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Ansatsu

Akrobat | Attentäter | Dunkler
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier das letzte Kapitel; viel Spaß :) Komplett anzeigen

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Akrobat


 

Now take the stage

Take your positions

Then swallow your fears

You can’t turn back now

(Dreamtale – Eyes Of The Clown)

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Ich wurde mit einem Schwall aus Blut geboren, also war ich mir immer sicher, dass ich auch mit einem Schwall aus Blut sterben würde.

Die Einzelheiten verriet man mir nicht, aber jeder dachte, meine Mutter würde die Geburt nicht überleben. Ein Kaiserschnitt war notwendig, um mich zur Welt zu bringen. Später sagte jeder, was für ein großes Wunder es doch wäre, dass meine Mutter noch lebte. Jeder dachte, es würde ein Austausch werden. Ein Leben gegen einen Tod. Jahre danach wurde mir klar, dass sie damit doch recht gehabt hatten. Es war kein Wunder, sondern tatsächlich ein Austausch gewesen. Ein Leben, ein Tod. Meine Mutter hat überlebt, weil sie den Tod geboren hatte.

Die Welt, in die ich geworfen wurde, war eine entbehrliche, zumindest, wenn man den sozialen Unterschied zwischen unseren Besuchern und uns betrachtete. Wir waren ein koreanischer Wanderzirkus, ein Haufen Heimatloser, die die Leute mit halsbrecherischen Kunststücken beeindruckten und es so über die Runden schafften. Vor meiner Geburt war meine Mutter Trapezkünstlerin gewesen und auch später, Jahre nach ihrem Beinahe-Tod, versuchte sie sich wieder als Akrobatin. Meinen Vater lernte ich nie kennen. Sie erzählte mir, sie hätte ihn auf einer Tour in Japan kennen gelernt, einen reichen Geschäftsmann. Eine einzige Nacht hatte gereicht, um mich zu zeugen.

Auch meine Mutter war gebürtige Japanerin. Das führte dazu, dass ich zweisprachig aufwuchs und mir immer wieder anhören durfte, wie klug ich doch sei und wie ähnlich ich, ein kleines Kind, meinem Vater doch schon sehe.

Von klein auf war ich Teil unserer Artistentruppe. Ich war das Kind, das auf den Schultern unseres Fackelwerfers einen Handstand machte, der Junge, der von einem Trapez zum anderen geworfen und wieder aufgefangen wurde und dabei einen Salto schlug. Ich konnte mich zusammenrollen wie ein Igel und passte dann in eine winzige Schachtel. Ich konnte die Füße im Genick überkreuzen und als kaum menschlich aussehendes Etwas auf den Händen marschieren. Und den Leuten gefiel, was sie sahen. Vor allem, wenn unsere Reise uns an den Rand der Städte führte, jubelten mir junge Frauen zu, wie süß sie mich doch fanden, und andere Kinder starrten mich mit offenem Mund an und deuteten mit ausgestrecktem Finger aufgeregt auf mich.

Ich gewöhnte mir schnell an, eine ausdruckslose Miene aufzusetzen. Ich mochte es nicht, wie sie mich ansahen. Es machte für sie keinen Unterschied, ob ein Löwe in seinem Käfig durch einen Reifen sprang, oder ob ich von Trapez zu Trapez flog. Wenn ich sie wütend angestarrt hätte, wären sie womöglich gegangen, und wir wollten schließlich begafft werden. Also versteinerte mein Gesicht, nicht nur in der Manege, sondern schließlich auch in meiner kargen Freizeit, wo ich nur für mich selbst übte oder mir meine Mutter Geschichten auf Japanisch erzählte.

Zur Zeit der Nebelmonster waren wir in Korea, und es dauerte lange, bis man uns davon erzählte, was in Japan passiert war. Ich war etwa acht Jahre alt und hatte das Gefühl, noch nicht viel von der Welt gesehen zu haben, ganz gleich, wie weit ich schon gereist war. „Gibt es wirklich übernatürliche Wesen?“, fragte ich daher meine Mutter, als die Nacht das Lager verstummen ließ.

„Nein“, sagte sie sanft und küsste mich auf die Stirn. „Schlaf gut, mein Ichirou.“ Sie hatte mich nach meinem Vater benannt, obwohl sie ihn kaum gekannt hatte. Anscheinend mochte sie ihn trotzdem.

Ich fragte mich lange, ob es Schicksal war, dass sie nur wenige Tage danach vom Trapez fiel. Eine Frau wie meine Mutter, die fast ihr ganzes Leben in luftiger Höhe verbracht hatte, von erschrockenen Rufen, bewundernden Pfiffen und erstaunten Seufzern begleitet worden war, wurde von ihrem eigenen Schrei in ihren Sturz in den Tod begleitet.

Meine Welt brach in sich zusammen. Sie war die Stütze in meinem Leben, das Seil, über das ich balancierte. Wie konnte sie so einfach sterben? Es hatte Jahre gedauert, bis ich begriff, wie zäh sie gewesen war, wie groß die Kraft des Lebens, das in ihr pulsiert hatte. Ein einzelner, wohl platzierter Stich kann einen Menschen töten. Ein einziger Tropfen einer bestimmten Substanz, ein dünner Schnitt, eine winzige Kugel, ein simpler Schlag, ein mikroskopisch kleines Bakterium. Um meine Mutter zu töten, hatte das Schicksal sie fünfzehn Meter weit in die Tiefe schleudern, ihren Körper auf dem harten Boden zerschmettern müssen, und nichts weniger. Ich war lange nicht mehr bei dem Zirkus, als ich erstmals Stolz für sie empfand.

Das Leben – die Show – musste weitergehen. Etwas in mir war zerbrochen, die Scherben schmerzten, aber der scharfkantigste Felsen wird bekanntlich irgendwann von den Meereswellen abgerundet. Ich war weiterhin eine der Hauptattraktionen, übertraf meine Mutter, übertraf die meisten der älteren Künstler. Ich durfte auch bei den Kunststücken mit den beiden Löwen mitwirken, nur als Randfigur, weil unser Dompteur beteuerte, Erfahrung wäre das Ein und Alles.

Unsere Wanderschaft führte uns bis in das russische Hinterland. Wir hatten unsere Zelte aufgeschlagen und die erste Vorführung gegeben. Ich trug soeben Futter zu den Löwenkäfigen, als der Mann mich ansprach.

Erst hätte ich ihn in der hereinbrechenden Nacht gar nicht bemerkt. Das Gras und die nahen, kargen Büsche wirkten schwarz, der Himmel war samtblau, und der Mann war irgendetwas dazwischen. Erst, als er seinen Zylinder abnahm, sah ich etwas Helles an ihm; volles, akkurat gestutztes Haupthaar. Er hatte ein scharfes Gesicht und eine noch schärfere Nase und seine Augen waren hell und durchdringend, genau wie meine eigenen. Sein Frack ließ ihn wirken, als stammte er aus einem anderen Jahrhundert, und obwohl er einen jugendlichen und agilen Eindruck machte, hatte er einen Spazierstock dabei. Er sagte etwas auf Russisch zu mir, und ich zuckte mit den Schultern, die Miene gleichgültig wie immer, und ging weiter. Schließlich versuchte er es auf Koreanisch.

„Junge. Das war ein beeindruckender Auftritt. Ist das Fleisch für die Löwen?“

Ich schwieg und hievte den Korb vor dem Löwenkäfig zu Boden. Dann warf ich die rohen Fleischbrocken zwischen die Gitterstäbe. Knurrend warfen sich unsere beiden großen Katzen auf sie. Der Anblick der hungrigen Löwen schlug normalerweise jeden Zuschauer in die Flucht, der so arrogant war, nach der Vorstellung zwischen unseren Zelten umherzuschleichen.

