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Original Sin

rise above it all.
von

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9mm

"Ich glaube, er kommt zu sich!", flüsterte die Stimme heiser und die beiden Männer lehnten sich tiefer über das Krankenbett, das umsäumt war von allerlei Kabeln, die wiederum an Geräten angeschlossen waren, welche den Raum nicht nur in ein unheimliches Licht tauchten, sondern auch die aktiven Körperfunktionen das Mannes anzeigten, der bisher regungslos in den Laken gelegen hatte. Als man Lei Wulong am Pier fand, hatte man nicht viel Hoffnung. Eine der Kugeln hatte knapp sein Herz verfehlt und eine weitere seine Lunge durchschlagen; eigentlich hätte er verbluten müssen - doch allem zum Trotz war es dem guten Timing des Hafenmeisters zu verdanken, der die Schüsse gehört hatte und sofort zu dem Polizisten geeilt war. Nachdem binnen weniger Minuten später der Krankenwagen eintraf, konnte man schließlich weitere Maßnahmen ergreifen und den Chinesen immerhin so lange in einer gewissen Stabilität behalten, dass die Ärzte nach seiner Ankunft in einem der unzähligen Krankenhäuser Hong Kongs keine Minute mehr verschwendeten ihn sofort zu operieren. Normalerweise starben Menschen an derlei Verletzungen, weil sich die Lunge mit Blut füllte und man einfach an seinem eigenen Saft erstickte; bei Wulong konnte man durchaus also von mehr als nur unverschämten Glück sprechen, das ihn davor bewahrte Opfer der Assassine zu werden. Und weil der Interpol-Agent keine eingetragenen Verwandten in der Metropole besaß, die über seinen Unfall informiert hätten werden können, meldete man den Überfall ans Presidium selbst, wo seine Freunde keinen Moment zögerten zu ihm zu eilen und sich nach seinem Zustand zu erkundigen.

Lei war bereits die gesamte Nacht seinem eigenen Bewusstsein erlegen, umringt von eben jenen Gerätschaften die dafür Sorge trugen, dass er auch unter den Lebenden blieb. Es waren letztendlich die wirren Stimmen, die wie überspulte und längst vergessene Tonbänder alter Kassetten melancholisch an seine Ohren drangen, sowie das Funkeln tanzender Lichter vor seinen geschlossenen Augenlidern, die ihn gemächlich in die Wirklichkeit zurück holten; oh - und um nicht zu vergessen der stechende Schmerz in seiner Brust, dem nicht einmal das Morphium wirklich etwas entgegen zu setzen wusste.
 

Das einzige, woran sich der Chinese erinnern konnte, waren die knallenden Pistolenschüsse, die so laut an den Hafenwänden und der Gasse widerhallten, dass sie ebenso gut Tote hätten auferstehen lassen können. Alles was danach folgte war gähnende Leere, begleitet von einer tiefen und schwarzen Kälte, die ihm Angst machte und gleichzeitig auch so erlösend war, dass ihn jeglicher Funke Realität verließ. In diesem Augenblick sehnte sich etwas unbekanntes in Lei nach dem Tod; überhaupt war der Gedanke zu sterben plötzlich ungemein interessant und von ihm willkommen geheißen. Keine Schmerzen, keine Verpflichtungen - nur dieses Gefühl durch Raum und Zeit zu gleiten, zu schweben umgeben von nichts weiter als endloser Dunkelheit. Wider seiner Frohnatur war es eine wohltuende und einladende Dunkelheit, die sein Geist umschloss wie der sichere Schoß einer Mutter und ihm die Sicherheit versprach, die er wenige Augenblicke zuvor nicht gehabt hat.

Das Zurückkehren in sein Bewusstsein, das brennende Licht auf seinen Lidern, das sich unnachgiebig hindurch bohrte und versuchte ihn zu wecken, waren mit einem Mal Eindrücke die der Chinese vertreiben wollte; doch mehr als ein ersticktes Stöhnen drang erst einmal nicht aus seiner Kehle, bis er eine kräftige Hand in seinem Nacken spürte, die ihn anhob und seine rauen und aufgesprungenen Lippen mit Wasser benetzt wurden, nach welchem er wie ein Durstender lechzte. "Ganz ruhig, Kumpel!", hörte er weitere Worte die im ersten Moment keinen Sinn in seinem Kopf ergaben, bis er sie sacken ließ und jeden einzelnen Laut schwerfällig miteinander verknüpfte. "Du wurdest überfallen, alles wird wieder gut! Du musst dich nur ein bisschen ausruhen und wieder zu Kräften kommen, du wirst sehen." Die besorgten und angestrengten Gesichter seiner Kollegen konnte sich Wulong unter der Botschaft nur vorstellen, und auch an der Halbwahrheit, er sei lediglich überfallen worden, war in Wirklichkeit mehr dran, das ahnte er - auch, wenn sich alles in klebriger Schwärze vor seinem Erinnerungsvermögen auflöste und sein Kopf zu dröhnen begann, wenn er versuchte sich zu erinnern.
 

