation erkennen.
 

“Von nun an... hältst du dich aber wirklich von ihm fern. Ich wusste, dass er solche miesen Spielchen mit dir treiben wollen würde...”
 

Nur ein zögerndes Nicken konnte ich als Reaktion darauf geben. Noch immer konnte ich nicht glauben dass ich so naiv gewesen war, Novalis zu vertrauen. Für ihn war ich wohl ein gefundenes Fressen gewesen, ein Spielball, an dem er sich austoben konnte, und ich wollte all dies nur schnell wieder vergessen.

Lexus’ Hand hatte sich um meine Wange gelegt und mich gestreichelt und seine Lippen suchten ein letztes Mal nach den meinen, um sie sanft zu liebkosen.
 

“So einfach wird er damit nicht davon kommen... Ich kann nicht akzeptieren, dass er dich so dermaßen demütigt.”
 

Ich atmete erleichtert auf und seufzte wohlig, als seine Lippen sich fester auf meinen Mund drückten und krallte mich leicht an seine Schultern: “Ich...”, wieder zögerte ich und musste mich erst einmal sammeln, bevor sich ein sinnvolles Wort-Gefüge ergab, “Ich kann selbst kaum glauben was mir da passiert ist... Dass ich so ein Trottel war und ihm blind vertraute, ohne zu merken, was er im Schilde führte... Ich...”
 

“Das ist nur ein Rache-Akt von ihm, den er nun an dir ausspielen will.”
 

Eine Rache-Akt? Inwiefern das? War also tatsächlich etwas in der Vergangenheit zwischen den Beiden vorgefallen?
 

“Bevor er es dir erzählt...”, setzte er leise an, “Es gab eine Zeit, in der er etwas wie einen Partner für mich darstellte. Es war nichts, was mir etwas bedeutete, auch wenn ich nicht von ihm behaupten kann, dass er das Gleiche für diese Zusammenkunft empfand. Immer schon hatte er davon gewusst, dass er für mich keinerlei Bedeutung hatte, und auch wusste er, dass es dich gab, auch wenn du nicht an meiner Seite geweilt hast. Mit allen möglichen Mitteln hatte er versucht mich an sich zu ketten, aber es war ihm misslungen. Noch immer scheint es mir so als würde er etwas für mich empfinden und nun, wo ich dich endlich an mich gebunden habe, muss das für ihn das absolute Schreckens-Szenario darstellen. Vermutlich ist es nun sein höchstes Glück, dich in irgendeiner Weise bloß zu stellen und dich zu demütigen.”
 

Er und Novalis waren ein Paar gewesen? Das war nichts, was ich mir vorher hätte vorstellen können und ich brauchte ein paar Momente, um das zu begreifen.
 

“Ich hatte gehofft, dass er Karatek inzwischen verlassen hat, damit du ihm nicht begegnen musst.”
 

Ein flüchtiges Lächeln war soeben wieder verflogen und ich schmiegte mich vorsichtig an ihn: “Jetzt weiß ich es... und versuche, ihm aus dem Weg zu gehen... Nachher werde ich nach einer anderen Arbeit fragen und mich so weit es geht von ihm distanzieren.”
 

Ich hätte von Anfang an auf ihn hören sollen.
 


 


 

-
 


 


 

Als ich mich mit Lexus einige Stunden später auf den Weg zu den Ältesten machte, die über Fug und Recht auf Karatek urteilten, war mit etwas flau im Magen gewesen. Der Zwischenfall mit Novalis war mir äußerst unangenehm gewesen - und die Tatsache, dass ich nun wusste, dass er Lexus’ ehemaliger Partner gewesen war, machte das alles nicht einfacher für mich.

Im Empfangssaal der Ältesten angekommen - ein prachtvoller Raum, verziert in den schönsten Gold- und Silbertönen - verbeugte ich mich vor den vier Wesen, die sich von ihren Thronen erhoben hatten, um uns näher zu kommen.
 

“Aria Mercure war der Name, richtig? Ihr Partner, Lexus er Chak, hat uns darüber informiert, dass Sie mit der Zuteilung Ihrer Arbeit nicht zufrieden sind. Würden Sie erläutern, warum?”
 

Bevor ich auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte, war Lexus mir zuvor gekommen: “Meine Ehren, erlaubt mir die Situation zu erklären. Es kam zu einer unangenehmen Reiberei zwischen ihm und seinem eigentlichen Herrn, der ihn anweisen sollte. Hingegen der eigentlichen Richtlinien nutzte dieser allerdings die Chance, meinen Partner zu erniedrigen.”
 

“Erniedrigen? Inwiefern?”
 

Die bloße Anwesenheit der Ältesten flößte mir Respekt ein. Ihre Stimmen waren machtvoll und sie sprachen in solch einer perfekten Synchronität in einem Chor von engelsgleichen Stimmen, dass es mir durch Mark und Bein ging.
 

“Anstatt ihm der Arbeit einzuweisen, erlaubte er sich lieber den Spaß eine seiner neuesten Errungenschaften an Pflanzen an ihm auszuprobieren, die ein Aphrodisiakum produziert, mit welchem er in Berührung kam. Ich bin mir absolut sicher darüber, dass das kein Zufall gewesen war.”
 

Wieder erhob der mächtige Chor das Wort: “So, wie Sie es schildern, klingt es tatsächlich nach einer mutwilligen Tat. Sagt, welche Gründe soll der Angeklagte gehabt haben das zu tun?”
 

Für einen Moment lang schwieg Lexus und ich merkte, dass es ihm schwer fiel sich zu erklären, doch er fasste sich wieder: “Novalis Imperidus ist mein ehemaliger Partner. Ich bin mir sicher, dass es im Grunde einen Rache-Akt darstellen sollte, der mir und vor allem meinem Partner zu Schaden kommen sollte.”
 

Die Stimmen hatten sich zu verschiedenen Murmel-Lauten geteilt und es wurden keinerlei Fragen mehr gestellt. Ich hatte mitbekommen, das Novalis nicht unbedingt einer von vielen war, sondern eher noch eine wichtige Rolle, und es musste wirklich mutig von Lexus gewesen zu sein, als Jemand, der eigentlich nicht auf Karatek lebte, solch Anschuldigungen zu erheben. Und so, wie ich Novalis einschätzte, würde er seine Schuld womöglich auch nicht einräumen und es abstreiten...
 

“Aria Mercure bekommt eine andere Arbeit zugeteilt. Es wird dabei versichert, dass er sich als Ihr Partner in Eurer Nähe aufhalten kann, damit für seine Sicherheit gewährleistet ist. Wir bedauern, dass Sie als unser Gast solche Ereignisse habt ertragen müssen.”
 

Wir atmeten beide erleichtert auf und verbeugten uns erneut, um ihnen Respekt zu zollen, und verließen dann den Saal.

Musste Novalis nun mit Konsequenzen rechnen? Oder kam er einfach so davon? Fakt für mich war, dass ich mich nun in Lexus’ Nähe um einiges sicherer fühlte und beschloss auch, dass ich nicht mehr so schnell Jemandem mein Vertrauen schenken würde, auch wenn er freundlich und nett gewesen sein mochte - zumindest im ersten Moment. Die Arbeit, die ich nun zugeteilt bekam, war etwas, was mir bekannt war. Lexus musste sich um einige Maschinen kümmern und ich sollte ihm dabei Hilfe leisten. Immerhin verfügte ich immerhin auch über ein bisschen Know-how. Wie lange wir aber noch auf Karatek bleiben würden konnte Lexus mir nicht sagen, vermutlich wusste er das selbst noch nicht so genau.
 

Lexus war voran gegangen und ich trottete ihm hinterher. Für heute mussten wir keine Arbeit mehr leisten und konnten uns etwas Freizeit gönnen. “Es gibt noch einiges an und auf Karatek, woran du dich gewöhnen müssen wirst. Aber das hat noch Zeit und eilt glücklicherweise nicht.”, warf er dann ein, “Es gibt hier einige Sitten und Bräuche, mit denen du dich anfreunden musst.”
 

“Die da wären?”
 

Nur ein Grinsen musste mir als Antwort auf meine Frage genügen und es fiel mir schwer mir vorzustellen, was für Sitten und Bräuche es wohl auf Karatek gab. Ich befürchtete nichts Schlimmes, eher noch sehr unterhaltsame und schöne Festlichkeiten, immerhin war dieser Ort eine Niederlassung der absoluten Schönheit, und nichts sprach für etwas, was ich als Negativ hätte empfinden können. Außer Novalis vielleicht...
 

“Wie gesagt, das hat Zeit. Du solltest erst einmal versuchen dich hier einigermaßen einzuleben. Der Rest kommt Schritt für Schritt.”
 

Obwohl meine Neugierde ins unermessliche gewachsen war, wollte ich nicht weiter nachfragen. Ich musste mich zügeln. Sowieso war es mir gerade lieber erst einmal alle Gedanken bei Seite zu schieben und mich noch weiter um zu sehen, immerhin gab es noch so vieles, was ich von Karatek nicht kannte.

Inzwischen so gelassen und selbstverständlich neben Lexus zu laufen und seine Nähe zu genießen, kam mir in wenigen Momenten noch immer fremd vor, da ich noch immer an die Ereignisse denken musste, im Zusammenhang mit ihm, die weniger schön waren. Noch immer hatte er mir einiges an Informationen verschwiegen, besonders solche die in Verbindung mit dem Verbleib von Lykratek zusammen hingen, aber ich hoffte noch immer, dass er mir all dies irgendwann von alleine erzählen würde. Ich vertraute ihm, voll und ganz, und ich wollte ihm keinerlei Misstrauen gegenüber bringen, immerhin war ich sein Partner.

Aerun - 5.0

Lexus hatte beschlossen, mir während unserer Freizeit einen großen Teil von Karatek zu zeigen. Dieser wunderschöne Zufluchtsort war das schönste Fleckchen Lebensraum, was ich bisher sah und ich war noch immer so verzaubert von all dem um mich herum, dass ich mich gar nicht dafür entscheiden konnte, was nun schöner auf mich gewirkt hatte. So, wie ich es eingeschätzten konnte, war Karatek eine kleine Kolonie, die sich auf einem noch kleineren Stern angesiedelt hatte, miteinander verschmolzen und zu einem Großen und Ganzen geformt. Die Bewohner Karatek’s waren, bevor sie sich dort nieder gelassen hatten mit ihrem Schiff, was den Lebensraum der Kolonie darstellte, auf der Durchreise gewesen und mussten Notlanden, die einzige Möglichkeit dazu hatte also der kleine namenlose Stern geboten und wurde dann direkt auch besiedelt. Warum die Bewohner Karatek’s letzten Endes dort blieben, anstatt weiter zu reisen, wusste ich nicht. Und woher waren sie gekommen? Mussten sie ihren eigentlichen Heimat-Stern zwangsweise verlassen und suchten nach einer neuen Möglichkeit sich einen Lebensraum zu schaffen? Das konnte Lexus mir nicht beantworten - und ich war schon froh darüber, dass er mir überhaupt so viele Informationen schenkte.

Um Karatek herum gab es drei Sonnen und zwei Monde und durch die regelmäßige Licht-Gabe und Bestrahlung der Sonnen konnte man an diesem Ort kein Tag und Nacht so genau ausmachen - eher gab es nur den Tag und höchstens zwei Stunden Dunkelheit, die man aber nicht als Nacht-Phase bezeichnen wollte. Im Vergleich zu den Verhältnissen meiner damaligen Kolonie war das schon ein sehr großer Unterschied - dort herrschte die Nacht und ich hatte beinahe schon die Hoffung aufgegeben, dass ich jemals noch einen richtigen Tag erleben würde. Vielleicht war es das auch gewesen, was Karatek so besonders und so unglaublich schön machte. Das Licht der Sonnen war in keinster Weise aggressiv, sondern schlicht und einfach nur angenehm gewesen und hüllte Alles und Jeden in solch einen wunderbaren Schimmer, der alles mit einer Schicht von Schönheit zu überziehen schien.
 

Als wir einige Stunden durch die Kolonie gelaufen waren, damit ich auch jede Ecke kennen lernte, machten wir eine kleine Pause. Lexus hatte mich in einen kleinen Garten geführt, der mich stark an das große Gewächshaus erinnerte, der aber wesentlich schlichter gehalten war. Durch die Überdachung eines speziellen Glas-Daches schimmerte das bläulich-silberne Licht einer der Monde hindurch und schenkte dem Garten eine sehr eigene Atmosphäre, die für Wohlbefinden sorgte.
 

“Ich dachte mir schon, dass du so begeistert von diesem Ort sein wirst.”
 

Lexus setzte sich auf eine kleine Bank, inmitten der vielen schönen Pflanzen, und ich nahm neben ihm Platz und nickte: “Oh ja... Das ist um Weiten schöner als alles andere, was ich bisher gesehen habe. Und vor allem diese Anzahl an Pflanzen! Auf meiner Kolonie gab es kaum eine und auch die Tatsache, dass hier der Tag die Herrschaft an sich gerissen hat, macht mich irgendwie glücklich."
 

Hatte ich da ein Lächeln auf seinen Lippen gesehen?
 

“Ein Kind des Lichts, hmm?”, scherzte er erst, “Ironisch, dass du dann der Partner eines Kindes der Dunkelheit geworden bist. Aber das muss es sein, das Gleichgewicht, was solch eine Verbundenheit auch erfordert.”
 

Ich fühlte, wie sich meine Wangen in Windeseile erwärmt hatten und erahnte einen Rotschimmer im meinem Gesicht, den ich vor ihm verstecken wollte. So einfach konnte ich damit noch nicht umgehen, dass ich nun tatsächlich sein Partner war, auch wenn es mich glücklich machte. Ich verstand nur noch immer nicht, warum es gerade ich war, den er wollte, wo er doch sicherlich jemanden hätte finden können, der um einiges besser war als ich - in einigen Hinsichten. Wenn ich an Novalis dachte, an die Schönheit, die er besaß und seine ganzen Fähigkeiten, von denen mir andere erzählt hatten, dann fühlte ich mich daneben schon so, als wäre ich im Gegensatz zu ihm nur eine kleine Blume, die es nie geschafft hatte so zu erblühen wie er es tat. Meine Wangen kühlten sich schnell wieder ab, was bei solchen Gedanken kein Wunder gewesen war. Das Wissen, dass Novalis sein ehemaliger Partner war, gefiel mir irgendwie nicht...
 

“Worüber denkst du schon wieder nach?”
 

“Nichts Wichtiges.”, ich winkte mit einem unsicheren Lächeln ab und hoffte, dass wir das Thema schnell wieder verwerfen würden, “Ich bin etwas aufgeregt, wegen der neuen Arbeit.”
 

Eine kleine Blüte hatte sich zwischen seinen Krallen befunden, die er mit einer ungewohnten Sorgsamkeit behandelte - sie war wohl abgefallen und hatte sich von ihrem Stamm getrennt und es schien mir fast so, als würde Lexus ihre letzten lebenden Zellen sachte in sich aufnehmen, bevor jegliche Farbe aus ihr gewichen war und sich in ein lebloses Grau wandelte.
 

“Deswegen brauchst du nicht aufgeregt zu sein.”, wisperte er dann, “Alles, was du zu tun hast, wird nichts Neues für dich sein. Und nun schieb all diese unwichtigen Gedanken bei Seite, ich will, dass du nur Augen für mich hast.”
 

Schneller als ich reagieren konnte hatte er einen Arm um meine Schulter gelegt und mich näher an sich heran gezogen. Meine Hände suchten schnell Halt an seinem Oberkörper und ich mochte wie ein verängstigtes Tier in seine Augen geblickt haben, weil ich so überrascht gewesen war. Wieder hatte sich ein Schmunzeln auf seine Lippen gelegt und eine seiner Krallen strich langsam über meine Lippen, bevor er mich küsste. Mir war unbewusst ein leises wohliges Seufzen entwichen, als ich seine Lippen auf meinen spürte, und genoss diesen kleinen Moment.