Nicht so ihn. Im Gegenteil trat er genau neben mich und musterte fasziniert, wie die beiden ihr Futter zerrissen. „Prachtvolle Tiere“, sagte er. Sein Koreanisch klang perfekt. „Aber ihre Zähne und Klauen sind hier im Käfig verschwendet. Hattest du keine Angst, als du mit ihnen in der Manege warst?“

„Nein“, murmelte ich. Der nächste Fleischklumpen flog.

„Warum nicht?“

Weil sie mich kennen, wäre die Antwort gewesen, die mir auf der Zunge lag. Aber dieser Mann nervte mich. „Wenn ich mit ihnen in der Manege bin, sollten sie es sein, die sich fürchten, deshalb.“

„Ich verstehe.“ Er neigte den Kopf und ich sah sein schräges Lächeln. Ein Zahn fehlte ihm, konnte ich erkennen. „Wie alt bist du, Junge?“

„Zehn.“

„Und mit zehn beherrschst du solche Kunststücke?“

Ich zuckte mit den Schultern.

Eine Weile schwieg er. „Auch deine Fähigkeiten sind hier verschwendet“, meinte er schließlich abfällig. „Willst du für den Rest deines Lebens diesem Zirkus angehören?“

„Er ist meine Familie.“

„Ah ja, Familie“, flüsterte er. „Familien sind gefährlich. Sie brechen auseinander, Familienmitglieder sterben, und man versinkt in einem Meer aus Trauer. Die einzige Familie, die ein Mensch braucht, ist dieser Mensch selbst, und alles, was er je geleistet hat, sodass er keine Zeit hat zu trauern, wenn sein Ende gekommen ist.“

Die Worte des Mannes verwirrten mich, aber gleichzeitig fand ich sie faszinierend. Ich dachte an meine Mutter. Und ich hatte schon lange genug von der Manege, wollte mich nicht mehr anstarren und bejubeln lassen. Ich war eine Puppe, die jeden Tag, jede Aufführung dasselbe tanzte, immer und immer wieder, ohne etwas anderes als Langeweile dabei zu empfinden.

„Ich habe keinen anderen Ort, an den ich gehen könnte“, sagte ich mutlos.

„Ah ja“, machte er wieder. „Danach streben die Menschen, wohl wahr. Aber braucht man so einen Ort wirklich? Was ist eine Heimat? Ein Land? Ein Fleck Gras? Eine Häuserruine? Wenn der Mensch einen Ort braucht, an dem er bleiben kann, wozu hat er dann Beine, die ihn überall hin tragen?“ Ich schwieg, und er fuhr fort. „Du selbst könntest deine Familie sein. Wo du gerade stehst, das ist deine Heimat. Was du erreichen kannst, das ist dein Besitz. Hört sich das gut an?“

„Ja“, murmelte ich nach langem Überlegen. „Nach … Freiheit.“

„Ah, Freiheit.“ Er lachte leise und schulterte seinen Gehstock. „Solange ein Mensch essen muss, um zu leben, kann er nicht frei sein. Aber er hat die Möglichkeit, frei zu wählen, wodurch er sich sein Essen verdienen will.“

„Wer bist du?“, rief ich ihm hinterher, als er sich zum Gehen wandte, so laut, wie ich es gerade noch wagte.

„Ich komme morgen wieder. Triff mich nach der Aufführung dort hinten auf dem Hügel.“ Sein Stock deutete hinter seinen Rücken, wo das Land ein klein wenig anstieg. „Dann sag mir deine Entscheidung.“

Welche Entscheidung, hätte ich fragen können, aber ich verstand, was er meinte. In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf. Ich wusste nichts über ihn, doch gerade das faszinierte mich. Dieser Mann sah mich nicht als ein Tier, als ein Objekt seiner Belustigung. Er glaubte, dass ich mit meinen Fähigkeiten etwas anderes tun könnte, obwohl alle anderen immer meinten, der Zirkus wäre das einzige, wo wir unsere Fähigkeiten gebrauchen konnten. Und dass ich mich entscheiden konnte, bedeutete Freiheit, wenn auch nur ein bisschen.

Ich konnte nicht einschlafen, ich war wach, bis der Morgen graute. Und ich entschied mich.

Attentäter


 

I paint a new world

Magical brushes will lighten

Paint a new world

Earth, wind, fire and sea!

(Helloween – Paint A New World)

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Der Mann wartete auf dem Hügel, wie er es gesagt hatte. Ein alter, knorriger Baum bog sich dort im Wind. An einen seiner verkrüppelten Äste war eine Gestalt gefesselt, ein Junge, erkannte ich, vielleicht etwas älter als ich. Er war wach und wand sich, seine Augen waren so sehr geweitet, dass ich das Mondlicht darin schimmern sehen konnte. Ein Tuch knebelte ihn, aber er brachte gestöhnte Laute hervor, als er mich sah. Ich trug meine übliche Miene aus Stein.

„Da bist du also.“ Der Mann klang zufrieden. Tock, tock machte seine Stockspitze auf dem Boden. „Du hast dich also entschieden, mit mir in ein neues Leben zu kommen?“

„Ich will ein neues Leben. Aber ich will wissen, welches Leben es sein wird, das du mir bieten kannst.“

Er lächelte. „Dein Leben“, sagte er, „wird der Tod sein.“

Ungeschönt erzählte er mir, wer er war. Kalaschnikow nannte er sich, und Menschen konnten ihn dafür bezahlen, andere Menschen zu töten. Er sprach davon, als wäre es ein simpler Arbeitsauftrag, wie etwa ein Bild zu malen oder eine Skulptur zu behauen. „Es ist eine Kunst“, sagte er. „Ist das nicht offensichtlich? Es gibt immer Menschen, die etwas als Kunst bezeichnen, was in den Augen anderer abscheulich oder ohne Sinn ist. Also kann selbst das Töten Kunst sein. Ich bin der Künstler, und dich kann ich ausbilden.“

Ich überlegte lange. Ließ mir seine Worte besonnen durch den Kopf gehen. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte er mir von seinem Handwerk schon am Tag zuvor erzählt. „Du verdienst dein Geld mit dem Töten“, sagte ich, „aber jeder, der Geld verdient, gibt etwas dafür. In der Manege haben wir die Menschen zum Staunen gebracht und sie waren hinterher stolz, dass sie uns gesehen haben. Aber du räumst nur die Feinde von reichen Leuten aus dem Weg. Du nimmst Leben, aber was gibst du?“ Es erschien mir nicht ganz richtig. Menschen, die ihn kannten und die genug Geld besaßen, sollten die Macht über den Tod haben? Das Schicksal hatte die Macht über den Tod, sonst nichts. Ich wusste damals noch nicht, dass er mich selbst zur Hand des Schicksals machen würde.

„Ah ja, aber warum haben diese Feinde jemanden, der ihren Tod wünscht?“, sagte er, ließ sich von keiner meiner Fragen aus der Ruhe bringen. Warum auch? „Für wen heuert man Attentäter an, mein Junge? Für den Bettler, der einen im kalten Winter belästigt? Für den Strolch, der einen die Piroschki vom Teller klaut? Für die alte Dame aus der Nachbarschaft, die den ganzen Tag nur zetert und schimpft? Für den Hund, der den Zaunpfahl markiert hat? Nein. Nur, wenn jemand großes Unrecht getan hat und sich viele Feinde geschaffen hat, wird irgendwann vielleicht ein Todeskünstler angeheuert. Wenn du mit mir zusammen arbeitest, werden wir gutes Geld verdienen und die Welt von diesen Leuten säubern. Wir streichen die Welt neu, schöner und sauberer, wir verhindern Kriege und blutige Schlägereien. Ein einzelner Stich kann mehr bewirken als eine Ausschreitung auf offener Straße, mit Gewehren und Tränengas und hunderten Todesfällen. Aber wie es so mit Kunst ist, können das nur wenige verstehen. Und Künstler arbeiten nur für die, die sie verstehen, mein Junge. Würdest du über das Seil balancieren für jemanden, der für den Zirkus nur ein leeres Schnauben übrig hat?“

Seine Worte waren einfach zu verstehen. Ich hatte nie in einer Stadt gelebt, wo Menschen sich an Regeln halten müssen, um einander nicht an die Gurgel zu gehen. Wir Akrobaten waren eine große Familie, wir mochten uns und wenn wir stritten, versöhnten wir uns wieder. Aber wo viele Menschen zuhause waren, schwelte der Hass. Dann war es besser, einen simplen Stich zu setzen, als zu warten. Es war besser, die Wunde aufzustechen und den Eiter erlösend abfließen zu lassen. Das verstand ich. Das war auch nicht schwer zu begreifen, selbst für mich nicht. Darum brauchte Kalaschnikow sich nicht um Gesetze zu kümmern. Er setzte dort an, wo das Gesetz dem Recht im Weg stand. Und er bekam Geld dafür. Und er war frei, so frei wie er sein konnte.

