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Tödliches Geheimnis

Die Legende der geflügelten Rasse
von

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「喪」 ・ Trauer 「Kanashimi ~ You are a traitor!」

Kapitel elf: 「喪」 ・ Trauer 「Kanashimi ~ You are a traitor!」
 

Ein lautes Krachen ertönte und endlich ging auch der letzte Soldat zu Boden. Viel zu viel Zeit war vergangen, seit Ren sich unfreiwillig von der kleine Gruppe getrennt hatte, um durch den Fluch des Priesters Noriko nach zu jagen und bei den Übriggebliebenen war eine triste Stimmung erkennbar. Misa bückte sich nach dem Schwert des Soldaten und nahm es vorsichtig aus der leblosen Hand, welche noch ein letztes Mal zuckte und dann erschlaffte. Drohend wanderte der Blick der Blonden weiter zum Priester, welcher in eine Art von Trance verfallen schien. Riku und Yoshi, welche ebenfalls die letzten Gegner beseitigt hatten, traten näher an die Gestalt heran und musterten ihn, da er noch immer in derselben Starre saß, in der er auch schon vor einiger Zeit verharrt war. Sein Tattoo leuchtete giftgrün – ein Zeichen dafür, dass sein Fluch noch immer aktiv war – doch dann auf einmal verlor es seine Leuchtkraft, die geschlossenen Augen des Mannes zuckten und öffneten sich, sein Mund verformte sich zu einem hämischen Grinsen.

„So so, das Bürschchen hat sich also aus meinem Fluch befreit?“, sagte er und kicherte abscheulich. Misa schnaubte laut und sah Rot.

„Was hast du mit Ren gemacht?“, fragte sie zischend und hob das Katana an – bei so einer ernsten Angelegenheit verstand sie wirklich keinen Spaß. Der Priester jedoch lachte einfach weiter in seinem hämischen Ton und richtete sich auf.

„Sieht so aus…als wäre ihr Licht erloschen…“, meinte er lachend und steckte die Kette in eine seiner Brusttaschen. Misa hingegen verlor scheinbar die Kontrolle, vollkommen geblendet von der Wut über den Mann ihr gegenüber und der Angst um Ren und Noriko, aktivierte sie ihre Fähigkeiten und blendete so den Priester, dann rannte sie auf ihn zu und schlug mit dem Katana zu. Einmal, zweimal stach sie zu, es folgten weitere Stiche, während ihr voller Hass bei jedem weiteren Schlag die Tränen kamen. Das Lachen des Mannes erstarb und Blut ergoss sich über Misa’s Beine, spritzte in ihr Gesicht und verfärbte ihre Kleider. Sie ging neben dem toten Mensch zu Boden und leise Atemzüge ertönten, gefolgt von einem lauten Schluchzer.

„Wir…wir müssen zu ihnen.“, sagte Misa wimmernd und klammerte sich am Griff ihres Schwertes fest, um nicht auf den Boden zu sacken. Riku presste nervös seine Lippen aufeinander.

„Was auch immer dieser Feigling mit seinen Worten gemeint hat, es kann nichts Gutes bedeuten…“, meinte Yoshi ruhig und sah zu Misa herüber. Nun nickte auch Riku schließlich und er näherte sich der gebrochenen Blonden. Ohne zu zögern nahm er sie auf den Arm, trug das schluchzende Mädchen rüber zu Yoshi und die beiden hoben vom Boden ab, um so schnell wie möglich ein Lebenszeichen von Ren und Noriko zu bekommen.
 

Emotionslos wie eine handgefertigte Puppe saß Ren auf dem Boden und starrte mit leerem Blick und zusammengepressten Lippen auf das Armband in seinen Händen. Er schien fieberhaft über die eben geschehenen Ereignisse nachzudenken, er konnte sich nicht eingestehen, dass alles eben tatsächlich gesehen und getan zu haben.

Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war, das der Priester hämisch gelacht und etwas von Noriko erzählt hatte, dann hatte er irgendeinen Zauber angewandt und dann…

Ren wusste ernsthaft nicht mehr, was nach diesem Zauber geschehen war, er hatte einen totalen Black out. Das erste, an was er sich danach erinnern konnte, war das blutige Schwert in Noriko’s Bauch, welches ohne Frage seines war. Es lag mittlerweile zwischen einigen Eissplittern auf dem mit Blut befleckten Grasboden und war von dem Blonden nicht mal mit einem einzigen Blick beachtet worden.

