Verhasster Bruder
Lost Angel
Kapitel 12 – Verhasster Bruder
Jemil’s PoV
Was wollte er hier? Wieso war er hier? Gerade jetzt? Wieso denn nur?
Ich zitterte vor Angst, als er sich über mich beugte. Seine Augen war so voller
Lust. Er würde es doch nicht wieder tun wollen? Einfach so. Er durfte doch nicht.
Nicht mit mir.
Als er meinen Hals mit den Lippen berührte zuckte ich zusammen. “Pio”, keuchte
ich. Kniff die Augen zusammen. “Was ist denn, Jemil? Willst du nicht vor deinem
Wölfchen?” Ich warf über seine Schulter hinweg einen Blick zu Jesko. Er hockte
an die Wand gelehnt. Sah geschockt zu mir. Krampfhaft versuchte ich mich jetzt
von Pio loszureißen. Ich wollte zu Jesko. Oder zumindest sollte er mir helfen.
Aber er rührte sich nicht. Kein Stück.
Pio ließ mich plötzlich los. Drehte sich zu meinem Werwolf um. “Raus hier, Köter!”,
fauchte er ihn an. Doch Jesko sah nur desinteressiert zu ihm auf. Kniff die Augen
zu Schlitzen zusammen. “Dann lass die Finger von Jemil!”, knurrte der Wolf. Doch
ich wusste das Pio das nie tun würde. Noch nie hatte er die Finger von mir
gelassen.
Er ging zu Jesko. Und hob plötzlich die Hand. Doch die schnellte gleich wieder
hinunter. Traf ihn flach im Gesicht. “Raus hier, hab ich gesagt! Du Miesgeburt!”
Und dennoch tat der Werwolf noch immer keinen Zucker. Es tat ihm wohl auch gar
nicht weh.
“Jesko?”, rief ich. Aber er reagierte gar nicht. Stand nur langsam auf. Öffnete
ganz leicht den Mund. Biss aber im nächsten Moment schon wieder die Zähne zusammen
und knurrte. Meine Augen weiteten sich. Was machte er denn? Pio würde ihn umbringen!
Dafür kannte ich ihn viel zu gut. Und auch schon viel zu lange.
Ein Knall ließ mich zusammen fahren. Wieder hatte der Vampir auf Jesko eingeschlagen
und der landete an der Wand. Jaulte vor Schmerz auf. “Lass ihn … Bruder!” Ich
sank auf dem Boden zusammen. Sollte er doch mit mir machen was er wollte, aber
Jesko sollte er in Ruhe lassen.
“Wie hast du mich genannt?”, fragte Pio. Wendete sich mit bösem Blick zu mir.
Ich hätte es wohl nicht sagen sollen. Wir waren keine Brüder. Keine ganzen
zumindest. Nur Halbbrüder. Seine Mutter war die, von der ich gedacht hatte, dass
es auch meine sei. Bevor ich erfahren hatte, dass ich zur Hälfte Mensch war.
Doch das ich nicht normal war, wusste ich eigentlich davor schon, so verachtend
er mich immer behandelt hatte.
“Wirf deinen Wolf raus, dann lass ich ihn in Ruhe, Kleiner!” Pio hatte die Hand
an meinen Hals gelegt. Mich fast sanft zurückgedrückt. Ich wehrte mich nicht. Er
war ohnehin stärker als ich, auch wenn er nicht so aussah.
Einmal atmete ich tief durch. “Jesko”, rief ich, “geh!” Er würde es doch sowieso
nicht tun. Jesko ließ mich nicht einfach alleine. Nicht mit ihm.
Leicht drehte sich Pio um. Schwankend stand der Werwolf jetzt vor ihm. Er blutete.
Mein Jesko blutete. Ich wollte ihm helfen. Kam aber einfach nicht los. “Hast du
deinen Herrn gehört?”, fragte mein Halbbruder. Sah ihn mit festem Blick an.
Langsam nickte Jesko. Blickte mich noch einen Moment an, bevor er zur Tür torkelte.
Ging er denn jetzt wirklich? Ich wollte nicht, dass er ging. War mir viel zu
sicher, was Pio mit mir anstellen würde.
“Jesko”, flüsterte ich, bevor mich Pio zu Boden warf. Dort rührte ich mich nicht
mehr. Wartete nur. Jetzt machte es mir nichts mehr aus, was er mit mir tat. Mein
Wölfchen würde es nicht sehen. Nicht wissen, wie mir wehgetan werden würde.
Pio beugte sich über mich. Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange. Diesen ganz
leichten Hauch. Viel schwächer als meiner. Wie ich es Jesko erklärt hatte.
“Ach komm, Brüderchen, du kennst das doch schon.” Er streichelte über meine Brust.
Doch dazu zeigte ich keine Reaktion. Natürlich kannte ich das. Und ich hasse es.
Jede seiner Berührungen. Jedes Mal wenn seine Fingerspitzen meine Haut trafen.
