Zum Inhalt der Seite

There's a light (over at the Frankenstein place)

Wichtelgeschichte für Makoto17
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Science Fiction Double Feature

Zuerst war es nur ein Schimmern. Ein kurzes Aufblinken in der Nacht. Man hätte es übersehen können, und wenn Paige nicht im richtigen Moment aus dem Fenster geschaut hätte, wäre das wahrscheinlich auch wirklich passiert.

Sie blinzelte.

Das Licht war immer noch da. Huschte wie der Strahl einer Taschenlampe hinter den dunklen Fenstern des Nachbarhauses herum.

Huh. Stand das nicht seit einem halben Jahr leer?

„Piper?“, rief Paige, drehte sich etwas vom Fenster weg. „Kommst du…“

Sie unterbrach sich.

Als Piper in die Küche kam, blinzelte Paige wieder in die Dunkelheit hinaus.

„Was ist denn?“

„Ich…“ Das Licht war verschwunden. Eine Straßenlaterne tauchte das Nachbarhaus in ein beruhigendes Gelb, ein Auto fuhr vorbei. „Da war ein Licht. Im Nachbarhaus. Ich könnte schwören…“

Paige schüttelte den Kopf.

Piper sah ihr über die Schulter, schob den Vorhang ein Stück beiseite. Sie runzelte die Stirn und warf Paige einen Blick zu.

„Du hast zu wenig geschlafen“, stellte sie fest. „Geh ins Bett, du bist müde.“

„Aber ich hab mir das nicht eingebildet!“

„Natürlich nicht.“ Beharrlich schob Piper ihre Schwester aus der Küche. „Seltsame Lichter können trotzdem bis morgen warten.“

Paige hätte gerne widersprochen. Manche Dinge konnten nicht bis morgen warten. Schon gar keine eigenartigen Lichtern in verlassenen Häusern. Wer wusste schon, welcher Dämon dieses Mal…

Sie stolperte über eine Falte im Teppich.

Vielleicht sollte sie sich doch zuerst mal aufs Ohr hauen. Nur kurz. Wann hatte sie eigentlich zum letzten Mal länger als fünf Stunden am Stück geschlafen?

„Gute Nacht, Paige“, sagte Piper noch.

„Nacht“, murmelte Paige.

In ihrem Zimmer fiel sie mit dem Gesicht voran ins Bett.

Sie träumte von Glühwürmchen.
 

Am nächsten Abend hatte Paige das Licht schon wieder vergessen. Eine gute Portion Schlaf kann so was. Sie arbeitete an einem Trank, der Energie geben sollte. Wie sehr viel Kaffee, nur stärker. Manchmal wusste sie wirklich nicht, wie sie ihr Leben ohne Zauberkräfte ausgehalten hatte.

Obwohl…

In der letzten Woche hatte sie drei Dämonen vernichtet, zwei Kinder aus einem brennenden Auto gezogen und eine Fee aus dem Abfluss (zu diesem Zeitpunkt stellte sie schon keine Fragen mehr). Dass es so langsam zu viel wurde, bemerkte Paige erst, als sie einschlief, während sie sich nach Hause beamte. Sie landete unsanft in einer Seitenstraße und hoffte, dass niemand das gesehen hatte.

Also musste sie jetzt nachhelfen, das durfte wirklich nicht noch mal passieren. Es war peinlich.

„Du wirst es nicht glauben.“

Paige zuckte zusammen. Fast ließ sie ihren Löffel in den Topf fallen.

„Das bezweifle ich“, sagte Paige seufzend und legte den Löffel zur Seite. Die Pampe im Topf blubberte glucksend vor sich hin. Es roch nach schwarzem Tee.

Schwungvoll warf Phoebe eine Zeitschrift auf den Tisch.

Stirnrunzelnd warf Paige einen Blick aufs Titelblatt. „Seit wann kaufst du dir die Vogue?“

Phoebe winkte ab. „Hab ich aus der Redaktion mitgebracht. Ich hab einen Beweis gebraucht, sonst würdet ihr mir nie glauben.“

Paige sah sie zweifelnd an.

„Seite 14“, sagte Phoebe.