Er vergrub sein Gesicht in den Händen und dachte angestrengt nach, was ihm im Anbetracht der Umstände sichtlich schwer zu fallen schien. War er womöglich Schuld daran, dass das Mädchen so schwer verletzt worden war? Er wollte nicht wahrhaben, dass sie weg sein sollte…

Voller Wut in seinen Gedanken haute er erneut mit voller Wucht auf den Boden und sah sich dann um. Zum ersten Mal viel Ren auf, dass er ungewöhnlicher weise genau vor dem Kiseki-See saß, er hatte es wirklich nicht bemerkt. Da kam ihm kurzerhand der Gedanke, ob Noriko nicht vielleicht einfach nur zurück nach Kagami-koku gegangen war, immerhin waren in dem sonst so klaren Wasser deutlich die Überbleibsel von Blut zu erkennen. Er konnte und wollte es sich einfach nicht eingestehen, dass sie weg war und nie wieder kehren würde. Darum beachtete der Blonde die ganzen Eissplitter um ihn herum nicht, welche alle für Noriko’s Tod, und gegen ihr Verschwinden nach Kagami-koku sprachen. Während er sich langsam erhob und wie hypnotisiert in Richtung des Sees ging, ertönten laute Rufe. Er hörte seinen Namen und guckte überrascht nach oben, wo er mehrere fliegende Gestalten sehen konnte.

„Hey, Ren!“, rief Riku erneut, dann landete er lautlos auf dem Boden und setzte Misa auf dem Boden ab, Yoshi landete dicht neben ihm.

„H-hallo.“, sagte Ren zitternd und haute sich gegen den Kopf.

//Komm runter, du Vollidiot!//, sagte er sich und versuchte zu lächeln – es gelang ihm nicht. Riku schenkte ihm einen sehr verwunderten Blick seinerseits. Misstrauisch betrachtete er den Kiseki-See, dann Ren’s schuldbewusstes Gesicht und dann die vielen Splitter und das blutige Schwert.

„Was wolltest du gerade tun?“, fragte er, und bückte sich nach dem Katana. Der Blonde schüttelte kichernd seinen Kopf.

„Gar nichts. Hab nur ne kleine…Pause gemacht.“, stritt er alles ab und atmete ein paar Mal tief durch. Misa richtete sich langsam auf und sah sich danach ein wenig verwirrt in der Umgebung um, Yoshi tat es ihr wenig später gleich.

„Wo ist eigentlich Noriko? Hast du sie gefunden, nachdem du dich aus dem Bann des Priesters befreit hast?“, fragte Misa und betrachtete die kleinen Splitter, welche für sie aussahen, als wären es Eissplitter.

„Hmm…ich hab sie getroffen, aber…aber ich konnte sie nicht aufhalten, sie ist längst weg von hier…Sie hat mir nur gesagt, dass sie nicht wollte, dass man nach ihr sucht.“, meinte Ren angespannt und fragte sich innerlich, warum er den dreien das Blaue vom Himmel log.

//…es ist vermutlich für alle erst mal das Beste…//, sagte er sich und versuchte vergeblich sich zu beruhigen. Misa schüttelte erbost den Kopf.

„Nein, ich gehe sie suchen.“, meinte sie und wollte sich umdrehen, doch Ren hielt sie grob am Arm zurück und sah sie flehend an. Misa schüttelte nur weiterhin den Kopf.

„Ich kann das einfach nicht akzeptieren! Nur weil Noriko unbedingt so stur sein muss, dass sie was weiß ich wohin geht, sehe ich es nicht ein, dass sie uns einfach so ausrichten lässt, dass wir sie nicht suchen sollen!“, sagte sie und ihre Flügel erschienen. Sie ging in die Hocke und sprang ab, doch Ren sprang nach oben und holte die Blonde wieder herunter. Er zerbiss sich fast seine Unterlippe, doch er konnte das nicht zulassen…

Er wusste nicht, was er tun musste, um seine Freunde davon zu überzeugen, dass es sinnlos war nach Noriko zu suchen, ohne dabei zu verraten, dass sie überhaupt nicht mehr auf spürbar war. Doch eins war ihm klar, er würde sie verletzen müssen, sehr tief…

„Ähm…ich…ich will nicht, dass wir nach Noriko suchen.“, sagte der Blonde und traute seinen eigenen Worten nicht. Konnte er das Geschehene nicht einfach nur zugeben?

