Zum Inhalt der Seite

Sonnenaufgang im Westen

Aus den jungen Jahren eines Hundefürsten...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Neuigkeiten

Die Prinzessin war erleichtert, als die Heilerin kam. Das schweigende Sich-Anstarren war etwas enervierend, vor allem, wenn man bedachte, dass der unerwartet mächtige Dämon dort ihr Ehemann war, jemand, dem sie absoluten Gehorsam schuldete, wollte sie sich keine Strafe einhandeln. Und so wütend, wie dieser zuvor gewesen war, war etwas Schreckliches geschehen, an dem er ihr die Schuld gab. Hatte ihr Vater etwa einen erneuten Aufstand geplant oder gar durchgeführt? Aber warum verhörte sie dann nicht ihr Schwiegervater? Und nein, ihr Vater würde sie doch nicht so im Stich lassen, wenn er schon eine Spionin extra in das Schloss gesandt hatte, um zu prüfen, wie es ihr erging. Er würde es doch nicht....oder doch? Was sonst hatte nur diese Rachegelüste hervorgerufen?

Alles, was ihr im Moment blieb, war, ihren Stolz zu wahren und in möglichst gelassener Haltung das Eintreffen der Heilerin abzuwarten. Falls diese ihre eigene Vermutung, sie sei schwanger, bestätigte, würde sie wenigstens am Leben bleiben können. Falls nicht...nun, dann war die Ankündigung ihr die Zunge herausreißen lassen zu wollen, sicher nur der Anfang. Moment. Wieso die Zunge? Hatte sie etwas ausgeplaudert oder er glaubte es? Aber was? Sie bekam doch keinerlei Informationen über den Westen und sie hatte auch nichts darüber verlauten lassen wie sie beide sich über Wirtschaft und Jura unterhalten hatten.

Endlich kam die Heilerin.
 

„Ist sie schwanger?“

Die nüchterne Frage ließ die beiden Frauen im Raum etwas zusammenzucken, aber die Heilerin gewann rasch ihre Professionalität wieder. „Darf ich Euch bitten, Euch niederzulegen, Prinzessin? - Ich bin nicht sicher, Herr, ob das bereits festgestellt werden kann,“ gab sie zu bedenken.

„Tue deine Pflicht.“ Und das erinnerte beide Dämoninnen an Stahl.

Die Prinzessin legte sich nieder und bemühte sich nicht zu erkennen zu geben, wie unangenehm ihr diese gesamte Lage war. Falls er sich nicht beruhigte, würde ihre Zukunft oder eher ihr Tod mehr als unangenehm werden, da war das hier nur ein kleiner Preis. Glaubte er etwa gar sie hätte ihn betrogen? Aber warum? Und wieso war er nicht in den Bergen von Me, wie geplant?

Falsche Fragen, erkannte sie dann. Etwas war in den Bergen von Me geschehen - und er trug das Schwert seines Vaters, Blut auf seiner Rüstung.....Es musste einen Kampf gegeben haben, einen Hinterhalt, bei dem der Fürst gefallen war. Und aus irgendeinem Grund nahm ihr Gemahl an, sie sei schuld am Tod seines Vaters, diesem Überfall. Das war Hochverrat. Leider war er der neue Fürst und was immer er befahl würde auch ausgeführt werden. Er war doch sonst so ruhig, so klug, so....ja, intelligent. Sie versuchte die Hände der Heilerin an ihrem Körper zu ignorieren und schloss die Augen.

„Was meint Ihr selbst, Prinzessin?“ erkundigte sich die Heilerin, die ahnte, dass das eine heikle Situation war.