„Gesetze sind mir egal“, sagte ich zum Schluss, „und ich will auch nicht die Welt verbessern. Aber wenn das, was du machst, einen höheren Sinn hat, und sinnvoller ist, als im Zirkus aufzutreten, dann entscheide ich mich für dich. Aber – wenn ich mit dir gehe, werde ich nicht mehr angestarrt werden wie ein wildes Tier, oder? Obwohl ich wie ein wildes Tier töten würde.“

Er lachte, leise nur, als fürchtete er, gehört zu werden. „Oh nein. Niemand wird dich anstarrte, denn niemand wird dich sehen. Nur die, die unsere Kunst verstehen, werden uns tolerieren. Das muss dir klar sein.“

Das war mir klar. Ich nickte.

„Nun gut. Ich stelle dich vor eine Prüfung. Jeder Künstler muss Talent haben. Beweise mir deines.“ Er deutete mit seinem Stock auf den Jungen, den er an den Baum gefesselt hatte. „Du musst aus dem Leben deiner sogenannten Familie verschwinden. Seine Leiche hier werden wir als deine ausgeben. Dazu musst du ihn aber töten. Kannst du das, mein Junge?“

Ich sah den anderen Jungen an. Er zitterte am ganzen Leib, starrte und starrte und hatte tellergroße Augen. Offenbar verstand er, was wir sprachen. „Ich brauche eine Waffe“, sagte ich. „Soll Kunst nicht elegant sein?“

Da packte er seinen Stock und zog den Knauf heraus. Eine dünne, zwanzig Zentimeter lange Klinge war in der Holzhülle verborgen gewesen. Sie blitzte im Mondlicht auf, als Kalaschnikow sie mir reichte. Ich nahm sie und schnitt dem Jungen die Kehle auf. Dann wich ich rasch zur Seite, um dem Blutschwall zu entgehen. Ich hätte auf sein Herz gezielt, aber ich war Anfänger. Vielleicht hätte ich daneben gestochen.

Kalaschnikow nickte, als der Kopf des Jungen schließlich leblos herunterhing. „Du hast nicht gezögert. Kannst du mir sagen, warum?“

Es war einfach. „Er hätte sowieso sterben müssen“, sagte ich. „Er hätte unsere Kunst nicht verstanden, und er hat uns trotzdem gesehen. So hat sein Tod einen Sinn gehabt.“ Trotzdem war meine Kehle wie ausgedörrt.

So wurde ich ein Assassine. Kalaschnikow half mir dabei, die Leiche des Jungen so herzurichten, als wäre sie von den Löwen zerfleischt worden, und sie in den Käfig zu zerren. Man würde denken, ich sei es gewesen, da sie meine Kleider trug. Kalaschnikow gab mir einen warmen schwarzen Mantel und führte mich fort von hier, fort von meinem ersten Mord, meinem ersten Kunststück, und meinem ganzen Leben hinter einem Vorhang.
 

Die nächsten Jahre unterwies er mich. Es gab viel zu lernen. Als erstes lernte ich, mich zu verstecken. Das fiel mir besonders schwer, denn für gewöhnlich stand ich im Rampenlicht und musste achtgeben, von allen begafft zu werden. Ich schlich durch die Straßen einer russischen Stadt, bemüht, niemandem Grund zu geben, mich länger als einen Herzschlag anzusehen. Ich brach in Häuser ein, deren Türen mir Kalaschnikow zunächst noch öffnete, später dann ich selbst, und brachte ihm einen Löffel oder eine Gabel als Beweis, dass ich Dinge finden und lautlos schleichen konnte. Später musste ich die Dinge dann auch wieder zurücklegen, und wir beobachteten die Familie am nächsten Tag gemeinsam, um zu überprüfen, ob sie auch nichts von ihrem nächtlichen Besucher bemerkt hatten. Die Aufgaben wurden immer schwieriger. Ich musste einem Mann nachts den Ehering vom Finger stehlen oder mich am Abend in ein Haus schleichen und dort bis zum nächsten Morgen ausharren. Kalaschnikow meinte, wenn man mich erwischte, würde er mir nicht helfen. Also erwischte man mich nicht. Anfangs ließ er mich noch die Wahl, ob ich bestimmte Dinge tat oder nicht, später war er unnachgiebig. Er war ein guter Lehrer.

Ich lernte hundert Gifte kennen und ebenso viele Arten, Menschen zu töten, mit Messern, Pistolen, Fallen und Bestechung. Ich lernte, Männer für mich anzuheuern und sie danach auszuliefern. Niemand wusste, dass ich dahintersteckte. Niemand konnte mich finden.

Ich lernte Englisch, Russisch, Spanisch und Deutsch. Das wären die wichtigsten Sprachen, meinte Kalaschnikow. Wir bräuchten nur wenig zu reden, aber wenn wir es täten, wäre es gut, wenn möglichst viele Menschen auf der Welt uns verstehen könnten.

Auch meine akrobatischen Fertigkeiten förderte er weiter. Sie überstiegen die Kalaschnikows bei weitem, aber ich hörte nie Lob von ihm. Er sagte einmal, sein Lob wäre, dass ich am Leben wäre. Ich erkannte, dass ich mir meine Freiheit erkämpfen musste. Er konnte nicht riskieren, dass ich seine eigene Freiheit gefährdete.

Meinen neuen Namen durfte ich mir selbst auswählen. Mein Lehrer hatte sich nach einer Waffe benannt, aber ich dürfte alles nehmen, außer Ichirou, denn Ichirou war tot. So nannte ich mich Ansatsu. Ihm gefiel das, er verstand den Begriff und mochte seine Einfachheit.

Nach anderthalb Jahren waren wir schon durch die halbe Welt gereist, nach Europa und Indonesien, sogar nach Kairo, immer dorthin, wohin es Kalaschnikow verschlug. Ich sah nie, wie er einen Auftrag bekam. Erst wenn er das nicht mehr von mir verbergen konnte, wäre ich so weit, selbst welche anzunehmen, die nicht nur der Übung dienten. Dafür durfte ich ihm zur Hand gehen, wann immer es möglich war, selbst bei wichtigen Missionen. Einmal sollten wir einen dicken Politiker in Frankreich töten und seine Leiche in einem Restaurant auf einem Tisch platzieren, inmitten einer großen Früchteplatte und mit einem Apfel im Mund, und sein Gesicht sollte die Farben der französischen Flagge haben, blutig und blutleer und erfroren. Das war das ausgefallenste Kunststück, das wir je zusammen erschaffen sollten, und es war lange Zeit in den Medien, erzählte mir Kalaschnikow, und nie fand jemand eine Spur, wer es getan haben könnte, bis man letzten Endes drei Männer verhaftete, die man verdächtigte, etwas damit zu tun zu haben. „Wenn man seine Vorlieben zur Kunst zu sehr bekannt macht, riskiert man, die Gegner dieser Kunst auf den Plan zu rufen“, sagte mein Lehrer dazu.
 

Im Sommer, kurz bevor ich zwölf wurde, gab Kalaschnikow mir einen Auftrag, der sich sogar von alleine erfüllte. Das käme zuweilen vor, meinte er, und wir strichen dennoch die Belohnung ein. Aber diese Mission ist mir lange nicht aus dem Kopf gegangen.

