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Nebulous Island

von

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The Island.

„Der Nebel lichtet sich!“

Dieser Ausruf ließ Marco von dem Buch vor sich auf dem Schreibtisch aufsehen. Sein Kinn löste sich von seiner Handfläche, als sein gelangweilter Blick durch den Raum zu dem Bullauge hinüber wanderte. Die Kajüte des ersten Kommandanten war eine der wenigen, die ein solches besaßen. Hinter dem Glas, hinter dem tagelang ein weißer Schleier ihm die Sicht verwehrt hatte, vermochte er nun den grauen Himmel auszumachen.

Marcos Augenbrauen zogen sich kaum merklich zusammen. Im nächsten Moment schabten die Stuhlbeine über den Boden und er schlenderte hinaus auf den Gang. Von dort war der Ruf gekommen.

Vom Deck aus konnte Marco zudem bereits die aufgeregten Stimmen der Männer vernehmen, ebenso wie das Fußgetrampel. Die Aussicht auf klareres Wetter schien ihre Moral deutlich zu heben. Allerdings war es verständlich, nachdem die Laune an den Tiefpunkt gesunken war, da sie nun bereits über eine Woche lang im Nebel auf der Moby Dick festsaßen. Auch die Vorräte waren knapper geworden, als Marco ausgerechnet hatte. Das war nicht verwunderlich durch den Sturm, der sie gestern früh überrascht und vom Kurs abgetrieben hatte. Genauso wenig überraschend war es bei einem Schiff voller Vielfresser. Alleine Ace würde ihnen eines Tages die Haare vom Kopf essen.

Als Marco jedoch an Deck trat, wurde er von einem hektischen Treiben begrüßt. Das konnte aber trotzdem nicht über das Trinkgelage des letzten Abends hinwegtäuschen. Sakefässer und Krüge säumten das weite Deck der Moby Dick.

Einige der Männer schliefen noch immer ihren Rausch aus, lagen zusammengesunken auf den Planken, während andere sich an den Geländern und auf den Treppen des riesigen Schiffes sammelten.

Doch es war Vista, an den sich Marcos Augen hefteten und den er schlussendlich ansteuerte. Der Schwertkämpfer hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte an der Reling.

„Wir sind noch auf dem richtigen Kurs?“

Vista wandte sich zu ihm um. Er löste einen Arm, um die linke Seite seines Schnurrbarts zwirbeln zu können. „Das habe ich den Navigator bereits gefragt. Dieser bejahte es allerdings.“

Kurz tauschten beide Kommandanten einen Blick miteinander aus, bis Marco zu der grauen Wolkendecke hinaufschaute. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er behauptet, dass der Nebel schon bald von einem Regenschauer ersetzt werden würde. „Dann verstehe ich nicht, warum sich der Nebel lichtet“, ließ Marco aber lediglich verlauten.

Vista antwortete ihm nicht, sondern schaute ebenfalls schweigend in die Ferne. Allein die Geste bestätigte ihm bereits, dass Vista ein ähnlicher Gedanke durch den Kopf gegangen sein musste.

„Land in Sicht! Land in Sicht!“, gellte es eine Sekunde später über das Deck. Zeitgleich deutete Santa über ihnen von einem der Aussichtspunkte mit dem Fernglas in westliche Richtung.

Wie hoch war die Möglichkeit, dass sich der Junge verguckt hatte? Doch Marco schüttelte den Kopf. Santa mochte zwar noch jung sein, aber er war kein Idiot. Nein, sobald er etwas mehr Erfahrung besaß, würde er eines Tages ganz sicher einen guten Kommandanten abgeben.

„Land...“, entrann es Vista neben ihm nachdenklich. „Was denkst du, Marco?“

„Dass der Eternal Port besser spinnt.“ Mit diesen Worten schlenderte Marco quer über das Deck und auf die Steuerseite des Schiffes herüber. Dort warf er einen Blick über die Schulter eines Crewmitglieds.

Santa hatte recht. Selbst ohne Fernglas vermochte er den vagen Umriss am Horizont auszumachen. Hier und da hangen noch immer Nebelschwaden über dem Wasser, doch der frische Wind trieb sie fort.

„Legen wir da an, Marco?“, wurde er von der Seite gefragt. Mit einem Mal hatte sich die Aufmerksamkeit von der Insel vor ihnen auf Marco übertragen. Dabei wurde er von dem Enthusiasmus auf den Gesichtern der Jungs beinahe erschlagen.