Fast hätte Paige aufgelacht, als sie das Magazin aufschlug. „Die 70er sind zurück?“

Eine Frau mit strengem Blick und noch strenger zurückgebundenem Haar starrte sie von Seite 14 aus an. Sie trug ein Oberteil, für das Paige getötet hätte, und… eine Schlaghose. Eine Schlaghose mit ausgesprochen ausladendem Schlag.

Es war fast schon zu tragisch, um zu lachen.

„Ist das ein Witz?“, fragte Paige ungläubig. Das letzte Mal, als sie nachgeschaut hatte, war November gewesen. Nicht der erste April.

„Ich bete dafür“, schnaubte Phoebe. „Sonst bringen sie als nächstes die Dauerwelle zurück.“

„Oder Schulterpolster“, überlegte Paige. „Fände ich gar nicht so schlecht, ich hatte in der High School…“

Es klingelte.

„Erwartest du jemanden?“

„Vielleicht hat Piper ihre Schlüssel vergessen“, murmelte Phoebe. Sie warf der Vogue in Paiges Händen einen letzten angewiderten Blick zu und ging zur Tür. Paige folgte ihrer Schwester, blätterte noch ein wenig durch die Seiten und kicherte über einen Mann in ziemlich weiten Schlaghosen, die aber an ein paar Stellen dagegen ziemlich eng waren.

Wenn dieser Trend in so eine Richtung ging, dann…

„Was zum Teufel?“

Phoebes Stimme riss Paige aus ihren Gedanken. Und, whoa. Was sollte denn…

„Misses.“ Ein Mann mit ernstem, aber verschwitztem Gesicht, nickte ihnen zu. „Mir wurde berichtet, ich könnte hier Hilfe erwarten.“

Ein Mann mit ernstem, verschwitztem Gesicht. In einer dunkelblauen Uniform. Er stand aufrecht da, allerdings nicht lange. Ein paar Sekunden starrte er Paige und Phoebe an, blinzelte heftig und brach dann auf ihrer Türschwelle zusammen.
 

„Der Uniform nach zu schließen“, sagte Leo eine Weile später, „kommt er aus dem Bürgerkrieg.“

Paige seufzte. „Warum überrascht mich das nicht.“

„Das übertrifft die Schlaghosensache um Längen“, meinte Phoebe trocken.

„Wie kommt er hierher?“ Mit gerunzelter Stirn starrte Piper auf den Mann hinunter, der auf ihrem Sofa schlief.

Leo hatte die Wunde in seiner Brust geheilt, aber er wollte nicht aufwachen. War vielleicht besser so.

„Böser Zauber, Geister, Dämonen, Zeitschleifen“, zählte Phoebe auf. „Was hatten wir noch nicht, wenn’s um Zeitreisen geht.“

„Nein“, sagte Piper energisch und deutete auf den Boden vor ihren Füßen. „Wie kommt er hierher? Warum zu uns?“

„Ich seh im Buch nach.“ Phoebe schloss die Augen und hielt sich die Hand an die Stirn. „Und ich hatte auf einen ruhigen Abend gehofft.“

Paige schnaubte. Von wegen. Schön wär’s.

„Gut, ich bleib bei ihm“, sagte Piper. Dabei sah sie aus, als würde sie wirklich gerne etwas anderes machen. „Aber ich lege Kristalle aus!“

Paige konnte es ihr nicht verübeln. Niemand konnte das.

„Ich frage die Ältesten.“ Leo richtete sich auf. „Meldet euch, wenn er aufwacht.“

Piper winkte nur ab. Vielleicht konnte sie auch etwas von dem Energietrank gebrauchen, den Paige gebraut hatte.

„Irgendwas ist seltsam an der Sache“, murmelte Paige.

„Du meinst abgesehen von der Tatsache, dass ein Soldat aus dem 19. Jahrhundert auf unsere Couch blutet?“

„Ja, ich… Er kommt mir so bekannt vor.“

„Bekannt?“ Piper hob die Augenbrauen. „Du halluzinierst schon wieder.“

„Was soll das denn heißen?“

„Gestern dieses Licht, heute ein Soldat…“

„Das Licht!“ Paige riss die Augen auf. „Glaubst du, das könnte zusammenhängen?“

„Ich glaube, du holst jetzt die Kristalle vom Dachboden.“

Paige wollte protestieren, aber Piper warf ihr einen Blick zu. „Mach dich nützlich! Los!“

Schon gut…

Wahrscheinlich hatte sie sich das Licht wirklich nur eingebildet. Wahrscheinlich hatte sie nur ein sehr eigenartiges Déjà-vu, was diesen Mann in Uniform anging. Wahrscheinlich. Ganz sicher.
 