Wir flogen nach Mexiko City, wo es bestialisch heiß war; selbst nachts, in der Zeit unseres Wirkens, war es immer noch drückend warm. Wir hatten unter falschem Namen – ein gebrechlicher Großvater und sein Enkel – in einem billigen Motel Unterschlupf gefunden. In dem Teil der Stadt tobte ein Untergrundkrieg, Banden bekämpften sich seit Monaten bis aufs Blut, und die Polizei war damit überfordert oder man hatte sie schon längst geschmiert. Ein Politiker, dem diese Scharmützel ein Dorn im Auge waren, hatte uns angeheuert, zwei Schlüsselfiguren in diesem Kleinkrieg auszuschalten. Ihr Tod würde eine der beiden Seiten zusammenbrechen lassen, und der Politiker steckte mit der anderen unter einer Decke, vermutete Kalaschnikow. Zwei Männer zu töten, die wahrscheinlich mit Klappmessern und Pistolen bewaffnet waren, sich aber gern betranken und bekifften, war nicht schwierig, daher schickte er mich alleine los. Er gab mir Zeit bis zum Morgengrauen, ehe er selbst etwas tun würde. „Es ist ein gutes Training“, sagte er. „Ich versuche, mehr über unseren Auftraggeber herauszufinden.“ Es war immer gut, Kunstkenner zu kennen. Kalaschnikow hatte es dann sogar geschafft, noch den einen oder anderen Peso zusätzlich aus ihm herauszuquetschen.

Die Nacht war düster und stickig, sternenlos und smogverhüllt, als ich zu dem Lagerschuppen kam, wo meine beiden Ziele heute sein würden. Vielleicht noch mit Bodyguards, aber wenn ich einen Plan hatte, konnte ich es auch mit fünf gleichzeitig aufnehmen. Keine Leute waren hier auf der Straße, und ich war einer von ihnen – ein Niemand, ein Schatten ohne Licht. Es war ein heruntergekommenes Industrieviertel, alt und verlassen, aber der Treffpunkt für Abschaum und Gesindel, wie es schien.

Durch das gekippte, kleine Fenster mit der undurchsichtig gewordenen Scheibe sickerten Licht und Zigarrenqualm, aber auch Geräusche, Stimmen und leise Schreie. Als ich an einem Faden befestigt eine Spiegelscherbe über dem Fensterspalt hochzog und unauffällig ins Innere des Schuppens sehen konnte, erkannte ich, dass meine Ziele Gefangene hatten.

Nicht nur meine zwei, sondern auch ein dritter braungebrannter Mexikaner mit mehr Tattoos als freier Haut und mehr Muskeln als Knochen befanden sich dort drin. Die Tür war verriegelt und verrammelt, das Licht kam von ein paar gelben Neonröhren, die ein surrender Generator in der Ecke antrieb, der nach Diesel stank. Leere grüne Plastikcontainer standen herum, auf dem Boden lagen löchrige graubraune Decken. Es gab einen Kühlschrank und einen Tisch, auf dem eine Pistole, Munition, Spielkarten, eine Zigarrenschatulle und ein Hartschalenkoffer lagen. Ich prägte mir alles genau ein, jedes Detail konnte mir helfen oder schaden, je nachdem, wie ich es zu nutzen wusste. Einen Spiegel mit abgesprungener Ecke gab es auch, aber man konnte mich darin nicht sehen; außerdem war da eine alte Toilette in einer Ecke. Während des Bandenkriegs war so ein Versteck sicher Gold wert.

Und dann waren da noch einmal drei Personen, die eindeutig nicht zu ihrer Gang gehörten. Ich zog an meiner Schnur, bis mein Spiegel sich so gedreht hatte, dass ich sie sehen konnte. Da war eine schwarzhaarige Frau, die einer der drei am Handgelenk gepackt hatte und durch den Raum zerrte. Von ihr kamen die Schreie. Ein Junge, vielleicht um die sechzehn, ebenfalls schwarzhaarig, und ein junges Mädchen waren an einer Wand an rostige Eisenrohre gefesselt. Der Junge schrie zornig, aber das Mädchen starrte nur ins Leere. Sie hatte blondes Haar, dicht und lockig, und ihre Augen waren vom Weinen gerötet. Sie durfte etwa in meinem Alter sein.

Der Mann stieß die Frau auf eine Decke und machte sich daran, ihr grob die Hose herunterzureißen. Seine Gefährten saßen am Tisch und lachten und scherzten, aber ich verstand sie kaum. Ihr Slang ließ ihr Spanisch gar nicht mehr richtig spanisch klingen.

Die Schreie der Frau wurden lauter, als der hünenhafte Kerl seinen Gürtel öffnete und die Hose bis zu den Knöcheln runterrutschen ließ. Der gefesselte Junge brüllte laut, auf Japanisch und Englisch und brachte dann noch ein paar Brocken Spanisch hervor, beschimpfte die Männer und fluchte und beleidigte ihre Mütter, ihre Gesichter und alles andere, was ihm einfiel.

Irgendwann wurde es einem von denen, die am Tisch saßen, zu viel. Er schnappte sich seinen Revolver, schlenderte auf den Jungen zu, während sein Genosse grunzend auf der Frau lag, und schlug ihm das harte Metall ins Gesicht. Nun schrie auch das Mädchen, weinte und flehte, sie mögen ihn in Ruhe lassen, aber der Mexikaner hätte sie wohl so oder so nicht verstanden. Er drosch wieder und wieder auf den Jungen ein, als wäre er ein Sandsack, mit der Waffe, mit der Faust und mit dem Fuß, bis sein Gesicht ein blutiger Klumpen und alles darin zerbrochen war, was man zerbrechen konnte. Dann spuckte der Mann aus, und der Junge regte sich nicht mehr. Das Mädchen nahm ihn wimmernd in den Arm, das erlaubten die Fesseln gerade noch, und mein Opfer ging zu seinem Kumpan zurück.

Sie wechselten sich bei der Frau ab, während ich mir überlegte, wie ich sie am besten töten konnte. Ich würde warten, bis ihre Gefangenen schliefen – oder sollte ich sie auch gleich umbringen? Je weniger Zeugen es gab, desto besser. Das hatte der Auftraggeber klar gemacht. Außerdem hatten die Kerle eine Flasche Tequila angerissen. Ich würde warten, bis sie leer war. Bis zum Sonnenaufgang hatte ich noch genug Zeit. Reglos vor dem Fenster in verbranntem Gras hockend, mit einer hüfthohen Mauer als Rückendeckung und einem schwarzen Kapuzenmantel als Tarnung, lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf den Generator und versuchte zu eruieren, ob ich ihn irgendwie in die Luft jagen konnte, als ich ein paar Gesprächsfetzen von den Männern aufschnappte. Die Frau lag mit zerrissenen Kleidern halb in eine Decke gewickelt da und schluchzte, und sie spielten Karten und stritten dabei über ihre Gefangenen.

„Schneid ihn ihr ab“, sagte der eine wiederholt.

„Unnötig“ war das einzige, was ich dem Kauderwelsch des zweiten entnehmen konnte.

„Vier Tage“, sagte der dritte, und ihn verstand ich am besten, „dann müssen wir Enrico ausbezahlen, sonst haben uns die Toros an der Gurgel. Wenn der Kerl nicht zahlen will, müssen wir’s ihm schmackhafter machen.“

„Darum. Schneid ihn ihr ab.“

Der zweite winkte grunzend ab und offenbarte ein gutes Blatt. Sie pokerten wohl, und er hatte einen Drilling.

„Bin auch dafür. Wir geben bei dem Hotel jeden Tag einen ab. Er wird darum betteln, zahlen zu dürfen.“ Der dritte, einer meiner primären Ziele, warf seine Karten auf den Tisch. Full House.

