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place for us

we can see the future and the dreams it's made of
von

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Erste Kontaktaufnahmen

Ich fasse es nicht, dass Manu mich angelogen hat. Mein Gehirn kann an fast nichts anderes denken, einmal abgesehen davon, dass mein bester Freund verschwunden ist. Moritz spricht mehrere Stunden nicht mehr mit mir und ich weiß auch nicht, was ich zu ihm sagen soll. Da ich ihn nicht mag hab ich mir nie Gedanken darüber gemacht, worüber ich mit ihm reden könnte, wenn wir mal allein miteinander sind. Das kam eigentlich nie in Frage. Ich kann trotzdem nicht wirklich umhin, Moritz dauernd anzustarren, eben weil er Manu so ähnlich sieht und dann wieder doch nicht. Ich meine, ja, es ist fast dasselbe Gesicht, aber der Ausdruck ist so anders. Seine Mimik, das Funkeln, das seinen Augen fehlt… Irgendwie frage ich mich ja schon, wieso Moritz so geworden ist, wenn sein Zwilling sich so ganz anders entwickelt hat. Aber das frage ich ihn nicht. Da wir uns nicht mögen. Alles Mist.
 

Ich beobachte, wie Moritz immer wieder das Gesicht konzentriert verzieht und leicht den Kopf schüttelt und nachdem er das drei Stunden lang immer wieder gemacht hat, wird es mir zu bunt.

»Was hörst du denn da nun in deinem Kopf?«, will ich wissen. Ich bin ein Nervenbündel und es wäre nett, wenn Moritz darauf Rücksicht nehmen würde. Es wurde schließlich nicht nur sein Zwillingsbruder verschleppt, sondern auch mein bester Freund.

»Nichts Richtiges. Keine Ahnung, was los ist. Ich glaub, vielleicht wird die Verbindung schlechter, je weiter wir auseinander sind«, meint Moritz ohne mich auch nur einmal kurz anzusehen. Ob er immer noch drüber nachdenkt, was ich vorhin zu ihm gesagt habe? Ich bin so ein Trottel.
 

»Aber wir sollten doch schon näher dran sein, oder? Müsste es dann nicht besser werden?«, will ich wissen. Mir wird plötzlich schlecht. Wir sind einfach so losgefahren. Vielleicht hätten wir doch die Polizei einschalten sollen. Aber eine Vermisstenanzeige kann man erst nach einer bestimmten Zeit aufgeben, glaub ich. Ich weiß es einfach nicht. Manu ist weg.

»Du siehst grün aus«, sagt Moritz misstrauisch. Ich hab keine Ahnung, wie er das sehen kann ohne mich anzuschauen, aber ich nicke und presse mir die Hand auf den Mund. Ehe ich es mich versehe, hat Moritz auf dem Standstreifen gehalten, ich reiße die Tür auf und stolpere raus in die kühle Herbstluft und übergebe mich heftig über die Leitplanke ins Gras. Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße. Manu ist weg. Wie kann er weg sein? Er war noch nie weg. Manu ist immer da. Ich meine, klar, manchmal verschwindet er zu seiner neusten Flamme, aber nur über Nacht und er prahlt vorher darüber. Bei mir. Lauthals.
 

Unweigerlich denke ich darüber nach, wie oft er vielleicht schon über eine seiner Eroberungen gelogen hat. Ich meine, er hat versprochen, mich nie anzulügen, aber vielleicht hab ich dieses Versprechen ja ernster genommen als er? Wenn er mir diese Sache mit seinen Eltern verschwiegen hat… Womöglich vertraut er mir ja nicht? Aber warum? Ich hab ihm nie einen Grund gegeben, mir nicht zu vertrauen.

»Alles ok?«, ertönt eine leise Stimme neben mir. Ich wische mir mit dem Handrücken über den Mund und spucke auf den Boden.

»Geht so«, sage ich matt und atme einige Male tief durch. Mir wird eine Flasche Wasser hingehalten. Ich sehe auf zu Moritz, aber er starrt hoch in den grauen Himmel. Wer weiß, vielleicht wird ihm übel, wenn er Leute kotzen sieht. Könnte ich gut nachvollziehen.
 

