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Sonnenaufgang im Westen

Aus den jungen Jahren eines Hundefürsten...
von

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Der Kampf beginnt

Der Taishou hatte den Falken befohlen am Boden zu bleiben, sehr zu deren Missvergnügen. Aber er rechnete damit, und der erfahrene Ryakudatsu verstand dies auch ohne Worte, dass sie erwartet wurden. Da war es nicht nötig, dem Gegner ihre genaue Stellung anzuzeigen. Das kleine Heer aus Falken und Wolfsdämonen war ohne Pause durch die Wälder in Richtung Süden gelaufen und erreichte das weite Tal, in dem Fürst Susumus Schloss lag, drei Stunden nach Mitternacht. Erst jetzt ließ der junge Fürst einen Falken aufsteigen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Auch hier waren die Wälder so dicht mit Bäumen und Unterholz bestanden, dass es unmöglich war, weiter zu sehen oder auch nur zu wittern. Das bot immerhin auch ihnen Deckung.

Der Falkendämon kehrte rasch zurück und verwandelte sich in seine menschliche Gestalt. Eine Verneigung vor seinem Clanführer, ehe er vor dem Taishou auf ein Knie niederging und den Kopf neigte.

„Was konntest du entdecken?“ fragte dieser.

„Wir werden erwartet, Herr. Vor dem Schloss liegt eine nur mit Gras bewachsene Ebene, so breit wie das Tal und fast vollkommen flach, soweit ich das im Mondschein sehen konnte. Dort warten Dämonenkrieger, sicher das gesamte Heer des Südens.“

„Wie lange werden wir bis zu dieser Ebene brauchen?“

„Bei bisherigem Gehtempo annähernd eine Stunde. - Edler Herr....“ Eigentlich sprach man einen Fürsten nicht an, aber es war wichtig. Der alte Fürst hätte darauf sicher mit einer, wenn auch geringen, Strafe reagiert, aber sein Sohn sah nur hinunter:

„Ja?“

„Um das gesamte Schloss zieht sich ein gewaltiger, mächtiger Bannkreis. Ich vermute, dass es keinem Dämon gelingen wird, dort hindurch zu kommen.“

„Susumu ist ein Feigling,“ grollte Kujira, der Herr der Wölfe: „Verschanzt sich hinter einem Bannkreis! Denn ich vermute nicht, dass er nur Frauen und Kinder dort drin hat. - Vergebt, Herr!“ bat er hastig, als ihm die Ungehörigkeit seines Ausbruches zu Bewusstsein kam. Niemand griff einem Fürsten vor.

„Er ist scheinbar ein Narr,“ gab der Taishou jedoch nur nachdenklich zurück: „Und dafür hielt ich ihn bislang nicht.“

„Äh, was meint Ihr?“

„Wenn der Bannkreis in der Tat so ausgelegt ist, dass kein Dämon hindurch gelangt, so können sich auch seine eigenen Leute nicht hinter die Mauer zurückziehen.“ Er blickte zu dem Falkenführer, der die Aufforderung verstand:

„Dann ist er siegessicher.“ Ryakudatsu sah zu seinem Krieger: „Du kennst dich doch einigermaßen mit Bannkreisen aus: alle Dämonen oder nur wir?“

„Ich würde sagen, nichts und niemand, Herr der Falken.“ Der Dämon betrachtete höflich den Boden: „Ich habe so etwas noch nie gesehen oder auch nur davon gehört.“

Kujira wollte schon etwas sagen, ehe er den eisigen Blick des Inu no Taishou bemerkte und lieber den Mund hielt. Der junge Fürst hatte bereits seinen Vorlaut zuvor verziehen, noch einmal würde das nicht vorkommen. So höflich sich der auch verhielt: Freiheiten sollte man sich nicht gegen ihn herausnehmen.