Was der zweite daraufhin knurrte, verstand ich nicht, aber es klang zustimmend. Ich wusste nicht, worum es ging, aber Nummer drei ging auf das Mädchen zu, mit Messer und Pistole bewaffnet. Wenn er sie erschoss, war es eine Kugel weniger, die mir gefährlich werden konnte.

Das Mädchen war starr vor Schreck und drückte sich gegen die Wand. Ihr Blick flackerte immer wieder zu den anderen beiden Gefangenen. Der Mann hielt ihr die Pistole unter die Nase und deutete auf ihre Hand. Sie verstand nicht, also packte er knurrend ihr Handgelenk mit der Linken und setzte mit der Rechten das Messer an.

Sie kreischte auf, und was sie dann tat, kam so schnell, dass selbst ich es fast nicht erkennen konnte. Sie stieß dem Kerl einen Finger ins Auge, und während er aufschreiend zurückzuckte, griff sie zu und hielt plötzlich die Pistole in den dünnen, blassen Fingern. Der Mexikaner ignorierte die Waffe völlig, knurrend streckte er die Hand nach ihr aus – und wurde rückwärts geschleudert, als sie abdrückte.

Der rotgelbe Schwall, der aus seinem Hinterkopf brach, erwischte sogar noch die Männer am Tisch. Sie fluchten, sprangen auf, der eine griff nach seiner Pistole, der andere ließ sein Klappmesser aufschnappen, doch keiner behielt den nötigen kühlen Kopf. Anstatt sofort zu handeln, zögerten sie erst, und das kostete dem zweiten das Leben. Das Mädchen hielt die Pistole mit beiden Händen und schrie mit weit aufgerissenen, tränenden Augen, und die Kugel traf den Kerl in die Brust. Das Messer klimperte zu Boden. Der andere schoss zurück, und das Projektil schlug neben dem Mädchen in dem Eisenrohr ein, sprühte Funken und prallte ab und verfehlte sie ein zweites Mal um Haaresbreite.

Knurrend warf sich der letzte Mexikaner zur Seite, aber sie erwischte ihn trotzdem mit dem übernächsten Schuss. Nachdem der eine in den Tisch fuhr, traf ihn der zweite am Bein. Er stolperte, fiel, verlor seine Waffe – und der nächste Schuss ging in seinen Kopf und machte ihm den Garaus. Ich war verdutzt. Das Mädchen schoss besser als ich. Sie war ein Naturtalent.

Schluchzend sank sie in sich zusammen, und es dauerte viele Minuten, bis sie sich dazu aufraffte, die Leiche des ersten umzudrehen und das Messer aus der Blutlache zu ziehen. Sie zerschnitt ihre Fesseln und die des Jungen, den sie laut beim Namen rief und an der Schulter rüttelte, bis er stöhnend die verquollenen Augen aufschlug. Zu zweit gingen sie hinüber zu ihrer Mutter – ich nahm an, dass es ihre Mutter war, zumindest dem Jungen sah sie ähnlich – und ich sah zu, wie sie eine geschlagene halbe Stunde nur so dasaßen, sich einander umarmten und weinten. Die Sprache, mit der sie beruhigend aufeinander einredeten, war sauberes Japanisch.

Sie berieten sich, was sie tun wollten, und kamen zu dem Entschluss, zu fliehen. Ich wartete geduldig. Das Mädchen wollte wieder nach der Pistole greifen, aber ihre Mutter schlug sie ihr aus der Hand. Also begnügten sie sich mit den Messern. Der Junge schaffte die verbeulten Metallfässer aus dem Weg, die die Tür versperrten, löste Ketten und Riegel und stieß sie auf.

Auf meiner Seite des Lagerschuppens kletterte ich an der rostigen Regenrinne hoch aufs Dach und sah zu, durch welche Gassen sie ihre Flucht führte. Anschließend betrat ich selbst den Schuppen und vergewisserte mich, dass die drei Mexikaner tot waren. Ich kam mir ein wenig verloren vor, weil ich nichts zu tun gehabt hatte, und so beschloss ich, wenigstens etwas über den Grund ihres Ablebens herauszufinden.

Ich folgte der Spur der drei bis zu ihrem Hotel und recherchierte auch noch die nächsten Tage etwas. Kalaschnikow sollte es nicht bemerken, nahm ich mir vor, aber wahrscheinlich tat er es doch. Er sagte jedoch nichts dazu.

Die Familie war aus Japan, konnte ich mir schließlich zusammenreimen, und ich fand sogar ihre Personalien heraus. Der Vater war Europäer und ein reicher Geschäftsmann, und die Mexikaner hatten seine Familie gekidnappt, um Lösegeld aus ihm herauszupressen, mit dem sie ihre Schulden bei einem Schwarzmarkt-Händler bezahlen wollten, der ihnen zusätzlich zu der rivalisierenden Straßenbande auf die Pelle gerückt war.

Ich folgte einem Gefühl und bewahrte die Informationen über die Familie auf. Besonders dieses Mädchen hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, nicht nur, weil sie mir meine Arbeit abgenommen hatte. Das war das erste Mal, dass ich auf Miyuki traf.
 

Ein halbes Jahr später tauchten die Nebelwesen wieder auf, und diesmal auf der ganzen Welt. Wir waren wieder in Russland, in Moskau, und es war schneidend kalt dieser Tage. Als wir in den Nachrichten davon hörten, erinnerte ich mich an die Geschichten über die Nebelmonster in Japan. „Glaubst du, dass es übernatürliche Wesen gibt?“, fragte ich Kalaschnikow.

Er nickte andächtig. „Ja. Übernatürliche Wesen, das wären wir beide.“

Die Monster waren real, ganz gleich, was er sagte. Ich erhaschte auch einen Blick auf diesen schwarzen Obelisken, der direkt neben dem Historischen Museum auf dem Roten Platz aufgetaucht war. Und bei einem nächtlichen Ausflug, bei dem Kalaschnikow irgendwo im Geheimen einen langjährigen Auftraggeber und Freund treffen wollte und ich als Begleitschutz mitkommen durfte, bekamen wir es sogar mit einem der Wesen zu tun.

Es kam uns in einer finsteren Gasse zwischen einer Hauswand und einer hohen Mauer entgegen getorkelt. So, wie es aussah, musste ihm höllisch kalt sein. Die Pflastersteine glitzerten vor Raureif und an den Backsteinwänden prangte der Frost, und Eiszapfen und Schneewehen waren sowieso überall zuhause.

Das Wesen trug keine Kleidung außer Handschuhen und Stiefeln. Seine Arme und Beine wirkten auf den ersten Blick muskulös, aber sie wuchsen direkt aus seinem Kopf, und aus mehr bestand es schlussendlich nicht. Eine breite Brille bedeckte seine Augen, seine Lippen waren rot und fleischig, und borstiges schwarzes Haar bildete Bart, Augenbrauen und Achselbehaarung zugleich. Es wirkte grotesk, als versuchte es, sich in möglichst menschenähnlicher Form zu zeigen. Eine rote Tätowierung auf dem kahlen Schädel bildete ein Wort, das ich im schummrigen Licht der Straßenlaternen als Future entziffern konnte. Begleitet wurde es von einem undefinierbaren Gestank, und es blieb stehen, als es uns sah.

Für einen Moment wussten wir nicht, wie wir reagieren sollten. An einem Menschen wären wir einfach vorbeigegangen. Wir waren zwei Landstreicher, die vor der Kälte flohen, nichts weiter. Wer uns sah, spielte keine Rolle, es durfte sich nur niemand an uns erinnern.

Aber das war ein Monster. Ein Nebelwesen, ein Alien? Es gab keine wirkliche Erklärung für sein Auftauchen. Als wir es noch anstarrten, rülpste es. Feindselig schien es nicht zu sein.

Hinterher sagte Kalaschnikow, er hätte befürchtet, es könnte wie ein Tier unsere wahren Absichten riechen oder erkennen, was sich unter unseren Kapuzenmänteln verbarg. In dem Moment sagte er nur: „Ansatsu.“ Und ich wusste, was ich zu tun hatte.