"Hast du eine Ahnung, wer dich angeschossen hat?"

Ah, also das war der Grund für das immer wiederkehrende Pochen in seinem Brustbein, das sich anfühlte wie ein zweites, schlagendes Herz. Durch den Spalt seiner halb geöffneten Augen musterte der Inspektor die Konturen der beiden Männer, die sich über ihn gebeugt hatten. Sie hätten ebenso gut seine Feinde sein können, erkannte er keinen von beiden unter dem verschwommenen Anblick, den sie boten. "Dummkopf!", herrschte der andere aufgebracht. "Sieh ihn dir an! Lei hat zu viel durchgemacht; glaubst du, du hättest den Namen deines Angreifers parat, wenn man dir das Hirn weggeblasen hätte? Das möcht' ich mal sehen, Junge!"

"Ja, aber ...-"

"Ach, halt' deine vorlaute Schnauze und überforder' ihn nicht schon wieder mit deiner hemmungslosen Neugierde!" Der Kleinere der Beiden zog den Kopf schuldbewusst zwischen die Schultern, murmelte etwas, das Lei nicht verstand und wich ein bisschen vor dem Bett zurück, wie um seine Schelte und die damit verbundene Unterwürfigkeit zu demonstrieren. Man hatte ihn also angeschossen. Aber warum? Er war ein Polizist, erklärte er sich ruhig und langsam in Gedanken. Und er arbeitete für Interpol, das war ein schwieriges Unterfangen, wo er sicher einige Leute im Nacken hatte, die ihn gerne in dieser Position, oder am Besten noch, an der Seite des Schnitters sehen wollten - ein begehrtes Ziel also! Wulong stöhnte, ob seiner Wunden, der kleinen Qual oder seiner eigenen Amnesie wegen wusste er nicht. Die beiden Männer zwinkerten voller Verwunderung, dann spürte er eine warme Hand auf seinem Unterarm, die ihn liebevoll tätschelte. "Werd' erstmal wieder gesund, wir finden die Bastarde die dir das angetan haben! Einfach so aus dem Hinterhalt mit Pistolen rumzuballern ist total feige, dafür werden die hängen, Lei, da hast du mein Wort drauf!" Der Chinese versuchte sich an einem schwachen Nicken, bevor ihm die Lider wieder schwer und erschöpft zufielen und sein Körper einmal mehr in die wundersame Welt der Bewusstlosigkeit abtriftete.
 

Vor ihm tauchten wundersame Bilder auf, die Lei in seiner Besinnungslosigkeit kaum verstand. Es waren eigentümliche Dinge, wie Dinosaurier und boxende Kangurus; eine Frau war auch darunter - sie erkannte er! Sie war seine Partnerin gewesen und sie mussten gemeinsam gegen einen korrupten Konzern ermitteln, der mehr Dreck am Stecken hatte wie er selbst auszubaden im Stande gewesen wäre. Wenn er sich die Mühe machte, würde ihm sicher der Name der Schwarzhaarigen wieder einfallen; doch den brauchte er nicht einmal, um zu bemerken, dass er sie mit Gefahr in Verbindung brachte. Ja, so schön dieses Mädchen auch war und ihm gefiel, ging eine ungeheure Gefahr von ihr aus - oder war es, dass sie selbst von der Gefahr angezogen wurde? So ganz konnte sich der Polizist in dieser Entscheidung nicht festlegen. Auf jedenfall war sie sonderbar und anders und er merkte sich vor, dem Rätsel später auf den Grund zu gehen. Vielleicht war es noch nicht zu spät, ja vielleicht konnte er sie retten: wovor auch immer. Wulong seufzte leise und schlief mit Leere in Kopf und Gliedern ein, unbeschwert und ungewöhnlich frei; befreit von seiner eigenen, menschlichen Bürde.

"Meinst du, er wird wieder Chef?"

Der alte Chinese lachte, strich sich mit Daumen und Zeigefinger über seinen Oberlippenbart und führte den Jüngeren mit sich aus dem Zimmer, das übertönt wurde von dem einseitigen Surren der Geräte. Auf dem Gang herrschte die gewöhnliche Hektik eines Krankenhauses bei Nacht; die Schwester im Bereitschaftsdienst beobachtete sie misstrauisch von ihrem Häuschen aus und schenkte ihnen von Zeit zu Zeit ein aufgesetztes Lächeln, wenn sich ihre Blicke kreuzten. "Ja, ich denke schon. Lei Wulong ist der beste Mann den wir haben, er ist zäh. Normalerweise hätte er diesen Unfall gar nicht überleben dürfen... -"

"Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Hauptkommissar!"