„Wir müssen uns mal die Beine vertreten“, warf jemand ein. Mehr und mehr Mitglieder ihrer Crew begannen sich um ihn zu sammeln. Ein Raunen und Rufen ging durch die Meute und von der vorangegangenen Langeweile war keine Spur mehr. Es war, als hätte es sie nie gegeben.

Thatch, im Schlepptau mit Ace, kämpfte sich durch die Menge an die Front und stemmte grinsend die Arme in die Hüften. Keiner der beiden Kommandanten musste den Mund öffnen, um ihre Meinung kund zu tun; Marco kannte sie bereits. In dieser Richtung waren sie mehr als nur durchschaubar. Scheinbar gab es niemanden außer Marco zu denken, dass sie an einem Ort über eine Insel gestolpert waren, an dem es eigentlich keine hätte geben sollen. Sie waren schon oft genug durch das Misty Gray-Gewässer gesegelt, um die Route zu kennen.

Laut den Logbucheinträgen, die Marco führte, hatten sie das letzte Mal neun Tage in dem dichten Nebel zugebracht, welcher diesem Gebiet seinen Namen gab. Der Nebel lichtete sich nicht einfach so, weswegen man bei einem Sturm leicht die Orientierung verlor und auf einer der Sandbänke auflaufen konnte. Doch eine Insel gab es im Misty Gray nicht. Es rankten sich nicht einmal absurde Legenden von Seemonster und Geisterschiffe um diesen Ort. Hier lebte nichts.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und aus den Augenwinkeln erkannte er Vista, der ihm gefolgt war. „Vielleicht können wir dort einige Vorräte auffrischen. Was meinst du?“

„Bevor wir uns alle auf diese Insel stürzen, sollten wir ein Team vorausschicken“, erwiderte Marco. Solche Entscheidungen unterstanden die meiste Zeit über seiner Verantwortung und ihr Kapitän gehörte ohnehin zu den Männern, die noch immer ihren Rausch ausschliefen. Es würde auch seine Stimmung heben, wenn er aufwachte und den Laderaum mit einigen neuen Sakefässern bestückt wissen würde.

Ein Grölen und Jubeln war derweil um ihn herum ausgebrochen. Es hallte über das Deck, wahrscheinlich sogar bis zu der Insel selbst.

Ace trat vor und schob mit einem Finger lässig seinen orangefarbigen Cowboyhut höher. Ein schiefes Grinsen lag auf seinem mit Sommersprossen übersäten Gesicht. „Ich gehe, Marco.“

„Hey!“, lenkte Thatch ein, bevor Marco zu einer Antwort ansetzen konnte. „Dann geh ich auch an Land.“

Daraufhin seufzte Marco innerlich auf. „Gut... dann sehen Thatch, Ace und ich uns auf der Insel um. Der Rest wartet auf dem Schiff, bis wir zurück sind.“ Seine Worte waren von einem Murren gefolgt, doch keiner widersprach, während Thatch und Ace sich angrinsten.

Jedes Mal, wenn die beiden Landgang hatten, ging etwas schief. Es war wie ein Naturgesetz, das sich einfach nicht brechen ließ. Mal war es eine Zeche, die geprellt wurde, andermal verliefen sie sich oder legten sich mit irgendwelchen Leuten dort an. Letztendlich endete es eben immer im Chaos. In dieser Hinsicht ähnelten sie viel eher Kleinkindern als waschechten Piraten. Doch das war etwas, auf das Marco diesmal verzichten konnte.

„Vista?“, entwich es Marco, als sich die Männer längst auf ihre Posten begeben hatten, um Kurs auf die Insel zu nehmen. „Seh dir noch mal die Seekarten an. Inseln tauchen nicht einfach so aus dem Nichts auf.“

„Natürlich“, erwiderte der Schwertkämpfer, ehe er unter Deck verschwand.

 

 
 

 

 

Die vierzehn Segel der drei Mäste waren eingeholt und die Anker vor der Insel ausgeworfen. Einen günstigen Anlegeplatz gab es nicht, nur eine steinerne Küste, die von den stetigen Wellen geformt worden war. Auf den ersten Blick wirkte sie zudem unbewohnt. Nichts deutete auf Leben hin, doch Marco konnte das nur recht sein, obwohl das wiederum bedeutete, dass sie ihre Sakevorräte nicht auffüllen konnten. Whitebeards Gesundheit würde das jedoch zu Guten kommen, wenn auch nicht seiner Laune.