Am nächsten Morgen hatte sich die Golden Gate Bridge in Luft aufgelöst.

Time Warp

Ihre Schwestern hatten sich zuerst skeptische Blicke zugeworfen. Paige hätte ihnen sagen können, dass Aliens all das zu verantworten hatten, ihre Zweifel wären kleiner gewesen.

„Ich werde nachsehen“, hatte Paige gesagt und da waren die Proteste laut geworden.

„Oh, kommt schon, ich bin eine Hexe! Ich beam mich zurück, wenn’s gefährlich wird.“

Als hätte sie nicht schon Schlimmeres bewältigt. Wirklich. Einer der Dämonen letzte Woche? Der hatte Säure auf sie gespuckt. Wirklich. Wenn sie mit dem klar gekommen war, würde sie noch mit einem verdammten Licht fertig werden.

„Ernsthaft“, murmelte Paige, als sie einmal ums Nachbarhaus herumging und durch ein Fenster spähte. Dahinter lag eine komplett eingerichtete Küche. Hm. Sie hatte nicht mitbekommen, dass jemand eingezogen war. Das stank doch zum Himmel…

„Also gut…“

Sie sah sich noch einmal um, dann schloss sie die Augen und beamte sich durch die Wand hindurch.

Es war eine wirklich hübsche Küche. Komplett mit Kräuterregal und einer vollen Obstschale auf dem Tisch. Ansonsten sah es allerdings recht verlassen aus. Paiges Schritte klangen gefährlich geräuschvoll. Die Dielen unter ihren Füßen knarrten, selbst ihr Atem erschien ihr zu laut.

Sie sah sich vorsichtig um. Ihr Herz klopfte und irgendetwas an der Sache kam ihr einfach nicht richtig vor. Alles sah fast schon zu normal aus. Zu gewöhnlich. Und vor allem: Viel zu aufgeräumt.

Entweder diese Leute hatten sich ziemlich beeilt mit dem Einrichten oder…

„Entschuldigung?“

Paige wirbelte herum.

„Dachte mir doch, dass ich was gehört habe.“

Da stand ein Mann, mit nassen Haaren, die sich über seiner gerunzelten Stirn kräuselten, und einem Handtuch um die Hüften.

Paige fühlte sich wie in einem schlechten Film.

„Ehm“, machte sie. „Ich… wohne gegenüber. Ich dachte… ich heiße Sie in der Nachbarschaft willkommen.“ Sie zwang sich, nicht dabei zuzusehen, wie das Handtuch ein Stück weiter nach unten rutschte. „Also. Willkommen! Ich geh dann jetzt besser wieder.“

Perplex ließ der Mann sie an sich vorbei Richtung Haustür. Fast glaubte Paige schon, sie wäre einer Anzeige wegen Einbruchs entkommen.

Dann schloss sich eine kräftige Hand fest um ihre Schulter.

„Entschuldigung?“ Der Mann sah sie schief an.

Paige blieb fast das Herz stehen. Okay, wenn sie hier ohne die Polizei raus kam, schuldete sie Phoebe und Piper eine Entschuldigung. Das hier war eine blöde Idee gewesen. Blöde, blöde, blöde…

„Du willst doch nicht schon gehen, Paige, oder?“

Beim Lächeln zeigte er eine Reihe perfekter weißer Zähne. Ein kalter Schauer lief Paige über den Rücken.

Blöde Idee…

„Glaub mir“, sagte er und sein Griff um ihre Schulter verstärkte sich noch. „Du willst nicht da raus.“

„Oh doch“, knurrte Paige. Hier lief etwas vollkommen schief. Und sie blieb hier keine Sekunde länger.

Sie spürte, wie seine Hand von… durch ihre Schulter glitt, als sie sich nach Hause beamte.
 

Sie starrte dem Soldaten direkt ins Gesicht.