Misa und Riku starrten ihn entgeistert an, Yoshi ließ sich auf den Boden fallen und verbarg ihr Gesicht hinter den kurzen Haaren.

//Was für eine Farce…//

„Was…sagt du da?“, fragte Misa und packte ihn am Kragen, doch Ren sah ihr nicht in die Augen.

„Ich meine nur…sie ist so nervig und nie zufrieden. Sie nörgelt immer an allem rum und das hab ich eben satt!“, erklärte er und schluckte hart. Er war eigentlich ein ganz schlechter Lügner, doch dieses eine Mal hörte sich die Lüge an wie die Wahrheit. Er wusste ehrlich nicht, warum er seinen Freunde hier eine Lüge nach der anderen auftischte, doch seine einzige Vermutung war, dass, wenn er ihnen von ihrem Tod erzählen würde und er sich dabei gar nicht so sicher war, dann würde das alles in seinem Kopf Wirklichkeit werden, und dass konnte und wollte er nicht einsehen.

Die Blonde ließ von ihm ab und wischte sich einige Tränen weg, die gegen ihren Willen in ihren Augen aufkamen. Sie konnte ihn nicht verstehen, egal wie sehr sie es auch wollte, sie verstand sein Verhalten absolut nicht nachvollziehen. Ihr entgeisterter Blick wandelte zu einem vollkommen entsetzten Blick und wütend vergrub sie das Gesicht in ihren Händen.

„Warum zum Teufel willst du sie hier zurücklassen? Das können wir doch nicht einfach so tun, das wäre Verrat!“, sagte sie, bebend vor dem Gefühlschaos in ihrem Inneren.

„Du tust ja so, als wäre sie dir die letzten Wochen immer auf die Nerven gegangen und hätte dauernd deine Hilfe beansprucht!“

„Du hast mich schon richtig verstanden. Warum sollte das Verrat sein, sie hat uns doch auch einfach ohne ein Wort zurück gelassen und ist ihren eigenen Weg gegangen, sie hätte mit uns reden müssen. Warum bist du also auf ihrer Seite?“, fragte er kalt.

„Ich bin auf gar keiner Seite! Wir sind alle Freunde, da gibt es nichts zu bereden. Wir gehen jetzt nach Noriko suchen und damit basta!“, sagte sie voller Wut und aus ihren braunen Augen sprühten Funken. Verzweifelt sah sie zu Riku und Yoshi und sie fragte sich, warum die beiden nicht auch einmal etwas dazu sagten, immerhin ging es hier um ihre Freundin.

Ren wusste einfach nicht mehr weiter, was sollte er noch machen, damit sie endlich auf ihn hörten und von Noriko abließen würden? Er sah ein, dass er so abscheulich sein musste, wie es ihm seine Mutter immer verboten hatte.
 

Man zweifelt niemals seine Freundschaft an Ren, das ist eins der höchsten Verbrechen in seiner Freundschaft!
 

Ein verächtliches Schnauben ertönte. Ren öffnete seine eben geschlossenen Augen, er blickte einmal zu Misa, dann zu Riku und schließlich rüber zu Yoshi, welche wie gebannt und vollkommen fassungslos auf den Boden starrte. Warum…tja das wusste er nicht.

„Du dachtest…wie alle wären Freunde?“, fragte er mit einem aufgesetzt verwirrten Unterton, während er sich innerlich gegen eine Wand drückte und scherzvoll seinen Kopf hielt. Misa‘s

Augen weiteten sich, sie schluckte schwer und ihr Körper spannte sich an, während sie furchtbar zu zittern begann. Für sie persönlich gab es einfach nichts schlimmeres, als einen Verrat zwischen engen Beziehungen. Ihr cholerischer Stiefvater war dafür das beste Beispiel für Verrat und für alles, was er ihr jemals seelisch angetan hatte, hatte sie ihm niemals verzeihen können. Weitere Tränen tropften aus ihren Rehaugen, sie sah verletzt zu Ren herüber, dann sah sie zu Boden.