„Gehen wir,“ meinte dieser dann auch nur, ohne seine Gedanken zu verraten. Sie waren in der Unterzahl, ja. Und Susumu konnte sich ausrechnen, dass das eigentliche Heer des Westens frühestens in drei Stunden bei ihm sein konnte, noch dazu erschöpft durch einen Eilmarsch. Warum also hatte er seine Krieger jetzt schon vor dem Schloss postiert und was sollte ein Bannkreis, durch den nichts und niemand gelangen konnte? Mit wem oder was rechnete der Fürst des Südens? Aber das konnte er erst bedenken und entscheiden, wenn er vor Ort wäre. Immerhin hatte er zwei Stunden Vorsprung vor seinem Hauptheer.
 

Die Prinzessin hob unwillkürlich etwas den Kopf, als ihre Kerkertür geöffnet wurde. Die hereinströmende frische Luft tat gut, aber sie zwang sich, nicht zu tief einzuatmen. Im Schein der Fackel, die er trug, erkannte sie den Ratgeber des Fürsten. Was wollte Susumu denn schon wieder? War es schon Morgen? Hatte sie sich so in der Zeit verschätzt?

Tomi betrachtete sie noch einmal, denn er wollte sich überzeugen, dass er sich nicht geirrt hatte, ehe er sich erkundigte: „Würdet Ihr mir eine Frage beantworten, Prinzessin?“

„Was wünscht Fürst Susumu?“

„Dass Ihr Euch bei Sonnenaufgang neben ihm auf der Schlossmauer einfindet, um das Ende Eures Gemahls zu sehen und neu heiratet. - Aber das wäre nicht meine Frage. Ihr habt gewiss die Bannsiegel an der Tür hier bemerkt. Spürt Ihr auch den Bannkreis um das Schloss?“

Sie war sehr erstaunt, blieb aber kühl: „Ich spüre gewaltige Magie. Bis eben wusste ich nicht, dass es sich um einen Bannkreis handelt. Und weiter?“

„Falls es Euch gelingen würde, hier aus diesem Kerker zu entkommen, würde Euch der Bannkreis sicher zurückhalten. Zu Eurem Glück, denn vor dem Schloss hat sich nicht nur das gesamte Heer des Südens versammelt sondern auch Fürst Susumus Verbündete aus einer anderen Welt.“

Warum gab er ihr diese Informationen, wenn auch scheinbar als Warnung? Wollte er ihr helfen oder war das eine Falle? „So ist es bedauerlich für diese, dass sie sich meinem Gemahl in den Weg stellen.“

Tomi nickte etwas: „Dennoch käme der Taishou nicht zu Euch, denn der Bannkreis hindert selbst Mächte der anderen Welt. Und Fürst Susumu hätte Euch noch immer als Geisel – Euch und Euer Kind.“ Er bemerkte, dass sie nur fragend die Augenbrauen hob. Wirklich, eine sehr selbstbeherrschte Dämonin. „Ich bin sicher, Ihr wüsstet, wie der Bannkreis verschwindet, wenn es Euch nur gelingen würde hier heraus zu kommen.“

„Wenn.“

Der Spinnendämon lächelte flüchtig: „Ich bin meinem Herrn treu ergeben. Und so sage ich Euch, falls Ihr aus diesem Raum entkommen wolltet, würdet Ihr noch einige Posten im Schloss vorfinden, auch, wenn die meisten draußen sind. Und natürlich Fürst Susumu selbst.“ Er ging und schloss die Tür hinter sich, ein Stoßgebet an jemanden ganz weit oben schickend, dass sie so intelligent war, wie er erwartet hatte.

Sie holte tief Atem trotz aller ätzenden Säure, als sie begriff, dass er die Bannsiegel nicht mehr vorgelegt hatte. Alles, was sie tun musste, war eine Möglichkeit zu finden, zum Podest vor der Tür zu gelangen, ohne in die Flüssigkeit zu stürzen. Nun gut, da waren noch die Wächter in den Gängen.