Ich hatte erst gar nicht gemerkt, dass er mir durch die Haare strich und blinzelte ihn perplex an, als er sich von mir löste und die tote Blüte in mein Haar steckte. Ein kleines, seltsames Kribbeln durchfuhr meinen gesamten Körper und war so schnell schon wieder verschwunden, wie es gekommen war. “Was...” Ich traute meinen Augen kaum, als er die Blüte wieder aus meinem Haar genommen und sie mir gezeigt hatte. Das leblose Grau war wieder aus ihren Blättern gewichen und sie erstrahlte nun in der Farbe meines Haars.
 

“Du scheinst die Kräfte, die in dir schlummern, nicht einmal zu erahnen, stimmt’s?”, flüsterte mir Lexus zu und ich beobachtete, wie er die kleine Blüte an ihren Stamm hielt, an welche sie sich, wie aus Zauberhand, wieder fügte und wieder zu einem lebendigen Bestandteil des Gartens wurde. War das wirklich meine Fähigkeit gewesen, dass ich dieser Blüte neues Leben schenken konnte? Noch nie zuvor hatte ich irgendwelche Anzeichen von besonderen physischen Kräften gemerkt und war mir nicht sicher darüber, ob Lexus mir nur einen kleinen Streich gespielt hatte. “Es ist so, wie ich es eben gesagt habe: du bist ein Kind des Lichts. Was für Fähigkeiten dir inne wohnen scheint dir wirklich nicht bewusst zu sein, aber das werde ich schon noch ändern.”
 

“Aber was bedeutet das? Kind des Lichts, Kind des Lichts, ich weiß nichts von irgendwelchen besonderen Fähigkeiten, die ich haben soll!”
 

Lexus reagierte auf meine sichtliche Verwirrung mit einem leichten Grinsen und zog mich erneut zu sich heran. “Ich kann alles, was sich in dir verbirgt, erahnen, wenn nicht sogar klar sehen. Wenn du eine körperliche Verbindung mit mir eingehst, habe ich vollstem Zugriff auf jegliche Informationen, die dein Körper gespeichert hat, und dazu gehören auch spezielle Fähigkeiten, die du selbst noch nicht erkundet hast. Dass die Rasse der Aterun über keinerlei speziellen Fähigkeiten besaß ist zwar richtig, aber das bedeutet nicht, dass das auch auf dich zutrifft.“
 

Es fiel mir schwer, mich auf seine Worte zu konzentrieren, wenn ich seinen kalten Atem an meinem Mund spürte und mich insgeheim danach sehnte, dass er mir diesen schenken würde. “Aber... das ergibt keinen Sinn. Nichts an mir ist anders als an allen anderen meiner Rasse...”
 

“Und warum warst nur du fähig, dich am leben zu erhalten?”
 

Das war Nichts, worüber ich vorher genau drüber nachgedacht hatte. Ich hatte immer geglaubt, dass es ein reiner Zufall gewesen war, dass ich einfach nur Glück gehabt hatte...
 

“Ich verfüge zwar über das Wissen, was dich aufklären könnte, aber ich denke es ist zu früh, um dir all das zu vermitteln. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werde ich dir alle Informationen geben, wenn du sie bis dahin nicht selbst schon erlangt hast.”
 

Etwas anderes als einfach nur nicken konnte ich gar nicht tun. Das hatte mich nun, ein kleines bisschen, aus der Bahn geworfen und verwirrte mich. Ich vertraute auf seine Worte und wollte nichts überstürzen. Vielleicht war es nicht unbedingt von Vorteil, wenn ich mich durch meine Wissbegier überforderte, anstatt alles in angemessenen Zeit-Abständen geschehen zu lassen.
 


 

-
 


 

Zu einem späteren Zeitpunkt gesellten wir uns zu einigen Bekannten von Lexus, die mir vorher auch schon vorgestellt wurden. Es handelte sich um Fyhas und seiner Partner Arash, die mit uns vorgeschlagen hatten mit ihnen unsere Mahlzeiten einzunehmen. Arash war einer der wenigen auf Karatek, der seine Haare sehr kurz trug und sein markantes Gesicht verschmolz nahezu perfekt mit seinen rabenschwarzen Haaren, die nicht auch nur ansatzweise in sein Gesicht fallen konnten. Fyhas war im Gegensatz zu ihm um einiges kleiner und hatte lange, wellige Haare, die in einem rötlichem Glanz schimmerten und ein sehr feminin wirkendes Gesicht, das sich durch volle Lippen und unglaublich lange Wimpern auszeichnete. Die Beiden waren wirklich nett gewesen und es bereitete mir keinerlei unangenehme Gefühle, wenn ich mit ihnen sprach - und dieses Mal wollte ich mich nicht täuschen, so, wie ich es bei Novalis getan hatte.

Lexus hatte sich größtenteils mit Arash unterhalten, während mir Fyhas seine Aufmerksamkeit schenkte: “Mich freut es wirklich, dass du uns Gesellschaft leistest, Aria! Es ist so selten, dass man hier Besuch bekommt, da freut man sich umso mehr darauf, wenn man mal ein neues Gesicht entdeckt.”, sagte er, so aufgeregt, dass ich fast darüber lachen musste, “Als Lexus immer von dir sprach konnte ich mir erst gar nicht vorstellen, dass du wirklich so bist, wie er immer gesagt hat, aber nun kann ich ihm nur voll und ganz zustimmen! Mich freut es auf jeden Fall, dass wir Bekanntschaft geschlossen haben, und ah, es würde mich auch freuen, wenn man sich öfter sehen würde!”
 

Seine Worte erinnerten mich für einen kurzen Moment an etwas, was Novalis mir bei unserer Ankunft gesagt hatte - aber das versuchte ich schnell auszublenden, immerhin wollte ich ihm keinen Platz mehr in meinem Kopf gönnen: “Vielen Dank... Mir gefällt es hier auf Karatek wirklich unheimlich gut. So einen schönen Ort habe ich zuvor noch nie gesehen und bin wirklich begeistert davon und hoffe, dass wir hier noch eine längere Weile bleiben werden.”
 

“Entschuldige, wenn ich das nun so offen anspreche, aber... Ich hörte, dass man dich bereits belästigt hat? Stimmt das oder muss ich dem keinen Glauben schenken?” In Fyhas’ Miene lag eine Art von Sorge, die mich erst verwunderte und als ich nicht antwortete, setzte er erneut an: “Das war bestimmt Novalis, oder? Schon bei eurer Ankunft hat er sich ganz seltsam verhalten... Aber wen wundert das...”
 

“Hmm?”
 

“Na ja, du weißt ja sicherlich, dass er und Lexus... Er sprach zwar davon, dass er ganz aufgeregt sei dich kennen zu lernen, aber glauben konnte ich dem nicht so wirklich... In der Vergangenheit war er so dermaßen vernarrt in Lexus, da kann ich mir kaum vorstellen, dass er es nun so einfach zulassen will, dass du seinen ehemaligen Platz nun einnimmst...”
 

Während Fyhas sprach hatten sich Arash und Lexus wieder zu uns gesellt, die vorher etwas durch den Raum geschlendert waren, und Lexus brachte sich sofort in das Gespräch ein: “Aria hat seinen Platz nicht eingenommen, da es nie einen bedeutsamen Platz für Novalis gab und ich habe ihm auch nie die Hoffnung gegeben, dass er ein wichtiger Teil meines Lebens sein könnte. Alles, was er sich zusammen gereimt hat, besteht aus seiner Fantasie und seinen unmöglichen Wünschen und seinen Unwillen gegen Aria muss er nun natürlich ausleben, damit er sich besser fühlen kann.”
 

Mein Herz machte einen beachtlichen Sprung, als ich seine Worte hörte.
 

“Aber dass er dann so armselig sein muss und Aria belästigt, das hätte ich nicht von ihm erwartet. Ich dachte, dass er vernünftiger sei und nicht so ausschweifen würde, selbst wenn seine seelischen Verletzungen massiv sind... Ist ja nun aber auch nicht das erste Mal, dass er negativ auffällt...”

Fyhas schien Novalis auch schon eine Weile zu kennen und es überraschte mich, dass er sich nun sozusagen auf meine Seite schlug, obwohl ich für ihn quasi ein Fremder war, der viel hätte erzählen können. Es gab wohl einige, die Novalis nicht über den Weg trauten, und das bestärkte mich noch ein wenig in meinem Unmut.
 

Arash’s Finger trommelten in eine gleichmäßigem Rhythmus auf den gläsernen Tisch und warf dann auch ein paar Worte ein: “Lasst uns dieses Thema abschließen und Aria nicht noch mehr Unannehmlichkeiten bereiten. Ich denke nicht, dass er nun große Lust darauf verspürt sich nochmals damit zu befassen. Also, Aria, erzähl uns etwas von dir. Lexus deutete an, dass du zur Rasse der Aterun gehörst?”
 

Ich war von Arash’s schnellem Themenwechsel überrascht und bedankte mich innerlich bei ihm dafür, da mir die Sache mit Novalis tatsächlich eher ungute Gefühle bereitete.

“Uhm... ja, das stimmt. Das ist zwar nichts Besonderes, aber ich mochte mein Volk doch schon ganz gerne, ja...”, gab ich eher kleinlaut von mir, “Ich finde es wirklich schade, dass ich keine Artgenossen mehr habe.”
 

“Als ich noch kleiner war hatte mein Vater Kontakt zu einem Aterun, allerdings kann ich mich nicht mehr an seinen Namen erinnern... Es ist auf jeden Fall schon lange her, aber was ich noch in Erinnerung behalten konnte war, dass ich diesen Aterun als unglaublich friedlich und besonnen erlebt habe. Ich weiß auch nicht, er hatte irgendetwas an sich, was mich beruhigte... Wirklich schade, dass es deiner Rasse nicht vergönnt war länger zu leben, Aria...” Fyhas hatte einer seiner Hände auf meine gelegt und ließ mich nur zu deutlich spüren, dass er tatsächlich Trauer dafür empfand, dass die Aterun ausgelöscht worden waren - gemeinsam mit meinem Heimat-Stern - und ich war ihm dankbar dafür gewesen, dass er Mitgefühl für mich empfand.
 

Wir verbrachten noch einige Stunden damit, uns mit den beiden zu unterhalten, bis wir zurück in unser Zimmer gegangen waren. Ich war irgendwie glücklich darüber gewesen, zwei so nette neue Bekanntschaften geschlossen zu haben und die ganzen unguten Gefühle und die Befürchtung, dass man mich hier allgemein nicht haben wollen würde, hatte ich so langsam abschütteln können.

Nachdem ich mich gewaschen und umgezogen hatte wollte ich mich zu Lexus gesellen, der aber war nicht mehr im Zimmer gewesen. Das verwirrte mich erst, aber ich versuchte mir nicht großartig Gedanken darüber zu machen. Sicherlich gab es einen simplen Grund für seine Abwesenheit und nachlaufen und ihn nerven wollte ich ihm immerhin auch nicht, also legte ich mich alleine ins Bett und versuchte auf ihn zu warten, obwohl mein Körper schon ständig zum schlafen ansetzen wollte.

Aerun - 6.0

Ich war nur ein mal kurz wach geworden, als ich Lexus im Zimmer hörte, konnte allerdings nicht erkennen, was er genau machte, und schlief auch relativ schnell wieder ein. Ihn in meiner Nähe zu wissen beruhigte mich für diesen Moment und gönnte mir noch einige Stunden Schlaf, bevor ich mich der erste 'richtige Arbeitstag' erwartete.
 

Schon wieder keine Spur von Lexus.

In meinen Augen lag noch immer der Schlaf und ließ sich auch nur mit Mühe heraus reiben - eine kalte Dusche war eh die einzige Möglichkeit, die mir geblieben war und schaffte es auch, mich einigermaßen aus meiner Traumwelt zu reißen. Die Nervosität, die mich am Vortag noch belästigt hatte, war wie verflogen gewesen und ich machte mir kaum Gedanken darüber, wie der erste Tag mit meiner neu eingeteilten Arbeit wohl laufen würde.
 


 

-
 


 

Nicht eine Minute zu spät war ich zu dem Teil der Kolonie gegangen, wo ich arbeiten sollte. Dieser Teil war ein wenig abgelegen und glich einer Art Anbau, der kein ursprünglicher Bestandteil des Schiffes, aus welchem Karatek entstanden ist, gewesen war. Vorhanden waren zwei Lande- und Startflächen für Maschinen, sowohl als auch ein Control-Tower und einige kleine Werkstätten, angeschlossen an einer großen Säule, die sich als der wichtigste Teil dieses Bereiches heraus stellte. Besondere Kleidung musste ich für den Aufenthalt dort nicht tragen, nur einen Helm, der mit einem Kontroll-Schirm ausgestattet war, mit dem ich die technischen Daten überwachen konnte. Einer der Arbeiter wies mir an, wohin ich zu gehen hatte, und hoffte, dass Lexus schon dort sein würde - immerhin war er die Nacht über beschäftigt gewesen, zumindest dachte ich das, und ich musste mich an seine Instruktionen halten, da kein anderer für mich zuständig war. Nach kurzem Suchen hatte ich die kleine Werkstatt gefunden und war überrascht darüber, dass ich selbst ohne Lexus' Anwesenheit Zugang zum geschützten Bereich bekam. Im Inneren der kleinen Werkstatt befanden sich allerlei Instrumente und Maschinen, die zur Hilfe der Reparatur von verschiedenen technischen Geräten dienten - und noch immer keine Spur von Lexus...
 

Es dauerte eine gefühlte Stunde, bis er endlich auftauchte. Er wirkte in keiner Weise gestresst, gehetzt oder sonstiges, sondern strahlte eine Ruhe aus, die mich verwirrte. Wo war er die Nacht über gewesen und vor allem, was hatte er die Nacht über gemacht?
 

“Guten... Morgen.” Wie hätte ich ihn sonst begrüßen sollen? Im Grunde gab es auf Karatek keinen richtigen Morgen. Die Tageszeiten waren mir noch nicht ganz greifbar gewesen.
 

“Du bist alleine hier rein gekommen?”
 

Ich zog verwirrt beide Augenbrauen in die Höhe und nickte. Gut, ich war selbst erstaunt darüber gewesen, dass ich ohne ihn Zugang zu dieser Räumlichkeit erhalten hatte, aber nun war auch er sichtlich verwirrt...

Die Frage, wo er die letzte Nacht war, brannte mir auf der Zunge. Sie war ständig kurz davor von meinen Lippen zu springen, schaffte es aber nicht. Ich fühlte mich seltsam. Seltsam distanziert zu ihm, obwohl ich seine Nähe suchte.

Diese Distanz hielt den ganzen Tag über an. Er tat nichts anderes, als mir zu erklären, was ich zu tun hatte, und das war es dann auch. Keinerlei Erklärungen, auf die ich auch eigentlich gar keinen Anspruch hatte, und auch sonst keine vertrauten Worte. Ich fühlte mich wie ein Fremder, den er erst kennen gelernt hatte, und das verunsicherte mich. Woher kam dieser Wandel? Hatte ich etwas falsch gemacht? Und spürte er denn nicht, dass sein Verhalten mich, in gewisser Weise, verletzte?
 

Nachdem die Arbeit getan war zog er sich die Handschuhe von den Klauen, warf diese unachtsam in den Raum hinein und drehte sich nicht mal mehr zu mir herum, sondern verließ die Werkstatt einfach, ohne auf mich zu warten.
 