„Wie…“ Er riss die Augen auf – schöne Augen, schöne Augen –, kniff sie dann kurz fest zusammen und schüttelte den Kopf. „Ich denke, ich sollte nicht so überrascht sein.“

Paige blinzelte zurück. Zuckte mit den Schultern. „Glaub mir, ich bin hier nicht der größte Überraschungseffekt.“

„Sie meinen mich?“ Er verzog das Gesicht. „Ja, das haben Ihre Schwestern auch schon verlauten lassen.“

Wo waren die beiden eigentlich?

„Bin gleich wieder da“, sagte Paige und wandte sich zur Treppe. Dann drehte sie sich noch mal um. „Ich bin übrigens Paige.“

„Adam“, lächelte der Soldat. Er sah müde aus. Müde. Und sehr jung. „Adam Dyer.“

Paige nickte nur.

Wirklich jung. Es war eigenartig, wie sehr sie der Gedanke störte. Vielleicht lag es daran, dass er gerade eigentlich im schlimmsten Krieg sein sollte, den die Vereinigten Staaten je gehabt hatten. Ob er wusste, was auf ihn zukam?

Der Dachboden war leer. Das Buch der Schatten lag an seinem angestammten Platz, aufgeschlagen bei einer Seite über… Zeitreisen. Hätte Paige sich ja denken können.

Erschöpft strich sie sich durchs Haar. Sie brauchte ganz dringend Urlaub. Am besten auf einer verlassenen Südseeinsel. Aber zu ihrem Bett, heißem Tee und Schwarz-Weiß-Filmen würde sie auch nicht Nein sagen.

Diese ganze Sache kam ihr komisch vor. Das Licht, Adam, der Mann von gegenüber, die verfluchte Golden Gate Bridge. Wahrscheinlich hatte sogar die Renaissance der Schlaghose etwas damit zu tun.

Wo zum Teufel waren ihre Schwestern?

„Piper?“, rief Paige ins Haus hinein, während sie die Treppe hinunterging. „Phoebe?“

Niemand antwortete. Das eigenartige Gefühl in ihrer Brust wurde mit einem Mal stärker.

„Leo?!“

Das Haus war leer. Absolut verlassen.

Adam starrte sie vom Sofa aus an.

„Hast du meine Schwestern gesehen?“

„Nein, ich bin… erst aufgewacht, als Sie… erschienen sind.“

Leo!“, brüllte Paige.

Ein blaues Leuchten. Und dahinter… Leo. Piper hing an seinem Arm. Allerdings.

„Oh Gott.“

Piper trug ein ausladendes, mächtiges Kleid – und einen Hut. Paige hatte sie noch nie mit Hut gesehen. Es sah auch ein bisschen lächerlich aus – und Leo… trug eine blaue Uniform. Sie sah der Adams viel zu ähnlich.

„Oh mein Gott“, schnaufte Piper. „Na endlich, ich dachte schon…“ Mit einem Mal schien sie ihr Outfit zu bemerken. „Oh mein Gott?!“

„Das ist nicht gut“, sagte Leo.

„Nope“, meinte Paige. „Und unser neuer Nachbar steckt da mit drin.“

„Wir haben einen neuen Nachbar?“

„Das hab ich auch gedacht.“

„Ich werde mal den Ältestenrat…“

„Oh, nein.“ Piper packte Leo am Arm. „Das letzte Mal, als du gebeamt bist, sind wir im 19. Jahrhundert gelandet. Und du hast drei Stunden gebraucht, um uns da wieder rauszuholen.“

„Wie hast du das überhaupt geschafft? So funktionieren Zeitreisen doch nicht.“

„Ich hab deine Stimme gehört.“ Leo zog die Brauen zusammen. „Aber du hast recht. Das hätte so nicht funktionieren dürfen. Und wir…“ Er sah auf seine Schuhe. „Irgendwas stimmt hier nicht.“

Piper stemmte die Hände in die Hüfte. „Und wo zum Teufel steckt Phoebe?“

There's a light

„Okay, aber ich verstehe immer noch nicht, was das mit dem Mann im Handtuch zu tun hat.“

„Es hat gar nichts mit ihm zu tun!“ Piper verdrehte die Augen. „Wir kümmern uns später um ihn. Jetzt müssen wir erst mal dafür sorgen, dass Phoebe wieder aus dem Jahr…“ Sie sah Adam an.