Dichte Wälder zogen sich an der Küste entlang und zwischen den Bäumen hingen noch immer Nebelschwaden. Aus der Luft würde Marco wahrscheinlich eine bessere Sicht auf die Insel haben. Bevor er diesen Gedanken jedoch weiter verfolgen konnte, jagte in seinem Augenwinkel etwas über das Wasser. Marco lehnte sich vor, um einen Blick über die Reling der Moby Dick werfen zu können.

„Wo bleibst du denn, Thatch?“, rief Ace aus. Er stand breitbeinig auf seinem Striker. Das kleine Gefährt war eine Sonderanfertigung gewesen, nur kompatibel mit Ace’ Teufelskraft. Mit ihr konnte er es jedoch nach Belieben steuern und beinahe wie eine Rakete über den Ozean rauschen. Selbst Marco in seiner Phoenixform hätte Schwierigkeiten mitzuhalten, dessen war er sich sicher. Obwohl er Ace das niemals wissen lassen würde, das würde dem jungen Mann ohnehin nur unnötig zu Kopf steigen.

Marco stellte ein Bein auf der Reling ab, als er beobachtete wie Thatch unter ihm in Sicht kam. „Hätte ich Teufelskräfte, könntest du meinen Staub schlucken, Ace!“ Thatch saß in einem der kleinen Ruderboote und paddelte in die Richtung der Insel davon.

Ace ließ ihm den Vorsprung, doch Marco konnte das belustigte Grinsen selbst von hier oben erkennen. Im nächsten Moment verwandelten seine Füße sich bereits zu Feuer, welches die Turbine des Strikers antrieb. Er sauste hinter Thatch her, überholte ihn und mit den Händen in den Taschen seiner schwarzen Dreiviertelhose vergraben, näherte er sich der Insel an. Kurz davor hielt er inne und sprang mit dem Seil des Strikers in der Hand die Küste hinauf, um es dort an einem Baumstamm zu befestigen.

Thatch ruderte derweil noch immer, als würde sein Leben davon abhängen.

Sich das Zucken eines Mundwinkels erlaubend stieß sich Marco von der Reling ab. Zeitgleich leckten blaue Flammen seinen Armen entlang, breiteten sich über seine sonnengebräunte Haut aus, bis sie seine Arme verschluckten und Flügel geformt hatten. Er hob sich in die Lüfte und kreiste ein, zwei Mal über den vorderen Teil der Insel. Die Baumwipfel waren jedoch zu dicht, als dass sie ihm einen Einblick auf die Insel gewährten. Deshalb holte Marco seine Nakama stattdessen am Rand der Küste ein. Dort war Thatch gerade dabei den Abhang der Küste von seinem Boot zu erklimmen. Anstatt ihm eine helfende Hand zu reichen, kam Marco neben Ace zum Stehen und verschränkte seine zurückverwandelten Arme vor dem Oberkörper. Beide sahen schweigend zu, wie Thatch sich keuchend über den Rand hievte und auf den Rücken rollte.

„Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr...“, kommentierte Marco und Ace lachte kehlig auf.

Auch über Thatchs schweißnasses Gesicht blitzte ein Grinsen. Es gab eben nichts, was ihm die Laune vermiesen konnte. Er richtete die Tolle seines braunen Haares, ehe er sich erhob und den Dreck von der weißen Kleidung klopfte. Sein Schwert hing wie gewohnt an seiner Hüfte und seine Finger tänzelten kurzzeitig über den Griff, als wollte er sichergehen, dass es noch da war. Thatch mochte vieles sein, aber ein schlechter Kämpfer war er nicht. Das hatte er in der Vergangenheit oft genug unter Beweis gestellt.

Gemeinsam kehrten sie dem offenen Meer und ihrem riesigen Flaggschiff den Rücken.

„Und, was hast du gesehen, Marco?“, fragte Ace, als sie sich über das Dickicht kämpften. Das Zirpen der Grillen war das einzige Geräusch in der Luft, monoton und einnehmend.

Marco zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Bäume. Ich bezweifele, dass es hier eine Zivilisation gibt.“

„Vielleicht sind wir die Ersten, die hier gelandet sind“, warf Thatch ein. Die Begeisterung in seiner Stimme war förmlich greifbar. „Dann können wir die Insel im Namen von Whitebeard beanspruchen.“

Doch Marco antwortete nicht. Immerhin waren sie keine Entdecker, sondern Piraten. Was sollten sie mit einer unbewohnten Insel? Insbesondere, wenn man sie nicht wiederzufinden vermochte, sobald der Nebel erneut aufgezogen war?