Ich zuckte nicht einmal, als er anfing meine Brustwarzen zu massieren. Versuchte
meinen Atem ruhig zu halten. Obwohl ich mir vorstellte, dass Jesko mich anfasste.
Das wäre jetzt viel schöner gewesen. Lieber wäre ich jetzt auch bei ihm. Würde
jetzt lieber in seinen Armen liegen und nicht zwischen den Fingern meines
Halbbruders.
“Komm schon Jemil, mach doch mit! Früher hast du doch auch immer mitgespielt!”
Mitgespielt zwar schon, aber nie freiwillig. Er hatte mich doch dazu gezwungen.
Immer. Jedes Mal. Und das waren schon viel zu viele.
Ich spürte seine Lippen auf meiner Brust. Und eine seiner Hände unter dem Handtuch,
dass ich immer noch um meine Hüften hatte. Ich versuchte mich zu winden. Wollte
weg. Aber weit kam ich nicht. Er hielt mich ganz einfach fest.
“Wo willst du denn hin?” Ein fieses Grinsen bildete sich auf seinen Lippen.
Versetzte mich mehr und mehr in Panik. Dabei wusste ich doch schon was kam.
Brauchte doch eigentlich gar keine Angst haben. Es würde doch nur wehtun. So
schrecklich wehtun. Alles was Jesko so vorsichtig und gefühlvoll machte, tat
er mit Gewalt.
Ich presste die Augen zusammen, als er das Handtuch von meinem Körper riss. Sich
auf mich hockte. Sich selbst auszog. Dabei immer noch die Chance hatte meine
Arme festzuhalten.
Minute um Minute verstrich in der er auf mir saß. Mich erst nur ansah und dann
wieder anfing mich zu streicheln. Mich irgendwann auf den Bauch drehte. Ich
fiepte vor Angst. Mehr brachte ich nicht heraus. Eigentlich wollte ich schreien.
Aber meine Stimme versagte.
“Ach komm schon, Jemil, du kennst es doch schon viel zu gut.” Langsam versuchte
ich bei seinen Worten zu nicken. Zuckte aber nur zusammen. Brüllte vor Schmerz
auf. Dieses Stechen in meinem Unterleib ließ nicht mehr nach. Auch nicht, als er
anfing sich zu bewegen.
Eigentlich hatte ich den Schmerz schon lange nicht mehr gespürt. Viel zu lange.
Fast 7 Monate lang war das letzte Mal aber er. Doch jetzt war es wieder so
schlimm. Wie vor mehr als 5 Jahren, als er damit angefangen hatte. Als er es das
erste Mal getan hatte. Jedes Stechen, das ich schon damals gespürt hatte, war
wieder da. Wirklich als ob es das erste Mal wieder war.
Es vergingen Minuten. Ich wusste gar nicht mal wie viele. Versank irgendwann in
meinem Schmerz. Nur noch der war da. Kein anderes Gefühl Und kein anderer Gedanke.
Schmerz. Schmerz. Und noch einmal Schmerz.
Ich sackte auf den Boden, als Pio wieder von mir abließ. Und mich liegen ließ.
Einfach ging. Hätte er nicht zumindest noch irgendetwas sagen können. Einen Ton.
Ein Wort. Irgendetwas. Ihm fiel doch sonst immer irgendein dummer Spruch ein.
Doch ich hatte mich wohl zu früh gefreut. Er beugte sich noch einmal über mich.
„Bis zum nächsten Mal, Brüderchen, und lass dann bitte deinen Köter zu Hause.
Denn kann man doch nicht anschauen.“ Sanft hauchte er mir das ins Ohr. Mein Atem
wurde für einen Moment schneller. Wie konnte er nur so über Jesko reden? Meinem
Jesko!
Ich biss mir auf die Unterlippe. Ausrasten hätte ich können. Niemand redete so
über meinen Werwolf. Niemand. Und dennoch erwiderte ich nichts. Ich konnte nichts
sagen. Mein Körper wehrte sich regelrecht dagegen.
Ich hörte nur noch wie Pio den Raum verließ und mich zurück. Langsam rollte ich
mich auf den Rücken. Verharrte Minuten lang in dieser Position. Bemerkte gar
nicht, wie mir die Tränen über die Wangen liefen. Wie sie auf dem warmen Boden
verdampften. Wenn nicht gar früher.
Ich verkrampfte. Kauerte mich auf dem Boden zusammen. Mein Atem stockte immer
wieder. Obwohl ich es schon so oft mit ihm machen musste, konnte ich es doch
immer noch nicht richtig verarbeiten. Und dennoch konnte ich mit Jesko. Er war
anders. Das genaue Gegenteil von Pio. So verdammt fürsorglich.
Ich hörte die Tür. Wie sie geöffnet wurde und wieder leise geschlossen. Langsam
setzte ich mich auf. Versuchte mir das Handtuch, das noch auf dem Boden lag, zu
angeln. Doch da lagen schon zwei Hände auf meinen Schultern. Wanderten an meinen
Armen hinunter. Zu meinem Bauch. Bis zu meiner Hüfte. Ich sah zaghaft auf. Blickte
ihn die dunklen Augen von Jesko. Er strahlte mehr als nur Besorgnis aus. Mehr
lag wohl schon Schock in seinem Blick.