„1863“, warf er ein.

„… dass Phoebe wieder aus dem Jahr 1863 zurück kommt. Da drüben herrscht grade der schlimmste Krieg, den amerikanischer Boden je gesehen hat!“

Am liebsten hätte Paige mit dem Fuß aufgestampft. Aber sie war keine zwölf mehr, deshalb begnügte sie sich mit einer ausholenden Armbewegung und einem frustrierten Schnauben.

„Dieser Mann weiß etwas, Piper!“, rief sie. „Er hat die Golden Gate Bridge verschwinden lassen! Und dann wollte er mich nicht aus seinem Haus lassen.“

„Du bist auch bei ihm eingebrochen, Paige“, gab Piper zurück.

„Er sagte Du willst da nicht raus. Er wusste meinen Namen!“

Mit zusammengepressten Lippen starrte Piper sie an.

„Na gut“, sagte sie nach einer Weile. „Guck im Buch nach.“ Dann setzte sie noch schnippisch hinzu: „Vielleicht findest du ja was unter M wie Mann in Handtuch.

Paige streckte ihr die Zunge raus.

Das Buch war tatsächlich keine große Hilfe. Aber Paige war viel zu versessen darauf, zu beweisen, dass sie richtig lag, um einfach aufzugeben.

Sie las so ziemlich jeden Eintrag zu Zeitreisen dreimal durch, und zu dämonischem Leuchten, und verschwindenden Gegenständen und… sie blätterte sogar kurz zum Buchstaben M… nur um das Buch energisch zuzuklappen.

„Verdammt“, murmelte sie. Das durfte doch echt nicht wahr sein.

Eine Weile lang starrte sie das alte Leder an, dann schlug sie resigniert die Seiten wieder auf und blätterte wahllos von Eintrag zu Eintrag.

Und dann stockte sie.
 

„Ich hab was!“, rief Paige und rannte die Treppe hinunter.

Leo saß bei Adam auf der Couch, Piper stand in der Küche und mixte… Paige hatte keine Ahnung, was genau sie da vorhatte. Wahrscheinlich musste sie nur irgendetwas zu tun haben.

Phoebe war im Krieg.

Paige schluckte.

„Ich hab was“, wiederholte sie und hielt Leo das Buch hin. „Könnte das sein?“

Leo runzelte die Stirn. „Irrlichter?“

„Nur eins. Er. Er könnte ein Irrlicht sein. Sind ein bisschen wie böse Feen, unglaublich mächtig, wenn sie an die richtige Stelle geraten.“

„Die richtige Stelle?“ Piper kam aus der Küche, ein Fläschchen mit einer blutroten Flüssigkeit in der Hand.

„Sie werden stark, wenn Menschen Angst haben“, sagte Leo. „Sie ernähren sich davon. Und sie haben einen sehr makaberen Sinn für Humor.“

„Die Brücke?“, fragte Piper.

„Der Bürgerkrieg“, sagte Paige. Sie deutete auf Adam. „Er muss ihn irgendwie… mitgenommen haben. Ein blinder Passagier.“

Unsicher sah Adam zwischen den drei hin und her. „Ich bin ein blinder Passagier? Auf Zeitreise?“ Er schüttelte den Kopf.

Paige konnte es ihm nicht verübeln. Das alles war… etwas viel auf einmal.

„Steht da auch, wie wir ihn vernichten?“

Paige verzog das Gesicht. „Nein? Aber das wäre auch irgendwie schlecht. Schließlich sollte er noch Phoebe zurück bringen.“

„Und Adam“, fügte Piper hinzu.

Adam nickte. Paige wollte den Jungen gerne schütteln und ihn hier behalten. Er war noch so jung. Wieso sollte er in den Krieg zurück wollen, wieso…

„Ich hab noch was zu erledigen“, sagte Adam, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Einen Krieg gewinnen und so.“ Er lächelte. Und Paige hoffte wirklich, dass er überleben würde. Dass er eine Frau und Kinder haben würde, und Enkel, und dass sie alle dieses unschuldige Lächeln haben würden.