Wir stürmten auf das Untier zu und nahmen es in die Zange. Das bemerkte es auf jeden Fall, denn es drehte sich zu mir herum und hob die Fäuste. Es war gut, dass es mich angriff, ich war schneller als mein Lehrer. Ich wich seinem Schlag um Haaresbreite aus und verpasste ihm einen halbhohen Tritt gegen den überdimensionierten Kopf. Seine Arme waren vergleichsweise so kurz, dass ich nicht genug Wucht zusammenbekam, um es umzuwerfen, aber auch so prallte es zurück. Kalaschnikow hatte indes seine Stabklinge gezogen und stieß zu, aber das Biest sprang aus dem Stand zwei Meter hoch und er stolperte unter ihm hindurch.

Das Monster landete auf der Mauerkrone und geriet dort dank des Eises ins Rutschen, fing sich aber wieder.

Ich würde es nicht entkommen lassen. Wir hatten ihm offenbart, dass wir Künstler waren, und in Russland hatten sich Gerüchte breit gemacht, dass die Monster das Ergebnis amerikanischer Genforschung waren. Es war vermutlich nur Panikmache, aber wenn die Wesen menschliche Herren hatten, durften diese nichts von uns erfahren. Nur auserwählte Menschen erfuhren von uns Künstlern, jene, die unsere Kunst auch zu schätzen wussten. Also setzte ich dem Ding hinterher.

Ich sprang auf das Fensterbrett zu meiner Rechten, von dort aus zur Mauer, stieß mich gleich wieder ab, wobei die ausgeklappten Stahlklingen meiner Stiefelsohlen knirschten und Funken schlugen, als sie sich durch die dünne Frostschicht und in die Ritzen der Backsteine gruben, erwischte das Fensterbrett ein Stockwerk höher mit den Fingern, hing für einen Moment in der Luft, wobei ich gefährlich abrutschte, dann stieß ich mich abermals mit den Füßen fort, schlug einen Salto in der Luft und landete genau auf dem Biest, das eben wieder sicheren Stand gefunden hatte. Auf der Mauer selbst hätte ich mich ohnehin nicht halten können, also riss ich es einfach mit mir, als ich auf der anderen Seite wieder hinabstürzte. Es stieß einen rauen Schrei aus, ich rollte mich zu einer Kugel zusammen, um den Aufprall zu dämpfen …

Wir landeten auf einem leicht abschüssigen Hang, wo die Erde zu Stein gefroren war. Ein leichter Schmerz zuckte durch meine Schulter, aber ich rollte mich gekonnt ab und kam am Fuß des Hangs wieder zu stehen. Das Monster kollerte mir hinterher.

Wie konnte ich es nun töten? Bei einem Menschen wäre ich auf die Kehle oder das Herz gegangen, aber das Wesen hatte keine Kehle und auch keinen Brustkorb. Wie dick mochte sein Schädelknochen sein? Würde ich durch die Sonnenbrille und seine Augen stechen können? Ich zückte vorsorglich meine Stiftklinge, die ich in einem Unterarmhalfter aufbewahrt hatte. Knurrend sprang die Kugel wieder auf und schlug nach mir. Abermals wich ich aus, die Kälte hatte sie verlangsamt. Die behandschuhte Faust erwischte einen toten Baum und riss ein Loch in die Rinde. Es war gefährlich.

„Ansatsu!“ Ich sah einen Schatten auf der Mauer. Kalaschnikow warf mir etwas zu. Ich griff danach und fing den Gehstock auf. Etwas über einen Meter fein gemasertes Hartholz, mit stählerner Spitze und eisernem Knauf. Alles, was ich brauchte.

Als das Wesen erneut zuschlagen wollte, hüpfte ich ihm auf den Kopf, riss mit den Stiefelklingen seine Haut auf und sprang senkrecht in die Höhe, den Stock im Mund, erwischte einen Ast des Baumes, spannte meine Bauchmuskeln an und schwang mich auf dessen Oberseite. Mit Dingen aus der Natur zu arbeiten war meist ein wenig komplizierter als mit Requisiten aus der Manege, aber es war ungleich interessanter. Die nächsten Äste erreichte ich schneller. Sie knarrten unter meinem Gewicht, aber zum Glück war ich nicht wirklich schwer. Als ich die gewünschte Höhe erreicht hatte, starrte das Wesen mit blutigem Kopf zu mir hoch und machte Anstalten, mir zu folgen – also sprang ich und hielt den Stock mit beiden Händen wie eine Feuerwehrstange.

Kurz bevor ich es erwischte, stieß es sich ab, aber genau auf mich zu. Der Stock stieß es mit meiner ganzen Fallgeschwindigkeit wieder auf den harten Boden, die eiserne Spitze bohrte sich genau auf Höhe seiner nicht vorhandenen Nase durch den behaarten Kopf und bis in den Boden. Das Monster schrie laut auf und streckte mir die zu Klauen geöffneten, zitternden Hände entgegen, dann zerbarst es in tausend funkelnde Einzelteile. Ich sah verwirrt nach, wie sie gen Himmel schwebten. War es nun tot? Oder hatte es sich aus dem Staub gemacht? Nein, wenn es gewissen Regeln der Kunst folgte, musste es tot sein. Ich atmete tief durch. Die eiskalten Nadeln in meiner Lunge bewiesen mir, dass ich noch am Leben war.

So erfuhren wir, Kalaschnikow und ich, dass diese Monster, die überall in der Welt auftauchten, nicht unsterblich waren. Am nächsten Tag hörten wir von einem Luftkampf zwischen verschiedenen Monstern über dem Roten Platz, und kurz darauf waren sie alle wieder verschwunden, aber ich war um eine Erfahrung reicher.
 

Zwei weitere Jahre vergingen, bis Kalaschnikow sagte, ich wäre soweit, mein eigener Herr zu sein. Er hätte mir nichts mehr beizubringen. Kurz zuvor hatte ich einige seiner geheimen Briefe gefunden und geöffnet und Kontaktdetails zu seinen Auftraggebern gefunden, und ihn außerdem belauscht, wie er mit einem anderen redete, ohne dass er es bemerkt hatte. Ja, ich war bereit, meine eigenen Kunstwerke zu gestalten, allein.

„Ich habe dich als meinen Schüler angenommen“, sagte Kalaschnikow an jenem Abend zu mir. „Nun sollst du mein Nachfolger werden.“ Und dann griff er mich an. Ich hatte es erwartet. Es war die letzte Prüfung, die auch er vor mir abgelegt hatte. Töte deinen Lehrer, nur dann hast du ihn übertroffen. Das war eine Regel der Todeskunst. Wenn ein Attentäter alt wurde, suchte er sich einen jüngeren Schüler, bildete ihn aus und ließ ihn sein Werk fortsetzen. So drehte sich das Rad und dem einen Decknamen folgte der nächste, und ich könnte wieder ein Stück freier werden.

Der Kampf war kurz und einfach. Kalaschnikow war in der Tat alt, und ich war schneller, stärker, geschickter und gelenkiger. Als er mit einer klaffenden Kehle und einem Lächeln vor mir am Boden lag, sagte er: „Gut gemacht, Junge.“ Es war das erste und einzige Lob, das ich von ihm hörte. Ich verzog keine Miene. Das wollte er, und es musste so sein. Das war vielleicht die wahre Prüfung, keine Trauer für den Mann zu empfinden, der vier Jahre lang so etwas wie der Vater war, den ich nie gehabt hatte.

Ich übernahm seine Stammkunden und schrieb meinen Namen statt seinen in die Untergrundnetzwerke, wo neue Auftraggeber mich anwerben konnten. Zur Feier des Tages ließ ich mich tätowieren, wo das Blut meines Lehrers meine Stirn benetzt hatte. Rot und verschlungen wurde es, geheimnisvoll und gefährlich. Es sollte mein Andenken an ihn sein und mich selbst zwingen, noch vorsichtiger zu sein, weil ich damit auffälliger wäre. Es würde meine Sinne schärfen, wie er sie stets geschärft hatte.