Da war schon wieder so einer, ein Stich in meiner Brust.
 


 

-
 


 

Mir war kaum nach Essen zu Mute und auch das Gespräch mit Fyhas, der mir sogar aufzwingen wollte zu essen, munterte mich nicht unbedingt auf. Ansprechen, wie Lexus sich verhielt, wollte ich auch nicht. Dieser absolute Wandel in seinem Verhalten war einfach unverständlich gewesen und es bereitete mir Mühe, darüber nachzudenken. Ich war mir sicher, dass ich nichts falsches getan hatte, aber ich konnte mir einfach nicht erklären, was für den Umschwung in seinem Wesen gesorgt hatte. Vielleicht war in der letzten Nacht tatsächlich etwas vorgefallen, was ihn nicht unbedingt positiv gestimmt hatte - ich musste und wollte es einfach erfahren...
 

Oh bitte, bitte, zieh nicht noch weiter so ein Gesicht! Ich mag es gar nicht, wenn sich diese seltsamen Falten in deinen Mundwinkeln aufbauen!” Fyhas wollte auch einfach nicht locker lassen. Seine Bemühungen, mich zu ermuntern, ließen mich doch für einen kurzen Moment lächeln.
 

Genüsslich kaute er auf irgendetwas herum, wovon ich nicht sagen konnte, was es war, schluckte es herunter, seufzte auf und setzte dann erneut an: “Was auch immer mit dir los ist... Ich hoffe, es war nur ein blöder Arbeitstag, der dir die Stimmung vermiest hat, aber.. ach, ja! Bevor ich es vergesse! Arash fragte mich vorhin, ob ich dich nicht zu uns einladen wollen würde. Er und auch ich, besonders ich, wir würden uns über deine Gesellschaft wirklich freuen! Und wenn Lexus Lust hat, kann er ja auch mitkommen!”
 

Ich wagte es mich und griff ebenfalls nach der Delikatesse, die Fyhas verschlungen hatte, und probierte es ebenfalls. Meine Geschmacksnerven traf das Zeug leider nicht so unbedingt...
 

“Vielen Dank für die Einladung... Ich schau, was sich einrichten lässt, ja?”
 

Irgendwie fühlte ich mich undankbar, einfach weil ich mich mehr über diese Einladung, die ich wirklich als unheimlich nett empfunden hatte, freuen hätte müssen, anstattdessen zwang ich mir ein Lächeln auf und schluckte meine Sorgen herunter, die eigentlich den Weg in ein anderes Gehör suchten.
 

“Unsere Räumlichkeiten sind auch nicht sooo schwer zu finden! Also bitte, komm mal vorbei, ja?”
 

Wirklich abschlagen konnte ich das nicht. Ich war schon froh genug, dass ich nach dem Fehlstart mit Novalis, was erste Kontakte mit Bewohnern von Karatek betraf, nun Personen kennen lernte, deren Beisein ich wirklich zu schätzen wusste, und isolieren wollte ich mich nicht unnötig. Es hatte wohl schon einen vernünftigen und triftigen Grund für Lexus’ Verhalten gegeben und ich sollte mir darüber nicht den Kopf zerbrechen - zumindest versuchte ich mir das in den Kopf zu hämmern...
 

Nach dem Essen ging ich in Lexus’ und mein Zimmer zurück, da ich mich noch umziehen musste und nach ein oder zwei Stunden Schlaf verlangte. Nachdem ich mich einigermaßen erholt und frisch gemacht hatte, machte ich mich auf den Weg zu Fyhas’ und Arash’s Räumlichkeiten. Lexus war vorher nicht mehr aufgetaucht, also wollte ich sie alleine besuchen. Fyhas hatte mir die Koordinaten noch aufgeschrieben und die Suche fiel mir nicht besonders schwer. Sie schienen in einem besonders schönen, aber auch eigenwilligem Teil von Karatek zu leben, und ich zögerte erst anzuklopfen, tat es dann aber.
 

“Ah, Aria. Schön, dass du dich dazu entschlossen hast, uns zu besuchen. Fyhas hatte schon Angst, dass du nicht kommen würdest.”
 

Arash hatte mir die Tür geöffnet und ich verbeugte mich kurz vor ihm, bevor er mich in den Raum hinein bat. Er wirkte auf mich nun noch eindrucksvoller als am Abend zuvor, und ein angenehmer, aber für mich nicht definierbarer Duft stieg mir in die Nase, als ich an ihm vorbei ging. Der Raum, in welchem ich mich dort befand, war alles sehr besonders eingerichtet worden. Er glich auf eine schlichte Art und Weise dem von Lexus und mir, aber war um einiges imposanter. Die verschiedensten Pflanzenarten schlängelten sich über Boden und Wände und ein leises Zischen und Flüstern erzeugte ein Konzert von Tönen, die ich noch nie zuvor gehört hatte.
 

“Ich wusste, dass du kommen würdest!”, kicherte Fyhas, der mir förmlich um den Hals gefallen war und drückte mich glücklich an sich, “Und? Was denkst du? gefällt es dir hier?”
 

Erst konnte ich kaum sagen, was mein erster Eindruck war, da er sich mir selbst noch nicht ganz erschlossen hatte, aber ich versuchte es: “Ich bin, zugegeben, etwas erstaunt. All die Pflanzen hier...”
 

“Die stammen alle von unserem Heimat-Stern! Es hat uns wirklich viel Mühe und Arbeit gekostet, sie hierher zu verschiffen, aber sie stellen einen wichtigen Teil unseres Lebensraums dar, also wollten wir auch nicht auf sie verzichten!”
 

Ihr Heimat-Stern?
 

“Entschuldigt die blöde Frage... Woher kommt ihr denn?”
 

Fyhas hatte von mir abgelassen und tätschelte über die massive geschlossene Knospe einer der Pflanzen, die sich daraufhin öffnete und ihre Zähne zeigte. “Wir sind eigentlich nur angesiedelt auf Karatek - das allerdings schon sehr lange. Der Name unseres Heimat-Sterns lautet Heradas, und, um dir deine aufkommenden Fragen direkt zu beantworten... Heradas existiert noch, wir sind also nicht in dem Sinne geflüchtet, weil wir keine Heimat mehr hatten. Das alles ist ein wenig kompliziert... Man könnte eher sagen, dass wir verstoßen wurden.”
 

Diese Information überraschte mich. “Verstoßen? Aber wieso?” Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die beiden Verbrecher irgendeiner Art und Weise waren und war nun gespannt auf die Erklärung, zu der Arash bereits angesetzt hatte: “Es handelt sich bei unserem Ausschluss darum, dass wir gegen etwas verstoßen haben, was das Volk und die Regierung unseres Volkes in keinster Weise duldet. Auf Heradas ist es untersagt, sich entgegen von bloßer Fortpflanzung zu vereinen, und genau das war das, was wir getan haben. Es ist nichts, was unbedingt einfach zu erklären ist, da die Fortpflanzung in unserer Rassenbildung einen ganz simplen Nutzen erfüllt, jeglicher Missbrauch dieses Aktes führt zur Ausschließung.”
 

Das war wirklich nichts, was ich so einfach begreifen konnte und konnte mir auch nicht vorstellen. Arash setzte seine Erklärung fort, zog Fyhas an sich heran.
 

“Normalerweise sind unsere Körper so ausgelegt, dass auch keinerlei Reiz darin besteht, diesen Akt, ohne den Hintergrund der Fortpflanzung, zu vollziehen. Im Fall von Fyhas ist das etwas komplizierter, da an ihm einige medikamentöse Präparate getestet wurden, die seinen Kreislauf vollkommen umgewandelt haben. Es ist wie eine Sucht, die er nicht unterdrücken kann, und man könnte es fast mit dem Nahrungs-Verhalten der Liverans vergleichen: der Körper benötigt Körperflüssigkeiten eines anderen Wesens, damit sein Kreislauf stabil bleibt. Durch die Tests, die an ihm ausgeführt wurden, ist sein komplettes Verhalten des Körpers gestört.”
 

“Aber...”, fügte ich hinzu, “...eigentlich dürfte in solch einem Fall doch aber keine Schuld auf Fyhas abgewetzt werden, wenn er doch eigentlich nur Opfer von Experimenten war? Es war dann doch sicherlich nicht seine Absicht gewesen, gegen ein Gesetz zu verstoßen, oder?”
 

Ich musste schlucken, als ich die beiden zusammen sah. Arash hatte auf einer Liege Platz genommen, und Fyhas hatte sich mit solch einer ausdrucksvollen Eleganz über ihm geräkelt, dass es mich erschaudern ließ. Ich fühlte mich seltsam dabei, die beiden zu beobachten. Arash’s linke Hand strich sachte Fyhas’ Kreuz hinunter, und dieser gab ein leises Wimmern von sich und schmiegte sich umso enger an den Körper heran, der sich unter ihm befunden hatte.
 

“Im Grunde schon, ja, da hast du vollkommen recht. Die, die allerdings die tatsächlichen Schuldigen sind, sind sich keiner Schuld bewusst. Es kam ihnen nur gelegen, ein misslungenes Experiment dann zu verstoßen, da es keinerlei Wert mehr für sie hat.” Er unterbrach sich selbst für einen kurzen Moment, als er merkte, wie angespannt ich war, und ein Schmunzeln bildete sich auf seinem Gesicht: “Sieh, er ist hungrig. Ich hoffe, das ist dir nicht unangenehm? Er kann diesen Hunger in keinster Weise steuern und muss sich mit diesem arrangieren, wenn er ausbricht.”
 

Es bereitete mir etwas Mühe, den Kopf zu schütteln, und meine Hände hatten sich verkrampft zwischen meine Knie geschoben. Ich saß nicht einmal zwei Meter von ihnen entfernt und das leise Knurren und Wimmern von Fyhas ließ mich immer wieder erschaudern. Meine Lippen waren ganz trocken und ich konnte meine Augen nicht von ihnen nehmen. Arash, sowie als auch Fyhas, hatten eine ganz besondere Ausstrahlung, die in irgendeiner Weise anziehend wirkte. Wenn ich sie zusammen sah, wie sich Fyhas’ Zunge gierig nach der von Arash sehnte, konnte ich kaum schlucken. Noch nie zuvor hatte ich anderen Personen dabei zugesehen, wie sie Intimitäten und Zärtlichkeiten miteinander austauschten, und es schockierte mich beinahe, wie sehr es mich faszinierte. Es schien für sie absolut nicht relevant zu sein, ob ich ihnen nun zusah oder nicht.
 

“Ich... Ich kann auch wieder gehen, wenn ich störe! Mir liegt es absolut fern, euch in irgendeiner Weise zu stören!” Gott, wie aufgeregt war ich?
 

“Nein, du kannst ruhig bleiben, sofern es dich nicht stört. Beachte es am besten gar nicht und unterhalte dich mit mir.”
 

Selbst wenn ich versuchte, mich nur auf Arash’s Gesicht oder irgendetwas anderes im Raum zu konzentrieren, mein Blick fiel immer wieder auf Fyhas und seine Hände, seinen Mund, seinen Körper insgesamt, der sich vor Hunger kaum halten konnte. Ich biss mir in die Unterlippe, als ich sah, wie er sich immer weiter an Arash herunter bewegte und letzten Endes seine schöne, dunkle Kleidung öffnete und somit einiges an nackter Haut frei legte.
 

“Wo ist eigentlich Lexus? Hat er zu tun?”
 

Arash schenkte Fyhas nicht sonderlich viel Beachtung - zumindest nicht so viel, wie ich es tat - und nur seine Hand hatte sich seinem Haarschopf gewidmet, welchen er sachte kraulte.
 

“Ja...”
 

Selbst wenn ich zu einer ausführlicheren Antwort ansetzen wollte, konnte ich nicht mehr als ein Wort sagen. Fyhas hatte sich Arash’s Genitalien gewidmet, die vollkommen anders, aber doch irgendwie ähnlich denen waren, die ich bereits kannte, und ich schämte mich dafür, dass ich nicht wegsehen konnte. Arash begrüßte mein Verhalten mit einem leichten Schmunzeln und dachte sich wohl seinen Teil - dass ich keinerlei Erfahrungen, außer der seltsamen, aber doch schönen Vereinigung mit Lexus hatte, war wohl doch zu offensichtlich geworden. Aber konnte ich das, was die beiden miteinander taten, wirklich als einen Geschlechtsakt werten, anstatt einen simplen Akt der Nahrungsaufnahme, so wie es Lexus mit meinem Blut machte?

Das genüssliche Schmatzen von Fyhas war das einzige, was ich noch hören konnte. Hatte Arash etwas gesagt? Ich wusste es nicht. Ich war so dermaßen fasziniert davon, wie sich Fyhas von Arash nährte, dass ich nichts anderes um mich herum noch irgendwie wahr nehmen konnte. Arash’s Körper schien eine spezielle Art von Flüssigkeit zu entwickeln, die Fyhas als Nahrung verstand, und er nahm alles, was Arash ihm gab. Seine Wangen waren rot und sein ganzer Körper schien zu beben, all die Laute, die er von sich gab, klangen wunderschön und absurd zugleich.
 

“Das ist wirklich neu für dich, nicht wahr?”
 

Es dauerte, bis Arash’s Worte den Weg zu mir gefunden hatten, und ich versuchte zu antworten: “Ja, das... ist wirklich neu für mich.”
 

“Aber nährt sich Lexus nicht auch von deinem Körper?”
 

Ich nickte: “Das tut er, ja... Aber er ernährt sich von meinem Blut.”
 

Ein Speichelfaden trennte Fyhas’ Lippen von Arash’s Genitalien, und er schnappte nur kurz nach Luft, um sich ihm dann wieder widmen zu können. So, wie er sich an ihm zu schaffen machte, schien er noch lange nicht gesättigt zu sein - an Arash konnte ich keinerlei Zeichen von Erschöpfung oder ähnlichem erkennen, was mich wirklich erstaunte. War er diese Prozedur vielleicht einfach schon gewöhnt, sodass es seinen Körper nicht erschöpfte? Ihnen bei diesem Akt zuzusehen löste ein komisches Gefühl in mir aus, was mich an den Zustand vom vorherigen Tag erinnerte. In mir breitete sich eine Wärme aus, die ich nicht bändigen konnte, und mein Verlangen nach körperlicher Nähe baute sich immer schneller auf, selbst mein Atem wurde unregelmäßiger und schwerer.
 

“Ist es dir unangenehm?”
 

Arash’s dunkle, raue Stimme fraß sich durch mein Gehör und löste ein Zittern in meinem Körper aus. Ich schüttelte den Kopf und schmiegte mich enger in die Liege hinein, auf der ich vorher Platz genommen hatte. Meine Augen waren noch immer auf die beiden fixiert, vorallem auf Fyhas...

Aerun - 7.0

Meine Atmung war noch immer hektisch und ich schaffte es nicht, meinen Blick von den beiden zu nehmen. Mir war es unheimlich unangenehm gewesen, Arash und Fyhas so unverblümt zu beobachten, aber ich konnte irgendwie nicht anders. Dieser Anblick war für mich aufregend und faszinierend zugleich gewesen, und die Hitze, die sich in meinem Körper aufgebaut hatte, machte mich noch nervöser, als ich es ohnehin schon war. Ich wollte mich selbst berühren, die Wärme bekämpfen, aber ich rührte mich nicht - die Blöße, mich der körperlichen Lust hinzugeben, und das vor allem vor zwei Personen, die ich kaum kannte, aber mochte, wollte ich mir absolut nicht geben. Es war schon schwierig gewesen, mich damit zu arrangieren, und auch die Nähe zu Lexus war Nichts, was ich so einfach überwinden konnte.