Ein Blick über seine Schulter hinweg verriet Marco, dass der Strand längst hinter ihnen zurückgeblieben war. Egal, in welche Richtung man schaute, überall wucherten Pflanzen. Wahrscheinlich war es einfach, sich hier zu verirren. Nur gut, dass Marcos Fähigkeiten das verhindern würden. Er brauchte nur über die Bäume hinausfliegen, um den richtigen Weg finden. Abgesehen davon hatte ihn sein Orientierungssinn bisher noch nie im Stich gelassen.

„Vielleicht gibt es hier Früchte oder so was“, entrann es ihm schließlich, als er über einen umgefallenen Baumstamm hinwegstieg.

Thatch trabte gelassen neben ihm her, während Ace längst die Führung übernommen hatte.

Obwohl der Himmel kaum sichtbar war, vermochte Marco ein fernes Plätschern zu vernehmen. Es hatte zu regnen begonnen. Das Blätterdach über ihren Köpfen sorgte jedoch dafür, dass die Tropfen sie kaum erreichten. Doch mit dem Geräusch des Regens gesellten sich noch andere Laute zu den Grillen in den Gebüschen um sie herum. Ein Rascheln hier und da ließ ihre Blicke hin und her wandern, während der Wind über die Insel und durch die Bäume und Sträucher zu fegen begann. Er hörte sich an wie ein Wispern.

„Werden wir beobachtet?“, fragte Thatch neben ihm mit gesenkter Stimme. Nur das Grinsen, das von seinem Wunsch nach Abenteuern sprach, ließ sich nicht vertreiben.

Marcos Gesicht blieb passiv, genauso desinteressiert wie zuvor. „Den Eindruck habe ich auch.“ Er kannte das Gefühl gut genug, einen Blick auf sich ruhen zu haben. Es stellte ihm die Nackenhaare auf. Doch das, was ihm zu denken gab, war Ace. Von dem Bengel war keine Spur mehr, irgendwo vor ihnen war er zwischen den Bäumen verschwunden.

„Spielen wir ihr Spiel mit?“ Thatchs Finger zuckten trotz seiner Frage etwas näher zu seinem Schwertgriff herüber, doch Marco nickte lediglich. Immerhin hatten sie keine Ahnung, wer oder was ihnen nachspionierte. Allerdings würden sie einen Vorteil haben, wenn ihr Gegenüber nicht bemerkte, dass sie längst von seiner Anwesenheit wussten. Es war taktisch klug ihn auszunutzen, wenn er einem geboten wurde.

Auch um Ace brauchte sich Marco eigentlich keine Sorgen zu machen. Der Junge konnte gut auf sich selbst aufzupassen. Glück schien er zudem auch genug zu besitzen. Zur Not würde er wahrscheinlich die Insel in Brand setzen, aber dann würden sie ihren Verfolger wenigstens unbefangen zu Gesicht bekommen.

Schweigend setzten die beiden Kommandanten unter fremden Blicken ihren Weg durch den dichten Wald fort.

 

 
 

 

 

„Was ist das?“, fragte Thatch nach einer gefühlten Ewigkeit. Er hielt in seinem Schritt inne und deutete mit dem Finger lässig auf die Schleimspur, die von den wenigen Tropfen, die den Erdboden überhaupt erreichten, nicht weggewaschen werden konnte.

Zum ersten Mal blieben sie seit dem Betreten des Waldes stehen.

Marco beäugte die Spur, folgte ihr mit dem Blick, ehe er den Verursacher im Dickicht ausmachen konnte. Um eine bessere Sicht zu erlangen hielt er ein paar Zweige beiseite. Sie gaben Sicht auf eine Schnecke. Ihr backsteinrotes Häuschen war breiter als Marco und reichte ihm bis zur Taille hinauf. Zwei lange Fühler ragten in die Luft, wandten sich zunächst in die eine und dann in die andere Richtung, bevor sie von dannen zog.