»Willst du Zähne putzen?«
 

»Auf dem Standstreifen?«
 

Er zuckt mit den Schultern und ich seufze, nicke und fange an in meinen Sachen nach der Zahnbürste zu kramen. Ich will gar nicht wissen, was die Leute denken, die an uns vorbei fahren. Keine Ahnung, ob wir hier für so einen Mist halten dürfen, aber ich will nur ungern mit dem Geschmack von Erbrochenem im Mund weiter über die Autobahn rasen.

Ein paar Minuten später sitzen wir wieder im Auto und Moritz hat dankenswerterweise die Musik leiser gedreht.

»Sollen wir uns mit dem Fahren eigentlich abwechseln?«, frage ich irgendwann. Moritz schüttelt den Kopf.

»Dann muss ich dir ja dauernd sagen, wohin du fahren sollst«, gibt er zurück. Auch wieder wahr. In diesem Fall ist es, als hätte Moritz ein eingebautes Navi im Gehirn. Schon praktisch. Oh Gott… Manu ist weg.
 

»Aber wir sollten bald mal Pause machen«, fügt Moritz hinzu und ich nicke nur matt. Ist wahrscheinlich gut. Allerdings weiß ich nicht, ob ich was essen sollte. Am Ende müssen wir alle halbe Stunde auf einem Standstreifen halten, damit ich mich übergeben kann. Widerlich.

»Wir können einfach mal den nächsten Rastplatz anfahren«, schlage ich vor. Ich glaube, der nächste müsste bald kommen. Irgendwie hoffe ich, dass wir bald mal von der Autobahn runterfahren können. All das Grau bekommt mir irgendwie nicht. Nicht, dass wir hier nicht auch Landschaft links und rechts hätten, aber irgendwie ist alles besonders trostlos. Der Herbst hat mit Wiesen und Feldern kaum was am Hut. Ein paar Bäume wären nett.
 

Es dauert nur noch eine Viertelstunde, bis wir an den nächsten Rastplatz kommen. Moritz parkt und steigt aus. Es gibt eine ziemlich schäbig aussehende Raststätte, wo man wahrscheinlich Currywurst, Bier und wässrigen Kaffee kaufen kann. Aber was soll’s. Ich folge Moritz widerwillig in Richtung Raststätte.

»Willst du was essen?«

All dieses Schweigen macht mich doch etwas nervös. Es ist ätzend mit jemandem unterwegs zu sein, wenn man sich nicht leiden kann.

»Ja, ich denk schon. Willst du auch was?«, fragt Moritz. Mir fällt auf, dass er auch ganz anders redet als Manu. Manu redet überschwänglich und benutzt dabei viel seine Arme und Hände und er lacht viel dabei. Er ist ein ziemlich guter Erzähler. Moritz bewegt sich kaum beim Sprechen und er spricht auch nicht so lebendig. Vielleicht kommt das, weil er generell viel weniger mit anderen Menschen redet.
 

Als wir die Raststätte betreten, bin ich erst verwirrt, weil ich Moritz‘ Verhalten so merkwürdig finde, aber mir erst nicht bewusst ist, was daran so komisch ist. Aber dann wird mir klar, dass er niemanden ansieht und total starr geradeaus stiert, als würde er tot umfallen, wenn er mit irgendwem Augenkontakt aufnimmt. Seine hellgrauen Augen sehen aus wie leere Tunnel. Es ist ein wenig gruselig. Ich mustere die Menschen hier in diesem schäbigen Laden. Es gibt ein paar Tische mit Stühlen, bei denen die Farbe abgeplatzt ist und einige Regale mit anderen Lebensmitteln, die alle haltlos überteuert sind. Hinter der Kasse steht ein ziemlich junger, hübscher Kerl mit blonden, langen Haaren und einer Brille und grinst uns an, als wir uns ihm nähern.
 

Mein Blick fällt auf Moritz und jetzt sieht er so aus, als würde er sich gleich übergeben. So dreckig ist es hier drin nun auch wieder nicht. Wer weiß, vielleicht hat er ja einen sehr starken Ordnungstick? Aber diese Reaktion scheint mir doch recht übertrieben zu sein. Ich beschließe, Moritz einfach zu ignorieren und bestelle mir ein Hotdog. Moritz bringt mit sehr gepresster Stimme hervor, dass er gern eine Currywurst mit Pommes hätte und dreht sich dann weg. Als wäre der Kerl hinter der Kasse giftig oder eklig. Okay. Kein Problem. Man kann sich mit Moritz also nicht so gut in der Öffentlichkeit zeigen.
 