Ich konnte im Grunde nicht einmal unterscheiden, ob es sich bei dem, was Arash und Fyhas da miteinander taten, ein sexueller Akt oder eben nur eine Nahrungsaufnahme war. Genauso wenig konnte ich sagen, was es für die beiden wohl gewesen sein mochte - wenn Fyhas tatsächlich Opfer von Experimenten war und diese fehl schlugen, sodass sein Körper eine völlig neue Struktur erstellte, die nach speziellen Körperflüssigkeiten gierte, war es dann ein sexuelles Verlangen oder ein schlichter Hunger, der ihn quälte? Ihre Rasse schien ja, außer der Fortpflanzung, keinen Gebrauch von Sexualität zu haben, weshalb es mich wunderte. Alles, was ich an den beiden beobachten konnte, wirkte auf mich doch sehr sexuell, aber vielleicht war ich auch wirklich einfach nur sehr unerfahren und konnte so etwas nicht einschätzen.
 

Fyhas löste sich mit einem gesättigtem Stöhnen von Arash, stützte seine Hände auf Arash’s Oberschenkel und richtete den Oberkörper auf, um ihn zu küssen. Eine bläulich-grüne, schimmernde Flüssigkeit tropfte noch von seinen Lippen, die allerdings schnell von der Zunge des Anderen aufgenommen wurden. Insgesamt schien Fyhas nun um einiges ruhiger zu sein, sein Körper wirkte absolut entspannt und er wirkte auf mich so, als hätte er nun neue Kräfte erlangt.

Durch meinen Körper zog sich noch immer ein nervöses Zittern, und das Pochen in meinem Unterleib war mir nicht geheuer. Der Anblick der beiden hatte mich tatsächlich erregt - und ich hoffte inständig, dass es keiner der beiden bemerken würde, wenn es sie es nicht schon lange getan hatten...
 

“Tut mir leid...”, murmelte Fyhas, der es sich auf Arash’s Schoß gemütlich machte und sich ein wenig zu mir drehte, um mich anzusehen, “Ich wollte eigentlich nicht, dass du das miterleben musst... Aber der Hunger hat mich überwältigt.”
 

Erst konnte ich nichts Anderes als nur nicken, schaffte es dann aber ein paar Worte zu formulieren, die ihm seine Sorgen nehmen sollten: “Das... das ist völlig in Ordnung. Ich fühle mich eher so, dass ich... euch dabei gestört habe. Mir tut es also leid.” Es bereitete mir noch immer Mühe zu sprechen, und mein Körper wollte sich einfach nicht beruhigen. Vor meinen Augen spielten sich noch immer die Bilder ab, die ich nur wenige Momente zuvor gesehen hatte, und ich dachte an Lexus - was alles sehr kontraproduktiv gewesen war, immerhin halfen mir diese Gedanken nicht unbedingt dabei, mich wieder zu beruhigen.
 

“Ich würde gerne noch länger bleiben, aber ich habe noch einiges zu tun...”
 

Arash schien wenig überrascht über meine Ausrede zu sein: “Dann wollen wir dich nicht weiter aufhalten. Wir sehen uns vermutlich eh später noch einmal, hm? Oder hast du selbst keine Zeit für ein Abendessen?”
 

Das Wort ‘Essen’ und allgemeine Definitionen der Nahrungsaufnahme konnte ich in diesem Augenblick nicht normal auffassen, aber ich willigte ein und versuchte meine seltsamen Gedanken bei Seite zu schieben. Ich wollte ihnen in keinster Weise das Gefühl geben, dass ich sie in irgendeiner Weise ablehnte, und wollte auch nicht als unhöflich erscheinen. Bevor ich mich von den beiden verabschieden konnte, raffte sich Fyhas nochmals auf und kam mit leichtfüßigen Schritten auf mich zu, um mich nochmals zu umarmen. Mein Herz machte einen unglaublichen Sprung, als er mich in seine Arme zog, und mein Körper wollte sich, wie aus einem Reflex, näher an ihn pressen, was ich allerdings gerade so noch kontrollieren und vermeiden konnte.
 

“Bis später...”, flüsterte er mir mit süßlicher Stimme gegen mein Ohr und löste sich dann wieder von mir. Arash hob schlicht die Hand zum Gruß und ich eilte dann zur Tür, um schnell wieder zu verschwinden.
 


 

-
 


 

Zurück in meinem und Lexus’ Zimmer angekommen schloss ich hektisch die Tür hinter mir. Das war schon das zweite Mal, dass ich so abrupt ‘fliehen’ musste, nur weil ich meinen Körper nicht kontrollieren konnte. Es war mir wirklich unangenehm gewesen, und ich wollte mich noch immer nicht der sexuellen Lust hingeben, die mich nun beherrschen wollte. Ein schweifender Blick durch den Raum - Lexus war nicht in Sicht. Ich wusste nicht, ob ich das als positiv oder negativ einschätzen sollte. Insgeheim wünschte ich mir, dass Lexus nun da gewesen wäre, um mir zu helfen, so, wie er es beim ersten Mal schon getan hatte, andererseits dachte ich daran zurück, dass er scheinbar momentan die Distanz zu mir suchte und ich wollte ihn in keinem Fall belästigen.
 

Seufzend ließ ich mich auf das große Bett fallen und starrte an die mit bunten Stoffen beschmückte Decke. Die Wärme, die sich in meinem Körper aufgebaut hatte, wollte sich einfach nicht mehr vermindern und das Pochen in meiner unteren Körperregion ebenso nicht. Ich biss mir auf die Unterlippe und gab ein leises Wimmern von mir. Warum gab es keinen Schalter, den ich einfach so hätte umlegen können, damit es aufhörte? Langsam drehte ich mich auf die Seite und vergrub mein Gesicht in einem der Kissen. Mein Atem war noch immer schwer, und letzten Endes ließ ich meinen Händen, die ich vorher krampfhaft in das Laken unter mir zwang, freien Lauf. Ich brauchte Erlösung, so schnell wie möglich, also musste ich mir wohl selbst irgendwie Abhilfe schaffen. Als sich meine Finger über meinen Oberkörper schlichen, versuchte ich mir vorzustellen, dass Lexus mich berührte. Seine Berührungen hatten in mir unglaubliche Glücksgefühle ausgelöst, die ich erneut spüren wollte - auch wenn es sich absolut anders anfühlte, als wenn seine Klauen mich mit einer zärtlichen Grobheit berührt hatten.

Eine gefühlte halbe Stunde war ich mit mir selbst beschäftigt, bis ich mich endlich von der unangenehmen Hitze erlösen konnte. Jegliches Keuchen hatte ich in den Kissen erstickt, und ich hatte es nicht gewagt auch nur einen Blick auf meinen halbnackten Körper zu werfen - die Flüssigkeit, die ich nun an meiner Hand hatte und kurz darauf erblickte, ließ mich noch einmal erröten. Das war das erste Mal gewesen, dass ich so etwas tat, und ich war schockiert darüber, was mich dazu veranlasste. Ich eilte ins Badezimmer, wusch erst meine Hände, und stellte mich dann unter die Dusche. Wie ich mich fühlte konnte ich kaum definieren - einerseits fühlte ich mich erlöst, befreit, andererseits war es mir noch immer unangenehm.
 

Nachdem ich mich ordentlich gewaschen und umgezogen hatte, widmete ich mich noch dem Bett und bezog es mit neuer Wäsche, bevor ich in den Speisesaal ging. Es war ein komisches Gefühl, Arash und Fyhas nun wieder zu sehen, nachdem ich miterlebt hatte wie Arash Fyhas ‘fütterte’, und ich erahnte einen leichten Rotschimmer auf meinen Wangen, als ich mich zu ihnen gesellte. Die beiden verhielten sich so, als wäre absolut gar nichts vorgefallen, während ich mich verkrampft in den Stuhl drückte und nur mit Mühe ein paar Bissen zu mir nehmen konnte. Lexus war erst später erschienen, als der Großteil schon gegessen hatte und schon wieder gegangen war, und setzte sich, zu meinem Überraschen, direkt neben mich. Noch immer wirkte er sehr distanziert, aber nicht mehr so kalt, wie er am Morgen war... Was sollte ich sagen? Fragen, wie es ihm ging? Wo er die letzten Stunden geblieben war? Fyhas und Arash sagten ebenfalls nichts und widmeten sich wieder ihrem Essen zu, anstatt mich und Lexus zu betrachten. Die ganze Zeit über sprach er nicht ein Wort mit mir, und als er gehen wollte, hastete ich ihm sofort nach. Mir war es nun egal gewesen, ob er mich in seiner Nähe wollte oder nicht, ich hielt dieses Verhalten seinerseits einfach nicht aus und wollte endlich Klarheit!
 

“Was ist mit dir los? Seit gestern Abend verhältst du dich so!”
 

“Wie verhalte ich mich denn?”
 

Die ersten Worte, die seine Lippen verließen. Sie klangen so, wie er sich verhielt: kalt.
 

“Du bist... Ich weiß nicht. Du hältst Abstand zu mir, und ich frage mich, was ich falsch gemacht habe! Habe ich irgendetwas gesagt, was dich verstimmt hat? Oder was war der Auslöser dafür, dass du nun so... seltsam bist? Bitte sag es mir!”
 

Plötzlich blieb er stehen und drehte sich auf der Sohle zu mir herum, um mich anzusehen. Seine Augen fixierten mich und meinen perplexen Gesichtsausdruck - doch er antwortete mir nicht auf meine Fragen, sondern packte mich am Handgelenk und zerrte mich grob hinter sich her, bis wir in unserem Zimmer angekommen waren. Dort hatte er mich nicht gerade sanft herein geschubst und die Tür förmlich zugeschlagen.
 

“Du fragst noch, warum ich mich dir gegenüber so seltsam verhalte? Es war so offensichtlich, dieses Verhalten, und ich erahne, dass du wieder so naiv warst und auf einen Trick reingefallen bist!”
 

Was? Einen Trick? Ich verstand nicht, worüber er sprach, und konnte auch dementsprechend keine vernünftige Antwort darauf geben. Seine kalte Miene war inzwischen verflogen, und es schien mir eher so, als würde er wütend werden.
 

“Sie schleimen sich bei dir ein, allesamt, und wickeln dich mit ihrem freundlichem Verhalten um den Finger, damit sie dich in ihr Netz ziehen können! Erst fällst du auf Novalis, jetzt auf Arash und Fyhas herein!”
 

“Was? Aber die beiden tun mir doch gar nichts...” Mir fiel es irgendwie selbst schwer, diesen Satz zu formulieren und das zu behaupten, obwohl sie mir im Grunde wirklich nichts getan hatten - zumindest haben sie mich nicht angefasst oder sonstiges... Er schön meine Unsicherheit zu spüren und überbrückte die letzten Schritte, die zwischen uns waren, und zog mich an sich heran. Seine Augen musterten mich prüfend und mein Gesichts schien Bände zu sprechen. Ich war wirklich schlecht darin, etwas zu verheimlichen, wenn man diesen Vorfall als etwas bezeichnen konnte, was man verheimlichen sollte, und er kannte mich scheinbar besser als es mir lieb war. Was nun passieren würde, konnte ich schon erahnen. Seine Krallen hatten sich an meine Oberarme gelegt, und kurz darauf spürte ich, wie sie unter meine Haut in mein Fleisch tauchten. Mir entfuhr ein kleines Zischen, und ich verkrampfte mich. Er wollte eine körperliche Verbindung eingehen, um meine Gedanken zu überprüfen, um darin zu wühlen, um zu sehen, ob er recht hatte. Noch immer war es mir unmöglich gewesen eine Blockade zu errichten, damit er keinen Zugang dazu bekam, und ich grub meine Zähne fest in meine Unterlippe, als ich spürte, wie er sich in mir meine Gedanken ansah. Die Bilder, die ich noch von Arash und Fyhas vor Augen hatte, waren zu deutlich, aber da waren auch noch andere, die ich um jeden Preis vor ihm verstecken wollte: meine Vorstellungen davon, wie er mich berührte, als mein Körper der sexuellen Lust verfallen war. Ich wand mich in seinen Armen, wollte, dass er die Verbindung zu mir löste, und drückte meine Hände fest gegen seine Schultern, damit er endlich von mir ablassen würde. Verzweiflung und Scham gewannen nun die Oberhand, und leise Tränen sammelten sich in meinen Augen. Er hatte es gesehen, alles, er hatte all das in meinem Kopf gesehen! Ich konnte es nicht wagen ihm nun noch in die Augen zu sehen und senkte den Kopf. Es war mir einfach peinlich gewesen, dass ich scheinbar wieder auf einen Trick herein gefallen war - und Lexus hatte geahnt, dass es wieder passieren würde. Aber warum tat man so etwas mit mir? War es wirklich so dermaßen belustigend, mich zu demütigen und bloß zu stellen? Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass Arash und Fyhas das geplant hatten - sie wirkten auf mich wirklich nicht so, als wollten sie blöde Scherze mit mir treiben, und ich mochte sie!
 

“Es hat dich also erregt, ja? Ihnen dabei zuzusehen...”
 

Lexus neigte sich zu mir herunter, zog eine seiner Klauen aus meinem Oberarm heraus und zog mit seinen Klauen mein Kinn herauf, damit ich ihn ansah. Noch immer weilten Tränen in meinen Augen, und ich hatte mir beinahe die Lippe blutig gebissen.
 

“Und du dachtest dann an mich?”, wisperte er mir leise entgegen, küsste die Tränen weg und liebkoste dann meine Wange,“...Ist das wahr?”
 

Ich nickte. Zögernd. Vermutlich war wieder einiges an Röte in mein Gesicht gestiegen, und ihm in die Augen zu blicken kostete mich einiges an Mut. Vor einigen Stunden hatte ich solch eine Angst gehabt, dass ich etwas falsches getan hatte, was ihn verstimmte, und nun schenkte er mir wieder Zärtlichkeiten, obwohl er gesehen hatte, was geschehen war? Ich wurde aus ihm einfach nicht schlau...

Aerun - 8.0

Bevor Lexus wieder von mir ab ließ, küsste er mich nochmals zärtlich und strich mir sachte durchs Haar. Hatte er sich mir gegenüber also nur deswegen so komisch verhalten, weil er sich Sorgen um mich machte, weil er geahnt hatte, dass ich wieder auf irgendeinen Trick herein fallen würde? Es entschloss sich mir noch immer nicht so wirklich, was gerade Arash und Fyhas damit bezwecken wollten, damit, dass sie mir scheinbar eine kleine Show geboten hatten, die mich etwas aus der Bahn warf. War es so offensichtlich gewesen, wie unerfahren ich war? Und machte man sich deswegen einen Scherz daraus, mich an meine Grenzen zu bringen? Das ergab für mich alles keinen Sinn. Aber im Gegensatz zu Novalis konnte ich mir bei den Beiden nicht vorstellen, dass sie mich wirklich bloß stellen wollten. Sie waren mir gegenüber durchaus freundlich begegnet und ich empfand keinerlei negativen Gefühle für sie, auch nach diesem ‘Zwischenfall’ nicht.

Wie aber sah es in Lexus aus? Er kannte Arash und Fyhas ja um einiges länger als ich es tat, und er konnte wohl auch eher einschätzen, aus welchen Absichten sie etwas machten und was nicht.
 

Erst wagte ich es nicht, das Thema noch einmal anzusprechen, versuchte es dann aber noch mal, weil ich einfach Klarheit wollte: “Warum... haben sie das gemacht? Vor mir? War das Absicht? Und woher wusstest du...”
 