„Was hat er mit dir gemacht?“, fragte er. Doch ich erwiderte nichts. Drückte mich
nur an ihn. Wollte ihn spüren. Er würde mich sicherlich beschützen. Das würde er
doch? Ich schmiegte mich noch etwas enger an ihn. Wollte nicht mehr weg von ihm.
Und er sollte bei mir bleiben.
„Sag doch endlich“, flüsterte er mir ins Ohr. Aber ich erwiderte erneut nichts.
Konnte einfach nicht. Und er wollte wohl auch keine Antwort mehr hören. Streichelte
mir ganz leicht über den Rücken.
Eine ganze Weile saßen wir so auf dem Boden. Und ich brauchte gar nichts anderes.
Nur ihn. Das reichte mir. Da hob er mich plötzlich einfach hoch. „Ich bring dich
wieder auf dein Zimmer“, meinte er. Ich wehrte mich nicht. Schmiegte mich nur an
ihn.
„Schwitzt du nicht?“, fragte ich. Er hatte sich wieder angezogen und hier war es
nicht unbedingt kühler geworden. „Geht schon“, meinte er nur knapp. Marschierte
mit mir im Arm zu Tür. Die bekam er sogar ganz einfach auf.
Im Vorraum ließ er mich auf eine der kleinen Bänke sinken. Suchte in einem der
Spinde nach meinen Sachen. Kam damit auch schon im nächsten Moment zu mir. Um
mich anzuziehen. Ich wollte das eigentlich selber machen. Aber er war so wunderbar
fürsorglich. Jede Berührung von ihm genoss ich. Ich ließ jede zu. Dabei waren
das meiste Streicheln momentan nur versehen. Ich spürte doch, dass er mich gar
nicht anfassen wollte. Vielleicht fühlte er es, dass mir manches gerade unangenehm
war. Und dennoch ließ er mich nicht mehr richtig los. Seine Finger lagen immer
irgendwo auf mir. Jedoch ging er nicht mehr unter meine Taille. Erst als er mich
wieder hochhob. Und nur dann.
Als ich wieder in seinen Armen lag fühlte ich mich so unglaublich wohl. Er war
so schön warm und sanft. Er würde mich wohl nie so schroff anfassen wie Pio. Dabei
war doch der mit mir verwandt und er nicht. Jesko war nur ein Werwolf, den ich
mehr oder weniger verführt hatte. Und der jetzt fast freiwillig bei mir war.
Drängen oder gar zwingen musste ich ihn zumindest nicht mehr dazu.
Meine Lider wurden schwer. Aber ich wollte nicht einschlafen. Nur noch ein bisschen
länger wollte ich seine Wärme spüren. Er würde von mir ablassen, wenn ich erst
einmal schlief. Jeden Morgen hatte ich das bis jetzt bemerkt. Ich durfte nicht
neben ihm aufwachen. Eigentlich war ich das noch nie. Nie lag jemand auf dem
Bett neben mir wenn ich aus meinem Schlaf erwachte. Immer war ich allein. Ich
wollte das ändern. Er sollte das ändern.
Einen kurzen Moment drückte ich meinen Kopf gegen seine Brust. Hörte seinen
Herzschlag. Der war so beruhigend. So angenehm. Halte in meinen Ohren wider.
Versetzte mich fast in Trance.
„Jesko“, murmelte ich. Landete im nächsten Moment aber auf etwas Weichem. Erkannte
es nach fast einen Minute als ein Bett. Keines von meinen. Viel kleiner und
unbequemer. Ich blickte zu dem jungen Werwolf auf. Verstand nicht wo wir waren.
„Darf ich vorstellen: Mein trautes Heim“, verkündete Jesko. Ich sah mich langsam
um Das wirkte widerwärtig hier. Nicht wirklich lebenswert. Und da war ich schon
auf den Tod aus. Wie musste das erst bei diesen Kreaturen sein.
Ich blickte zu Jesko, der sich neben mir nieder gelassen hatte. So weit noch
Platz war. „Ich wollte dich nicht in eines deiner Zimmer bringen. Da war es mir
irgendwie ungemütlich.“ Er setzte kurz aus. Senkte den Kopf, den er leicht
schüttelte. „Hier ist es wohl nicht gerade angenehmer“, meinte er schließlich.
Ein Lächeln kuschte über sein Gesicht, als er zu mir Blickt. Ich setzte mich
auf. Schlang die Arme um ihn. „Wenn es dir so besser geht“, flüsterte ich. So
lange es ihm gut ging, war doch mir alles egal.
Da ging aber plötzlich die Tür auf. Ein Mädchen mit hellem lila Haar blickte uns
verschreckt an. „Äh ... 'Tschuldigung Jesko, ich ... äh?“, stotterte sie. Ihr
Blick verhoffte für mich wohl nichts Gutes.