»Und, wohin fahrt ihr so?«, will der Typ hinter der Kasse wissen. Ich zögere.
 

»Wir besuchen einen Freund«, sage ich vage und der Kerl nickt. Und ehe ich es mich versehe, bin ich in ein Gespräch verwickelt, während Moritz‘ Pommes in der Fritteuse stecken. Der Kassierer heißt Lars und mag dieselbe Musik wie ich und ich lerne gerne neue Leute kennen, deswegen ist Moritz‘ Verhalten mir wirklich sehr unverständlich. Tatsächlich gibt Lars mir am Ende der Unterhaltung seine Handynummer und sagt, ich kann ihn gern anrufen, um ihm die Zeit hier auf dieser Raststätte zu vertreiben. Tatsächlich stelle ich es mir sehr langweilig vor, hier so abseits von allem zu stehen. Aber gut. Lars reicht Moritz seine Currywurst mit Pommes.

»Danke«, sagt Moritz knapp und verschwindet dann so schnell, dass ich für ihn mit bezahlen muss.
 

»Wow. Dein Kumpel ist komisch«, sagt Lars und reicht mir sein Wechselgeld. Ich nicke finster.

»Ja, er hat einen schlechten Tag. Nimm’s ihm nicht übel«, gebe ich zurück. Lars schmunzelt und mustert mich.

»Seid ihr zusammen?«, will er wissen. Ich starre ihn etwa zehn Sekunden lang schweigend an, bis er anfängt zu lachen und sich Tränen aus den Augen zu wischen, weil er so amüsiert ist.

»Hätte ja sein können«, meint er glucksend.

»Nein. Nein, eigentlich nicht. Er ist nicht so der Typ für… Beziehungen«, sage ich matt und versuche mir vorzustellen, wie Moritz jemals eine Beziehung haben könnte. Ich scheitere kläglich. Tja. Allerdings kann ich es bei mir selber auch nicht vorstellen, seit ich nicht mehr mit Lena zusammen bin. Herrje, an sie hab ich die letzten Stunden überhaupt nicht gedacht.
 

Ich nehme mein Hotdog entgegen und zahle unser Essen.

»Ja, wirkte ein bisschen so. Aber gut. Das heißt, du bist zu haben?«, erkundigt sich Lars weiter und ich blinzele kurz verwirrt, dann laufe ich rot an und fahre mir durch die Haare.

»Weiß nicht. Bin grad erst zwei Wochen raus aus meiner letzten Beziehung«, gebe ich zu und frage mich, ob ich tatsächlich gerade angebaggert werde. Ich wurde noch nie von einem Mann angegraben. Einfach so. An einer Raststätte.

»Oh, das tut mir Leid«, sagt Lars hastig und hebt abwehrend die Hände, aber ich winke ab.

»Ist schon ok, denk ich. Es lief echt nicht mehr so gut«, antworte ich beruhigend und es stimmt. Es ist irgendwie ok. Aber gestern war es noch dramatisch und ich habe im Selbstmitleid gebadet. Manu wirft mir immer vor, dass ich allzu sehr zu Selbstmitleid neige. Wahrscheinlich hat er Recht.
 

»Ah, na gut. Also… ich würde mich freuen, wenn du anrufst«, sagt Lars noch mal und grinst breit. Er sieht schon irgendwie gut aus. Bislang hab ich mir noch nie so recht Gedanken drüber gemacht, ob Männer auch in Frage kommen. Also… manchmal schau ich schon einen an und denke mir ‚Wow‘. Aber das muss ja nichts heißen. Keine Ahnung. Vielleicht geht in meinem Fall probieren über studieren? Ich kann mir darüber den Kopf zerbrechen, wenn ich Manu gefunden habe.
 

»Ok. Dann mach’s mal gut«, sage ich schief lächelnd und hebe noch mal die Hand zum Abschied. Krass. Ich wurde angebaggert und hab es zuerst gar nicht gemerkt.

»Guten Appetit«, sage ich etwas schnippisch zu Moritz, nachdem ich mich neben ihn gesetzt habe und feststellen darf, dass er seine Currywurst schon halb aufgegessen hat. Er sitzt am Steuer und starrt geradeaus.