“So, wie sie dich am Abend vorher angesehen haben, das war schon Zeichen genug. Es ist wirklich selten, dass man auf ein Wesen wie dich trifft, weil du in keinster Weise verdorben scheinst - das erzeugt bei vielen Rassen ein Interesse, womit sie spielen wollen, und deine Naivität lässt es auch noch zu, dass sie mit dir spielen können.” Er seufzte fast schon genervt. “Ich hatte schon erahnt, dass sie es auf dich abgesehen hatten. Nicht so, wie es Novalis tut, aber in einer anderen Weise, die auch nicht unbedingt gut ist. Sie sind nicht darauf aus, sich direkt mit dir zu vergnügen, aber es weckt ihr Interesse zu sehen, wie sie dich aus der Reserve locken können. Die Verführung eines Unschuldigen ist immer etwas ganz Besonderes, vor allem dann, wenn ihre Methoden Früchte zu tragen scheinen.”
 

So langsam verstand ich - oder auch nicht. Solch ein Verhalten ergab für mein logisches Denken keinerlei Sinn, und irgendwie beschlich mich ein mulmiges Gefühl dabei. Im Grunde also war er nur deswegen so seltsam gelaunt gewesen, weil es ihm nicht passte, was man für Spielchen mit mir trieb?

Lexus legte seine Hand erneut auf meine Wange und eine seiner Klauen strich langsam über meine Lippen. Er begegnete mir mit einem Schmunzeln, was mir ein Kribbeln bescherte.
 

“Ich muss zugeben... Ich kann nur zu gut nachvollziehen, worin der Reiz besteht, so etwas zu tun... Mir geht es da nicht anders. Allerdings gibt es zwischen ihnen und mir einen klaren Unterschied: ich bin derjenige, an wessen Seite du weilst, du gehörst mir, mir alleine, und ich werde der Einzige sein, der dich verführen wird.”
 

Erst glaubte ich, ich hätte mich verhört, aber ich verstand seine Worte klar und deutlich. Er hatte Recht. Ich gehörte ihm, einzig und allein, und er sollte der Einzige sein, dem ich mich hingeben würde, auch wenn ich meine Gefühle für ihn noch immer nicht verstehen konnte. Im Grunde war er der einzige Vertraute, den ich noch hatte, und die Tatsache, dass er uns als Liebende bezeichnete, schaffte in meinem Gefühlsleben noch einmal eine ganz andere Ebene, auf welcher ich meine Empfindungen für ihn spüren konnte.

Und da war ein Gefühl von Respekt, was ich für ihn empfand. Lexus hätte mich nehmen können, mit Gewalt, gegen meinen Willen, aber er tat es nicht.
 

-
 


 

Nachdem wir uns ausgesprochen hatten fühlte ich mich um einiges besser. Diese Unklarheit, die mich vorher gequält hatte, war nun wie weggeblasen und Lexus verhielt sich auch wieder einigermaßen normal mir gegenüber. Es freute mich, dass er so viel für mich empfand, und vor allem auch, dass er sich scheinbar Sorgen um mich machte. Ich genoss es, wie er mich wie einen kostbaren Schatz hüten wollte, und ebenso genoss ich es, dass er mich als sein Eigentum bezeichnete, auch wenn das vielleicht seltsam war.

Noch immer aber standen viele Fragen offen, und ich musste wohl noch einige Zeit warten, bis er sie mir beantworten würde. Es schien mir so, als wüsste er sehr viel mehr über mich als ich selbst, und als würde er nur kleine Puzzle-Teile heraus geben, damit sich nur etappenweise ein gesamtes Bild zusammen fügen konnte.
 

Er riss mir wieder aus meinen Gedanken, als er mich berührte. Ich blinzelte ihn verwirrt an.
 

“Möchtest du heute nichts anderes mehr tun, als hier herum zu sitzen und vor dich hin zu starren, eingesperrt mit deinen ganzen wirren Gedanken?”
 

Da war es wieder, das Grinsen auf seinen Lippen. Lexus setzte sich neben mich auf das Bett, berührte mich aber nicht, und lehnte sich ein wenig zurück: “Manchmal möchte ich ununterbrochen mit dir verbunden sein, um an deiner Gedankenwelt teil zu haben.”
 

Ich musste lächeln und schon einige meiner langen Haarsträhnen zurück, die mir vorher ins Gesicht gefallen waren.
 

“Ist das so?”, fragte ich leise, “Meine Gedankenwelt ist nicht unbedingt spannend, nur sehr wirr und ungeordnet. Es würde dir sicherlich Kopfschmerzen bereiten, wenn du stets mit meinem Kopf verbunden wärst.”
 

Anstatt darauf zu antworten lachte er, beugte sich zu mir und küsste meine Stirn, bevor er mir leise, süße Worte zuflüsterte, die mein Herz wieder zum rasen brachten. Ich biss mir auf die Unterlippe. Eine meiner Hände hatte sich, ohne, dass ich sie kontrollieren konnte, den Weg auf seinen Oberschenkel gesucht, und ich wollte mich ebenfalls zu ihm neigen, die letzten Zentimeter zwischen unseren Lippen überbrücken, doch dann zog ich mich wieder zurück. Irgendetwas in mir wollte mich bremsen, mir sagen, dass ich lieber etwas Abstand halten sollte, doch ich konnte mich kaum beherrschen. Lexus war eine absolute Verführung, eine Schönheit, die so viel Eleganz und Anmut ausstrahlte und über eine Anziehungskraft verfügte, der kaum einer widerstehen konnte. Er war der sogenannte 'Wolf im Schafspelz', nach dessen Klauen ich mich sehnte... All diese Nähe, die er mir schenkte, war für mich noch etwas Unfassbares und erfüllte mich mit seltsamen Gefühlen, von Angst bishin zu unglaublicher Begierde, die mich verunsicherte.
 

"Was ist?"
 

Seine Stimme klang rau, dunkel - und gleichzeitig hatte sie einen bittersüßen Unterton, die meine Ohren verwöhnte und mich zu locken versuchte... Ich erinnerte mich daran zurück, als ich damals zu ihm in die Kammer geführt wurde - sein Körper war transformiert gewesen und er schien beinahe ausgehungert. Wenn er gewollt hätte, hätte er mich einfach auffressen können, sich sättigen können - doch er hatte es nicht getan. Als wir zwangsweise auf der unteren Platte auf Liverath weilen mussten hatte er einen der Verstoßenen verspeist, doch für wie lange würde das ausreichen? Viele Informationen über die Liveran hatte ich noch immer nicht sammeln können, aber ich wusste eben, dass sie Fleischfresser waren, deren Körper massive Massen an Fleisch benötigte, damit der Kreislauf stabil bleiben würde. Wie viel aß ein durchschnittlicher Liveran? Sicherlich mehr als Lexus es tat, dessen war ich mir sicher. Lexus hatte sich in der letzten Zeit kaum richtig ernähren können, nur ab und an nahm er sich etwas von meinem Blut, davon aber auch nur geringe Mengen, und wenn wir zusammen mit den anderen aßen nahm er auch nicht unbedingt viel zu sich. Das bereitete mir ein wenig Sorgen.
 

So, wie ich in Gedanken versunken gewesen war, bemerkte ich gar nicht, wie Lexus seine Hand an meine gelegt und zärtlich gestreichelt hatte. Ich mochte ihn wohl konfus angesehen haben, bis ich seine Liebkosung realisierte und begann zu lächeln. Wer hätte gedacht, dass sich das zwischen uns, was auch immer es war, so wandeln würde? Vor nicht allzu langer Zeit wollte ich noch alles tun, um aus seiner Gefangenschaft zu fliehen, und jetzt konnte ich mir ein Dasein ohne ihn nicht mehr vorstellen...

Ich bemühte mich darum, nicht noch weiter in Gedanken zu schwelgen und mich völlig auf ihn und unsere Zweisamkeit zu konzentrieren, doch diese konnte ich nicht mehr lange genießen. Jemand hatte an unsere Zimmertür geklopft und wenig später war Lexus schon gegangen. Es war einer der Techniker aus einer der Werkstätten gewesen, der ihn um Hilfe gebeten hatte. Worum es genau ging konnte ich nicht aus dem Gespräch heraus filtern, aber das sollte mich auch nichts angehen. Merkwürdig war allerdings, dass Lexus wollte, dass ich das Zimmer unter keinen Umständen verlassen sollte. War etwas vorgefallen? Ein Angriff? Oder handelte es sich um eine technische Störung, von der Gefahr ausging? Ich willigte sofort ein und versprach ihm, mich nicht vom Fleck zu bewegen. Aus dem großen Flur hörte ich mehrere Stimmen wirr durcheinander sprechen und ich konnte die Hektik förmlich spüren. Es musste etwas vorgefallen sein, ganz sicher.

Die Unwissenheit in mir fütterte meine Angst, die sich wieder durch meinen Körper biss, und ich hoffte inständig darum, dass Lexus bald zurück kommen würde. Irgendetwas in mir, vielleicht war es meine Intuition, wollte mich warnen. Da war etwas im Gange, was ich nicht einschätzen konnte, aber ich wusste, dass es Gefahr bedeutete. Mir war danach mich aufzuraffen und nach Lexus zu suchen, aber ich hielt an meinem Versprechen fest, das Zimmer nicht zu verlassen. Lexus verlangte so etwas nicht ohne Grund von mir - und ich wollte seinen Anweisungen folgen... Nicht mehr lange, dann würde er zurück kommen und mir versichern, dass alles in bester Ordnung sei. Ein falscher Alarm, mehr war es nicht gewesen.
 

Wenig später musste ich mir leider eingestehen, dass dem nicht so gewesen war. Es handelte sich um keinen falschen Alarm und auch nicht um irgendwelche Übungsmaßnahmen, nein, es handelte sich um etwas Schwerwiegendes. Gegen Lexus' Willen öffnete ich die Zimmertür und lugte mit dem Kopf in den Flur hinaus. Noch immer herrschte eine beunruhigende Hektik und dieses Mal konnte ich dann auch heraus hören, was geschehen war...

Meine Hände umklammerten zitternd den Türrahmen und mir fiel es schwer auch nur einen ordentlichen Gedanken zu fassen. Ich fühlte mich, als hätte man mich gelähmt und so verhielt sich auch mein Körper.
 

Ein Angriff.
 


 

-
 


 

Entgegen Lexus’ Willen wollte ich unser Zimmer verlassen und nach ihm suchen, sicher gehen, dass es ihm gut ging, aber ich traute mich nicht und zog mich wieder zurück. Zudem hatte er mir die klare Anweisung gegeben den Raum nicht zu verlassen. In meinem von Angst geprägten Zustand wäre ich ohnehin Niemandem eine große Hilfe, also war es wohl wirklich besser, dass ich mich versteckt hielt. Ich realisierte erst kaum, dass Jemand die Tür zu unserem Zimmer geöffnet und eingetreten war, bis eine mir bekannte Stimme zu mir sprach und mich aus meinen Gedanken riss.
 

“Aria! Ist alles in Ordnung?”
 

Es war Fyhas, der mich mit besorgten, großen Augen eingehend musterte. Im ersten Augenblick war ich gar nicht fähig auf seine Frage zu reagieren, nickte dann aber langsam. Ich war mir nicht sicher, ob ich in Ordnung war, immerhin wusste ich nicht wo Lexus nun gewesen war und wie es ihm ging - ob es ihm gut ging...

Fyhas war alleine zu mir gekommen und versuchte mich zu beruhigen. Ständig streichten seine Hände über meine zitternden Arme und leise Worte versuchten ihr Bestes, um mich in Sicherheit zu wiegen.
 

“Was ist geschehen?”, wisperte ich zu ihm, traute mich kaum, ihm in’s Gesicht zu blicken, “...Ist es ein Angriff?”
 

Für einen Augenblick verzog er die Miene, seufzte und nickte dann. “Ja, leider. Arash bekam ebenfalls die Information und muss sich jetzt darum kümmern. Lexus vermutlich auch, hm?”
 

So, wie es sich anhörte, schien Fyhas auch nicht mehr zu wissen als ich - zumindest machte es den Anschein. Aber war Fyhas nicht in einer ähnlichen Position gewesen wie Arash? Ich glaubte mich an Gesprächsfetzen zu erinnern, die mir nur vage in Erinnerung geblieben waren, wo es darum ging, dass Arash und Fyhas lange um ihre Position kämpfen mussten - was für mich so viel bedeutete, dass sie gleichberechtigt waren. Warum also rückte nicht auch Fyhas aus, wenn er...

Mein gesamter Körper zuckte in sich zusammen, als er mich dann ruckartig an sich drückte und mir eine Hand auf den Mund presste. Mit einem leisen Zischen wies er mich dazu an keinen Mucks von mir zu geben und ich bemerkte, wie sein Blick eisern auf der Türe weilte.

Wenige Momente später verstand ich dann auch, warum...

Raeha 1.0

Fyhas begann unverständliche Laute, die ich noch nie zuvor gehört hatte, von sich zu geben und ich fühlte die Anspannung, die von seinem Körper ausging, als er mich fester an seinen Körper presste.

Im Türrahmen stand Niemand anders als Novalis, der uns mit einem amüsierten Grinsen begegnete und ohne Scheu mit eleganten Schritten auf uns zu kam, bis er nur noch knapp einen Meter vor uns stand.
 

"Wer hätte gedacht, dass Lexus doch so vorsichtig ist, wenn es um den kleinen Aterun geht... Sogar einen Beschützer hat er dir besorgt, wie nett. Nur zu blöd, dass ich keine Insekten mag."
 

Erst verstand ich nicht was er mit dem Insekt meinte, dann aber wurde es mir klar - Fyhas war, wenn ich mich recht entsinne, eine Art Insekt. Ob er, ähnlich wie Lexus, zu einer Transformation seines Körpers war und diese Form, in der ich ihn bewundern konnte, nur eine angepasste Hülle seines Aussehens war, die eigentlich so gar nicht seinem eigentlichen Aussehen entsprach?

Langsam ließ er mich los und richtete sich auf, war jetzt - im direkten Vergleich - nur einen halben Kopf kleiner als Novalis und sein leuchtendes, rötliches Haar biss sich mit dem schimmernden Blau von Novalis'.
 

"Was auch immer du vor hast...", hörte ich Fyhas beinahe bedrohlich flüstern, "...Irgendwann werde ich dich vergiften, damit wir alle deine widerliche Visage nicht mehr ertragen müssen!"
 

"Seit wann hast du denn etwas gegen mich, Insekt? Für eine Zeit lang dachte ich, dass du mir wohl gesonnen bist. Hat dir der kleine Aterun also auch schon den Kopf verdreht, ja? Seltsam, seltsam, was für eine Wirkung er auf einen hat, nicht wahr?"
 

Novalis' Worte verwirrten mich und Fyhas' Reaktion darauf um ein Weites mehr. Er packte den blau-haarigen Schönen an seiner Kehle und ich konnte aus der Entfernung zu ihm nur schwach erkennen, wie sich aus seinem Handrücken schwarze Stacheln frei setzten, die eine beachtliche Länge annahmen - sie waren beinahe so lang, dass sie bis zu Novalis' Gesicht gereicht hatten; aber dies war nicht das Einzige, was sich an Fyhas veränderte. Seine Haut, die sonst in einem seidenen Weiß schimmerte, färbte sich mit unzähligen verschiedenen Farben, die anschließend zu einem Farbton verschmolzen, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es war eine Mischung aus all dem, was mir bisher bekannt war, aber viel zu einzigartig, als dass ich dieser Farbe eine Bezeichnung geben konnte.
 

"Ah? Habe ich da etwa einen wunden Punkt erwischt? Was wird Lexus wohl dazu sagen, wenn er davon erfährt?"
 

Unbeeindruckt von Fyhas angehender Transformation schaffte es Novalis mit einer kleinen Geste bereits schon ihn von sich zu stoßen - aufgrund seiner Schönheit hatte ich ihn unterschätzt, aber ich musste mir wohl eingestehen, dass in diesem Körper Kräfte schlummerten, die durchaus gefährlich sein konnten.

