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Huans

von

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Auferstehung von den Toten

"Er hat die Fäuste geballt.", stellte die Krankenschwester mit rauer Stimme fest. "Das ist schlecht! Wenn er sich erholen will, dann darf er nichts mehr fühlen, darf nichts mehr denken und sich nicht mehr bewegen. So sind die Regeln bei den Huans: Wer sich verletzt und sich erholen will, muss eine willenlose Puppe sein ... erschaffen durch Morphium ..."

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Nachdem ihr Schwarm fort war, wollte sie sofort in ihrem Tagebuch von ihrem Date berichten. Es war eine Manie von ihr: Sobald etwas schönes oder schlechtes passiert war, musste sie es niederschreiben, dann ging es ihr viel besser. Wie viel hatte sie dadurch schon verarbeitet! Besonders jetzt, wo sie Katja nicht mehr hatte, der sie alles anvertraute, war ihr Tagebuch wohl das wichtigste, was sie besaß. Er hatte ihr über den Verlust ihrer besten Freundin geholfen, sie konnte Dampf ablassen, wenn Cedric sie wieder genervt hatte, sie konnte von den Schmetterlingen im Bauch erzählen, wenn sie Salvatore getroffen hatte oder sogar ein paar Worte mit ihr gewechselt hatte ... einfach alles. Und danach war sie glücklicher, befreiter, nicht mehr angespannt, sauer oder frustriert.

Die schönen Erinnerungen las sie sich immer wieder durch, sie konnte sie dann wie einen Film vor ihrem geistigen Auge sehen. Darum mochte sie Bücher auch so gern, denn sie hatte ihr eigenes, kostenloses Kino.

Nia hechtete den Gang entlang, die Treppen hinauf, an Klassenzimmern, Putzkräften oder selten gewordenen Lehrern vorbei, bis sie plötzlich ein seltsames Geräusch vernahm, das an den Wänden wiederhallte.

Irritiert blieb das Mädchen stehen und lauschte.

Ihr Herz schlug schnell vom Rennen und das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Atem ging flach, aber ...

Da war wieder dieses Geräusch!

Diesmal hielt sie die Luft an und horchte.

Doch, sie war sich nun ganz sicher. Da war etwas ... komisches. Sie konnte nicht sagen was es war, aber es war nicht normal.

Nia folgte dem Laut. Ging einen leeren Gang entlang, verharrte, spitzte die Ohren.

Ging weiter. Wieder an Klassenzimmern, Putzkolonnen, leeren Zimmern vorbei.

Nach ein paar Minuten und einigen Abzweigungen weiter hörte sie es deutlicher ... Es waren ... Schreie?!

Und sie kamen direkt aus dem Krankenzimmer!

Mit wild klopfendem Herzen stand sie vor der Tür. Das konnte doch nicht sein! Diese Schreie waren markerschütternd und beängstigend. Sie hatten etwas ... tierisches an sich. Ihr Blutdruck stieg weiter. Was geschah hier?

Gerade, als sie die Tür öffnen wollte, wurde diese aufgerissen und jemand rumpelte sie mit seinem vollen Körpergewicht an.

Nia stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus und taumelte durch die Wucht des Zusammenpralls nach hinten und landete unsanft auf dem Boden.

Als sie nach oben schaute, erblickte sie ... Cedric.

Cedric, keine zehn Minuten her: verprügelt, blutverkrustet, entstellt, schwer verletzt im Rollstuhl - jetzt aber: Cedric, volle Größe, keinerlei Verletzungen, ganz so, als hätte es derartiges nie gegeben! Alles war geheilt: Kein gebrochener Arm, kein fehlendes Stück an der Lippe, keine vereiterten Augen, kein Blut, keine Bandagen, nichts!
 

Wie war das möglich?
 

Oder war das jemand anders gewesen? Hatte er einen Zwillingsbruder?

Nia war leichenblass und glotzte Cedric an, als hätte sie noch nie einen Menschen gesehen.

Sie war entsetzt.

Doch bevor sie etwas sagen konnte, hechtete Salvatore aus dem Zimmer, erblickte die beiden und begriff augenblicklich die Situation.

Er ging auf Nia zu und berührte ihre Stirn - dann fiel sie in ein großes, alles verschlingendes schwarzes Loch und sank bewusstlos zu Boden.

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"Bist du bescheuert?!", brüllte der sonst ruhige und ausgeglichene Frauenschwarm, "Weißt du, was das bedeutet??!"

Schuldbewusst blickte Cedric zu Boden.

"Wir müssen die Erinnerungen von über einem Monat ausbessern! Und nur, weil du's nicht schaffst, dich langsam von deinen Verletzungen zu erholen, sondern vom einen auf den anderen Moment komplett geheilt bist! Normale Menschen können so etwas nicht!