Warum half Tomi ihr? Er hatte gesagt, er sei seinem Herrn treu ergeben – aber gleichzeitig verriet er ihr, wie sie entkommen konnte? Weil Susumu gar nicht sein wahrer Herr war, folgerte sie prompt. Wer war es dann? Oder wollte Tomi seinen vorherigen Herrn rächen? Das sollte momentan nicht ihr Problem sein. Es war eine Chance und sie musste sie nutzen. Wenn sie zu dem Podest springen würde, ohne sehen oder wittern zu können, wo es genau war, ging sie das Risiko ein samt ihrer wertvollen Last in der Säure zu enden – ein recht schmerzhaftes Ende. Das sicher auch Tomi bevorstand, wenn herauskam, dass er die Bannsiegel an der Tür scheinbar vergessen hatte. Susumu war bestimmt nicht der Typ, der derart schwere Irrtümer seiner Männer zuließ.
 

Der Inu no Taishou blieb am Rande des Waldes stehen, Kujira und Ryakudatsu neben sich, den höfischen Schritt zurück.

„Verdammt,“ entkam es dem Wolf, aber er schwieg hastig.

Der Hundefürst schloss sich ihm in Gedanken an. Das musste das gesamte Dämonenheer des Südens sein - eine deutliche Übermacht. Aber was die Lage noch verschlimmerte waren die seltsamen Krieger, die sich seitlich davon aufgebaut hatten, anscheinend nur das Tor decken sollten. Er spürte, wie das Höllenschwert auf seinem Rücken vibrierte und begriff, dass das Wesen der anderen Welt waren. Zunai und seine Leute würden unmöglich vor zwei Stunden hier eintreffen. Sollte er auf sie warten? Oder sich in einen Kampf gegen eine Übermacht stürzen, in der die Falken und Wölfe zu unterliegen drohten, da sie doch eins zu zehn in der Minderheit waren? Er war der Heerführer, der Taishou. Er war der Fürst, und alles, was er sich holen konnte, waren die Ratschläge der beiden Clanchefs neben ihm, älter und erfahrener als er.

„Seht ihr, ob das Südheer auch Falken oder Adler hat?“

„Nein.“ Ryakudatsu war ehrlich: „Aber ich vermute, nein. Selbst, als ich über den Süden zog, gab es dort kaum vogelartige Dämonen. Und kein Falke kam je von dort.“

„So könntest du die Lufthoheit mit deinen tapferen Kriegern halten? Und die Wölfe von dort unterstützen?“

„Ja, Herr.“

„Kujira, das Heer des Südens ist eine Übermacht. In zwei Stunden, wenn die Sonne aufgeht, sind Zunai und die anderen hier, vielleicht auch eher. Halten du und deine mutigen Wölfe solange stand?“

„Selbstverständlich, mein Herr.“ Der Anführer der Wölfe klang indigniert: „Im Kampf Dämon gegen Dämon ist kaum einer den Wölfen des Waldgebirges gewachsen, seien sie Männer oder Frauen. Und noch niemand hat uns an Tapferkeit überboten. - Mir machen nur diese seltsamen anderen Krieger Bedenken. Sie scheinen einer anderen Welt zu entstammen. Kann man sie töten?“

„Das werde ich feststellen.“ Der junge Hundefürst sah hinüber: „Ich schicke euch nur gegen Sterbliche. Die Wesen der anderen Welt werde ich mit dem Höllenschwert übernehmen.“

„Edler Herr,“ wandte Ryakudatsu loyal ein: „Das ...das ist mutig, aber...“

„Glaubt mir, wenn ich es einsetze, ist es besser, wenn ihr nicht dazwischen steht. Und diese schwarze Gestalt dort drüben wird die Wesen kontrollieren. Nun, Susumu öffnete die Hölle und holte sich dort Verbündete. Ich werde ihm seine eigene Medizin zu kosten geben. Gebt euren Kriegern Bescheid, dass die Schlacht bevorsteht – und welche. Wir greifen in zwanzig Minuten an.“ Das wären mindestens eineinhalb Stunden, ehe mit seinem Hauptheer zu rechnen war.
 

Im matten Licht der Sterne und des Sichelmondes konnten alle Dämonen genug erkennen um einen Kampf zu wagen. Die Übermacht von zehn zu eins war nichts, das Falken oder Wölfe erschreckte und der junge Taishou fühlte einen gewissen Stolz, dass sie ihm so bedingungslos folgten. Hoffentlich hatte er mit seiner Entscheidung nicht auf das Westheer zu warten, nicht das Ende dieser tapferen Krieger herbeigeführt. Einhundert Minuten konnten sehr lang sein.