Was hatte er vor? War ich ihm wirklich ein so großer Dorn im Auge gewesen, dass er mich beseitigen wollte? Vermutlich wollte er die Chance nutzen, da Lexus nicht anwesend war und sah mich ihm gegenüber vermutlich schon als vollkommen ausgeliefert an - wenn da nicht Fyhas gewesen wäre, der mich augenscheinlich beschützen wollte. Es erfüllte mich mit Scham und gleichzeitig mit Ärger, dass ich nicht selbst in der Lage gewesen war, mich zu verteidigen...

Auf der Kolonie war so gut wie Jeder damit beschäftigt einen Angriff zu verhindern und als Verteidigung zu dienen, weshalb vermutlich auch keiner davon Wind bekam, was sich in diesem Raum abspielte. Ich wurde das Gefühl nicht los, das Novalis etwas damit zu tun hatte - sein Verhalten bestätigte meine Vermutung zunehmend.

Inzwischen war Fyhas’ Körper vollständig transformiert. Seine Kleidung war an einigen Stellen gerissen und es hatten sich Panzer-artige, schwarze Stahlschuppen auf seiner Haut gebildet, aus welchen allerlei Dornen und Stacheln ragten. Seine Augen färbten sich in ein mattes Schwarz und selbst die Pupillen wurden von der zunehmenden Dunkelheit verschlungen. Tiefe Krater zeichneten sich unter seinen Augenhöhlen ein und unzählige kleine, spitze Zähne schoben sich langsam über seine Ober- und Unterlippe, bis sie diese vollständig verkleidet hatten. Ungläubig sah ich mit an, wie sich seine einst so zierlichen, schönen Hände zu dunklen Scheren verformten, sowie auch als seine Beine und Füße sich ähnlich veränderten. Aus seinem Gerippe wuchs ein großes Gebilde, ebenfalls mit massig Schuppen und Stacheln verziert, die sich in einer majestätischen Art und Weise in die Höhe streckten. Diese Gestalt, die Fyhas jetzt angenommen hatte, glich beinahe einem Skorpion - typischerweise erstreckte sich über seinem Gerippengebilde ebenfalls ein langer Stachel am Ende, der womöglich Gift beinhaltete.

Das war also Fyhas’ wahre Gestalt gewesen...
 

Novalis war augenscheinlich nicht unbedingt beeindruckt von seiner Transformation, spielte mit seinen langen blauen Haarsträhnen zwischen seinen Fingern und verzog den Mund verächtlich, als er seinen Gegenüber eingehend betrachtete: “Ekelhaft... Jetzt weiß ich wieder, warum ich Insekten hasse.”
 

“Du bist ein hinterlistiges Biest...”, zischte Fyhas, dessen Stimme sich durch die Verwandlung ebenfalls verändert hatte, “Das hast du doch alles geplant, nicht wahr? Wen hast du verführen müssen, damit man einen Angriff auf die Kolonie ausübt? Es ist doch sehr auffällig... Jahrelang geschieht nichts, aber jetzt, wenn dir Jemand in die Quere kommt, dann auf ein mal... Hast du das alles nur inszeniert, damit du dir Aria in Ruhe vor nehmen kannst?”
 

Inzwischen rappelte ich mich auf, schmiegte mich gegen die Wand hinter mir und beobachtete aufmerksam Novalis, der Fyhas ohne jegliche Scheu immer näher kam.
 

Wie hätte ich auch ahnen können, dass alles nicht so ganz funktioniert, wie ich es geplant habe? Lexus ist misstrauisch, ja, aber dass er so vorsichtig ist und auch noch einen Leibwächter zu diesem Schwächling schickt, weil er vermutlich dachte, dass ich die Chance ausnutze... Damit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Aber umso besser: dann kann ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen! Lexus ist viel zu beschäftigt damit den Angriff in irgendeiner Weise abzuwehren, da wird er gar keine Zeit haben, um euch zur Hilfe zu eilen! Ein Jammer aber auch!”´
 

Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken - er hatte das also wirklich alles geplant, nur, um mich aus dem Weg zu schaffen! Aber warum war ich für ihn so lästig gewesen? Er hätte mich auch ohne solch eine aufwendige Inszenierung schnell dem Erdboden gleich machen können, aber scheinbar musste er Lexus irgendwie ablenken, doch dieser hatte ja scheinbar irgendetwas geahnt und hatte mir, auch wenn es ihm eventuell unangenehm gewesen war, Fyhas damit beauftragen so lange nach mir zu sehen, bis er wieder zurück war.

Zu meinem Nachteil hatte mich mein ständiger Begleiter, die Angst, wieder völlig im Griff. Ich war unfähig gewesen mich großartig zu bewegen und ein Zittern breitete sich in meinem gesamten Körper aus - die zusätzliche Erinnerung daran, was Novalis bereits mit mir gemacht hatte, kam auch noch dazu, auch wenn es eine andere Art von Gewalt gewesen war, die er an mir ausübte und ich mochte gar nicht daran denken wie hilflos ausgeliefert ich ihm ausgeliefert gewesen wäre, wenn Fyhas Lexus ihn nicht beauftragt hätte. Es war ein Graus für mich dass ich Nichts tun konnte und das Wissen, dass ich Novalis gegenüber schlechte Karten hatte, machte es alles nicht besser. Ich fühlte mich so, als würde ich Fyhas als eine Art Schutzschild ausnutzen, zu meinem Wohl, und das war sicherlich nichts, was ich auch nur ansatzweise wollte.
 

“Bleib zurück.”, gab er mir zischend zu verstehen, als ich näher an ihn heran trat, wenn auch vorsichtig, “Du bist mir keine Hilfe.”
 

Es fiel mir schwer, doch ich befolgte seinen Rat - ich würde ihn womöglich nur behindern anstatt zu helfen - und das, obwohl ich das eigentliche Ziel war...
 

Novalis setzte in keinster Weise zu einem Angriff an - Fyhas schien für ihn auch keine Bedrohung dar zustellen - sein Körper schien völlig entspannt und seine Miene deutete ebenfalls eine unnatürliche Lässigkeit an, die mir in gewisser Weise schon beinahe Angst einjagte. Er war ein Mysterium für mich, so wie es eigentlich alle für mich waren, aber er war noch Mal etwas ganz anderes. Der Schöne hatte es auf mich abgesehen - weil ich ihm im Weg war, nicht, weil er mich begehrte.
 

“Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mir an dir meine Hände schmutzig mache, Insekt! Es ist schon schwachsinnig genug zu denken, dass du auch nur ansatzweise eine Chance gegen mich hättest; in Kombination damit diesen... ich finde keine Worte für ihn... schützen zu wollen... noch besser! Lexus höchstpersönlich hätte sich um mich kümmern sollen!”
 

Seine Art mit anderen umzugehen war nicht beneidenswert und ich fühlte einen Ekel in mir, wenn ich ihn betrachtete. Er mochte äußerlich zwar unbeschreiblich schön sein, doch sein Inneres war genau das Gegenteil. Zig Fragen gingen mir durch den Kopf, wenn ich ihn betrachtete. Die Tatsache, dass er vor mir der Partner von Lexus gewesen sein sollte, war für mich unbegreiflich. Was hatte Lexus nur an ihm gefunden? Oder: aus was für einem Grund ging er je eine partnerschaftliche Bindung mit Novalis ein?

Es war, als würde er durch Fyhas zu mir hindurch blicken, so, als wäre er gar nicht da. Seine Augen funkelten in einem mir unheimlichen Schein und ich dachte den Zorn spüren zu können, den er in sich trug. Ganz offensichtlich, wie sehr er mich zu verabscheuen schien. War es eine bloße Eifersucht, weil er Lexus für sich wollte, oder hasste er mich gar wirklich?

Nicht ein Mal zwei Meter trennten uns von einander, zwischen uns und Fyhas, der ihm den direkten Zugriff zu mir verwehrte und jederzeit zum Angriff bereit erschien. Novalis zögerte einen Angriff scheinbar hinaus, wenn er überhaupt angreifen wollte - seine Motive waren mir in keinster Weise ersichtlich und auch Fyhas schien es schwer zu fallen ihn einzuschätzen. Unberechenbar, das war er.
 

“Ich kann noch immer nicht fassen, dass er dich nicht einfach gefressen hat. Damit hätte er mir einen riesigen Gefallen getan und ich müsste mich jetzt nicht mit solchen Insekten rumärgern.”, gab Novalis gespielt dramatisch seufzend von sich, stützte die Hände dabei in die Hüften und hob das Kinn an, “Jetzt muss ich mich wohl selbst darum kümmern... Tch.”
 

Novalis verstand es meine Verwirrung bis an ein Maximum zu treiben. Wovon sprach er? Wer hätte mich fressen sollen?

Nur wenige Augenblicke später erkannte ich den Sinn seiner Worte.

Es blieb ihm womöglich nichts anderes übrig, als ebenfalls zu transformieren; ob er dies tat, weil er Fyhas als zu stärken Gegner einschätzte oder weil er somit an Fähigkeiten gewann, die er benötigte, konnte ich nicht einschätzen.
 

Mir war es kaum möglich zu schlucken, als seine Transformation sich in Gang setzte. Alles, ja, wirklich alles, bis auf das kleinste Detail, das sich an ihm veränderte, kannte ich. Ich wollte mir einreden, dass ich mir all das nur einbildete, doch es war bittere Realität. Seine eben noch so kleinen, zierlichen Hände wuchsen zu prächtigen Klauen heran und die Haut färbte sich in ein helles Blau, so wie sein gesamter Körper sich zu etwas wandelte, was ich mir nur mit Mühe ansehen konnte.

Er glich Lexus. Absolut.

Er war ein Liveran.
 

"Überrascht dich das etwa?", wisperte er gefährlich, "...Ich mag es eigentlich gar nicht diese Form annehmen zu müssen, hübsch ist sie ja nicht gerade, aber mir bleibt wohl nichts anderes übrig..."
 

Hatte Fyhas davon gewusst? Davon, dass Novalis ein Liveran war? Wenn ja, warum hatte er mich nichts gesagt? Und vor allem, warum hatte Lexus es nicht erwähnt? War das also der Grund für ihre ehemalige Partnerschaft gewesen? Weil sie beide zur selben Rasse gehörten - und womöglich beide sehr angesehen waren? Aber warum war Novalis dann nicht auf Liverath, sondern hier? War er ebenso wie Lexus verstoßen worden? Vielleicht sogar zusammen?

Mein Kopf wollte mir keine Ruhe gönnen. Ich war einfach maßlos überfordert mit dieser Tatsache und wusste nur einen Bruchteil über die Fähigkeiten, über die ein Liveran verfügte. Eines wusste ich aber leider zu gut: sie verspeisten liebend gerne das Fleisch anderer Rasse; und vor allem jenes meiner Rasse...

Raeha 2.0

Ich konnte kaum glauben, dass Novalis ein Liveran war. Mit Allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit. Mir waren nicht kleinste Merkmale aufgefallen, die bei Lexus eigentlich, selbst wenn er seine schöne Hülle nutzte, nicht sichtbar waren - womöglich war Novalis auch gar nicht sein Name gewesen, sondern eine Art Schutzmantel, eine neue Identität, die er für seine Spielchen nutzte. Es interessierte mich brennend, wer auf Karatek überhaupt darüber Bescheid wusste. Außerdem hatte er von Jemanden gesprochen, etwas davon erwähnt, dass man mich doch gleich hätte verspeisen sollen. Die einzig logische Vermutung war Luranthan. Es war noch nicht allzu lange her, dass wir seinen Fängen entkommen waren - und er musste unglaublich erbost über den Verrat von Lexus sein, da war es doch eigentlich nur legitim, dass er und 'Novalis' gemeinsame Sache machten, um sich an uns zu rächen. Vorstellen, dass Novalis wollte, dass Lexus Schaden nimmt, nein, das konnte ich nicht, aber wenn er mich an Luranthan ausliefern würde, hätte dieser womöglich Gnade mit Lexus; was womöglich so ausgehen würde, dass Novalis ihn mit Gewalt an sich reißen würde.
 

Anstatt weiter in meinem Gedankenchaos zu verweilen und mich eng an die Wand hinter mir zu schmiegen näherte ich mich Fyhas, der mich immer wieder zurück drängeln wollte. Er wollte mir helfen, mich beschützen, aber ich wollte auch nicht tatenlos zusehen, wie er sich von Novalis zerfetzen lassen würde. Ich erahnte dass einiges an Kraft in seinem Körper inne wohnen musste und dass Fyhas nicht zu leichtfertig mit ihm umgehen sollte.

Und es geschah so, wie es mir nicht ausmalen wollte: Novalis griff Fyhas mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an, sodass diesem gar keine Möglichkeit blieb großartig zu blocken, und ich musste mit Entsetzen mit ansehen, wie sich die Klauen des Liveran durch die Panzer-artige Haut von Fyhas wetzten. Eine dunkelgrüne Flüssigkeit schoss aus den offenen Fleischwunden heraus und ein schmerzerfülltes Krächzen war das Einzige, was er von sich geben konnte. Novalis hatte Fyhas in die Knie gezwungen, mit einer Einfachheit, die ich nicht erwartet hätte. Er drückte ihn mit einem Fuß zu Boden, die scharfen Haken an seinen Versen über dem Gesicht des Anderen verweilend und den Blick auf mich gerichtet.
 

"Was schaust du mich denn so an, hmh? Ich sagte doch, dass ich Insekten hasse... Also, was soll ich nun mit ihm tun? Ich könnte ihm - einfach so - das Gesicht in sämtliche Stücke teilen. Oder... oh, nein, das gefällt mir noch besser..."
 

Für einen kurzen Augenblick stockte mir der Atem; und ich glaubte mein Herz würde ebenfalls versagen...

Novalis hatte das Rippengebilde von Fyhas mit einer Klaue in die Höhe gezogen, an wessen Ende der noch immer der Gift-Stachel baumelte, welchen er dann auf mich richtete.
 

"Wie verführerisch das ist... Die Vorstellung, wie du dich vor Lähmung kaum noch rühren kannst und langsam aber sicher jedes einzelne Organ in deinem Körper zu platzen droht. Ich habe zwar nicht viel für Insekten übrig, aber ihr Gift ist schon ganz nützlich, denkst du nicht auch?"
 

Ich musste mich zusammen reißen und durfte der Angst in mir nicht noch mehr Macht über mich erlauben - selbst ohne Gift fühlte ich mich bereits wie gelähmt und war nicht fähig auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen.

Novalis lies dann letztendlich von Fyhas ab, welcher sich am Boden krümmte und krächzte, mit Mühe versuchte, die Blutungen zu stoppen, die aufgrund der Fleischwunden entstanden waren. Er überbrückte die letzten Schritte zwischen uns und schlug mich mit solch einer Wucht gegen die Wand hinter mir, dass ich schmerzlich aufschrie. Ein Grinsen zierte seine blassen Lippen und seine dunklen Augen funkelten mich bedrohlich an - es musste eine süße Melodie in seinen Ohren gewesen sein, als ich immer wieder wimmerte und schrie, weil er mir unaufhörlich immer mehr Schmerzen hinzufügte. Grob nahm er mein Kinn zwischen seine Klauen und zwang mich dazu ihm ins Gesicht zu blicken.
 

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie gerne ich dich töten würde... Leider darf ich das nicht, sonst würde ich mit einer Bestrafung rechnen müssen... Aber die wäre es mir allemal wert..."
 