Und Nia ist auch eine von uns - sie weiß es nur noch nicht - was es aber nicht besser macht! Wir sind Huans, Cedric! Wir müssen acht geben, dass das keiner herausfindet! Und was du getan hast, das ... das ...!!!", donnerte er weiter.

"Können wir es ihr nicht einfach erzählen?", versuchte der blonde Hüne die Situation herumzureißen, "In ein paar Wochen erfährt sie es von selbst!"

"Tolle Idee - willst du noch Mal bestraft werden? Wenn du so scharf drauf bist - mach's doch! Aber ich werde es garantiert nicht tun! Du weißt, dass das ein noch viel schlimmerer Gesetzesbruch ist als der mit dem Treffen! Es ist wohl der übelste überhaupt!", plärrte Salvatore, sodass Putz von den weißen Wänden rieselte und die Erde scheinbar bebte.

"Wir können doch nicht hergehen und sagen:

'Hey, du - Nia, wir sind übrigens die voll krass konkrete Huan-Gang und wenn wir verletzt sind, heilen wir uns mit sogenannten "Stoffen" selbst. Der ist von Huan zu Huan unterschiedlich und während wir ihn einnehmen, können wir uns überhaupt nicht bewegen, fühlen oder denken! Normalerweise steuern wir es im Unterbewusstsein so, dass wir uns langsam heilen - wie ein normaler Mensch halt auch. Aber bei manchen ist das nicht der Fall - darum darfst du dich gar nicht wundern, denn das ist völlig normal bei uns!"

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Als Nia erwachte, hatte sie furchtbare Kopfschmerzen.

Der ganze Hinterkopf inklusive Genick schmerzten höllisch, als ob ihr jemand einen Schlag auf den Hinterkopf verpasst hätte.

Vorsichtig drehte sie sich herum und stellte erstaunt fest, wo sie war:

Weißes Bettgestell, weißer Beistelltisch, weiße Vorhänge um ihr Bett, ein seltsamer Geruch in der Luft ... Sie musste im Krankenflügel sein!

Durch die Gardinen erblickte sie eine schlanke, aufrecht sitzende Gestalt, die anscheinend in ein Buch vertieft war.

"Salvatore!", flüsterte sie sehnsüchtig und der Frauenschwarm reagierte sofort.

"Bist du aufgewacht?", fragte er und zupfte behutsam den Vorhang zur Seite, um ihr sein strahlenstes Lächeln zu schenken.

Sie errötete. "Was ... Was ist passiert?", wollte das Mädchen wissen. Sie konnte sich seltsamerweise an nichts mehr erinnern ...

"Du bist auf deinem Weg zum Zimmer die Treppe runtergefallen und hast dir den Kopf böse gestoßen - daraufhin bist du ohnmächtig geworden.", antwortete er, fügte aber schnell hinzu: "Es ist aber nichts schlimmes passiert. Also keine Gehirnerschütterung oder so."

Nia überlegte kurz. Was wollte sie denn oben in ihrem Zimmer?

Langsam, ganz langsam dämmerte es ihr und sie sagte fröhlich:

"Stimmt ja, ich wollte Tagebuch schreiben gehen!"

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Cedric hätte sich am liebsten geohrfeigt. Warum war ihm so ein gravierender, dummer Fehler unterlaufen?!

Er wusste ganz genau, dass so eine "Erinnerungspfuscherei" - so nannte er den Vorgang der Bearbeitung von Erinnerungen - tödlich hätte enden können.

Bei den Huans war es nämlich so: Sie mussten total geheim bleiben, kein Normalsterblicher durfte von ihrer Welt und Existenz erfahren. Taten sie es versehentlich doch, so wurden die Erinnerungen derjenigen Person manipuliert und durch andere ersetzt.

Das geschah natürlich nicht zufällig, sondern war ein komplexer, schwerer Vorgang, der immer lebensbedrohlicher ist, desto länger die Zeitspanne ist. Bis zu einer Woche, höchstens zwei war es ziemlich ungefährlich. Alles, was darüber ging, war kritisch. Nia hatte einen Monat Erinnerungen an sein vermöbeltes Selbst gehabt! Er konnte gar nicht fassen, dass sie es unbeschadet überstanden hatte.

Wütend auf sich selbst schlug er mit der Faust so fest gegen die Wand, dass seine Hand blutete.

"Verdammt!", fluchte er laut, "Jetzt bin ich diesem Lackaffen noch mehr schuldig!"

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Xaris
2011-06-25T00:02:16+00:00 25.06.2011 02:02
Meeensch XD Hoffentlich erfährt sie alles bald, denn ICH bin auch extrem neugierig. XD Ich zieh mir grade deine Story rein wie sonstwas. *-* xD


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