Als die beiden Clanführer wieder zu ihm kamen und ihm bestätigten, dass ihre Krieger einsatzbereit wären, nickte er nur: „So überlasse ich es euch beiden. Alles, was ihr tun müsst, ist, die Südkrieger so abzudrängen, dass sie mich nicht erreichen und ihren Verbündeten aus der anderen Welt nicht zu Hilfe kommen. Der Bannkreis, den Susumu da gelegt hat, wird ihnen eher hinderlich sein. Drängt sie dort drüben gegen den westlichen Talrand. Wer von ihnen fliehen will, soll fliehen. Ich will dieses Land nicht erobern. Dann geht.“

Er selbst wandte sich um und setzte mit großen Sprüngen in Richtung auf die unheimlichen Krieger der anderen Welt.

„Untote,“ murmelte er, sicher, dass der Geist des Höllenschwertes ihn hörte: „Da hilft auch dein mächtigster Angriff nichts. Susumu scheint jedoch nicht über alle deine Fähigkeiten Bescheid zu wissen.“

Er spürte, wie die Klinge auf seinem Rücken förmlich summte und zog sie, als er fast fünfhundert Schritte vor den seltsamen Kriegern stehen blieb: „Du willst Seelen, du wirst sie bekommen.“ Er hob mit beiden Händen das Höllenschwert vor sich, dessen Klinge sich rasch mit Blut überzog, das auf den Boden tropfte und Rinnsale bildete. Alle Wesen, deren Seele es je verschlungen hatte, entstiegen diesen Blutbächen, ebenfalls als Untote, und stellten sich zwischen den Inu no Taishou und dessen Gegner.

„Oh,“ entkam es auf der anderen Seite Kurai Josei fast glücklich: „In der Tat, das Höllenschwert. Und ein sehr interessanter Besitzer. Nun gut. Seelen gegen Seelen, Untote gegen Untote. Und meine Strategie gegen die deine, junger Hund. Wir werden sehen.“
 

Fürst Susumu lehnte nachlässig auf seinem Hocker. Eigentlich lief alles wunderbar zu seinen Gunsten. Die hübsche Prinzessin war in seiner Hand, ja, würde schon in wenigen Stunden ihm gehören, das Heer des Westens lief in eine Falle und war ebenfalls bald Geschichte und Kurai Josei würde das Vergnügen haben, den Herrn der Hunde zu erhalten. Damit war er dann nach der Hochzeit mit dessen Witwe Fürst auch dieser weiten Gebiete. Ein wenig gute Planung und Skrupellosigkeit machten sich eben bezahlt.

Er blickte etwas unwillig auf, als sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete. Da er jedoch einen Krieger seiner Wachen erkannte, fragte er nur: „Etwas Wichtiges?“

Der Torwächter wagte nicht sich aufzurichten. Immerhin schien der Fürst gute Laune zu haben, dass er diese Störung ohne weiteres duldete: „Herr, ein Heer des Westens greift unsere Männer draußen an, und ein weißhaariger Mann beschwört ebensolche Wesen wie diese schwarze Dame.“

„Er ist schon hier? Eigentlich fast unmöglich.“ Susumu erhob sich: „Das möchte ich allerdings nicht versäumen.“

Er ging mit auf die Mauer. Nein, das Ende des Herrn der westlichen Länder mit anzusehen wäre sicher amüsant. Und interessant, einmal denjenigen zu sehen, der in kurzer Zeit viele seiner eigenen Pläne vereitelt hatte. Moment, was hatte dieser Narr von Krieger gesagt? Der würde ebensolche Wesen beschwören wie Kurai Josei? Wesen der anderen Welt? Oh, dann wurde das wirklich fesselnd – als Zuschauer. Seine Verbündete erhielt so einen guten Eindruck davon, was er ihr als Siegespreis bot. Denn natürlich würde der Taishou schon mit den Mächten zu kämpfen haben, die im Höllenschwert hausten – wie viel mehr mit denen von Kurai Josei.