„…dann mach doch was du willst, Verräter.“, sagte sie verletzte, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging in die entgegengesetzte Richtung davon. Yoshi stand ebenfalls auf, sie schenkte dem Blonden noch einen letzten Blick, dann folgte sie der vollkommen aufgelösten Misa. Riku seufzte schwer. Wie hatte es nur soweit kommen können?

Während des ganzen Gespräches hatte er es nicht ein einziges Mal gewagt, das Wort zu erheben und nun würde er nichts lieber, als Ren alle möglichen Flüche entgegen zu werfen, die ihm jemals verboten worden waren zu benutzen. Unsicher sah er noch einmal zu Ren herüber, dann drehte auch er sich um und folgte den beiden Mädchen.

„Es hätte auch anders laufen können, das weißt du hoffentlich. Aber wenn es das ist, was du willst, dann…“, sagte er mit einer an geknickten Stimme seitens Ren.

Dieser blieb reglos stehen und starrte wütend zu Boden, dann zu dem Armband, welches noch immer in seiner zur Faustgeballten rechten Hand lag. Der Kloß in seinem Hals erschwerte ihm das Atmen und vollkommen ahnungslos starrte er zum Vollmond hinauf.

//Sag…was wird nur noch alles auf mich warten…Noriko!//
 

An einem anderen Ort auf dieser Welt brach ein blauhaariges Mädchen plötzlich zusammen. Ihr braunhaariger Begleiter fiel neben ihr auf die Knie und hob überrascht ihren Kopf an.

„Hey, was ist denn los?“, fragte er, doch als Antwort folgten nur einige schwere Atemzüge des Mädchens. Sie wollte etwas erwidern, doch Blut statt Worte kam aus ihrem Mund. Der Junge merkte, dass etwas nicht stimmte. Er wusste ja, dass sie sehr kränklich veranlagt war, schließlich kannte er sie schon sein ganzes Leben lang, doch so schlimm war es schon lange nicht mehr gewesen.

„Kannst du aufstehen? Brauchst du deine Medizin?“, fragte er hilfsbereit, doch es folgten nur Hustgeräusche, ehe das Mädchen schmerzvoll das Gesicht verzog. Ein lautes Reißen ertönte und Blut spritzte auf. Der Junge schenkte ihr noch einen letzten geschockten und vollkommen überforderten Blick, dann ertönte ein ohrenbetäubender, schmerzerfüllter Schrei, welcher so manchen Vogel aus seinem Nest lockte.
 

Drei Monate später…
 

Fast ganz Daikoku lag schon hinter ihnen, als Misa, Riku und Yoshi allmählich die Ideen der Aufenthaltsorte von Noriko ausgingen. Wie schon befürchtet hatten sie nicht mal den Hauch einer Spur gefunden, die zu ihrer vermissten Freundin geführt hätte.

„Vielleicht sollten wir die Suche langsam mal aufgeben und uns unserem ursprünglichen Ziel widmen, oder?“, schlug Riku vor, immerhin war der Krieg in den vergangenen drei Monaten nicht gerade besser geworden, wenn auch die Anschläge auf die Winged Race deutlich zurückgegangen waren.

„Wieso? Denkst du nun auch so wie Ren es tut oder was?“, fuhr Misa ihn an, welche Ren für seine Tat noch immer nicht ganz verziehen hatte. Riku schüttelte nur den Kopf.

„Vielleicht wäre es nur besser, wenn wir erst mal den ganzen Krieg hinter uns lassen. Dann wäre es auch bestimmt deutlich leichte für uns, um die Suche nach Noriko weiter zu führen.“, erklärte der Braunhaarige und Misa ballte eine Hand zur Faust.