„Da hast du deine Antwort, Thatch.“ Damit ließ Marco von den Zweigen ab und ging weiter. „Frag dich lieber, wo Ace wieder hin ist.“

Von diesem war seit seinem Verschwinden keine Spur mehr gewesen. Nur ab und an knackte etwas um sie herum, was sich verdächtig wie das Zerbrechen eines Zweiges unter einer Schuhsohle anhörte. Allerdings bezweifelte Marco, dass das von Ace und nicht doch von ihren Verfolgern stammte. Ein Teil von ihm wollte sie einfach aus ihren Verstecken ziehen und zur Rede stellen, der andere dagegen abwarten, wie sich die Dinge von allein entwickelten. Wenn man sich ernsthaft mit ihnen anlegen wollte, wären sie längst angegriffen worden, dessen war sich Marco sicher.

Vor ihnen brach ein Tumult aus, der Marcos Kopf in die Höhe rucken ließ. Das Rascheln und Knacken kam näher und näher, es war schnell. Jemand hatte zu rennen begonnen. Marcos Schultern spannten sich instinktiv an, als ein Schatten aus dem Dickicht herausbrach.

„Marco! Thatch!“, brachte Ace keuchend hervor, als er abrupt vor ihnen zum Stehen kam. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein orangefarbener Hut hing an seinem Bändchen in seinem Nacken, die schwarzen Haare zerzaust. „Ihr glaubt nicht, was ich gerade entdeckt habe. Das müsst ihr euch ansehen.“

„Ace, wo zum Teufel hast du gesteckt?“, entfuhr es Thatch. Er klopfte Ace auf die Schulter, als wollte er sichergehen, dass es auch tatsächlich ihr zweiter Kommandant war.

Doch Ace wandte sich bereits erneut von ihnen ab und schritt in die Richtung zurück, aus der zuvor gekommen war. „Genau das müsst ihr euch ja ansehen!“

Thatch sowie Marco setzten sich ebenfalls in Bewegung, um seinen Worten Folge zu leisten. Dabei konnte sich Marco nicht vorstellen, dass es tatsächlich etwas Brauchbares war, was Ace inmitten des Dschungels entdeckt zu haben schien. Viel eher war es eine Käfersorte, die ihm zuvor noch nie unter die Augen gekommen war oder etwas dergleichen. Das würde zumindest zu dem jüngeren Mann passen.

Zusammen bahnten sie sich den Weg durch das Dickicht, während Zweige nach ihnen zu griffen und Wurzeln ihnen das Bein zu stellen versuchten. Umso tiefer sie vordrangen, umso dichter wurden der Wald und die Baumkronen über ihren Köpfen. Der Regen schaffte es schon lange nicht mehr, den Erdboden zu berühren, genauso wenig wie das Tageslicht.

Doch nach einigen Minuten begann die vorherrschende Dunkelheit vor ihnen zu weichen, bis alle drei auf eine Lichtung hinaustraten. Diese schaute auf ein riesiges Tal herunter – und ließ Marco beinahe überrascht die Augenbrauen zusammenziehen.

Ace deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Blockhütten hinunter, die in regelmäßigen Abständen dort unten erbaut worden waren. Sie formten Wege und Pfade zwischen sich, die auf einem Platz mündeten und auf der anderen Seite in den Wald hinein führten. Einige Kinder spielten mit einem Ball vor einem der Häuser und hier und da schlenderten Frauen und Männer umher, während in einem abgezäunten Bereich einige Ziehen Gräser fraßen.

„Ein Dorf...“, murmelte Thatch, obwohl auch Marco sich dessen längst bewusst gewesen war.

Ace nickte und schob mit einer Hand seinen Hut weiter in den Nacken, um seinen Nakama ein Grinsen schenken zu können. „Seht ihr, die Insel ist doch nicht so unbewohnt, wie wir gedacht haben.“

„Ace, das ist uns—“, begann Marco, doch ein Rascheln ließ ihn innehalten. Es war dasselbe Geräusch, das sie die gesamte Zeit über begleitet hatte, lediglich lauter, näher.

Er hielt inne und seine Augen wanderten über die umliegenden Büsche und Bäume, die ihm die Sicht versperrten. Dann sah er sie. Lauernd nährten sie sich ihnen an und traten ebenfalls aus dem Dickicht auf die Lichtung hinaus. Marco zählte sieben Männer, gekleidet in Tierfellen und mit Schwertern und Lanzen bewaffnet, die auf die drei Kommandanten gerichtet waren.

Aber während Ace’ Schultern sich anspannten und auch Thatchs Finger zu dem Griff seines eigenen Schwertes wanderten, verharrte Marco in seiner Haltung.

