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Original Sin

rise above it all.
von

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Säen und Ernten

Es war also beschlossene Sache; auch wenn Kazuya das Gefühl hatte, nicht unbedingt nach seiner Meinung gefragt worden zu sein. Aber ging es hier noch um ihn und um das was er sich in den Kopf gesetzt hatte? War es von Anfang an überhaupt um ihn gegangen und wenn ja, wohin sollte sein verwachsener und düsterer Pfad ihn am Ende führen? Nicht zum ersten Mal kam sich der Hüne vor, als würde ein unbrechbarer Schwur auf ihm lasten - ein solcher, der anderen signalisierte sich von ihm fern zu halten, weil er jeden in seiner Umgebung drohte mit in die Tiefe des Abgrunds zu ziehen. In Wahrheit befand er sich doch unlängst im freien Fall! Und das schon eine ganze Weile; das einzige was fehlte war der Aufprall und wenn er Lees Worten Glauben schenkte, was ihm absolut zuwider war, würde dieser schneller Wirklichkeit werden wie erwartet. Der Schwarzhaarige wollte Jun nicht in Gefahr bringen, das wollte er nie. Vermutlich war es einfach sein unfreiwilliger Lebensstil, auf der Abschussliste von Leuten zu stehen die er nicht kannte, welche ihn aber um jeden Preis tot sehen wollten. Seine Existenz war eine Bürde und wenn er genau darüber nachdachte, eine einzige Qual - wie konnte er dann den wichtigsten Inhalt desselben auf Chaolans Geheiß hin verstoßen? Oder schlimmer noch: sich vorstellen, Kazama zu verlieren? Keine spontane Möglichkeit und kein Versuch  etwas an der Situation zu ändern brachte Befriedigung auf seine Züge, die inzwischen regungslos und abwesend geworden waren, seit sie den dicht gedrängten Weg über die kleine Dorfstraße zurück zu ihrem Ausgangspunkt gingen. Und so beschloss er für sich, dass er sie beschützen würde - wenn nötig sogar mit dem kümmerlichen Dasein, das sich Leben schimpfte.

Wenn Lee etwas gesagt hat, so ging es im allgemeinen Gemurmel der schnatternden Menschen um sie herum unter. Die Laune seines vermeidlich kleinen Bruders war jedenfalls amüsiert und prächtig wie eh, dass es allmählich den Anschein einer Maskerade erweckte. Aber selbst wenn es so war, schenkte Kazuya dem Chinesen nicht die Aufmerksamkeit, der er vielleicht bedurfte, sondern klammerte sich nebensächlich an den rauen Stoff seines Reissacks und hielt über den Köpfen der Dörfler Ausschau nach seiner Begleiterin. "Woher kommt es, dass du so viel weißt?", rang sich der hoch Gewachsene schließlich seine keimende Neugierde mit einem schneidenden Seitenblick auf Lee ab, der dieses Mal in der Tat unter der unerwarteten Ansprache zusammen zuckte. "Bitte frag' mich das nicht, akzeptiere einfach, dass ich dir helfe."
 

Kazuyas Mimik verriet, dass er mit der ausweichenden Antwort nicht zufrieden war, was Chaolan nicht einmal annähernd Beachtung strafte. Wie sollte man sich auf jemanden einlassen, der ein Rätsel aus sich selbst machte? Welcher Beweis erklärte ihm, dass Lees Gehabe nichts weiter als bodenloses Getue war, nur damit man ihm letztendlich das Messer in den Rücken rammen konnte? Der Firmenchef stieß einen hörbaren und gereizten Seufzer aus, von dem er nicht einmal bemerkte, dass er ihn angehalten hat, schüttelte in einem inneren Konflikt das Haupt und widerstand dem Drang, seinem adoptierten Bruder den Reissack in einer ausholenden Bewegung gegen das Nasenbein zu donnern. "Bleib' einfach hier, halte dich bedeckt und spiel' noch ein bisschen Vater-Mutter-Kindermachen, um den Rest kümmere ich mich.", beschwichtigte Lee schließlich ruhig - und mit dem Anflug eines neuerlichen Lächelns, das Kazuya nicht gefiel, setzte die Silberzunge zu einem Summen an und beschleunigte dabei seinen Schritt ein wenig, was unweigerlich den Eindruck von Flucht erweckte.

Bedeckt halten? Verstecken? Man musste kein Menschenkenner sein um zu erahnen, wie wenig der Hüne davon hielt, sich wie ein feiger Hase in seinem Bau zu vergraben. Andererseits war das in der Tat im Augenblick die einzig sinnvolle Entscheidung, wenn er ein Auge auf seine schwarzhaarige Freundin aus Kindheitstagen werfen wollte; zumal er hier nach wie vor einige Tage fernab der Hauptstadt und seiner neuen Verantwortung verbrachte und wenn sich sein Urlaub ein Weilchen verlängerte war das in jeglicher Hinsicht nicht weiter tragisch. So konnte er sein Training wieder aufnehmen, mit sich selbst ins Reine kommen und Juns Gefühlswandlung auf den Grund gehen: klang alles reizvoll, bis auf den kleinen Haken, dass ihre Holzhütte inbegriffen war in die Luft gesprengt zu werden. "Ich halte dich auf dem Laufenden." Lee drückte dem hoch Gewachsenen kurzerhand die Einkaufstüte in die Hand, bevor der Jüngere unerwartet und plötzlich mit der Menge der umher irrenden Menschen verschmolz und Kazuya sich selbst und seinen Zweifeln überließ.
 