„…Ja, du hast ja recht…aber dann komme ich mir so komisch vor. Noriko hätte jetzt bestimmt nicht aufgegeben, sie hätte erst jetzt richtig angefangen. Also können wir uns doch auch nebenbei der Suche nach ihr widmen, was denkt ihr?“, schlug sie vor und sah fragend zu Yoshi und Riku herüber. Riku lächelte sie zustimmend an, Yoshi nickte ebenfalls, danach widmete sie sich wieder dem Verbinden ihrer Wunde. Die Wunde war schon fast wieder vollständig geheilt. Das ganze hatte eine Weile gedauert, da sie nach den Kämpfen mit den vielen Soldaten und dem Priester wieder aufgerissen war und durch die ganze Anstrengung und die Verwendung ihrer Fähigkeiten hatte sie den Heilungsprozess nur noch weiter zusätzlich belastet. Doch jetzt war die einstige tiefe Verwundung nur noch eine große, verkrustete Entzündung, es waren damals auch keine Knochen oder Ähnliches verletzt worden.

Riku sah hinauf zum Himmel. Vollmond, strahlender als jemals zuvor.

//In letzte Zeit kommt es mir so vor, als ob beinahe jede Nacht Vollmond ist, oder ich habe einfach kein Gespür für die Zeit…//, dachte er, dann schlug er vor, erst mal eine Rast einzulegen, da es ja schon so dunkel war. Misa stimmte ihm zu, Yoshi nickte und so holte Misa eine Karte hervor, um nach zu sehen, wo genau sie im Moment gerade waren. Sie durchforstete die Umgebung und überrascht fiel ihr die Nähe zu Noriko’s Familien Haus auf. Für die drei war es also so gut wie selbstverständlich, dass sie für diese Nacht in Noriko’s Haus wohnen würden, als eine Art Gedenkfeier.

Zum Glück hatte es auch nicht mehr so lange gedauert, bis sie wieder an dem Haus angekommen waren. Lächelnd betrachtete die Blonde das sehr heruntergekommene Häuschen, welches Noriko selbst ihnen nur wenige Monate zuvor gezeigt hatte. Sie gingen näher heran und mussten erstaunt feststellen, dass die Tür, die letztes Mal noch offen war, fest verschlossen war und niemand hinein konnte. Yoshi knackte kurz mit ihren Knöcheln, dann schlug sie mit einer Hand die Tür ein, während Riku und Misa verschreckt zusammenzuckten. Sie sahen sie verwirrt an, widmeten sich dann aber dem Raum hinter der zerschlagenen Tür.

Alles sah ganz anders als in ihrer Erinnerung aus, der Raum war so ordentlich, dass man glauben könnte die Familie sei wieder eingezogen und nichts von alledem war jemals geschehen.

„Seltsam…das ganze Blut wurde weggewischt. Sieht irgendwie komisch aus…so…anders…Vielleicht ist ja wieder jemand eingezogen!“, meinte Riku vollkommen überzeugt von sich selbst und machte einen Handstand, um zu sehen, ob der Raum andersherum noch genauso aussehen würde. Yoshi schubste ihn um und drückte ihn beiseite, dann musterte sie alles und trat näher.

„Ich denke nicht, dass das was du gesagt hast stimmt. Es schein mir eher so, als ob jemand vertuschen wolle, was in diesem Haus passiert ist. Warum sollte jemand in ein altes, zerstörtes und Blutbeschmutztes Haus einziehen?“, erklärte sie und sah fragend runter zu Riku, der scheinbar eine Antwort auf alles und jeden hatte.

„Naja, vielleicht jemand, der-“, fing er an, doch er wurde durch die Rothaarige unterbrochen, die ihm den Mund zuhielt und erklärte, dass dies eine rhetorische Frage gewesen sei. Als Riku verwundert fragte, was denn eine solche Frage sein, gab sie es schließlich auf. Sie drehte sich um und verließ den Raum wieder, dann schritt sie nach draußen in den Garten. Misa und Riku riefen ihr nach, dann liefen auch sie in den Garten. Das älteste Mädchen der Gruppe saß schweigend am Stamm eines großen Baumes, neben welchem zwei raue Steingräber waren. An den Baumstamm selbst war ein Blatt mit einer Zeichnung von Noriko’s Familie aufgehängt worden. Yoshi nahm es in die Hand und besah es sich genauer, bis sie schließlich lächelte und über die vier gemalten Personen strich.
 