»Danke.«
 

»Das war ziemlich unhöflich«, erkläre ich Moritz und beiße in mein Hotdog. Er dreht den Kopf und schaut mich an. Diese Augen sind wirklich unglaublich. Alter Schwede.

»Ich weiß«, meint er schlicht und ich blinzele verwirrt. Okay. Nett.

»Hast du Angst vor Menschen?«, erkundige ich mich. Er verengt die Augen zu Schlitzen und mustert mich eingehend, so als würde er versuchen herauszufinden, ob ich das ernst meine. Aber da ich nicht lache und auch sonst nicht sonderlich amüsiert wirke, kommt er offenbar zu dem Ergebnis, dass ich die Frage ernst meine.

»Nein, nicht wirklich. Manchmal vielleicht.«

Er zieht die Schultern hoch, als würde er versuchen, sich in ein Schneckenhaus zurückzuziehen. Ich kann ihn wirklich nicht leiden. Zumindest bin ich bemüht. Aber ich merke auch, dass ich irgendwie neugierig bin, weil Moritz so rätselhaft ist.
 

»Und vor Lars hattest du Angst?«, hake ich weiter nach und mir fallen ein paar Röstzwiebeln in den Schoß. Hotdogs sind schwierig zu essen. Es ist eine Kunst nicht zu kleckern.

»Wieso willst du das wissen?«, gibt Moritz abwehrend zurück und stochert mit seiner Plastikgabel in seinen Pommes herum.

»Man kann ja mal fragen…«, antworte ich resigniert.

»Du hast dich sonst auch nicht für mich interessiert«, sagt Moritz sachlich und ich kann ihm da natürlich nur Recht geben. Aber da musste ich auch nicht mehrere Stunden mit ihm in einem Auto verbringen.

»Du hast auch nie so gewirkt, als hättest du Interesse daran, dass jemand Interesse an dir zeigt«, entgegne ich mit vollem Mund und verliere eine Gurkenscheibe. Hotdogs, Mann. Eine Kunst für sich.
 

»Na, dann verdiene ich es eben nicht, dass man sich mit mir beschäftigt«, erklärt Moritz ruhig und es klingt so, als wäre das vollkommen in Ordnung so. Aber ich kriege schon wieder ein schlechtes Gewissen, wie vorhin, als ich diese blöde Sache mit den Freunden gesagt habe. Scheiße.

»Ich hole es eben jetzt nach«, mampfe ich und tue so, als hätte sich mein Inneres gerade nicht peinlich berührt zusammen gezogen.

»Ach so?«

Moritz sieht wirklich überrascht aus. Nicht sarkastisch. Einfach nur erstaunt. Oh Gott. Ob er eigentlich immer darauf wartet, dass Leute sich mal die Mühe machen, mit ihm zu reden? Ich bin der schlechteste Mensch auf der Welt.
 

»Naja, wenn du nichts dagegen hast. Du kannst mir die Sache mit der Angst vor Menschen erklären, wenn du willst«, meine ich ein wenig unsicher. Vielleicht ist das als Einstiegsthema ein wenig krass. Moritz schweigt solange, dass ich mir fast sicher bin, dass keine Antwort kommt und er einfach darauf verzichtet, auf meinen Gesprächsvorschlag einzugehen.

»Ich glaub nicht, dass du das wissen willst. Es ist schwierig«, sagt er schließlich leise. Ich habe mein Hotdog aufgegessen und wische meine Finger und meinen Mund an einer Papierserviette ab.

»Und ich denke… dass du es irgendwann in den nächsten Tagen sowieso selber rausfinden wirst. Dieser Typ hat dir doch seine Nummer gegeben, oder?«, will er wissen. Ich werde erneut rot und nicke.

»Ja, hat er. Er heißt übrigens Lars«, erkläre ich. Moritz nickt und schluckt. Dann isst er schweigend seine Currywurst auf, bevor er wieder spricht.

»Und du wirst ihn anrufen?«, hakt er weiter nach.
 