So lehnte er sich genüsslich an die Außenmauer und blickte hinunter. Tatsächlich. Da kämpften Untote gegen Untote, getrieben durch die Magie seiner jenseitigen Verbündeten und des Höllenschwertes, das der Taishou, so jung er war, anscheinend wirklich beherrschte. Drüben hatten sich eine Handvoll verrückter Wölfe und Falken auf einen Kampf gegen sein zehnmal größeres Heer eingelassen. Das konnte noch ein wunderbares Schauspiel geben, dachte er, als er sah, wie die ersten Wölfe unter der Übermacht starben, ehe er wieder zurück zu dem jungen Hundefürsten blickte. Der schien ruhig zu sein, fast emotionslos, aber Susumu konnte selbst auf diese Distanz erkennen, dass seine Hände sich fest um den Schwertgriff klammerten. Ja, mit den Kräften der anderen Welt war eben nicht zu spaßen. Womöglich wollte das Höllenschwert lieber zu Kurai Josei und nicht bei dem Hund bleiben? Dann war der Kampf sicher gleich vorbei.
 

Auch der Taishou merkte, dass seine Klinge ihm nicht ganz willig gehorchte. Ohne weiter nachzudenken, ließ er seinen eigenen Willen in das Schwert fließen, wie er es lange geübt hatte, um die dunkle Aura zurückzudrängen.

„Lass das,“ sagte die Stimme in ihm: „Überlasse dich mir, nur so kannst du siegen!“

„Ich siege noch immer, wie ich will.“

„Erinnere dich an den Tod deines Vaters! Habe ich dir da nicht das Leben gerettet?“

„Das waren Dämonen – keine Herrin der Untoten aus deiner Welt!“

„Kurai Josei.“

„Die dunkle Dame.“

„Sie würde mich noch mehr beherrschen, als du es vermagst. Aber sie würde auch dich beherrschen. Also, lass mich siegen.“

„Siege. Aber so, wie ich es will.“
 

Kurai Josei hatte durchaus bemerkt, dass die Kontrolle ihres Widersachers über seine Untoten nachließ, und ordnete den ihren sofort einen Gegenangriff an. Wehrte sich das Höllenschwert etwa dagegen von einem Sterblichen besessen zu werden? Dann war es gleich zu Ende. Je mehr ihre Zombies die seinen vernichteten, umso mehr Seelen bekam sie, die sie gegen ihn einsetzen konnte. Freilich wäre es auch umgekehrt der Fall, aber solange das magische Schwert seinen Besitzer ablenkte, hatte sie ihre Chance. So befahl sie ihren Kriegern den Frontalangriff.
 

Kujira und seine Wölfe hatten einen harten Stand. Deckend, sich gegenseitig verteidigend, angreifend, und dabei immer weiter vordringend in das gegnerische Heer, hatten sie jeden Begriff für die Zeit verloren. Dauernd attackierten die Falken aus der Luft im Sturzflug, bemüht, die Dämonenkrieger aus dem Süden davon abzuhalten ihre Verbündeten zu stoppen, zu massakrieren. Der junge Fürst hatte auf sie gesetzt, stellte sich allein den höllischen Mächten. Alles, was sie tun mussten, war, gegen lebende Dämonen standzuhalten. Das wollten und würden sie tun. Und irgendwann würde Zunai mit dem Heer des Westens eintreffen. Nur solange mussten sie durchhalten, töten und überleben.
 

Die Prinzessin hatte unterdessen erkannt, dass sie sich in dem viellagigen Kimono nie zu einem Sprung hinreißen lassen sollte – unmöglich, so steif, wie das war. Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, dachte sie etwas zynisch, als sie mühsam die oberste Schicht auszog. Dieses selbstbestickte Teil konnte wirklich auch zu etwas nutze sein. Sie warf es dorthin, wohin sie die sichere Stufe vermutete. Ihr entkam ein ingrimmiges Lächeln, als sie das Zischen der Säure hörte, die ihre Arbeit zerfraß. Hier also nicht.