„Dann lasst uns mal ein Irrlicht fangen gehen.“
 

Es ging einfacher als erwartet.

Sie beamten sich ins Nachbarhaus und Piper ließ den (vollständig bekleideten, Paige war fast ein bisschen enttäuscht) Mann erstarren. Er grinste selbst dann noch, als hätte er sie erwartet.

„Hallo, die Damen“, sagte er, als er nur den Kopf wieder bewegen konnte.

„Wir wollen unsere Schwester zurück“, sagte Piper bestimmt.

Manchmal war sie Paige unheimlich. Dann war sie froh, dass sie nicht auf der anderen Seite ihrer Hexenhände stand.

„Ach, kommt schon.“ Das Irrlicht lächelte. „Ich hab doch nur ein bisschen Spaß gehabt.“

Piper zog die Brauen in die Höhe. „Spaß?“ Mit einer konzentrierten Handbewegung ihrerseits explodierte die Ledercouch. „Das nennst du Spaß?“ Jetzt mussten zwei Fenster dran glauben.

Er seufzte. Und warf Paige einen Blick zu. „Ich hab doch nichts Böses gewollt.“ Sein Lächeln war sehr umwerfend und Paige wurde schlecht davon.

„Das sagen sie alle“, nickte Paige.

Das Irrlicht verdrehte die Augen. „Was bekomme ich, wenn ich Phoebe zurückbringe?“

Piper zuckte nicht mal mit der Wimper, weil er Phoebes Namen wusste. „Fünf Minuten Vorsprung.“

Mit einem Seufzen schüttelte er den Kopf.

„Hexen“, sagte er. „Ihr könnt einem auch wirklich alles vermiesen.“ Er blinzelte. Dreimal. Paige wusste, dass das nichts Gutes bedeuten konnte.

Mit einem Mal brannte der Teppich auf dem sie stand.

Piper fluchte, während Paige versuchte, auszuweichen. Die Flammen schienen ihr zu folgen, hüpften ihr hinterher, die Holzdielen entlang, bis sie auf den Tisch sprang, und selbst da…

„Verschwinde, Paige!“, rief Piper ihr zu, versuchte die Flammen erstarren zu lassen, aber es funktionierte nicht. „Verdammt!“

Und plötzlich war auch das Irrlicht wieder frei. Er grinste Piper an.

„Hexen“, sagte er wieder. „Warum macht ihr es euch nur immer selbst so schwer?“

Piper streckte die Hände in seine Richtung.

„Autsch“, grinste er und zupfte sich ein bisschen Staub von der Schulter. „Das kitzelt.“

Wieder die Handbewegung.

Und plötzlich wurde Piper durch die Luft geschleudert, als hätte… als hätte sie sich selbst getroffen.

„Piper!“ Fluchend versuchte Paige, einen Weg vom Tisch zu finden, aber selbst Beamen funktionierte nicht.

Wann hatten sie das letzte Mal eine Gefahr dermaßen unterschätzt, wann hatten sie das letzte Mal…

„Piper!“

Leos Stimme klang dumpf in ihren Ohren, während sie hilflos zusah, wie die Flammen sich ihren Weg über das Tischbein leckten.

Dann ging alles ganz schnell.

Adam löste sich von Leos Seite und schleuderte etwas in die Richtung des Irrlichts. Es verfehlte ihn, aber Adam lächelte und das Irrlicht sah ihn verwirrt an.

„Was machst du denn hier?“

„Ich nehm dich mit“, sagte Adam strahlend. „Du warst schon viel zu lange hier.“

Mit einem Knall explodierte das Fläschchen, das Adam nach ihm geworfen hatte. Das Irrlicht stöhnte und sank auf die Knie. Um Paige herum erloschen die Flammen.

„Was zum…“

„Das lag auf eurem Tisch.“ Adam nickte in Richtung des zerborstenen Flakons. „Dachte, es kann nicht schaden… wenn ich euch… helfe…“

Seine Stimme wurde immer dünner und sein Gesicht verschwand. Paige sah sein Lächeln noch, versuchte zu verstehen, was hier grade passiert war. Noch immer passierte.

Bis Phoebe vor ihr stand.

„Oh verdammt“, seufzte Phoebe.