Zwei Jahre lang lebte ich auf eigene Faust, und das Leben war so einfach wie der Tod. Bis man mir eines Tages einen Auftrag stellte, wie ich ihn noch nie bekommen hatte. Es ging wieder um die Nebelmonster.

Dunkler


 

And then we’ll rise in victory

We’ll return stronger than ever

We shall rise from agony

Stand our ground

Stronger than ever

(Gamma Ray – Rise)

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Selbst Attentäter brauchen eine Plattform, wo sie ihre Dienste anbieten. Kalaschnikow hatte das meistens in verrauchten Stammtavernen in Moskau, Shanghai und Chicago gemacht, wo Leute, die nach einem geeigneten Meuchelmörder suchten, Verbindung mit ihm aufnehmen konnten. Andere hinterließen Briefe an speziellen Verstecken, wenn es nicht eilte; die hatte er dann abgecheckt, wenn er auf seinen Reisen wieder einmal dort vorbeikam. Es waren nie viele Aufträge, aber so hatte er jeden, den er für erstrebenswert hielt, zeitgerecht erfüllen können. Allerdings hatte er nebenbei noch einen Schüler auszubilden, und diese Zeit hatte ich hingegen frei. Ich übernahm all seine Kontakte und knüpfte neue mit Vermittlern im Untergrund, aber es kam mir unpraktisch vor, in der Moderne immer noch altmodische Briefe und Mundpropaganda allein zu benutzen.

Ich brachte mir also selbst einiges über Computer bei, legte mir einen möglichst anonymen Mail-Account an und ließ meine potentiellen Auftraggeber mir E-Mails schreiben. Einigen Kunden teilte ich mit, wie man mir zu schreiben hatte. Die Nachrichten sollten alle möglichst freundschaftlich aussehen und mich mit einem falschen Namen ansprechen. Nichts sollte auf die wahre Bedeutung hinweisen, aber wen die Verfasser beiläufig erwähnten, und seien es nur Hinweise, den würde ich töten. Ich schrieb dann in den meisten Fällen eine ebenso freundschaftliche Antwort, und die einzige Zahl, die darin vorkam, war mein Preis, und ein Datum und der Ort deuteten die Übergabe an. Es war etwas umständlicher und ich wusste nicht, wie sicher es tatsächlich war, aber ich versuchte zumindest, mit der Zeit zu gehen. Die meisten Kunden schraken vor E-Mails allerdings auch noch zurück, und so trudelten nur drei Aufträge auf meinem Konto ein, das ich von Internet-Cafés aus aufrief. Die dritte Mail hatte es dafür in sich.

Der Betreff war neutral, wie übliche Auftragsmails sein sollten, und sie enthielt einen Bericht über ein Picknick, das einer von zwei Brieffreunden kürzlich mit seiner Familie gemacht hatte. Rate mal, wen wir gesehen haben. Danach folgte ein kryptischer Link. Ich vermutete, dass er mir das Bild meines Opfers anzeigen würde, das war schließlich auch eine Option, die ich in Kalaschnikows Stammkneipen aufgezeigt hatte. Stattdessen zeigte mir die Website die wahre Nachricht, die für mich bestimmt war.

Hallo, Ansatsu, stand dort auf Japanisch. Ich beschloss, die Seite sofort zu schließen, aber vorher kopierte ich schnell den gesamten Text mit einem Tastenkürzel und fügte ihn lokal auf meinem Rechner in einem Textverarbeitungsprogramm ein. Dann überflog ich die Nachricht konzentriert.
 

Ich habe deine E-Mail-Adresse und deinen Namen aus dem Computer eines Yakuza-Untermannes. Die Dateien waren geschützt und verschlüsselt, aber als ich sie geknackt habe, erfuhr ich, wer und was du bist. Falls du auf der Suche nach einem Auftrag bist, hab ich einen für dich.
 

Ich habe fünf Ziele für dich, im Bedarfsfall auch mehr. Die Bezahlung sollte deine kühnsten Träume übersteigen, und die Mittel, die ich dir für die Ausführung zur Verfügung stelle, ebenfalls.
 

Falls du interessiert bist, sei am 27. um 18:00 Uhr im Umi no koen in Yokohama. Am Südende findest du eine verschlossene Umkleidekabine. Brich ein und hol dir das Gerät, das unter der falschen Bodenplatte liegt. Wenn du das nächste Mal am PC bist, halte das Gerät mit dem Display voraus an den Bildschirm. Dann wirst du die Einzelheiten erfahren. Keine Sorge, unser Kontakt bleibt vorerst streng digital.
 

Das ist vielleicht nicht der herkömmliche Weg, mit dir Kontakt aufzunehmen, aber der sicherste. Du brauchst nicht zu fürchten, dass ich dich verraten oder ausliefern oder sonstwas will. Auch wenn du diese Website nur kurz angeklickt hast, hab ich deine Verbindungsdaten. Ich hab deine IP und deinen Standpunkt, und ich kann noch mehr herausfinden. Ich habe nicht vor, das gegen dich zu verwenden. Sieh es als Vertrauensbeweis.
 

In meinem Beruf geschah es nicht oft, dass mich etwas wirklich aufwühlte, und so ließ mich auch diese ungewöhnliche Art der Kontaktaufnahme weitgehend kalt. Vertrauensbeweis? Allein diese Erwähnung kam einer Drohung gleich. Ich würde auf jeden Fall dort hingehen, und falls ich zu dem Schluss kam, dass dieser Kunde mir gefährlich werden könnte oder mir auch nur Unannehmlichkeiten bereiten würde, würde ich ihn töten.

Im Nachhinein habe ich mir oft gedacht, dass Taneo genau diesen Entschluss vorkalkuliert hatte.

Der Umi no koen war ein Strandpark ganz im Süden von Yokohama, in der Nähe von Hakkeijima. Es war Juli, und der Strand war gut besucht. Allein der Treffpunkt passte mir nicht. Wenn ich an einem Tag wie diesem in meiner schwarzen Kluft dort aufkreuzte, würde ich gewiss Aufsehen erregen. Erschien ich dort nur in einer Badehose, würden meine bleiche Haut und meine rote Tätowierung genauso auffallen. Letztendlich wählte ich einen breiten Strohhut, eine Sonnenbrille und ein dunkles Hawaii-Hemd.

Der Flug von Hongkong, wo ich die Mail gelesen hatte, nach Tokio ging wie geplant und ich war schon um vier Uhr im Umi no koen. Die Umkleide war nicht schwer zu finden; ein unförmiges, grünes Ding. Ich beobachtete Menschen, die sie benutzten; noch war sie also nicht versperrt. Ich fragte mich, wie mein Auftraggeber vorgehen wollte; soweit ich das beurteilen konnte, konnte man die Kabine gar nicht von außen zusperren.

Ich saß an einer nahen Strandbar, saugte einen alkoholfreien Cocktail durch einen Strohhalm und wartete. Gegen sechs Uhr würde sie jemand betreten und nicht mehr herauskommen. Wenn es einen doppelten Boden gab, war vielleicht auch Platz genug, dass er sich darin versteckte. Mir würde es beispielsweise reichen.

Meine Uhr lief auf sechs zu, aber ich bemerkte keine Veränderung. Menschen betraten und verließen die Kabine, Männer wie Frauen, sie schlüpften sowohl in ihre Badekleidung als auch zurück in ihre Straßenkluft. Niemand schloss sich auffällig lange ein, jeder kam wieder heraus. Dann, als die Anzeige sechs Uhr überschritt, trottete ein dicklicher Mann mit Badetuch und Hose im Arm auf die Umkleidekabine zu, griff nach der Klinke – und wartete verärgert, als die Tür verschlossen war.