Für ein paar Sekunden wog ich mich wegen seiner Worte in Sicherheit, doch diese verflog genau so schnell wieder, wie sie gekommen war. Sein Hass und der Neid auf mich mussten unsagbar groß gewesen sein, tief in seiner Seele verankert, und er würde nur Frieden finden können, wenn ich nicht mehr wäre. Was für eine Kränkung das wohl für ihn sein musste, dass Lexus ihn von sich gestoßen und verachtet hatte und dann mich an seiner Seite weilen zu sehen, und das, wo ich in seinen Augen womöglich Abschaum gewesen war; genau genommen: nur eine Delikatesse für seine Rasse, nichts weiter als ein Stück Fleisch.
 

"Was ist es... was du willst? Lexus?", fragte ich, so leise, dass er mich kaum verstehen konnte, "Ich bin nicht verantwortlich dafür, dass er sich von dir abgewendet hat..."
 

Ich machte es nicht besser, sondern verschlimmerte die Situation nur zunehmend - ich heizte Novalis' Wut auch noch an und sorgte sogar selbst dafür, dass er mir immer mehr Schmerzen zufügte. Warum war ich nicht einfach still gewesen...?
 

"Wie sehr sehne ich mich danach mit ansehen zu können, wie er dich frisst. Dich ein für alle mal vernichtet, damit du mir nie wieder in die Quere kommen wirst! Lexus wird erkennen, dass er einen Fehler begangen hat! ...Und er wird es bitter bereuen... Er wird erkennen, dass ich der rechtmäßige Partner an seiner Seite bin, einer seines Gleichen, einer, der mit ihm auf Augenhöhe steht!”
 

Es konnte sich nur um Luranthan handeln, darin bestand für mich kein Zweifel mehr. Also war er es der Karatek angegriffen hatte, um Lexus damit in eine Falle zu locken, damit Novalis freie Bahn mit mir hatte, und das, obwohl er mich nicht töten durfte - aber das ergab keinerlei Sinn. Wieso so viel Mühe, wenn Luranthan sich doch dessen bewusst sein müsste, dass er für seinen Rachezug nicht ein Mal Novalis brauchte? Aber gut, dieser profitierte von diesem Deal ja insofern, dass Lexus verschont und ihm überlassen werden würde, wohingegen Luranthan mich endlich verspeisen könnte...

Meine Augen suchten immer wieder den Kontakt zu Fyhas, den ich nicht leiden sehen konnte. Ich wollte ihm helfen, zumindest seine Blutungen stoppen, aber ich war selbst nicht bewegungsfähig. Ganz abgesehen von Novalis, der es auch nicht zulassen würde, dass ich ihm helfe.

Wie sah sein Plan genau aus? Wollte er mich hier so lange fest halten, bis Luranthan eintreffen würde? Und war es wirklich Luranthan, gegen den Lexus angehen musste? Vage Erinnerungen daran, was auf Liverath geschehen war, verbildlichten sich vor meinen Augen - was genau geschehen war weiß ich bis heute nicht, aber Lexus war nur gerade so mit dem Leben davon gekommen, als er sich gegen den Anführer seiner Rasse auflehnte.

Novalis war sichtlich ungeduldig. Ich sah ihm an, dass er mich am liebsten in Stücke reißen wollte, doch er durfte er scheinbar nicht - ob das für mich jetzt Glück oder Unglück war, konnte ich noch nicht so wirklich einschätzen. Meine Gedanken drehten sich um Lexus, und auch um Fyhas, der immer mehr Blut verlor...
 


 

-
 


 

Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als wenig später dann tatsächlich Luranthan vor mir stand. Nicht unbedingt sanft drängte mich Novalis aus dem Zimmer heraus - Fyhas ließ er zurück - und brachte mich in irgendeinen Raum, welchen ich vorher noch nicht kannte. Es verwunderte mich, dass keiner, an welchem wir vorbei gegangen waren, auch nur irgendetwas tat. Wussten sie alle von Novalis' Identität? Und von seinen Plänen? Karatek war angegriffen worden - und das war sein Verschulden!
 

Mir blieb der Atem in der Kehle stecken, als Luranthan näher an mich heran trat. Seine Erscheinung war, im Gegensatz zum ersten Mal, als wir uns begegnet waren, um einiges imposanter. Genau deuten, woran diese Wahrnehmung liegen mochte, konnte ich nicht, aber ich spürte, dass er um einiges gefährlicher war als zuvor. Und... wo war Lexus? Nirgends war eine Spur von ihm zu erkennen!
 

"Wer hätte gedacht, dass wir uns noch ein Mal wieder sehen, Aterun. Aber ich bin auch von nichts Anderem aus gegangen: früher oder später würdest du mir ausgeliefert sein. Freust du dich nicht, mich wieder zu sehen?"
 

Am liebsten wäre ich gerannt, so schnell ich konnte, einfach nur fliehen, aber Novalis verhinderte dass ich auch nur ansatzweise hätte fort laufen können, so fest, wie er meine Arme hinter meinem Rücken zusammen drückte. “Wo ist Lexus?”, brachte ich nur krächzend heraus, “Wo ist er?”
 

Ich hörte Novalis hinter mir schnaufen und spürte, wie er meine Arme fester aneinander drückte, als ich einen gewissen Namen aussprach, doch ich biss die Zähne zusammen und wollte jegliche Schmerzenslaute verhindern - ich ahnte, dass Luranthan darauf nur noch mehr reagieren würde und dass solche Laute einen Liveran umso mehr anheizten - so oder so stand ich auf seiner Speiseliste, aber ich wollte es für mich nicht noch schlimmer machen, als es ohnehin schon war.
 

“Was denkst du, was ich mit ihm gemacht habe? In einem unbedingt guten Zustand war er ja jetzt nicht, als er mir gegenüber stand, wirklich erbärmlich.”
 

Die schlimmsten Vermutungen musste ich sofort ausblenden. Luranthan konnte ihn unmöglich getötet haben, da Novalis ihn wollte. Wenn ich meiner Annahme richtig lag... Vorstellen, dass es anders gewesen sein mochte, konnte ich es mir zwar nicht, aber ich durfte mich nicht zu sehr auf das versteifen, was ich mir in meinem Angst-Wahn zusammen gesponnen hatte. In meinem Hinterkopf drehte sich alles um Lexus - und auch um Fyhas - weniger darum, dass es mit meinem Leben womöglich bald vorbei sein würde... In diesem Augenblick war mir so gut wie alles was mein eigenes Wohl betraf egal. Alles, was ich wollte, war dass die Beiden wohlauf waren; im Grunde war ich ja auch der Auslöser für ihr Leid gewesen, es war meine Anwesenheit, die die beiden in Gefahr brachte, nichts Anderes. Aber wäre es wirklich so sinnvoll, wenn ich mich Luranthan ausliefern würde? Es gab keinerlei Sicherheit dafür, dass er Lexus, Fyhas und sämtliche Bewohner Karatek’s dann in Ruhe lassen würde. Dank Lexus wusste ich, wie grausam dieser Tyrann wirklich gewesen war, da traute ich ihm alles zu.

Luranthan trat näher an mich heran, bis er mir so nahe war, dass sich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper bildete. Seine gesamte Erscheinung war Angst einflößend und der Blick auf seine massiven Zähne, die sich nach meinem Fleisch sehnten, beruhigten mich in keinster Weise. Ich wollte meine Augen schließen, ihn nicht mehr ansehen, doch er zwang mich immer wieder dazu. Seine Klauen drohten mein Gebiss mit Leichtigkeit zu zertrümmern.
 

“Eigentlich würde ich dich jetzt sofort verspeisen wollen, aber... Da es noch so viele andere Körper gibt, durch welche ich meine Zähne reißen muss und von denen ich weiß, dass sie auch nicht Mal ansatzweise so gut schmecken wie der Körper eines Aterun... musst du leider noch warten. Das Beste zum Schluss.”
 

Was? Er würde noch unzählige Andere verspeisen wollen? Ich war davon ausgegangen, dass er es schlicht und allein nur auf mich abgesehen hatte, weswegen ich mit den Gedanken spielte, mich ihm freiwillig hinzugeben, damit niemand sonst noch in Gefahr gebracht werden würde - da lag ich mit meiner Hoffnung also vollkommen falsch.

Novalis' Griff war noch immer stark und er würde mich auch nicht los lassen, bis Luranthan sich mir widmen würde. In meinem Kopf herrschte ein riesiges Wirrwarr und ich wusste nicht, was ich tun sollte; eigentlich war ich nicht ein Mal im Stande dazu irgendetwas zu tun, aber...

War es also meine Schuld, dass den Bewohnern von Karatek ein solches Unheil drohte? Wäre Luranthan überhaupt hierher gekommen, wenn ich nicht hier gewesen wäre?

Mein Brustkorb fühlte sich schwer an, als Luranthan sich dann von uns entfernte - ich malte mir sofort aus was er Grausames planen würde und hoffte, dass ihn irgendjemand daran hindern würde.
 

“Du warst es also, der ihm die Information gab, wo wir uns befinden...”, brachte ich nur mit Mühe heraus und linste über meine Schulter zu Novalis, dem der Hass förmlich ins Gesicht geschrieben war, “Wieso? Hättest du nicht irgendeinen anderen Plan haben können, uns eventuell weg locken, aber auf Karatek? Vermutlich irre ich mich ganz gewaltig, aber selbst so ein Widerling wie du muss doch etwas für Andere übrig haben...”
 

Es war mir noch immer ein Rätsel, warum Novalis auf Karatek lebte. Nach Erzählungen sogar schon relativ lange, immerhin war er damals mit Lexus schon zusammen an diesem Ort gewesen, aber Lexus schien erst dann verstoßen worden zu sein, als er sich gegen Luranthan stellte, um mich zu schützen. War also Novalis allein damals verstoßen worden und sah Lexus es als eine Art Aufgabe, dann trotzdem noch bei ihm zu sein, obwohl sie eigentlich getrennte Wege gehen mussten? An der Vorstellung der ehemaligen Beziehungen der Beiden hatte ich so schon zu knabbern - und alles zusammen ergab einfach keinen Sinn, den ich nachvollziehen konnte.
 

Natürlich antwortete er nicht, sondern gab nur ein verächtliches Zischen von sich, dabei meine Arme fester an meinen Rücken drückend.

Raeha 3.0

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Raeha 4.0

Alles, was um mich herum geschah, wirkte wie ein Zusammenspiel aus aberwitziger Fantasie und der grausamen Realität, die sich gegenseitig die Klinke in die Hand gaben. Meine Sinne waren vollkommen überlastet, so wie ich aufgrund der Verstümmelung meiner Augen auch nichts mehr sehen konnte. Ich war quasi erblindet, konnte nicht ein Mal mehr den Unterschied von hell und dunkel aus machen. Ab und an war ich mir nicht mehr sicher, ob ich gerade bei Bewusstsein war oder ob ich träumte. Ich fühlte, wie ständig etwas meines Körper berührte, dachte, dass es vielleicht wieder nur Luranthan war, der noch immer an mir rüttelte und zerrte und mich mit Boshaftigkeit anschrie, wirres Zeug von sich gab, dass ich noch immer nicht verstand. Ich hatte irgendetwas von Regenerieren gehört, konnte daraus aber keinerlei Schlüsse ziehen. Nichts gab es an meinem Körper, was sich hätte regenerieren können - vor allem nicht meine Augen. Er musste sich etwas zusammen fantasiert haben, aus Gerüchten und Murmelei heraus, was er sich vielleicht sogar selbst ausgedacht hatte, und wollte ein kleines Experiment an mir vornehmen. Zu verlieren hatte er ohnehin nichts, da er mich ohnehin verspeisen würde - mit oder ohne Augen.

In diesem Moment wurde mir die Grausamkeit so mancher Völker wieder schmerzlich bewusst und dieses Mal erfuhr ich sie am eigenen Leibe. Vor geraumer Zeit hatte ich es, dank Lexus, geschafft, mich aus den Fängen der Liveran zu befreien, und doch landete ich erneut auf einem silbernen Tablett, bereit, um als ihr Abendmahl zu dienen. Die Hoffnung, in Frieden - mit Lexus - leben zu können, war mir wohl nicht vergönnt. Das wäre auch zu schön gewesen, als dass es zur Wirklichkeit hätte werden können. Im Endeffekt stellte Karatek also nur einen kurzzeitigen Zufluchtsort dar, der nun auch nicht mehr sicher schien.

Es wunderte mich allerdings doch, dass mein Körper noch irgendwie intakt zu sein schien. Eigentlich, dachte ich, hätte ich an meiner Verletzung verbluten müssen - unwahrscheinlich war es nämlich nicht. Entsprechend der Umstände war ich also - relativ - in Ordnung, je nachdem, wie man das auslegen konnte.
 

Noch immer wusste ich nicht, was geschehen war. Sicherlich war es so, dass Novalis einen Angriff arrangierte, als Luranthan’s rechte Hand handelte, aber ich wusste noch immer nichts über den Verbleib der anderen. Luranthan war so sehr damit beschäftigt zu wüten, darüber Ärger zu empfinden, dass mein Körper nicht so funktionierte, wie er es glaubte, dass er mir auch keinerlei Informationen gab. Ich wusste nicht ein Mal, wo sich Novalis gerade aufhielt, geschweige denn, was er wirklich vor hatte. Wenn ich so darüber nachdachte, dann ergab das alles keinen Sinn. Wenn er Lexus für sich wollte und mich damit aus dem Weg räumen mochte, wieso ließ er dann Luranthan Karatek angreifen? Was nützte es ihm, wenn Lexus dadurch eventuell gefährdet war, wo Novalis doch selbst wissen musste, dass Luranthan es ebenfalls auf ihn abgesehen hatte? Immerhin war er ein Verstoßener, der gegen den Willen des Oberhauptes gehandelt und sich gegen sein Volk entschieden hatte, da war es doch logisch, dass Luranthan einen massiven Groll gegen ihn hegte. Was, wenn Novalis’ Intention eine andere war, die ich allerdings nicht kannte und eventuell auch gar nicht nachvollziehen konnte? Immerhin kannte ich ihn nicht gut, nur oberflächlich, und wusste vor allem auch nichts über seine Vergangenheit - die auch mit Lexus verbunden war.
 

“Bewege dich, Aterun!”
 

Selbst wenn ich seinem Befehl hätte gehorchen wollen, war mir dies kaum möglich. Mein Körper rührte sich, selbst wenn ich es wollte, so gut wie gar nicht, immerhin hatte ich auch einige Mengen an Blut verloren.

Da ich mich selbst nicht bewegen konnte, zerrte mich Luranthan an einem meiner Arme herauf auf die beinahe tauben Beine, auf denen ich mich kaum bis fast gar nicht halten konnte. Erneut zerrte er an mir, zwang mich dazu, einige Schritte zu gehen, die ich nur mit Schmerzen ertragen konnte. Mein Körper schien an einigen Stellen mehr verwundet zu sein und ich konnte schon gar nicht mehr aus machen, welche Körperteile alle schmerzten und welche es nicht taten.

Immer wieder vernahm ich ein deutlich verstimmtes Knurren seinerseits.
 

“Dich giert es doch sicherlich danach zu wissen, was mit deinen kostbaren Freunden geschehen ist, oder?”
 

Er war also endlich bereit dazu, mir Informationen zu geben?

Mit einem Mal fühlte ich eine Art von Energie-Schub in mir, der mir neue, auch wenn nur kurz andauernde, Kräfte verlieh.
 

“Ich wollte nun erst sagen, dass du die Augen öffnen solltest, aber ach... Du hast ja keine mehr. Das vergaß ich beinahe, verzeih'.”, kicherte er mit seiner dunklen Stimme und ich erahnte, dass ein Schmunzeln seine Lippen zierte, “Aber da gäbe es eine andere Möglichkeit... Wenn dein Körper sich nicht auf diese Art und Weise regenerieren möchte, wird er es wohl mit einer anderen Methode können, dafür bräuchten wir allerdings ein wenig... wie soll ich sagen? Fremde Hilfe.”
 