„Ich spüre – oder meine zu spüren – eine zweite Energie in mir, aber nur selten.“

„Ja, das wäre normal. Soweit ich erkennen kann, Herr, spricht nichts dagegen, dass die ehrenwerte Prinzessin schwanger ist – aber eine sichere Diagnose ist erst in ein oder zwei Wochen möglich, wenn nicht später.“

Der neue Taishou richtete sich etwas auf: „Gut. Dann geh und stehe ihr zur ständigen Verfügung.“

Die Heilerin verneigte sich und verließ das Zimmer, während die Prinzessin ihre Kleidung ordnete und sich dann, ihren Stolz verleugnend, hinkniete.

„Dankt dem Kind, dass Ihr am Leben bleibt – vorerst,“ sagte er eisig und wandte sich zum Gehen.

Sie nahm sich sich in Anbetracht der Umstände zusammen: „Mein Gebieter, jedem Verbrecher sagt man, was man ihm vorwirft....“

Sie berief sich auf ihre abendlichen Unterhaltungen? Mit gewisser Verachtung drehte er sich nicht zu ihr um: „In den Bergen von Me wartete eine Falle, die meinem verehrten Vater und den Kriegern, die bei uns waren, das Leben kostete. Niemand wusste davon, dass wir dort sein würden – außer Euch.“

Ach du liebe Zeit, dachte sie, als sich ihre übelsten Vermutungen bewahrheiteten. „Ihr werdet meinen Beteuerungen keinen Glauben schenken. Würdet Ihr jedoch bei dem Urteil berücksichtigen, dass die Drachen durchaus keinen Grund hatten Euch freundlich gesinnt zu sein?“

„Es waren nur Dämonen, die den Angriff durchführten. - Um des möglichen Kindes Willen sollt Ihr vorerst leben. Aber Ihr steht unter strengem Zimmerarrest. Krieger werden Euch bewachen und die Damen werden abgezogen.“

„Danke.“

Jetzt sah er sich doch um: „Danke?“ wiederholte er spöttisch.

„Ihr seid zornig aber gerecht. Ich bin mir bewusst, dass der Anschein gegen mich spricht. - Darf ich Euch um eines bitten, mein Gebieter? Ich würde gern von....von dem verstorbenen Fürsten Abschied nehmen.“

Er zögerte einen Moment, ehe er sagte: „Er ist momentan in der Empfangshalle aufgebahrt. Ich werde die Krieger anweisen, Euch dorthin zu geleiten.“

„Danke, mein Fürst.“

Zum ersten Mal sprach sie ihn so an und es kam ihm fast eigenartig vor. Ohne weiteres Wort verließ er ihr Zimmer.

Sie erhob sich und legte unwillkürlich eine Hand an ihren Bauch. Zunächst einmal hatte sie sich ein oder zwei weitere Lebenswochen erkauft. Bis dahin mochte viel geschehen, auch, er einsehen, dass die Drachen ebenfalls gewusst hatten, dass sie in die Berge gehen würden, vielleicht auch andere ein derartiges Attentat geplant hatten. Immerhin hatte er sich so weit unter Kontrolle gehabt, wie es einem so hochrangigen Dämon ziemte, noch auf sie gehört. Sie ließ sich an der Wand nieder. Sie war vollkommen sicher, dass sie nichts von seinem Ausflug jemand gegenüber erwähnt hatte – oder doch?

Eiskalt fiel ihr ein, dass sie es Sumu, ihrer Zofe erzählt hatte. Aber diese hatte gesagt, sie arbeite für ihren Vater. Du lieber Himmel. Steckte etwa wirklich ihr Vater hinter dieser Geschichte? Aber das würde bedeuten, dass er ihr Leben riskiert hatte, um seinen Aufstand durchzusetzen und sich über sie das letztes überlebendes Mitglied der Fürstenfamilie den Thron zu sichern. Denn wer auch immer das geplant hatte, hatte kaum mit dem Überleben ihres Gemahls gerechnet. Übrigens: dieser galt doch als weich – wieso war er der Einzige, der den Hinterhalt hatte überleben können? Sie musste gut nachdenken, sehr gut. Denn ihr Leben hing davon ab.
 