»Ja, womöglich schon.«
 

»Ich wusste nicht, dass du Männer magst.«
 

»Ich auch nicht. Mal sehen. Vielleicht mag ich sie nicht. Vielleicht schon.«
 

Es ist ja beruhigend zu wissen, dass Moritz nicht alles von mir weiß. Schlimm genug, dass er die ganze Zeit im Kopf meines besten Kumpels steckt und fast alles mitbekommt, was ich ihm jemals erzählt habe. Unweigerlich erinnere ich mich daran, dass Manu mich angelogen hat, aber ich schiebe den Gedanken beiseite. Wenn wir ihn finden, werde ich noch genug Zeit haben, mit ihm darüber zu reden.

»Ok. Also… wenn du ihn anrufst, dann… Dann können wir ja noch mal drüber reden«, murmelt Moritz kaum hörbar und steigt aus, um seinen Müll zu entsorgen. Ich beobachte ihn, wie er mit steifen Schritten den Parkplatz überquert. Ein sehr merkwürdiger Kerl. Wer weiß, was diese Reise noch so bringt. Was auch immer es sein mag, ich hoffe, dass Manu am anderen Ende unversehrt auf uns wartet.
 

*
 

Zu meiner recht großen Enttäuschung – was mich selbst überrascht – kommt auch in den nächsten Stunden nicht wirklich ein Gespräch zustande. Moritz hört weiterhin Radio und nach einer Stunde, in der ich darauf warte, dass er mit mir redet, gebe ich schließlich auf und schiebe mir wieder die Stöpsel meines MP3-Players in die Ohren und lausche meiner eigenen Musik. Immerhin ist die Stille jetzt nicht mehr ganz so unangenehm wie vorher, auch wenn ich immer noch keine Ahnung habe, was genau Moritz gemeint haben könnte, als er sagte, wir könnten noch mal über das Thema reden, nachdem ich Lars angerufen habe. Die Lösung ist einfach: Ich sollte Lars so schnell wie möglich anrufen, um anschließend mit Moritz zu sprechen. Aber ich will auch nicht zu aufdringlich sein, also beschließe ich, bei Lars anzurufen, nachdem wir die Nacht irgendwo verbracht haben.
 

Gott sei Dank fahren wir kurz nach unserem Raststättenbesuch von der Autobahn herunter und ich bekomme meine Landschaft mit herbstlichen Bäumen und zerzaustem Himmel und einer Menge Vogelschwärme, die über unseren Köpfen gen Süden ziehen. Gegen neun fängt es an zu regnen und Moritz verkündet, dass er im Regen nicht gut sehen kann, also halten wir auf dem nächstbesten Parkplatz und Moritz fängt an, die Rückbank des Autos umzuklappen, damit wir im Auto schlafen können. Was für ein Abenteuer. Morgen werde ich garantiert Rückenschmerzen haben.
 

Der Regen prasselt heftig aufs Autodach und ich rolle mich unter meiner mitgebrachten Wolldecke zusammen, aber so richtig warm ist es darunter auch nicht. Alles Mist. Moritz hat natürlich einen Schlafsack dabei. Ich bin neidisch und versuche nicht allzu sehr zu zittern.

»Dir ist kalt«, stellt Moritz mit müder Stimme fest. Mir war nicht klar, wie wahnsinnig unbequem es in so einem Auto sein kann. Aber was tu ich nicht alles für Manus Wohlergehen.

»Ziemlich, ja«, gebe ich zu. Moritz seufzt und öffnet den Reißverschluss seines Schlafsacks.
 

»Rutsch ran«, befiehlt er kurzum und mir klappt die Kinnlade herunter.
 

»Was? Nein!«
 

»Willst du weiter frieren?«
 

»Nein!«
 

»Dann rutsch ran, meine Güte! Ich beiße nicht!«
 

Ich schnaufe empört und ringe mit mir. Aber schließlich gebe ich doch nach und krieche, eingewickelt in meine Decke, näher zu Moritz herüber, bis ich so nah dran bin, dass ich seine Körperwärme spüren kann. Er wirft seinen Schlafsack über mich und kommt noch näher und dann liegen wir plötzlich ganz dicht aneinander gepresst unter seinem Schlafsack und meiner Decke und auch, wenn es mir wahnsinnig peinlich ist, ist es gleich sehr viel wärmer und ich kann nicht umhin wohlig zu seufzen.
 

»Das ist komisch«, sagt Moritz schließlich leise.
 

»Was?«
 

»Körperkontakt.«
 

Ich blinzele. Ach ja. Ich nehme an, dass Moritz mal abgesehen von Manu nie wirklich dazu kommt, Menschen anzufassen.