Zwar nahm er jede Bedrohung ernst und versuchte auch den Schmächtigsten aller Gegner nicht zu unterschätzen, doch das vor ihnen waren eindeutig keine Kämpfer. Zumindest nicht von dem Kaliber, wie sie es waren. Das sah man an ihren ungepflegten Waffen und auch an der fehlenden Muskelmasse. Nein, die bärtigen Männer vor ihnen wirkten eher drahtig, beinahe wie ausgehungerte Gestrandete in Marcos Augen.

„Wir wollen euch nichts Böses“, sagte einer von ihnen. Es war ein hochgewachsener Mann, der selbst Thatch um einen halben Kopf überragte. Er senkte seinen verrosteten Säbel ein Stück und trat vor, während die anderen sie auch weiterhin aufs Genauste im Auge behielten. Sein schwarzes Haar hing schweißnass seinen Schläfen herunter und im Gegensatz zu seinen Männern trug er kein Fell, sondern Leder aus Tierhaut hergestellt. „Mein Name ist Downes Buc. Was bringt euch auf diese Insel? Seit ihr Schiffbrüchige?“ Der zivilisierte Ton, in dem er sprach, war der genaue Gegensatz der äußerlichen Erscheinung.

„Wir sind zufällig über eure Insel gestolpert“, verkündete Thatch und zuckte mit den Schultern. „Sie tauchte mitten aus dem Nichts auf.“

Ace nickte daraufhin. „Wir sind auf Erkundungstour.“

„Ich verstehe...“, erwiderte Buc. Zeitgleich signalisierte er seinen Männern, die verschlissenen Waffen zu senken.

Marco hatte die Hände in den Hosentaschen seiner graublauen Dreiviertelhose vergraben, als er sie dabei beobachtete. Trotz allem entging ihm nicht, wie ein Schatten über das bärtige Gesicht vor ihnen fuhr. Einen, den er nicht zu deuten vermochte, der ihn jedoch nicht gänzlich losließ. Marco war schon zu lange in der Welt unterwegs, als dass er sein Misstrauen ablegen konnte oder gar wollte. Es hatte ihm schon unzählige Male das Leben gerettet.

Nur den Mitgliedern der Whitebeard-Piraten vertraute er und drehte er den Rücken zu, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie Whitebeard nicht hintergehen würden. Immerhin war es nicht reinste Nächstenliebe, dass er ein Auge auf die Neulinge in ihrer Bande warf. Nein, es war viel eher eine stumme Absicherung, die er sich selbst auferlegt hatte.

Es war dasselbe mit Ace gewesen, als dieser mitsamt seiner Mannschaft auf der Moby Dick gelandet war. Wie oft hatte er versucht, sich auf Whitebeard zu stürzen, bevor er einer von ihnen wurde? Marco hatte nie mitgezählt, obwohl er sich bewusst war, dass Vista die Zahl der Anschläge garantiert noch im Kopf haben würde.

„Dann lasst uns unsere Gastfreundschaft zeigen“, holte Buc Marco inzwischen aus seinen Gedanken. Ein Lächeln, das unter dem dichten Bart vage blieb, zeigte sich auf seinen Zügen, als er eine Armbewegung in das Tal herunter machte, in welchem das kleine Dorf erbaut worden war. „Wir kriegen nicht oft Gäste hier. Um ehrlich zu sein, seid ihr die ersten in über zwanzig Jahren.“

Ace sowie Thatchs Mund klappte augenblicklich auf und auch Marcos Augenbraue zuckte kaum merklich höher. Zwanzig Jahre waren eine lange Zeit – gerade, wenn man bedachte, wie viele Piraten auf der Grandline unterwegs waren und doch keiner hier an Land gegangen sein sollte.

Von diesem Standpunkt konnte es Marco sogar nachvollziehen, dass man sie beschattet hatte. Ebenso war verständlich, weshalb die Männer vor ihnen wie alles andere als Kämpfer aussahen und ihre Waffen sich in diesem schlechten Zustand befanden. Sie brauchten keine gute Taktik oder Verteidigung, wenn sie abgeschieden von dem Rest der Welt lebten.

„Hat das mit dem Nebel in dieser Gegend zu tun?“, fragte Marco. Trotz der gelangweilten Stimmlage, folgte er Buc den Hügel herunter.