Der neue Inu no Taishou wies Krieger an, die Zimmer seiner Gemahlin zu bewachen, auch die Fenster, ehe er die Arbeitszimmer seines verstorbenen Vaters betrat. Im Vorzimmer verneigten sich die Schreiber.

„Kümmert Euch um die Vorbereitungen der Bestattung,“ befahl er knapp: „Und was die diplomatische Korrespondenz angeht, so wisst ihr sicher, wer alles vom Tode meines verehrten Vaters und meiner Amtsübernahme benachrichtigt werden muss. Neue Siegel müssen ebenfalls bestellt werden. Ich komme in einer Stunde zur Unterschrift.“

Damit ging er.

Es war so viel, was momentan auf ihn einstürmte, und er verließ das Schloss, rannte in seiner Hundegestalt ein Stück entfernt zu einer Lichtung, auf der er seit Welpentagen stets gern gewesen war. Dort verwandelte er sich zurück und blieb stehen, atmete den beruhigenden Geruch des Waldes ein.

Er war der neue Fürst, an ihm hingen nun die Geschicke der westlichen Länder.

Er war der neue Inu no Taishou, auf ihn verließen sich nun die Hundedämonen und alle, die hier lebten.

Er war der neue Besitzer des Höllenschwertes und er hatte bereits einen Vorgeschmack darauf bekommen, was es wollte.

Er wurde vielleicht Vater – und seine Frau hatte Informationen verbreitet, die seinen Vater umbrachten.

Was sollte er nur jetzt tun?

Die Bürokratie würde wie gewohnt weiterlaufen und wenn er in das Schloss zurückkehrte warteten Berge von Briefen zur Unterschrift auf ihn. Die Beerdigung seines Vaters würde ebenfalls vorbereitet werden.

Aber was sonst? Der Drachenkönig war sicher kaum erfreut, falls er ahnungslos war, umsonst auf Vater gewartet zu haben. Das mochte Ärger geben, ja, womöglich den Frieden endgültig zu den Akten legen. Susumu war auch da, der beachtet werden musste, Kodoro und so manch anderer. Und da war auch noch sie...

Wie sollte er das alles schaffen?

Nun, zumindest zu letzterem kam ihm eine Idee.
 

Die Prinzessin betrat die dunkle Empfangshalle. Sie spürte, dass die vier Hundekrieger, die sie hierher begleitet hatten, an der Tür zurückblieben und trat zu der verhüllten Bahre, die fast in der Mitte abgestellt worden war. Den Grund für das Tuch konnte sie sich denken, denn darauf zeigten sich vor allem dort, wo sich der Kopf und der Hals befinden musste, dunkelrote Flecken von altem Blut. Der verstorbene Fürst war mit Sicherheit kein schöner Anblick mehr, dachte sie unwillkürlich, als sie neben ihm niederkniete, nur die Lippen bewegte:

„Es tut mir Leid, Schwiegervater. Wenn es kein Hinterhalt der Drachen war, so hat meine kleine Bemerkung gegen meine Zofe Euren Tod verursacht. Ich hätte nie geglaubt, dass mein Vater so weit gehen würde Euch und ihn umbringen zu wollen. Ihm musste doch klar sein, dass er mein Leben riskiert, wenn auch nur einer von Euch den Hinterhalt überlebt. Ich kann das nie wieder gut machen, das weiß ich. Aber ich verspreche Euch, dass ich nie wieder gegenüber einem anderen offen sein werde, außer gegen Euren Sohn. Und ich verspreche Euch, sollte ich Euren Erben erwarten, so werde ich dafür sorgen, dass er der stärkste und tödlichste Krieger wird, den die Dämonenwelt je gesehen hat.“

Sie bemerkte, dass eine Klaue unter dem Tuch hervorhing und strich behutsam darüber, ehe sie sich mit einer tiefen Verneigung erhob, die dem lebenden Fürsten geziemt hätte. Dann wandte sie sich um und ging an den Kriegern vorbei, mit einer Kopfbewegung, die eher der Befehl war ihr zu folgen. Ihre Wächter umringten sie sofort.
 

