Träume, zu weit entfernt, zu schön. Niemals die Wahrheit.
»Travor!«, sagte der Mann verblüfft, als er sich langsam zu mir umgedreht hatte, »Ich bin überrascht, dass ich noch lebe.«
»Habt Ihr etwas anderes erwartet?« Er musterte den kleinen Travor, so wie man ein Pferd mustert, wenn man sich nicht sicher ist, ob es etwas taugt.
»Dein Ruf ist schließlich weit verbreitet. "Travor der lautlose Killer", der ganze Völker ermordet, ohne dass es jemand bemerkt. "Travor der Geist", den niemand zu sehen vermag. Oder schlichtweg "Travor der Auftragsmörder".«
»Was wollt Ihr von mir? Mir meine Namen auflisten? Mich gar unterhalten mit Ihrem Geschwätz?«, entgegnete ich barsch und verzog die Mundwinkel, sodass die Narbe sich seltsam verschob. Ganz entschieden hatte ich keine Lust, mit einem Humane zu plaudern. Menschen hielt ich schon immer für abstoßend und viel zu berechenbar.
»Der Orden benötigt deine Hilfe«, meinte der Abschaum und versuchte ein Lächeln, dass eher einem unkontrollierten zucken der Lippen glich.
Ich ließ mich vom Baum fallen und landete mit den Füßen im samtenen Moos. Mit einer Hand winkte ich ab.
»Ich bin raus aus dem Geschäft, bereits seit zwei Jahren. Sucht Euch einen Anderen, der Eure Drecksarbeit erledigt! «
Fürwahr, ich war einst ein skrupelloser Mörder gewesen, der für 5 Goldmünzen sogar dem König aus dem Zwergenland die Kehle durchgeschnitten hatte. Ich war eiskalt gewesen. Ein Gottloser. Der Schatten, der Angst und Schrecken verbreitet hatte.
Aber das war ein mal. Heute gab es diesen Travor nicht mehr.
Vor zwei Jahren hatte ich mich zurückgezogen, um mich mit den Wäldern wieder zu vereinen und Ruhe zu finden. Die Zeiten des Mörders waren vorbei. Jetzt existierte nur noch der dürre Waldläufer, welcher ausschließlich mit Pilzlingen, Bäumen und manchmal auch mit Steinen kommunizierte. Unter andere Lebewesen wollte ich mich niemals mehr wagen.
Und nun stand ich nicht nur vor einem Humane, sondern sprach auch noch mit ihm.
Bei dieser Erkenntnis musste ich unweigerlich würgen.
»Warum bist du nicht mehr im Dienst, Travor?«, fragte der Abschaum.
»Wenn Ihr danach meinen Wald verlasst, dann sag´ich´s Euch.« Vor lauter Ekel hatte ich bereits eine Gänsehaut. Diese riesige Nase, die hässlichen, buschigen Augenbrauen, in denen weiß Gott nicht was lebte. Die Zähne aber waren eindeutig das Schlimmste. Ich bemerkte den Schmutz, der in ihnen festhing. Essensreste, die sich in den Zahnlücken verkanntet hatten, nur um mich jetzt jedes mal aufs neue zu schocken, sobald der Humane den Mund auftat.
Vorsichtig wich ich einen Schritt zurück, aus Angst, die Essensreste würden lebendig werden und zur Attacke über gehen.
»Das wird wohl leider nicht möglich sein«, erklärte der Armbrustträger und zog eine dieser Läuse besetzten Augenbrauen hoch, »Ich werde hier so lange verweilen müssen, bis du dich dazu entschlossen hast, den Auftrag anzunehmen.«
Was bildet der sich eigentlich ein? Kreuzt einfach so mir nicht dir nichts hier auf und geht mir auf die Nerven.
Ich schnalzte verächtlich mit der Zunge, so wie die Waldläufer es des öfteren taten. Mein Volk war bekannt für seine Hinterlistigkeit, sowie für den Hass gegenüber anderen Rassen. Nicht selten spielten Ironie und Sarkasmus in ihren Worten mit.
»Meinetwegen könnt Ihr hier verrecken, wenn es Euch genehm ist. Der Auftrag ist abgelehnt!«
Mit diesen Worten wandte ich mich von dem Fleischklumpen von Humane ab und ging.
Ich störte sich nicht weiter an den Rufen und Schreien, die mir in den Ohren dröhnten, sondern stimmte in das Summen der Bäume ein.
Plötzlich verstummten die Bäume und ich spürte die Angst, die in meinen Freunden vorging. Hinter mir entdeckte ich blaue Flammen, die sich an einer kreischenden Eiche zu schaffen machten und ich verstand, was vor sich ging. Wutentbrannt eilte ich zurück. Dann sah ich den wild mit Feuer herum hantierenden Magier, setzte noch einen Zahn zu und sprang. Ich überrumpelte den Humane, zückte meinen Dolch und presste ihn an seine Wange. Tief blickte ich ihm in die Augen, wollte mich zwingen, ihn zu töten. Doch es gelang mir nicht. Etwas hielt mich davon ab. So versetzte ich dem Mann bloß einen warnenden Schnitt.
»Und? Nimmst du den Auftrag jetzt doch an?«
Anscheinend litt der Abschaum unter Gedächtnisverlust. Und Verstand schien dieser ebenfalls keinen zu besitzen. Als hätte er meine Antwort erahnt, sagte er »Deinen hübschen Wald kann ich auch komplett in Flammen aufgehen lassen.«
Hätte ich eine Hand frei gehabt, dann hätte ich mir diese mit Sicherheit an die Stirn geschlagen. Die Blödheit der Humanes war wahrlich unübertroffen. Er war doch derjenige, der dem Tode nahe war. Der Typ war eindeutig unter meinem Niveau.
Doch schließlich ließ ich von dem Magier ab, nur um im selben Moment zu bereuen, dass ich ihn am leben lassen hatte. Ein ungeheurer Mundgeruch schlug mir entgegen, als der Abschaum zum nächsten Satz überkam: »Du könntest mich ja wenigstens anhören!«
»Weshalb? Ich kenne noch nicht einmal Euren Namen!«, entgegnete ich.
»Man nennt mich Buck. Hörst du mich jetzt an?«
Ich besänftigte den weinenden Baum, der sich soeben selbst gelöscht hatte, und streichelte sanft seine Rinde.
»Erzählt was Ihr erzählen wollt und dann lasst mich in Frieden!«
Zu meiner Verwunderung schwieg der Mensch jedoch.
Nachdem ich ungeduldig wurde und genervt fragte: »Wen zum Geier soll ich denn nun ermorden?«, setzte der Armbrustträger ein Lächeln auf und erhob sich vom Boden.
Das Lächeln verzog sich zu einem belustigten Grinsen, wobei er wieder diese ekelerregenden Zähne zeigte.
Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit der Antwort, die mir gegeben wurde. Diese Worte brachten mich aus dem Konzept und verwirrten mich vollends.
»Absolut niemanden!«