Noriko…
 

Die Rothaarige las den Test, welche über das Bild geschrieben worden war und lächelte erneut. Misa sah sie fragend an, während Riku nur das Bild im Auge hatte.

„Wahnsinn, ich wusste gar nicht, dass Noriko eine Zwillingsschwester hat! Sieht gar nicht schlecht aus!“, stellte er grinsend fest, dann sah auch er verwundert die vielen fremden Schriftzeichen an.

„Was steht denn da?“

„Glück ist nichts, was man einfach irgendwo finden kann, man muss es sich schon verdienen.“, las Yoshi den Text nun laut vor und ihre Freunde sahen sich verwundert an.

„Yoshi…du kannst die alte Kagami-Schrift lesen?“, fragte der Älteste verwirrt und die Angesprochene nickte leicht. Dann erhob sie sich und ritzte noch etwas neben dem ersten Satz ein. Riku beugte sich zu Misa rüber und sah sie verwirrt an.

„Hast du das gewusst?“ Die Blonde schüttelte unwissend den Kopf und beäugte misstrauisch den neuen Satz, den die Rothaarige eben dazu geschrieben hatte. Doch anstatt weiter darauf einzugehen, ließ sie es lieber darauf beruhen. Die beiden folgten Yoshi, welche gerade in Richtung Haus gingen, doch als Misa und sie selbst wieder vor dem Haus standen, war Riku plötzlich nicht mehr da. Verwirrt sah die Blonde sich um.

„Nanu, wo ist er denn hin?“, fragte sie sich verwundert, als plötzlich der laute Schrei eines Mädchens ertönte. Yoshi kicherte vergnügt und Misa konnte darüber nur den Kopf schütteln.

„Was hat der Idiot jetzt wieder angestellt?“, motzte die Jüngere laut und stampfte in die Richtung, aus der der Schrei eben kam, doch wurde sie dabei beinahe von zwei Mädchen in ihrem Alter überrannt, dass eine trug fast keine Kleidung.

„Was ist los?“ Das eine Mädchen zitterte.

„Da war gerade so ein Typ…er stand plötzlich vor mir und hat mir beim Umziehen zugesehen!“, erzählte sie entgeistert und ihre Freundin strich ihr beruhigend über die Schulter.

„Wie hat denn der Typ ausgesehen?“, fragte sie, schnaubend vor Wut. Das Mädchen schien zu überlegen,

„Er…war ziemlich groß, hatte braune Haare und braune Augen…

„…und eine breite, zerquetschte Nase?“, fragte die Blonde drohend.

„Ähm…nein…“

„Na dann warte mal, bis der wieder kommt!“, sagte sie noch, dann zog sie Yoshi mit sich in die Richtung, die das Mädchen ihr zeigte.
 

Nur ein paar Minuten später saßen alle drei wieder im Haus. Riku’s Gesicht war gezeichnet von einem roten Handabdruck auf der rechten Wange und Blut lief ihm aus der Nase. Er seufzte tief.

„Was für ein erfolgsloser Tag…“, meinte er jammernd, doch als Misa ihm nur einen drohenden Blick schenkte, war er sofort wieder still. Das blonde Mädchen massierte sich angeschlagen die Schläfen. Yoshi hingegen gähnte einmal ausgiebig und meinte leise „Mir ist kalt…“, dann setzte sie sich rüber zu Riku und lehnte sich an ihn. Der Älteste wurde ganz rot, wies das Mädchen aber auch nicht ab und so legte er einen Arm um ihren dünnen Körper. Es sah auch schon so aus, als ob die Rothaarige schon eingeschlafen war und Misa betrachtete lächelnd das Schauspiel, welches sich ihr gerade anbot.

//Könntest du jetzt nur hier sein, Noriko…//, dachte sie, dann wanderte auch ihr Bewusstsein langsam in Richtung Traumwelt. Yoshi dachte derweil über einige andere Dinge nach.