Der neue Inu no Taishou ging aus dem Dunkel der Empfangshalle, in der er sich hinter einer Säule verborgen gehalten hatte, in sein Arbeitszimmer, wo ihn sein Schreiber mit einem provisorisch hergestellten Namensstempel begrüßte, so dass er in der Lage war, die bereits verfertigen Mitteilungen der Machtübernahme abzuzeichnen.
 

Dabei dachte er nach. Sie schien wirklich betroffen vom Tode seines Vaters zu sein, hatte sich wohl auch über sein eigenes Verhalten erschreckt – hatte er ihr Unrecht getan? Oder war sie klug genug, um abschätzen zu können, dass eine derartige Trauerbekundung durchaus zu ihren Gunsten ausgelegt werden konnte? Klug war sie, ohne Zweifel.

Nun, sie konnte er erst einmal ruhig stellen – anders sah das mit Susumu im Süden oder Shigatsu, dem neuen Herrn der Drachen im Hochland, aus. Falls ihm diese feindlich gesinnt waren – und zumindest bei Susumu mochte er darauf wetten - so würde er nur allzu bald von ihnen hören. Es würde allein an ihm liegen, wie sich der Westen halten konnte. Kodoro dagegen würde sich einstweilen ruhig halten. Noch lebte seine Tochter hier. Falls sie wegen Verrat hingerichtet würde, sähe die Sache sicher schon wieder anders aus.

Es war schwer Fürst zu sein, stellte er resignierend fest. Er hatte sich gewünscht, einige Jahrzehnte noch zum Lernen zu bekommen, aber das war eben nicht der Fall. Hinzu kam, dass er keinem vertrauen konnte. Seine eigene Frau hatte ihn womöglich verraten, sicher einer seiner eigenen, persönlichen Diener. Vater hatte gemeint, Dai sei ein Spion. Wer nur noch alles? Gab es denn keinen, dem er vollständig vertrauen konnte?

„Lass die Briefe unverzüglich abgehen.“

„Auch den an die Drachen, mein Fürst?“ Der Schreiber legte nur minimalen Nachdruck in die professionell nüchterne Rückfrage. Schließlich waren in der Vergangenheit einige Überbringer nicht mehr zurückgekehrt.

Der neue Inu no Taishou hob etwas die Hand: „Ja. Als Boten zu ihnen schicke Myouga.“

Jetzt starrte ihn der Schreiber gegen alle Etikette an: „Myouga? Ihr meint, den Flohgeist?“

„In der Tat.“ Myouga war bei allen als Feigling verschrieen, das wusste er, aber der Winzling war zuverlässig. Und gerade sein Sinn für Gefahren würde ihm wohl einen sicheren Rückweg lassen. „Er soll aber mit etwas fliegen.“

„Ja, mein Herr.“ Nun, Myouga würde sich kaum freuen. Aber gegen den Befehl des Fürsten gab es keinen Widerspruch.

„Sobald er zurück ist, wünsche ich seinen Bericht.“

„Ja.“
 

Weit im Süden legte Tomi, der Ratgeber, seinem Herrn die Anzeige des Todes des Fürsten der westlichen Länder und der Regierungsübernahme durch seinen Sohn etwas besorgt vor. Fürst Susumu warf nur einen kleinen Blick darauf.

„So, so, ein Attentat, wie...bedauerlich. Das kommt eben dabei heraus, wenn man nicht aufpasst, nicht wahr, mein teurer Tomi? Was mich allerdings ein wenig überrascht ist, wie es ausgerechnet dem Prinzen – oh, ich sollte wohl dem Taishou sagen – gelungen ist, das zu überleben. Er gilt ja nun nicht gerade als großer Kämpfer.“

„Dürfte ich Euch dazu meine bescheidene Meinung sagen?“ Tomi war zu klug damit einfach herauszuplatzen. Der Herr konnte äußerst impulsiv und schmerzhaft reagieren.