"... auf dem Laufenden", wiederholte der Mishima abfällig und dumpf, knurrte leise, presste die rauen Lippen blutleer aufeinander und wurde das hartnäckige Gefühl nicht los, dass ein unaufhaltsames Unheil auf dem Weg zu ihnen war und Lee Chaolan lediglich den gut bezahlten, charmanten Boten miemte, der sie gemächlich auf ihren Tod vorbereitete.

Eigentlich war es ganz richtig so, dass der Hüne im Nachhinein für seine eigene Naivität bezahlte. Hatte er nicht von Anfang an damit gerechnet, von seinem Vater gejagt zu werden? Es war nur eine Frage der Zeit bis Heihachi sich soweit erholte, um zu einem vernichtenden Gegenschlag auszuholen; dieses stille Versprechen hatte zwischen den Rauchschwaden bereits in der Luft gehangen, als Kazuya der Turnierinsel mit dem rettenden Unterseeboot den Rücken kehrte. Der Frieden um ihn herum war trügerisch und schon bald, vielleicht nicht unbedingt heute, oder morgen - doch in unmittelbarer Zukunft würde der Kampf in die zweite Runde gehen und wenn das passierte, musste der schwarzhaarige Erbe vorbereitet sein; denn Ruhe fand seine geschundene Seele erst, wenn der Graubart ein für alle Mal besiegt wurde: ein Duell, das höchstens einer von ihnen überleben konnte. Und hatte Kazuya nicht noch eine Schuld bei seinem erlösenden schwarzen Retter zu begleichen, der ihm all das überhaupst erst ermöglichte? In Juns Gegenwart war der Teufel ungemein leise, was Kazuya überraschte; war er für gewöhnlich ständig von innerem Zorn und dem Bedürfnis nach Macht und Verdammnis erfüllt. Diese Ausgeglichenheit, die er jetzt empfand war ihm unerklärlich und gleichsam wie Balsam für die Wunde auf seiner Brust die tief genug ging, dass sie fast sein Herz erreichte.

Er blinzelte müde, furchte die Stirn und überlegte schon, ob Jun nicht vielleicht bereits zu ihrer Hütte zurück gekehrt war, weil er das verräterische weiße Haarband nirgendwo inmitten der Umherirrenden ausmachen konnte, als ihre Stimme hinter ihm erklang. Sie lachte. Wie immer - und von dem Groll, den sie abends zuvor gegen ihn gehegt zu haben schien, war nichts mehr übrig. "Du siehst aus, wie bestellt und nicht abgeholt."
 

Ihre Hand berührte seinen Unterarm, lenkte ihn einen lähmenden Herzschlag lang ab und entrang ihm nicht mehr wie ein fragendes Brummen. "Na, du stehst hier allein auf der Straße mit einem Sack Reis in den Armen und ziehst ein Gesicht wie ein Junge der sich verlaufen hat." Juns Lächeln wurde eine Spur breiter, wobei sie die Tasche mit den kleineren Utensilien an sich nahm und sich zeitgleich bei dem hoch Gewachsenen unterhakte. Kazuya beobachtete ihr Tun und sah es gleichsam als Anlass wieder einen Fuß vor den nächsten zu setzen, um den Heimweg anzutreten. "Wo ist Lee?" Es war eine nebensächliche Frage, annähernd unschuldig gestellt, aber Kazuya ersparte sich eine ausführliche Antwort, hob nur lapidar die Schultern und murmelte ein tiefes: "Weg.", welches Jun skeptisch blinzelnd quittierte. Bevor die aufkeimende Stille zwischen ihnen allerdings unangenehm zu werden begann, fügte der Schwarzhaarige etwas gereizter hinzu: "Er wird sicher bald wieder ungefragt auftauchen, hatte etwas zu erledigen - keine Sorge." Dass er den Jüngeren nicht mochte, verheimlichte der Mishima kein bisschen, was nicht bedeutete, dass er ihm sofort auf offener Straße auch den Hals umdrehte. Jun dachte wohl das selbe, hellten sich ihre Züge derart auf, dass sie der Sonne damit alle Konkurrenz geboten hätte. "Was?", knurrte Kazuya weiter, ohne sie anzusehen weil er das braune Augenmerk seiner Begleiterin ohnehin unentwegt auf sich spürte. "Du bist eifersüchtig." Es war eine Feststellung, keine Vermutung - und es brachte den Hünen ins Straucheln, zum Stehen und Zwinkern. Das Blätterrauschen des Waldes, an dessen Rand sie sich inzwischen befanden, schwoll in seiner Lautstärke derart an, dass ihm die Ohren schmerzten und dennoch konnte er nicht anders, wie ihr entgegen zu stieren. Kazuyas Augen waren durchzogen von Wildheit und einer Spur Wahnsinn, die sich schnell in Sturheit wandelte, während er den Kopf ruckartig beiseite lenkte. "Unsinn!"