//Warum hat er damals nicht einfach zugegeben, dass er schuld an ihrem Tod war?//, fragte sie sich und dachte so zurück an die letzten Gespräche mit Ren. Sie hatte damals nämlich als Einzige der drei erkannt, was wirklich geschehen war, doch erwähnt hatte sie es trotzdem nie. Sie fragte sich in diesem Moment einzig und alleine, was denn nun noch alles geschehen musste, damit die Welt wieder in Ruhe und Frieden weiter existieren konnte…

Dabei musste die Rothaarige wieder an den einen Satz denken, den sie dem ersten noch hinzugefügt hatte: Verräter hatten es niemals leicht und werden es auch niemals leicht haben…

Riku schüttelte den Kopf über diese ganze Situation, ehe er einmal laut seufzte.

„Und das alles ohne einen einzigen Schluck Sake…“
 

Ein Ast zerbrach unter dem Fuß Ren’s. Er hatte sich die letzten Monate irgendwie alleine durchgeschlagen und sich als Ziel die Stadt Kazan-Mura gesetzt hatte, da diese Stadt eine der wenigen Orte war, in denen er nach Noriko’s Ableben noch nicht nach dem Mädchen gesucht hatte. Es fehlten um genau zu sein nur noch fünf Orte auf seiner Karte: Kazan-Mura im Südwesten des Landes, die Spiegel-Seelen Wüste im Nordosten, eine Gegend, in der einer Sage nach besonders viele Tiere einer seltenen Spezies leben sollen, die Gegend um den Iruka-kawa, einen sehr großen Fluss, welcher als heilig galt und in den Kiseki-See mündet und davor durch ganz Daikoku verläuft, den Fuji-yama, ein riesiger Vulkan an den fünf große Seen grenzen und welcher genau in der Mitte des Landes stand und als letztes die fünf einzelnen Seen selber, welche alle die Namen eines Elements tragen: Der Hi-Mizuumi, der Mizu-Mizuumi, der Kaminari-Mizuumi, der Ki-Mizuumi und der Chikyu-Mizuumi.

Der Blonde hatte sich schon vor ein paar Wochen auf den Weg gemacht, um nach Kazan-Mura zu gelangen, doch er hatte erst ewig gebraucht, um zurück zu einem der Häuser der Kenka-Familie zu gelangen, welche es sowohl in Daikoku, als auch in Kagami-koku gab. Dort füllte er seine Vorräte an Lebensmitteln und Kleidung und beschaffte sich eine neue Karte von Daikoku. Schließlich hatte er sich auf den langen Weg gemacht, denn er musste vom Osten bis in den Südwesten Daikoku’s laufen, um nach Kazan-Mura zu gelangen.

Auf seiner Karte konnte man nun deutlich sehen, dass es im Westen nur so von Vulkanen und Bergen wimmelte und Kazan-Mura selber lag in der Mitte von fünf besonders großen Vulkanen, die aber alle noch aktiv waren. Der letzte Ausbruch von einem dieser Vulkane lag erst wenige Jahre zurück, es war also durchaus möglich, dass bald wieder einer von ihnen ausbrechen könnte.

Vielleicht würde er nun endlich fündig werden, denn er wollte sich immer noch an dem Mädchen rächen, da ja wegen ihr damals der Krieg ausgebrochen war und deshalb seine Eltern ermordet worden waren. Das hatte er ihr niemals verzeihen können…
 

Doch da es schon relativ dunkel war, beschloss er, dass er nun erst mal ein Lager für die Nacht aufschlagen sollte, außerdem schien ihm der Vollmond zu unheimlich zu sein, um bei seinem silbrigen Schein durch einen dunklen Wald zu laufen. Er machte also am erst besten Ort halt, dem er nun begegnet war und so führte sein weg ihn bis zu einem kleinen See an einem großen Wasserfall, welcher klares Wasser in den See schaffte. Ren kletterte die kleine Klippe entlang des Wasserfalls hinauf und schaffte es auch oben anzukommen, ohne sich irgendwo zu verletzen oder abzustürzen. Der Blick des Blonden Jungen schweifte über die nächtliche Landschaft und er genoss es, dort oben in der leichten Brise zu stehen. Dann sah er nach unten und bemerkte stutzig eine kleine Person, die aus dem Wasserfall trat. Es schien ihm beinahe so, als ob dieses klare Wasser aus ihrem Körper fließen und nicht nur aus dem Wasserfall kommen würde. Das Mädchen schreitete, anmutig wie eine Fee, durch das Wasser und schließlich durch die silbrige Reflektion des Mondes auf dem Wasser. Ren fiel nun auf, dass das Mädchen keine Kleidung trug und gerade, als er wegsehen wollte, fiel ihm noch etwas anderes auf:

Das Mädchen, welches in der Reflektion stehen geblieben war, sah hinauf zum Mond und der Blonde konnte im silbrigen Licht des Vollmondes ihre Haarfarbe erkennen. Er sah die satte lila Farbe, beinahe Lavendelfarben und schließlich drehte das Mädchen seinen Kopf zu ihm und ein paar leuchtend grüne Augen sahen zu ihm hoch. Ren machte einen waghalsigen Schritt näher an den Abgrund heran, er schluckte hart und fragte sich verwirrt, ob das da unten vielleicht Noriko war. Er machte einen weiteren Schritt, doch plötzlich rutschte er ab und fiel in den See hinein. Schnell tauchte er wieder auf und sah sich um, doch das Mädchen war verschwunden, ebenso war es der große Wasserfall und das einzige Wasser, welches jetzt noch in dem kleinen See war, war jenes in Ren’s Augen.
 

Zwischenspiel
 

Ein seltsam aussehender Mann ging wütend in einem kleinen Gefängnisraum auf und ab. Neben ihm standen ein paar Soldaten, welche ein zierliches, blondes Mädchen fest an den Armen festhielten, damit sie nicht entkommen könnte.

„Was mache ich nur mit dir?“, fragte der Mann mit einer derart herablassenden Stimme, dass dem Mädchen die Nackenhaare zu Berge standen. Der Man ließ sich schweigend ein Schwert von einem Soldaten reichen.

„Erst wollte ich dich ja nur zusehen lassen, wie langsam alle Mitglieder deiner „Familie“ vor seinen Augen getötet werden…aber da du dich ja anscheinend dazu entschieden hast, gegen mich und meine Soldaten zu kämpfen, und dann auch noch wegzulaufen…“, sagte er weiter und schüttelte nur den Kopf.

„Das schreit doch geradezu nur wieder nach einer kleinen Bestrafung, findest du nicht auch?“, fragte er grinsend. Das Mädchen hob langsam den Kopf an und Tränen flossen aus ihren giftgrünen Augen auf den Boden. Sie verengte die Augen zu Schlitzen.

„Du wirst es niemals schaffen, mich aufzuhalten!“, zischte sie wütend.

„Sie…sie wird schon kommen, verlass dich darauf! Noriko würde mich niemals verraten!“, schrie sie weiter. Der Mann lächelte erneut.

„Na wenn du meinst…“ Er holte mit dem Schwert aus und lachte verächtlich. Miyuki zuckte zusammen und schloss ängstlich ihre tränennassen Augen.

Noriko…wo um Himmels willen bleibst du nur?
 

Der Vollmond in jener Nacht schien noch heller als gewöhnlich, ein sehr mysteriöses Anzeichen, besonders, wenn man den lauten Schrei in Betracht zog, der keinen Augenblick später durch die Landschaft hallte.

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Nächstes Kapitel: 「火山」 ・ Vulkan 「Kazan ~ Meeting again」



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-04-26T18:47:46+00:00 26.04.2010 20:47
juha, das neue, lang erwartete kapitel ist on ♥.♥

is soo schön geworden & vor allem die stelle mit dem blauhaarigen mädchen, das zusammenbricht & dem jungen bei ihr <3 (will andere kommisschreiber nicht spoilern, deswegen nenne ich fürs erste keine namen).
und die szene mit dem wasserfall bei vollmond & das zwischenspiel: soo gut ♥

kann das nächste kapitel kaum erwarten (vor allem wegen... du weißt schon) :D
schreib weiter, sonst explodier ich hier noch xD
Von:  Shaytan
2010-04-26T15:57:16+00:00 26.04.2010 17:57
...
...
...
das is echt hart...
deine story wird immer ergreifender, ich kann bald nicht mehr...*schnüff*
wer war das mädchen im haus von nori? und wer war die kleine im see bei ren? ich hab sooooo viele fragen...
mach schnell weiter! freu mich schon!!!
hdgdl


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