„Natürlich, mein bescheidener Ratgeber.“

„Ich vermute, dass der Vater seinen Sohn deckte.“

„Ja, das könnte stimmen. Der gute alte Taishou, möge er in Frieden ruhen...Nun, dann werde ich einmal nachdenken. Es könnte erheiternd werden, den jungen, unerfahrenen Fürsten in eine Falle zu locken.“

„Ihr meint, ein Attentat?“

„Aber nicht doch, das wäre stillos. Immer das Gleiche. Ich hoffe, du hältst mich nicht für so simpel wie dich. - Hm. Kodoro hält sich wohlweislich ruhig, Zunai ist nicht willens, aber da gab es doch diese Drachen im östlichen Hinterland, die dem verstorbenen Taishou schon das eine oder andere Mal Probleme bereitet haben. Womöglich könnte man mit denen reden.“

„Herr – Drachen.“

„Ich weiß. Lass einige Gefangene zusammenstellen, die mein Bote als Präsent mitbringen kann. Am besten Menschen. Die braucht sowieso keiner. Und nur mit satten Drachen lässt es sich verhandeln.“

Wenn überhaupt, dachte Tomi, aber er verneigte sich nur schweigend. Drachen waren schließlich dafür bekannt, auch den harmlosesten Leuten die Kehle herauszureißen. Allerdings schätzten sie Geschenke durchaus und hatten, wenn auch nur nach ihren eigenen Regeln, Ehrgefühl.

„Wir wollen doch den lieben, neuen Taishou gleich einmal etwas ins Schwitzen bringen. Wie viele Spione haben wir momentan im Schloss im Westen?“

„Sieben.“

„Hat einer davon neue Nachrichten über die Prinzessin gesandt?“

„Nein, keiner hat sich seit vier Tagen gerührt. Ich vermute, dass es durch den Umsturz schwer ist, Informationen aus dem Schloss weiterzuleiten.“

„Lieber Ratgeber, ich bezahle Spione nicht für einfache Tätigkeiten. In ihrem eigenen Interesse sollten sie bald Nachrichten haben. Auch natürlich darüber, wie sich der neue Fürst zu mir stellt. Krieg wird er ja wohl nicht gleich wollen – er scheint ja sowieso eher ein nachdenklicher Typ zu sein. Ich werde also ebenfalls nachdenken. Geh, Tomi, und sieh zu, dass deine Spione etwas liefern.“

Deine Spione. Der Ratgeber wusste nur zu gut, dass damit er die alleinige Verantwortung aufgehalst bekam – und sein Kopf soeben einem gut geschliffenen Beil gehörig nähergekommen war. So verneigte er sich: „Ich werde ihnen, jeweils einzeln, Aufforderungen zukommen lassen, mein Fürst.“
 

Die Prinzessin dachte nach, wie diese ganzen letzten drei Tage. Immer wieder drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Ja, sie hatte leichtsinnigerweise zu Sumu gesagt, dass sich der Prinz in die Berge von Me begeben würde. Aber sie hatte nichts davon erwähnt, dass der Fürst mitginge, dass sie nur in geringer Begleitung wären – und schon gar nicht, dass Drachen im Spiel waren. Sumu hatte das mit dem Fürsten aus dem zusammengerufenen Rat geschlossen – und eine Jagd angenommen. Auf einer Jagd wären auch nicht viele Personen, das war wahr. Hatte Sumu es dann ihrem Vater mitgeteilt? Nur, wie? Sie waren doch bereits einen Tag später aufgebrochen und waren am Nachmittag bereits in einen Hinterhalt gelaufen.

Also doch die Drachen?