Die beiden Männer sahen sich überrascht um und blinzelten direkt in das besorgte Gesicht des Arztes, der sie vorher bereits zu dem Zimmer geleitet hat, wo Wulong nach der Operation untergebracht worden war. Er wirkte müde, hielt ihnen jedoch eine kleine Plastiktüte entgegen, in der zwei Projektile aufbewahrt wurden; sie standen vor Blut und keiner der Polizisten musste lange überlegen, worum es ging. "Zwar wurde Mr. Wulong lediglich von einer normalen 9mm Feuerwaffe verwundert - das allerdings aus nächster Nähe, die ihn hätte töten müssen. Ich vermute stark, dass er den Transport zum Krankenhaus und die Operation nur deshalb überstehen konnte, weil sein Mörder zu schlampig gezielt hat. Eine der beiden Schüsse verfehlte nur knapp sein Herz. Haben Sie eine Ahnung, womit Sie es zu tun haben, Gentlemen?"
 

Der Hauptkommissar griff nach dem Beutel, hielt ihn sich vor zusammen gekniffene Augen, leckte sich über die Lippen und schüttelte langsam den Kopf. "Noch nicht, aber kein Inspektor Chinas wird ungestraft das Opfer eines Hinterhalts, oder eines Mordanschlags. Wir werden schon heraus finden, zu wessen Waffe diese Patronen gehören - das ist eine Aufgabe für die Kriminalabteilung. Bis Wulong wieder genesen ist, sollten wir ein Paar Antworten haben. Vielleicht kann er uns selbst sagen wer ihn angeschossen hat, wenn er wieder richtig zu sich gekommen ist."

Sie ernteten ein Nicken des Arztes, einen nachdenklichen Lidaufschlag, wie ein Kopfschütteln. "Ich verstehe die Menschen nicht. Sie schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, wegen Geld und Macht. Die Bandenkriege hier zu Lande, ach - hier in Hong Kong - brachten so vielen Unschuldigen den Tod. Man fragt sich nur, wozu das alles? Wie dem auch sei, Mr. Wulong hat das Schlimmste überstanden; er ist noch nicht über dem Damm, aber seine Werte sind stabil und durch ein bisschen Fürsorge und Anteilnahme wird er hoffentlich schnell wieder gesund. Nur überfordern sie ihn nicht, er wird seinen Dienst so schnell nicht mehr antreten können, das braucht alles seine Zeit."

Damit wandte sich der Veterinär mit einem weiteren Nicken und gemurmelten Worten über den Untergang der Menschheit und des gesunden Menschenverstandes ab und ließ die Beamten mit nichts weiter als den Projektilen irgendeiner Pistole von irgendeinem Menschen, der irgendeinen Grund hatte, ihren Freund und Kollegen beinahe zu töten, zurück. 
 

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Note: Das hier ist ein klassisches "Was-wurde-eigentlich-aus"-Kapitel, weil ich euch erklären wollte, was mit Lei passierte, nachdem er beschossen wurde. (Wir erinnern uns an das Kapitel "Assassin", wo Heihachi Nina auf Wulong ansetzte, weil er ihnen ein Dorn im Auge war und Jun evtl. sogar zur Hilfe hätte kommen können!) Wie der alte Mishima schon sagte, ist Wulong aus dem Verkehr gezogen; wie Nina wohl reagiert wenn sie erfährt, dass ihr zweiter Schuss sein Ziel verfehlte? (-;
 

Vielen lieben Dank für euer letztes Feedback und das fleißige Mitlesen!
 

Bussi.

Fin



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Amy-Sama
2012-10-05T08:58:55+00:00 05.10.2012 10:58
Lei lebt!!! *freu*
Ich mag ihn ja total gerne ^^
Find ich sehr gut das du geschrieben hast was aus ihm geworden ist, hat mich sehr gefreut.
Bin mal gespannt wie es weiter geht ^^
Von:  fahnm
2012-10-04T18:47:35+00:00 04.10.2012 20:47
Klasse Kapi^^
Von:  Ling-Xiao
2012-10-04T13:17:56+00:00 04.10.2012 15:17
Puh ich hab es endlich geschafft deine FF zu lesen.
Und ich muss sag, WOW, was für eine hammer FF.
Ich bin ehrlich gespannt wie es weiter gehen wird und bin begierigt darauf die Fortsetzung zu lesen. ;-)


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