Paige fiel ihr um den Hals. Sie stank nach Matsch und Blut und Feuer. Es tat viel zu gut, sie wiederzusehen.

„Ich war im Bürgerkrieg.“ Phoebe klang gleichzeitig ungläubig und beeindruckt von sich selbst. „Ich glaube, ich habe jemandem Lincoln gesehen. Er sieht gar nicht so…“ Sie brach ab, als Piper sie ebenfalls umarmte.

„Wie lange war ich denn weg?“

„Zu lange“, murmelte Paige.

Sie könnte jetzt wirklich einen Urlaub gebrauchen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Chimi-mimi
2013-07-07T16:06:14+00:00 07.07.2013 18:06
Wirklich super. Eine sehr gelungene Charmed-Fanfiction. Die Lösung war wirr, was aber gut zum Gesamtkonzept gepasst hat und hat mir persönlich wirklich gut gefallen. Aber - und da wiederhole ich mich gerne - allein deine Umsetzung der Hexen (und auch Leos) haben mir einfach wahnsinnig zugesagt. Einfach nur toll!
Von:  Chimi-mimi
2013-07-07T13:59:20+00:00 07.07.2013 15:59
Okay? Ich bin verwirrt, was sicher deine Absicht war und echt eine tolle Verwirrung ist! Da bekommt man/frau richtig Lust, gleich weiterzulesen.
Ich finde immer noch toll, wie hervorragend du die Charaktere getroffen hast. Und dann noch der Spannungsaufbau. Sehr gelungen!
Von:  Chimi-mimi
2013-07-07T13:56:47+00:00 07.07.2013 15:56
Also erstmal freu ich mich grad, dass ich durch Zufall über diese Fanfiction gestolpert bin. Ich bin grad so ein bisschen auf dem Charmed-Trip und von daher passt deine Geschichte richtig gut rein. Hinzu kommt, dass du die Charaktere einfach unglaublich gut getroffen hast! Piper konnte ich richtig reden hören und Paige sah ich vor mir - Mimik, Gestik, das alles hast du einfach klasse schriftlich umgesetzt.
Mal abgesehen von der superspannenden Story! Alles sehr mysteriös, da mag ich gleich weiterlesen.
Von:  Makoto17
2013-02-12T19:03:24+00:00 12.02.2013 20:03
Erst einmal wollte ich mich für die WichtelFF bedanken. Auch wenn du es nicht glaubst, mir hat sie gefallen. Ich fand es gut, dass du dir auch einen Gegner für die Schwestern überlegt hast, und dass du das Wichtelthema so einbringen konnstest.

Die häufige Erwähnung der Namen stört etwas. Dies war im ersten Kapitel extrem der Fall. Manchmal hast du alles so schnell nacheinander passieren lassen, dass es fast zu schnell war.

Generell hatte ich das Gefühl, als wenn die Geschichte aus Paiges Sicht erzählt wurde. Dies wäre bestimmt eine von den lustigen Folgen geworden, wenn sie verfilmt worden wäre;)

Ich fands nur schade, dass die FF nicht länger war, kann dies aber auch verstehen, wenn man mit den Klausuren alle Hände voll zu tun hat.

Zum Inhalt der Geschichte an sich:

Kann Paige gut verstehen, dass ihr das keine Ruhe gelassen hat.

Als der Soldat Paige bekannt vorkam, hatte ich schon damit gerechnet, dass sie sich entweder aus einem früheren Leben kennen, oder es sich bei dem Soldaten um einen Verwandten handelt.

Das ist gut, sagt, ich bin eine Hexe, und verweist auf eine Wächter-des-Lichts-Kraft;)

>Ihr Herz klopfte und irgendetwas an der Sache kam ihr einfach nicht richtig vor.
Das sollte auch so sein, wenn man gerade irgendwo einbricht.

Ich finde es erstaunlich, dass du Adam so viel Einsicht gegeben hast, dass er freiwillig wieder zurück in seine Zeit kehren wollte. Oder hatte er einfach zu viel Angst vor der Zukunft.

Hihi, Paige verguckt sich in ein Irrlicht;) Zumindest, solange sie nicht weiß, dass es sich um ihren Nachbarn nicht um einen Menschen handelt.


Zurück