Schlimmer. Sie saß hier, mit dem Verdacht auf Hochverrat am Hals. Deutete sie auf ihre Zofe als Spionin ihres Vaters, wäre der sicher unter Verdacht. Und auch Sumu käme kaum heil davon. Andererseits: sollte sie sich für diese beiden opfern? Sie musste an sich denken – und an ihr Kind. Ihr Ehemann schien immerhin bei allem Zorn gerecht zu bleiben. Wenn gar nicht ihr Vater sondern die Drachen hinter der Falle steckten, würde er es auch Vater nicht entgelten lassen.

Ihr blieb eigentlich nur eines übrig.

Sie stand auf und ging zur Tür. Sofort kreuzten sich die Schwerter der beiden Hundekrieger davor vor ihr.

„Ich bitte den mächtigen Inu no Taishou um eine Audienz,“ sagte sie daher nur und zog sich wieder zurück. Auch unter ihren Fenstern standen Krieger und sie hatte durchaus bemerkt, dass diese alle immer wieder abgewechselt wurden. So war es nicht möglich, mit einem Kontakt aufzunehmen, ihn gar zu bestechen. In der Tat, der neue Herr der westlichen Gebiete war ein kluger Kopf, das erkannte sie an.
 

Nur kurz darauf begleiteten die vier Krieger sie zum Arbeitszimmer des Fürsten. Das letzte Mal war sie hier gewesen, als noch ihr Schwiegervater auf dem Platz des Hausherrn saß – und irgendwie tat es weh nun ihren Gemahl dort zu sehen. Durch ihre Schuld. Sie verneigte sich und ließ sich nieder, während die Dämonen auf einen Wink des Taishou den Raum verließen. Wohlerzogen und auch in gewisser Sorge blickte sie zu Boden und bewegte sich nicht. Er war der Herr, er musste sie ansprechen.

„Seid Ihr schwanger?“

Diese direkte, kühle Frage ließ ihr wieder bewusst werden, dass sie sozusagen nur auf Abruf lebte: „Es spricht bislang nichts dagegen, mein Gebieter.“

„Nun, was wollt Ihr?“

„Ich habe lange überlegt, welchen Fehler ich begangen haben könnte. Alles, was mir einfiel ist, dass ich mit Sumu, das ist meine Zofe, einige Worte wechselte.“ Sie berichtete das Gespräch und schloss: „Es war töricht von mir, mit ihr darüber zu sprechen, das sehe ich jetzt ein. Aber ich ….nun, ich war zu unerfahren, nicht an meinen Vater, an Zuhause zu denken.“

„Sumu.“ Und natürlich Kodoro. Aber das musste er noch gut überdenken. „Es ist Euch doch klar, dass Euch dieses Geständnis nicht gerade vom Verdacht des Verrates befreit? Aber noch zwei weitere Personen mit hineinreißt, darunter Euren Vater?“

Sie sah ihn gegen die Etikette offen an, wie sonst nur nachts: „Ja. Aber Ihr seid mein Gemahl und meine Pflicht gilt Euch – und unserem Sohn.“

„Ihr habt es vermocht mich zu überraschen. Geht. Ich werde darüber nachdenken.“

Sie verneigte sich erneut, etwas erleichtert, dass er nun weitaus ruhiger, sachlicher war. Aber natürlich hatte er sich jetzt wieder unter Kontrolle.
 

Er sah ihr nach. Sumu? Eine solch dumme Lüge würde sie nicht erzählen. Das war zu leicht nachzuprüfen. Es gab Grenzen, was ein Dämon verschweigen konnte. Überdies stammte Sumu aus einem Falkenstamm, der in den Bergen an der Grenze zum Süden lebte – in Kodoros Herrschaftsgebiet. Es war nicht unmöglich, nein. Mit Dai war auch unter seine eigenen Kammerdiener ein Spion geschleust worden, wenn auch im Auftrag des Fürsten des Südens. Moment. Wer war Sumus Auftraggeber? Kodoro oder Susumu? Kodoro war nicht gerade der Schlaueste und er hatte bislang zwar einen offenen Aufstand geführt, aber keine Ränke geschmiedet. Anders sah das mit dem Fürsten im Süden aus.