Thatch und Ace gingen hinter ihnen her, gefolgt von den restlichen Inselbewohnern, die ihnen mit gemischten Gefühlen nachsahen. Sie wirkten wie menschenscheue Tiere, die nicht wussten, ob sie kämpfen oder fliehen sollten.

Buc warf Marco einen Seitenblick zu. „Genau. Er lichtet sich nur alle fünfundzwanzig Jahre. Ansonsten ist unsere Insel unauffindbar. Sie ist auch auf keiner Karte verzeichnet, soweit ich weiß.“

Marco schwieg. Das erklärte zumindest, wie sie überhaupt über diese Insel gestolpert waren. Es war genauso passiert, wie Buc es gesagt hatte. Der Nebel hatte sich gelichtet, obwohl es bekannt war, dass die Schleier im Misty Gray-Gewässer niemals verschwanden und dann hatte Santa die Insel gesichtet, die eigentlich nicht existieren durfte. Es war nicht schwer vorstellbar. In seinem Leben hatte er schon eine Menge absurder Dinge erlebt. Gerade auf der Grandline war man davor nicht gefeit – und wenn es Teufelsfrüchte gab, warum sollte es da nicht auch eine Insel geben, die nur alle fünfundzwanzig Jahre erreichbar war?

„Das Schiff unserer Vorfahren war damals bei einem Hurrikan beschädigt worden und gesunken. Sie haben sich auf diese Insel – sie haben sie Nebulous Island getauft – gerettet, die seither als unser Zuhause dient“, erzählte Buc weiter, während sie das Tal erreichten.

Die Blicke der Einwohner, die ihnen auf den Pfaden entgegen kamen, folgten ihnen aufmerksam, als sich ihre Kolonne den Weg durch das Dorf suchte. Vor allem die Kinder, die vor einigen Minuten noch mit ihrem Ball gespielt hatten, besahen sich die Fremden mit großen Augen. Wahrscheinlich waren sie nicht älter als zehn, was bedeutete, dass sie noch nie andere Menschen zu Gesicht bekommen hatten.

Ein Blick über Marcos Schulter bestätigte, dass Thatch und Ace noch immer hinter ihm liefen. Beide grinsten, aber was hatte Marco auch erwartet? Für sie musste diese Insel praktisch ein Paradies sein – versteckt und unberührt und gastfreundlich wie sie schien.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Hisoka_Hebi
2021-08-12T15:23:25+00:00 12.08.2021 17:23
Ja so lieb ich das :) diese Art Geschichten gefallen mir am besten von dir. Genauso deine OS Sammlung. Die Piraten erkunden eine neue Insel, Marco, Ace und Thatch in ihrem Element. Bin gespannt was mich noch erwartet, am meisten freue ich mich wieder über zweideutige Kommentare und die ein oder andere Anspielung. :3
Von:  Peacer
2013-02-24T14:24:40+00:00 24.02.2013 15:24
Halli Hallo :)
So, jetzt kommen endlich auch meine ausführlichen Kommentare. Wie du meinem Gequietsche sicher schon entnehmen konntest, vergöttere ich dich und deine grandiose Geschichte und himmle deinen Marco an, und Ace und Thatch, und Gott und die Welt...
Ähm, ja. Marco mag ich wirklich, wie du ihn darstellst. Souverän, alles unter Kontrolle, völlig gelassen, nicht licht zu beeindrucken- perfekt. :D
Ace und Thatch als die zwei Chaoten, bei denen immer etwas schief geht, finde ich auch ganz klasse, und wie sie sich gegenseitig verspotten. Vor allem Thatch in seinem Ruderboot, das Bild war einfach zu genial, und wie sie dann voll cool auf ihn warten. xD So unfair, der Arme. xD
Dass Ace die Insel im Alleingang erkundet ist auch wieder typisch, und dass sich Marco nicht von ihren Verfolgern beeindrucken lässt, finde ich auch klasse. <3
Uh, bevor ich es vergesse: ich fand die Wahl deiner Namen auch ganz toll, mit den Erklärungen in den Fußnoten. Hat Animexx mittlerweile nicht auch Fußnoten? Wäre cool wen ndu das auch einbauen könntest. :D
Von:  Guardian
2013-02-07T23:01:44+00:00 08.02.2013 00:01
:D da bekommt man doch glatt ein lächelns ins gesicht, wenn man so liest wie es auf dem schiff zu geht
xDD ich finde es wirklich klasse,vorallem auch sehr schön geschrieben


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