Wovon sprach er bitte schon wieder? Alles, was er über die ‘Regeneration meines Körpers’ von sich gab, ergab keinerlei Sinn. So oft war ich schon schwer verletzt gewesen und konnte mich von alleine nicht regenerieren, immer nur mit Hilfe von Lexus.

Moment. Lexus!

Er meinte doch nicht etwa...-!

Mein Herz überschlug sich in wilden Sprüngen, als ich an meine Vermutung dachte. Konnte es sein, dass er Lexus dafür nutzen wollte, dieses Experiment an meinem Körper auszuprobieren? Natürlich, so musste es sein! Die Gleichgültigkeit, die mich zuvor noch ausgefüllt hatte, war der Euphorie gewichen. Der Gedanke daran, dass Lexus am Leben sein musste, ließ mich neue Hoffnung schöpfen!

Vor meinem inneren Auge malten sich unglaublich schöne Bilder, in den wildesten, ungestümsten und gleichzeitig friedlichsten Farben, die ich kannte und mir selbst zusammen mischte. Ich glaubte an diesen Traum, an diese Wirklichkeit, die ich mir so sehr wünschte, dass er wohlauf sein würde, dass ich in nur wenigen Momenten seine Stimme hören und ihn berühren könnte. All mein Leid würde sich von mir lösen, so dachte ich, wenn Lexus bei mir wäre.
 

Doch die Stimme, die ich dann hörte, war nicht die von Lexus.

Eine andere Stimme, die mir bekannt war. Und noch eine weitere.
 

“Nimm endlich deine dreckigen Klauen von mir, Liveran! Oder ich-”
 

“Oder du vergiftest mich? Ist es das, was du mir androhen möchtest, Insekt?”
 


 

Fyhas und Novalis!
 

Ich wünschte mir in diesem Moment ich hätte etwas sehen können, sehen, wie es Fyhas ging, ihn ansehen, sehen, wie sein Zustand war - doch alleine die Tatsache, dass er lebte, ließ mich schon ein Mal aufatmen. Eine Welle der Erleichterung bescherte mir kurze Gefühle von Glück, auf der anderen Seite spürte ich so etwas wie Enttäuschung, da ich noch immer nicht wusste, was mit Lexus geschehen war und ob dieser überhaupt noch unter den Lebenden weilte...
 

Die Schritte um mich herum schlugen sich in mein nun noch empfindlicheres Gehör. Seitdem ich mein Augenlicht verloren hatte, waren meine anderen Sinne umso sensibler geworden und ich konnte langsam, aber sicher, auch die Richtungen bestimmen, aus welchen die Geräusche um mich herum kamen. Ein wenig Konzentration bedurfte es allerdings doch noch, dass ich dazu fähig war, aber immerhin.

Man näherte sich mir. Ich vermutete, dass es Novalis war, der Fyhas hinter sich her schleifen musste, da ich ein nur die Schritte einer Person vernehmen konnte, zusätzlich aber etwas hörte, was über den Boden schleifte.

Ich atmete tief durch und versuchte, meinen Atem, der sich soeben beschleunigen wollte, zu beruhigen. Die Ruhe bewahren. Das war das Einzige, was ich tun musste, nichts anderes. Ich wollte keine falschen Schritte machen und es vor allem nicht wagen, Fyhas unnötig in Gefahr zu bringen.

Die Schritte fanden nur etwa einen halben Meter vor mir ihr Ende und ich roch erneut den metallischen Gestank von Blut, der in meine Nasenflügel hinauf kroch und mir Übelkeit bescherte.
 

“Freust du dich nicht darüber, deinen Freund wohlauf zu wissen, Aterun?”, hörte ich Luranthan sagen, “Eigentlich hatte ich keine Verwendung für ihn, aber jetzt...”
 

Unweigerlich dachte ich an das, was er zuvor gesagt hatte.

An die Sache mit dem Regenerieren und die Möglichkeit, dies mit fremder Hilfe zu tun. Das konnte nur bedeuten, dass...
 

“Es ist kein großer Verlust. Sehen wir es doch eher so: er gibt dir etwas, was du verloren hast, da er dafür eh keine Verwendung mehr haben wird, wenn er ein totes Stück Fleisch sein wird. Nur, was mache ich dann mit seinem Körper, wenn ich ihm seine Augen genommen habe, um sie deinem Körper zu schenken? Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke nicht, dass sein Fleisch so viel Anklang auf unserem Speiseplan findet. Es ist zu zäh, nicht trocken, aber belastet mit allen möglichen Giften, die uns eventuell schaden könnten. Und so ein Risiko geht man doch nicht ein, nicht wahr? Aber... wie wäre es mit dir, Aterun? Du musst doch sicherlich einen gewaltigen Hunger haben, wenn man bedenkt, in was für einem jämmerlichen Zustand sich dein Körper befindet. Man sagt doch auch, dass das Verzehren anderer Körper einem neue Kräfte schenken soll. Dass die Fähigkeiten des Körpers und des Gehirnes der Rasse, die man verspeist, auf einen über gehen soll? Ist dem so?”
 

Was?

Er drückte sich so klar und deutlich aus, und doch verstand ich seine Worte nicht. Womöglich wollte ich sie einfach nicht begreifen, weil mir ihre Grausamkeit zu bewusst gewesen war.

Wenn ich ihn richtig verstanden hatte, war es also Fyhas, der als sogenannte ‘fremde Hilfe’ missbraucht werden sollte und er verlangte tatsächlich von mir, dass... Nein, ich wollte diese Gedankengänge gar nicht weiter führen und ihnen kein abscheuliches Theater in meinem Kopf bieten!

Luranthan gab ein leises Seufzen von sich und schien mir dann näher zu kommen. Seine Klauen hatten sich in einigen meiner Haarsträhnen verfangen und packten mich grob, sodass ich mich zwangsweise aufrichten musste. Meine Fingerspitzen berührten gerade so noch den Boden unter mir und mein gesamter Körper spannte sich an.
 

“Was ist dir lieber? Entweder zerfetze ich ihn mit meinen Zähnen... oder du kümmerst dich persönlich darum. Was ist dir lieber? Glaubst du nicht, dass es für ihn persönlich schöner wäre, wenn du es wärst, der ihn isst? Es scheint mir so, als würde er dich mögen, also wäre das doch eine süße Geste, wenn du ihn dir einverleibst. Immerhin ist das doch auch irgendwo sehr romantisch, hm?”
 

Seine Worte bescherten mir umso mehr Übelkeit. Ich wollte nicht auch nur ansatzweise über das nachdenken, was er da von sich gab, doch ich musste eine Lösung finden, mit der ich - und vorallem Fyhas - leben konnte. Weder wollte ich, dass er von den Liveran getötet wurde, doch ich wollte seinem Leben auch kein Ende setzen. Er war als Unschuldiger in diese Sache herein gezogen worden und mich plagten bereits unzählige Gewissensbisse, da ich an seinem Leid Schuld gewesen zu sein schien.

Meine Schneidezähne hatten sich tief in das weiche Fleisch meiner Unterlippe gebissen und wühlten ungeduldig darin. Was sollte ich antworten? Was sollte ich tun?
 

“Was nutzt es euch?”, wagte ich mit zittriger Stimme zu fragen, “Ich bin mir sicher, dass ihr uns so oder so töten werden, warum nur aber giert ihr so sehr danach, euren Opfern auch noch Leid zuzufügen?”
 

Wissend, dass meine Worte für nichts weiter als einer Belustigung dienten, schwieg ich wieder. Luranthan hatte mich noch immer im Gruff und zog ab und an mit unverkennbarer Grobheit an meinem Haar und gab unverständliches Gemurmel von sich, aber sonst tat sich nichts. Zumindest nichts, wovon ich etwas hätte erahnen können. Erneut wollte ich ansetzen und den Worten, die auf meiner Zunge lagen, Freiheit gewähren, da zuckte ich wegen eines mir undeutsamen Geräusches zusammen. Es klang wie ein Reißen, aber auch wie ein Schmettern, ein Laut voller Brutalität, der sich mir bis ins Mark schlug und meinen gesamten Körper zu lähmen drohte, weil er so immens gewesen war.
 

Und dann... war alles ganz still.

Erschreckend still.
 

Panisch suchten meine vor Schock und Aufregung kribbelnden Fingerspitzen den Boden ab, nicht wissend, wonach sie überhaupt suchten, bis sie endlich etwas fanden, was sie mit Sorgfalt umschlossen und näher an den Körper heran brachten, bis ich an dem, was ich gefunden hatte, riechen konnte. Es roch süßlich und gleichzeitig bitter, ein herber, aber mir bekannter Geruch. Das, was ich in meinen Händen fühlte, war weich und gleichzeitig wies es etwas wie... Schuppen auf.
 

Das, was ich in meinen Händen hielt und schluchzend an mich drückte, war ein Körperteil von Fyhas, doch welcher es war... konnte ich nicht aus machen.

Raeha 5.0

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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von:  jackal
2014-04-13T19:28:06+00:00 13.04.2014 21:28
Ich find das so episch mit den Augen, voll die geile Idee! :D
Aber Fyhas tut mir auch leid ;A; wengistens lebt er.
Ich will das wieder zeichnen.... xDDD aber würd ich eh nicht hinkriegen.
Iwie wirkt alles, als würde es langsam aufs Ende zugehen, hoffentlich nicht ö_ö
Hauptsache es bleibt so schön brutal hihihihihihi :D
Genial wie immer *-* hoffentlich geht es bald weiter, aber ich will dich auch nicht hetzen ._.
Von:  jackal
2014-01-27T21:18:49+00:00 27.01.2014 22:18
ich dcahte grad so OMG DKGHWOE FNEUES KAPITEL aber ich kenns ja schon hihihi :D

Lecker Augensuppe *-*
und armer Fyhas ;____________________;
Von:  jackal
2014-01-23T20:17:34+00:00 23.01.2014 21:17
Mann mann schon krass wie oft Aria in Ohnmacht fällt :D
Aber mit Luranthan hab ich gar nicht gerechnet und den find ich auch kuhl hehe :D
und das ist so schön brutal *-* ich bin auch gespannt, was Aria für besondere Kräfte hat :D
Von:  jackal
2013-04-16T20:31:57+00:00 16.04.2013 22:31
boah ey du kannst sagen was du willst, aber ich find Novalis voll cool :/
Fyhas tut mir leid, aber auch blöd, dass der sich überhaupt in den Weg stellt, wenn er sowieso null Chance hat x.x
und jetzt wird Luranthan vermutlich den ganzen Planeten fressen. Entweder wird Lexus heldenhaft zur Hilfe eilen, oder Arash ooooooder Luranthan platzt, bevor er Aria fressen kann :D
und hoffentlich gehts Lexus gut :/
Von:  jackal
2013-04-09T15:39:04+00:00 09.04.2013 17:39
Novalis x Fyhas
Novalis x Fyhas
Novalis x Fyhas
Novalis x Fyhas
Novalis x Fyhas
hohohohoho
ich dachte erst ich würde Novalis hassen aber irgendwie... keine Ahnung :D
jedenfalls gruselig dass er transformiert wie Lexus aussieht, voll der Nachmacher :/ aber gut wenn das bei denen eben immer so ist...
hoffentlich bzw. bestimmt wird Fyhas den aber trotzdem besiegen oder Lexus kommt noch in letzter Sekunde, immerhin muss der Hauptchara ja überleben :D oooooooder Aria könnte endlich mal seine erstaunlichen Kräfte auspacken die er ja angeblich hat.
ohwgohweogehw tolle hetero Fanfiction, bin schon auf die Fortsetzung gespannt (und auf Viah und Virus akghwoge)
Von:  jackal
2013-04-09T15:15:35+00:00 09.04.2013 17:15
Iiiiiiiih Romantik xD ne bei den beiden ist das süß, ich bin mal gespannt, wann rauskommt, wieso Lexus Aria unbedingt besitzen will und wann Aria sich endlich hingibt ê.ê (Adult Kapitel pls)
uuuuund am Ende hab ich jetzt voll Angst gekriegt, ich dacht erst so hä Fyhas will Aria plötzlich killen??? aber dann so scheiße hoffentlich werden die nicht gefunden ;A;
mal gespannt wer da angreift :D
Von:  Kaname
2013-04-01T23:18:53+00:00 02.04.2013 01:18
Prolog.
Interessanter Einstieg in die Geschichte, wenn auch ein bisschen kurz.
Mir persönlich fehlt zwar ein flüssiger Übergang in das direkte Handlungsgeschehen,
aber ist wohl Geschmackssache. Beim Lesen hatte ich das Gefühl der Protagonist setzt
zu seiner Erzählung an, während der Leser aufmerksam seinen Worten lauscht. Hat mir
sehr gut gefallen, doch wie gesagt, eine etwas längere Fassung hätte mir besser gefallen.
Jedenfalls wird dem Leser recht schnell klar, dass du die Geschichte deiner Hauptperson nacherzählen möchtest, da du auch direkt zu Beginn gleich in der Ich-Erzähler Perspektive anfingst.

Kleine Anmerkung:
"[...] gerade zu einer Erzählung ansetzen - einer äußerst unschönen Erzählung - [...]"
Ist meistens nicht üblich das charakterisierte Substantiv in der Folge darauf abermals zu
benennen. Das kannst du auch weglassen, ist üblicher, Bezug ist hergestellt. Ist nur ein
winziger Schönheitsmakel, aber meine Deutschlehrerin hat darüber immer regelrechte Vorträge
gehalten, warum man das lieber so tun sollte.

Ansonsten: Ich bin Mal gespannt, wie's nun weitergeht. :3

Von:  jackal
2013-01-05T19:27:43+00:00 05.01.2013 20:27
Kann man sich gar nicht vorstellen, dass die was Böses wollen :/ die sind doch alle soooo lieb ;A; wenn auch etwas versaut :D Ich bin gespannt was die tatsächlich aushecken und lexus soll mal nicht so verwirrend sein xD
Von:  jackal
2013-01-05T19:19:00+00:00 05.01.2013 20:19
boaaaaaaaaaah das Kapitel gefällt mir xDDD und wie sie ihn einfach zugucken lassen, ganz schön ungezogen sind die :D
und Lexus soll nich so fies sein, das hat er jetzt davon, dass er das Schauspiel nicht mit Aria betrachten kann :/
Von:  dismembered_corpse
2013-01-03T20:41:39+00:00 03.01.2013 21:41
... nun ... ....
xDDD (das sagt alles, oder? xD)

Mich würde jetzt interessieren wie genau diese Bauten aussehen ;__; Ich stell mir grad n super Bild vor und habe Nihei vor Augen. Irgendwie soetwas? Oder könnte es einer Epoche bei uns auf der Erde entsprechen?
Okay, jetzt bin ich beim Anführer und es brennt mir unter den Nägeln zu wissen, wie es da genau aussieht ;_; Aber die Beschreibung von ihm gefällt mir, stelle ich mir nett vor. Ich mag ihn, sag ich einfach mal so :D
(Ich muss lachen, wenn ich den Namen Lexus lese, sorry, ich kann den einfach nicht ernst nehmen, das Internet hat mich zerstört D: )

Hui~ ich bekomme Hunger xD Ich wünsche einen guten Appetit und man möge mir einen Happen abgeben >D

Also bis auf ein paar kleine Rechtschreib- und Ausdruckfehler n nettes Kapitel.
Aber dennoch vermisse ich an manchen Stellen detaillierte Beschreibungen.
Hab ja noch n paar viele Kapitel vor mir, mal sehen wie diese aussehen :D


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