Er blickte unwillig auf, als seine Tür geöffnet wurde.

Der Schreiber bemerkte dies und verneigte sich bis zum Boden: „Vergebt, Herr, Myouga ist zurück.“

„Er soll kommen.“

Sofort sprang der winzige Flohgeist herein, sichtlich erschöpft und schweißgebadet. „Herr...“

Der Inu no Taishou winkte und sie wurden allein gelassen, ehe er sich an das einzige Geschöpf wandte, dem er wirklich vollkommen vertraute – und schon seit langem kannte: „Was ist mit den Drachen?“

Myouga sprang ohne weiteres auf die Schulter seines Herrn: „König Shigatsu ist etwas empört gewesen, um kein härteres Wort zu verwenden, dass das Treffen nicht stattfand. Dass Ihr und Euer Vater in einen Hinterhalt geraten wart, wollte er zunächst nicht glauben. Seine Ratgeber waren bereits erneut für Krieg, um die Blamage, dass er dastand wie bestellt und nicht abgeholt, zu sühnen.“

„Aber du hast für mich verhandelt?“

„Herr, es war schwer, ich hing in der Klaue eines Drachen...“

„Sonst wärst du auch kaum da geblieben.“

Der Flohgeist überhörte das lieber: „Jedenfalls: König Shigatsu willigt in ein weiteres Treffen ein, das dann aber bei ihm stattfinden soll.“
 

**

Der Ehesegen hängt zwar schief, aber er hängt noch...

Fürst Susumu plant eifrig den Untergang des neues Fürsten.

Und dieser – hat er überhaupt einen Plan? Zumal, was das Angebot der „lieben“ Nachbarn angeht?

Das nächste Kapitel heißt auch: Drachen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (11)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Minerva_Noctua
2012-03-18T12:39:11+00:00 18.03.2012 13:39
Ich finde, er macht das ganz gut.
Mir gefällt seine Art.
Die Gemahlin hat schon mal einen Grundgedanken, wie der Nachwuchs sein soll. Nomen et Omen.
Eine gute Idee von dir:)

Bye

Minerva

Ps.: Ist das Wetter bei euch auch so traumhaft?
Von: abgemeldet
2011-04-24T14:03:59+00:00 24.04.2011 16:03
*überlegend im Kreis läuft*
Hm... die Zofe könnte gelogen haben und doch für Susumu arbeiten... und die Drachen könnten einen Hinterhalt geplant haben. Es gibt so viele Möglichkeiten...

Und ich hoffe immer noch, dass sie schwanger ist... Wenn nicht, dann könnte es vorbei sein. Obwohl er ja jetzt von der Zofe weiß... Gaaahhh ich muss weiter lesen ;)

LG, Tinerina
Von:  kiji-chan
2011-04-21T13:59:55+00:00 21.04.2011 15:59
Drachen oder Nicht-Drachen? Das ist hier die Frage.
Oder eher Verrat, Hinterlist, Lüge. Seine Lordschaft hat es nicht leicht.

Was macht er jetzt mit seiner Frau? Mit den lieben Nachbaren? Mit dem ganzen Land??

Ich bin mir ziemlich sicher, er packt es schon. Oder?


ncha!
Kiji
Von:  Teilchenzoo
2011-04-20T09:33:21+00:00 20.04.2011 11:33
Hm. Es ist fraglich, ob die Drachen es wirklich ernst meinen mit dem Friedensangebot. Das hängt jetzt wohl unter anderem davon ab, wessen Bote eher da war: Susumus oder der des Taishou. Die Drachen haben ja durchaus Ehrgefühl, da werden sie sich wohl noch an die zuerst getroffene Abmachung halten.
Probleme liefern die Drachen doch erst später, oder?

Ich denke ehrlich gesagt nicht, dass Sumu von Kodoro kommt ... Susumu hätte ihr sicher aufgetragen, das zu behaupten, um sich zu tarnen.