Ein weiterer Kimono-Versuch bewies ihr, dass sich dort die Sicherheit, der Ausgang befinden musste. Sie band ihren Gürtel wieder so fest, so gut es allein ging, ehe sie mit einem gewissen Mut der Verzweiflung in die Dunkelheit sprang, zu der Stelle, an der der Kimono wohl heil gelandet war. Ihre Nase hatte ihr schon längst den Dienst verweigert, verätzt durch die Säure. Sie dachte nicht daran, dass das vielleicht nie mehr heilen könnte, zu froh, wirklich festen Boden unter den Schuhen zu spüren, nicht noch im letzten Moment auf dem Kimono auszurutschen. Hastig griff sie nach vorn zur Tür und packte den Ring dort.
 

Behutsam öffnete sie die Pforte. Davor sollten sich keine Wächter befinden, davon hatte Tomi nichts erwähnt und sie hatte beschlossen, ihm zu vertrauen. Er hätte nichts davon, sie in eine Falle zu locken, außer, Susumu plante noch irgendetwas anderes, aber sie hatte nichts erkennen können.

Tatsächlich war der Gang leer.

Sie atmete unwillkürlich die Luft, die ihr am Abend noch so stickig vorgekommen war, tief ein. Nach der Säure war das eine nette Abwechslung. Endlich konnte sie auch ihre Energie fallen lassen, sie verbergen. Es war nicht nötig, dass die Wächter vor der Zeit auf sie aufmerksam werden würden. Mit gewisser Zufriedenheit stellte sie fest, dass unverzüglich auch die Energie ihres Kindes sank. Der Kleine würde in der Tat ein fähiger Krieger werden, wie sie es ihrem Schwiegervater versprochen hatte. Sie war sicher, dass es ein Sohn werden würde. Nach allem konnten es ihr die Götter nicht antun, dass sie ihren Gemahl enttäuschen müsste.

Lautlos ging sie den Kerkergang entlang, bemüht, Geräusche zu hören. Auf ihre Nase konnte sie sich nicht verlassen, sie war praktisch unbrauchbar. Aber wenn Susumu tatsächlich sein Heer bereits vor dem Schloss aufgebaut hatte, um den Taishou und dessen Krieger zu empfangen, würden sich nur wenige Dämonen hier noch aufhalten. Warum sollte der Süd-Fürst Männer daran verschwenden eine hilflose, eingekerkerte Gefangene zu bewachen, derer er sich sicher glaubte? Sie bemühte sich, Energien anderer Dämonen zu erkennen, konnte aber nichts spüren.

So stieg sie die Treppe empor. Wenn überhaupt, so standen hinter der nächsten Tür Wachen. Und eines war ihr klar: sie würde sie töten müssen. Sie hatte zwar mit Waffen keine Erfahrung, aber doch ein gewisses Training in Selbstverteidigung erhalten. Allerdings hatte sie nie zuvor jemanden umgebracht. Ein seltsames Lächeln spielte um ihren Mund, als sie daran dachte, dass das wohl auch ihr Ehemann nie zuvor getan hatte. Heute schien ein guter Tag sein damit anzufangen. Und warum nicht bei Fürst Susumu und seinen Kriegern.

Sie öffnete die Tür mit dem gleichen Schwung, in dem sie annahm, auch ein Wächter würde das tun. Die beiden Dämonen davor wandten auch nur die Köpfe. Noch ehe sie ganz begriffen hatten, wen sie da sahen, lagen sie bereits auf dem Boden.

Die Prinzessin schüttelte ein wenig angewidert ihre Klaue, ging aber weiter, ohne noch einen Blick zurück zu werfen.
 

**

Die Dame ist zurück im Spiel.

Das nächste Kapitel zeigt das Ende der Schlacht – und einige Folgen.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Minerva_Noctua
2012-03-20T18:28:28+00:00 20.03.2012 19:28
Ich schließe mich meinen Vorgänger-/innen an.
Wird spannend^^.
Was wohl Susumu sagen wird?
Und der Ehemann?