»Komisch schlecht oder komisch gut?«, will ich wissen.
 

»Komisch«, kommt prompt die wenig hilfreiche Antwort und ich muss lachen.
 

»Also, sag mir, wenn du dich entschieden hast«, meine ich und zögere einen Moment, ehe ich mein Gesicht irgendwo gegen seine Schulter drücke. Ich mag Körperkontakt. Es ist merkwürdig mit Moritz, weil wir uns eigentlich nicht mögen, aber es fühlt sich so an, als würde sich diese Abneigung, die in Kindertagen wurzelt, langsam aber sicher auflösen. Die Wege des Lebens sind unergründlich.
 

Ich spüre, wie ich langsam wegdämmere, während das Prasseln des Regens mich in den Schlaf singt. Es ist ein schönes Geräusch. Draußen tobt der Herbstwind und ich kuschele mit Moritz. Die Welt ist ein abgefahrener Ort.

»Komisch gut«, kommt es sehr, sehr leise aus der Dunkelheit und ich kann nicht umhin breit zu grinsen, während ich langsam in den Schlaf hinübergleite.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2014-02-07T19:11:05+00:00 07.02.2014 20:11
Ach, ich kann Oli gut leiden XD

Okay, er ist ein Vollpfosten und wehleidig und etwas egozentrisch, aber sein Herz ist definitiv am rechten Fleck. Es macht Spaß, aus seiner Sicht zu lesen und gemeinsam mit Moritz ist er natürlich sehr komisch. Ich hoffe, die beiden wachsen weiterhin so beständig aneinander und auch miteinander. Ich denke, sie können sich gegenseitig sehr gut tun. Schließlich kenne ich Moritz' Geheimnis ja schon und...ja...^^

Bisher gefällt es mir gut, natürlich wieder makellos geschrieben, mit schönen Formulierungen und ausdrucksstarken Bildern. Weiter so, bin schon gespannt aufs nächste Kapitel :)

BIS GANZ BAAALD <3 <3 <3
Von: abgemeldet
2014-02-06T20:42:47+00:00 06.02.2014 21:42
Ich glaube, ich habe noch nie jemanden getroffen, der Lars heißt XD Also, ich habe von ihnen (Leute, die Lars heißen) gehört und gelesen, aber getroffen habe ein noch keinen.

Ich weiß nicht, ob ich darauf hinweisen soll?? Aber auf Seite 2 ist ein Tippfehler, da steht "Auch wieder war.", da fehlt das "h" bei wahr ^^ Wenn das mir passiert ärgere ich mich immer, deswegen wollte ich es lieber erwähnen XD

Jedenfalls habe ich die beiden jetzt schon sehr, sehr lieb ^^ Und ich freue mich sehr darauf, weiterzulesen! =D
Von:  Libellchen
2014-02-06T13:18:11+00:00 06.02.2014 14:18
"Komisch gut" - das triffts ziemlich gut. Die Geschichte ist bis hierhin ziemlich seltsam, aber Moritz ist gerade mit seinen Macken sehr sympathisch. Und so herrlich mysteriös in seiner Art. Ich bin wirklich gespannt, ob er wirklich während der Fahrt aus seinem Schneckenhaus herauskommt und vor allem, was dahinter steckt.
Von: abgemeldet
2014-02-05T22:48:52+00:00 05.02.2014 23:48
ooooh *.* ich hab mich gerade rieeesig gefreut als ich gesehen habe, dass so zackig ein neues kapitel da ist :) bin ja mal gespannt warum morizt so ist wie er eben ist und dann auch noch so gegensätzlich zu seinem zwillingsbruder!! meine vermutung ist ja, dass er olli schon immer mochte undmit ihm befreundet sein wollte aber es nie so ganz geklappt hat, weil er eben anders tickt. bin neugierig was du noch aus deinem ideenzauberhut zauberst :)
LG
Von:  Seto
2014-02-05T09:58:59+00:00 05.02.2014 10:58
UH!! ich bin so furchtbar neugierig was es mit Mo auf sich hat!
Ruf schnell den Lars an!!!
Ich hab Mo jetzt schon total lieb gewonnen <3 und ich hoffe das die beiden noch mehr Körperkontakt haben werden, sicher wird Mo super niedlich sein <3


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