Tja. Probleme, wo man auch hinschaut. Schade, dass der Taishou dass Gespräch in der Halle nicht gehört hat, das hätte vielleicht einiges besser geklärt.

Lg neko
Von:  Weissquell
2011-04-17T18:36:32+00:00 17.04.2011 20:36
Und wieder ein sehr professionelles Kapitel. :-) Ich bewundere wie du den Alltag und die Ausnahmefälle in einem Fürstenschloss so autentisch darstellen kannst. Viele Details, die ich vermutlich völlig übersehen hätte, die aber das Bild abrunden.
Mal sehe ob hier nun wirklich besagter Prinz, den wir alle kennen und lieben, unterwegs ist, aber ich glaub mal schon. ;-) Sessi kommt also mal wieder grad zur rechten Zeit, wie üblich. Und außerdem zeigt es sich mal wieder, dass die Leute die gebildet mit schwach gleichsetzen, irgendwan erheblich Probleme bekommen. Mal schaun ob Mister Taishou auch rausbekommt, wem diese werte Zife wirklich dient.
Es bleibt spannend. :-)

L.G. Weissquell
Von:  Cistus
2011-04-17T12:45:50+00:00 17.04.2011 14:45
Momentan muss sich der neue Taishou recht einsam fühlen, da er nicht genau wissen kann wem er eigentlich noch Vertrauen kann. Um so wichtiger scheint es jetzt für ihn zu sein, keine Schwäche zu zeigen, denn die würden seine Feinde umgehend ausnutzen und ihn angreifen. Das ist echt keine Situation um die man ihn beneiden könnte.

mfg
Cistus
Von:  Krylia
2011-04-14T13:25:15+00:00 14.04.2011 15:25
Wenn das Pech kommt, kommt es aber auch richtig dicke.
Nun, zumindest konnte die Prinzessin sich etwas Zeit verschaffen.
Ich hoffe bloß, das der neue Herrscher der Drachen nicht so bestechlich ist.
Ich drücke dem Taishou fest die Daumen.
Von:  Haruko-sama
2011-04-14T10:53:20+00:00 14.04.2011 12:53
Das wird ja immer bunter. Fürst tot, Haussegen hängt völlig schief und Spione, wohin man guckt. Großartig xD
Allerdings scheint die Prinzessin alles richtig zu machen, was man in ihrer Lage noch richtig machen kann (und da wir den Nachwuchs kennen, mach ich mir keine übermäßigen Sorgen).
Nebenbei lieferst du noch einen Anhaltspunkt für Sesshomarus unglaublichen Charme *hust*.
Hoffe mal, dass wenigstens dieses Treffen mit den Drachen gutgehen wird (was man von dem in ferner Zukunft ja leider nicht behaupten kann).

LG, Haruko
Von:  Kiushi
2011-04-14T09:15:15+00:00 14.04.2011 11:15
Autsch! Armer Inu no Taishou. Und seine Frau tut mir auch Leid. Aber da sehen wir mal, sogar damals hat Sesshomaru schon einiges bewegt ;)
Und, ach ja, die Drachen...waren sie es? Oder Susume?
Irgendwie habe ich das Gefühl, das Kodoro nicht so blöd ist wie er tut...:)
Bitte häng den Ehesegen wieder gerade bevor der noch herunter kracht! *bettel* :)
Von:  Lyndis
2011-04-13T21:12:28+00:00 13.04.2011 23:12
na.. wie das mti den drachen ausgeht wissen wir ja leider schon udn ich bezweifle, dass das eine der geschichten von dir ist, wo es anders ausgeht als in der serie, leider.
trotz dass ich weiß wie das ganze wahrscheinlcih ausgehen wird, freue ich mcih schon auf das nächste kapitel^^
ich muss übermorgen erstmal mathe schreiben XD drück mir die daumen ^.~


Zurück