Bye

Minerva
Von: abgemeldet
2011-06-25T21:07:23+00:00 25.06.2011 23:07
Frauenpower! ;) An dieser Stelle würde ich gerne eine Stelle aus dem Song "Milady ist zurück" zitieren:

"Nun hab ich das Versteckspiel satt,
mich setzt man nicht schachmatt!
Gelitten hab ich lang genug,
die Dame ist am Zug!"

Ich musste sofort daran denken, als die Dame mal schnell ein paar Wachen töten gegangen ist. Nur weiter so und der Bannkreis sollte bald einbrechen.

Das das Höllenschwert sowas kann wusste ich garnicht mehr. Aber stimmt, es hat schon mal jemanden... mehr oder weniger wiederbelebt. Warum sollte es das hier also nicht können? Bin gespannt wie es weitergeht.
Von:  Haruko-sama
2011-06-13T11:31:41+00:00 13.06.2011 13:31
Kaum liest man kurze Zeit nicht mit, geht es rund.
Willkommen im Club "Ich bin dämlich genug, um Frauen zu unterschätzen", Susumu. Mal gucken, wie sehr die Fürstin das Schloss aufmischt.
Hoffentlich kommt bald Zunai mit dem Heer, sonst gibt es erheblich weniger Wölfe bei der Übermacht, Falken hin oder her.
Aber spannender machen es der Taishou und das Höllenschwert mit ihrem Machtkampf. Das Ziel ist ja klar, nur über die Methode sollten sie sich einig werden...

LG, Haruko
Von:  kiji-chan
2011-06-13T01:09:29+00:00 13.06.2011 03:09
Die Idee mit den bestickten Kimonos ist sehr gut umgesetzt XD
Ist es nicht ironisch, eine Frau im eigenen Kerker zu unterschätzen, aber mit einer anderen (die er kaum sehen kann) einen Packt einzugehen.
Dieser Mann (vielleicht betrift diese Dummheit auch andere) hat einen sehr großen Logikfehler an einer wichtigen Stelle seinen Plans.

Pech für ihn, hoffentlich Glück für die Wölfe und Falken. Und diesen sturen Hund <3


ncha!
Kiji

p.s.
Prinzess power!!
Von:  Krylia
2011-06-10T12:31:52+00:00 10.06.2011 14:31
Inzwischen gönne ich durchaus der Prinzessin die Genugtuung, Susumu zwischen ihren Klauen zu zerreissen. Mal sehen, ob sie es schafft.
Und hoffentlich fügt sich das Höllenschwert bald, damit der Taishou sich wieder auf den Kampf konzentrieren kann.
Ich drücke beiden fest die Daumen.
Von:  Teilchenzoo
2011-06-09T06:51:31+00:00 09.06.2011 08:51
Man sollte seinen Feind grundsätzlich als gefährlich ansehen, das kritisiere ich an solchen selbstverliebten Größenwahnsinnigen ja schon lange. ABER!! Ein sehr weit verbreiteter Fehler der Herren ist es ja auch, die holde Weiblichkeit zu unterschätzen. Böser, böser Fehler.
Mal ehrlich ... Susumu erhofft sich von der Fürstin einen starken Sohn, aber er denkt nicht im Traum daran, sie könnte ihre Macht auch mal einsetzen? Das ist dumm. Er hatte doch sogar um sie geworben, hat er sich da nicht genau über ihre Fähigkeiten informiert? Ich meine, wenn man eine Prinzessin nur als Handelsware betrachtet, warum dann nicht auch solche wichtigen Details abklären? Wie oberflächlich ...

Das Schwert meint es womöglich durchaus ernst damit, den Taishou diesmal unterstützen zu wollen. Kurai Yosei könnte es in der Tat vollkommen beherrschen, und Beherrschung behagt ihm ja gar nicht.
Aber es ist schon richtig, sich besser nicht komplett aufzugeben, wer weiß, wen das Schwert sonst noch alles abschlachtet.

Susumu ist ja nett entspannt ... wie gut, dann achtet er nicht auf die Fürstin.

Wer ist Tomis Herr?

Lg neko


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