Doch Jun lachte glockenhell auf, sichtlich unberührt von dem Gemütswandel ihres Gegenübers und dessen Uneinsichtigkeit. Sie wusste es besser und sie verspottete ihn damit. Hier und Jetzt in ihrer von dem Mishima herbei gesehenten Zweisamkeit. Das war nicht fair! Und das würde er sich auch nicht bieten lassen.
 

Der Reissack fiel plump zu Boden, grub sich mit seinem Gewicht ein wenig ins Erdreich, blieb aber ungeachtet seines Trägers einfach liegen, der sich zu seiner vollen Größe aufbäumte und sich der Tierschützerin zuwandte, die zuerst im Unglauben ihre Augenbrauen hob, dann etwas unsicher unter dem vernichtenden Lidaufschlag des Schwarzhaarigen einen Schritt vor ihm zurück wich. Woher konnte sie auch von seiner Laune ahnen, begreifen was in ihm vorging wo er selbst gerade erst erfahren hat, wie gefährlich der Umgang mit ihm eigentlich war? Gefährlich und bittersüß, wie er feststellte und sich vornahm, dieses Spiel das sie trieben nicht länger mitzuspielen. Er wollte sie, das hatte er ihr sogar gesagt und je länger sie ihn reizte und herausforderte, desto schneller war die Hemmschwelle seiner Geduld erreicht. Vor allem jetzt, vor allem mit dem Hintergedanken ihr nie wieder so nah sein zu können, wenn sein Vater ihn erst einmal dingfest gemacht hat. Ihre Idylle war begrenzt, so fürchterlich begrenzt, dass er sich fühlte wie ein grausamer Sadist, als sich seine tellergroßen Hände um ihre Oberarme schlossen und sein mächtiger Körper den ihren mühelos voran trieb, bis ihm einer der kargen Bäume Einhalt gebot. Jun war sprachlos ob des Angriffes, die Augenwinkel weit und den Mund zu einem Protestieren geöffnet, das ihre Kehle niemals verließ, weil sich Kazuya so tief und einvernehmlich zu ihr herab beugte, dass seine Lippen die ihren beinahe berührten. Der Hüne stockte flüchtig, spürte ihren Atem auf seiner totgeglaubten Haut der sich warm und wohlig den Weg über sein Gesicht bahnte. So beugte er sich ruhelos zu ihrem Ohr, wobei seine Wange kratzend über die der Schwarzhaarigen streifte, den Bariton tief und heiser angestimmt, der gegen ihren zitternden Leib vibrierte: "Man erntet, was man sät."
 

Juns Duft stieg ihm in die Nase, betörte seine Sinne und die Klarheit in seinem Denken. Er widerstand der Versuchung, seinem Willen kleinbei zu geben und sich zu holen was er begehrte, war ihm sein Versprechen vom Vortag nämlich lebhaft im Gedächtnis geblieben und ihre Angst unter seiner kleinen Drohung eindeutig. Kazuya versuchte der Situation mit dem Anflug eines Lächelns die Schärfe zu nehmen, das seine Augen nicht erreichte. Mit einem flüchtigen Kuss auf ihre Stirn ließ er von der Polizistin ab, genoss einen Moment die Überlegenheit zwischen ihnen und angelte nach dem Reis, den er geschultert mit sich trug, eine Hand in der Hosentasche vergraben mit voran schreitenden Gang in Richtung ihrer Unterkunft.

Der Karateka würde ihr nicht erzählen, was er von Lee gelernt hatte, würde sie nicht mit sich in die Untiefen der Hölle ziehen, weil sie dafür zu jung und naiv war - zu rein in gewisser Weise. Sie hatte dieses Unheil nicht verdient, ebenso wenig wie er ihre Aufmerksamkeit verdiente - doch das stand auf einem anderen Blatt. Er war kein Ehrenmann, sondern ein Mörder und der Handlanger des Teufels; früher oder später würde sie das begreifen.

Aber nicht jetzt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2012-09-27T19:07:10+00:00 27.09.2012 21:07
Klasse Kapi^^
Von:  Amy-Sama
2012-09-27T08:40:09+00:00 27.09.2012 10:40
Man, jetzt hat man voll gehofft das was zwischen den beiden passiert und dann...nichts v.v
Du bist echt fies!
Aber wiedereinmal sehr schön geschrieben ^^

LG Amy
Von:  Ran_Angel
2012-09-27T07:24:21+00:00 27.09.2012 09:24
Juhuu ein neues Kapitel *gg*
Armer Kazuya sag ich nur... Jun macht ihn echt noch fertig xD
Bin aber sehr gespannt wie es weiter geht *-*
*schnell weiter lesen muss*

LG
Ran


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