Ich sprang beinahe auf. Was war da los? Ich bezahlte und schlenderte ruhig auf die Kabine zu. Der Mann wartete zwei, drei Minuten, dann rief er, wer auch immer die Kabine gerade besetzte, solle sich beeilen, aber ich wusste, dass dort drinnen niemand sein konnte. Irgendwann gab er es auf, und der nächste, der feststellte, dass die Tür tatsächlich von innen versperrt war, war ich.

Als Künstler sah man genug verrückte Dinge. Ausgekochte Schurken versuchten immer, ihre Identität zu verschleiern, und meistens ließ ich sie walten. Aber das hier … Ich untersuchte das Schloss, dann meine Umgebung. Keine Chance für einen Dietrich, auch kein Spalt, um den Riegel zu manipulieren. Aber die Tür war dünn und aus Plastik. Ich gab mir selbst anderthalb Minuten. Mein Tritt beulte sie genug ein, dass ich ins Innere greifen, den Riegel in die Höhe klappen und die verbogene Tür aufziehen konnte.

Niemand zu sehen. Da war nur ein Badetuch am Boden zu sehen, das wohl jemand vergessen hatte. Als ich es lupfte, lag darunter ein kleiner tragbarer Computer, einer von denen, die kürzlich auf dem Markt vorgestellt wurden. Der Akku war leer, erkannte ich, das Ding ließ sich nicht einschalten. Wer würde das hier vergessen?

Ich stampfte mit dem Absatz meiner Sneakers auf dem Boden, bis ich die hohle Stelle bemerkte. Man musste den doppelten Boden irgendwie öffnen können. Mit meinem Messer schabte ich den grünen Lack weg und fand die lose Platte. Jemand hatte sie akkurat aus dem Kunststoffboden gesäbelt und hinterher wieder getarnt. Das hätte nachts jeder tun können.

Einen zehn Zentimeter hohen Hohlraum gab es bis zum untersten Boden der Kabine. Selbst ich könnte mich darin nicht verstecken. Ich leuchtete mit einer Lampe hinein und tastete herum, aber außer einem Plastiksäckchen gab es dort nichts. Also schnappte ich es mir, untersuchte noch einmal gründlich die Wände der Kabine und die Decke – dort war auch nirgendwo Raum zum Verstecken –, nahm dann auch noch das Badetuch und den Computer mit und suchte das Weite, ehe mich jemand für die aufgebrochene Tür zur Rechnung zog. Die Sache wurde immer mysteriöser.
 

Angekommen in meinem Wahlversteck in Japan, einer leer stehenden Dachgeschosswohnung irgendwo in Nerima, untersuchte ich meinen Fund. Das Badetuch war gewöhnlich, roch frisch gewaschen und unbenutzt. Der Taschencomputer war eines der brandneuen Tablets. Ich besorgte mir extra ein passendes Ladekabel dafür, aber als ich ihn hochfuhr, war er noch jungfräulich und hatte keine persönlichen Daten gespeichert.

Das andere elektronische Ding, das in dem Plastiksäckchen war, war interessanter. Es sah aus wie eines dieser alten Tamagotchi, nur dass das Display irrwitzig klein war. Sichtbare Knöpfe gab es nicht, also wusste ich nicht, wie man es einschaltete. Das bedeutete aber nicht, dass es nicht vielleicht schon lief. Ich sollte es einfach vor den Computermonitor halten, hatte es geheißen. Ich nahm also an, dass es auf magnetische Felder reagierte oder etwas in der Art, sich vielleicht per Bluetooth mit dem PC verband und neue Nachrichten verschickte oder selbst zu singen oder piepsen anfing. Ich schaltete ein Diktiergerät ein. Vielleicht kam die Nachricht als Morsecode und ließ sich nur einmal abspielen; Auftraggeber, die sich für besonders gewitzt hielten, bereiteten gerne Rätsel für ihre Todeskünstler vor, um sie zu testen. So oder so, angeblich würde alles auf streng digitaler Basis passieren. Der Rechner in dieser Wohnung war alt und verstaubt, und ich brauchte ihn so gut wie nie. Sollten sie doch meinen Standort herausfinden. Nichts zwang mich dazu, länger hier zu bleiben.

Ich fuhr also den PC hoch, hielt das kleine Gerät an den Röhrenbildschirm – und es geschah.

Der Computer saugte mich ein. Ich verstand nicht, was passierte, da war plötzlich dieses Licht und dann flog ich auch schon durch einen bunten Tunnel. Als der Boden unter mir auftauchte, musste ich den Instinkt unterdrücken, mich zusammenzurollen, weil ich glaubte, dass ich fiel. So landete ich mit einem Knie auf kaltem, schwarzem Marmor, alle Muskeln angespannt, in der einen Hand immer noch das merkwürdige Gerät, in der anderen die Fingerklinge, die ich immer bei mir trug. Ich war in einer riesigen Halle, deren hohe, gewölbte Decke von grauen Steinbögen gestützt wurde. Es war düster hier drin; schummriges Licht sickerte durch ölige Finsternis. Was war mit mir passiert? Eine Droge? War da eine winzige Nadel an dem Gerät gewesen, die mir irgendetwas injiziert hatte? Sie wäre kaum durch meine Handschuhe gedrungen, und außerdem, warum wirkte sie erst jetzt?

Vor mir stand ein großer, billiger Schreibtisch, dessen ausladende, zerkratzte Platte mit allerlei Gerätschaften vollgestellt war. Kabel quollen aus Computern und Bildschirmen und anderen Dingern, deren Zweck ich nicht erkennen konnte. Einige Neonröhren klebten auf dem Boden rings um mich herum, durch dünne Kabel miteinander verbunden, und von ihnen ging das Licht aus. Und hinter dem Schreibtisch standen zwei Jungen und sahen auf mich herab.

Der eine war vielleicht so alt wie ich. Er war ein wenig stämmig, hatte rotes, ungeordnetes Haar und eine Brille mit rechteckigen Gläsern auf der Nase. Der zweite war jünger, vielleicht erst vierzehn, und selbst da mochte ich mich täuschen. Er sah aus wie ein halbes Kind, aber in seinem Blick lag etwas, das ihn älter wirken ließ, härter. Eine lange Narbe zog sich über sein Gesicht und verstärkte diesen Eindruck noch. Was wurde hier gespielt? Sie schienen unbewaffnet – waren sie lebensmüde?

Ich ging im Geiste meine Waffen durch. Die eine Fingerklinge, die ich immer im Unterarmhalfter trug, die zweite in meinem Gürtel, das Messer in meinem Stiefel. Wahrscheinlich bräuchte ich für die beiden nicht einmal eine Waffe. Ich wusste nicht, wie ich hierhergekommen war, aber ich würde Haltung bewahren. „Wer seid ihr?“, fragte ich kalt und ruhig.

„Er läuft tatsächlich nicht schreiend davon.“ Der Junge mit der Brille grinste. „Obwohl wir ihn ins kalte Wasser geworfen haben.“

„Du bist Ansatsu“, sagte der andere. „Ein Auftragsmörder. Ich bin dein neuer Auftraggeber.“

Ich zuckte mit keinem Gesichtsmuskel, aber ich stand langsam auf. „Was habt ihr mit mir gemacht?“, fragte ich mit schneidender Stimme. „Ich lasse mich nicht zum Narren halten.“

„Dann wirst du es uns auch nicht glauben“, meinte der Rothaarige.

„Du befindest dich in der DigiWelt. Ich hielt es für besser, dass wir uns persönlich treffen.“

„Und trotzdem ganz digital“, ergänzte der Brillenträger.

Ich wusste nicht, was die DigiWelt sein sollte, aber ich hatte das Gefühl, dass sie sich über mich lustig machten. Meine Augen fanden den schnellsten Weg über den Tisch und direkt an die Kehle der beiden. Den Kerl mit dem Grinsen würde ich töten, den anderen zwingen, mich zurückzubringen. Ich sprintete los, ließ das Tamagotchi-Ding fallen und zog im Laufen meine zweite Klinge. Als ich federnd in die Höhe schnellte und zwischen all den Monitoren auf dem Schreibtisch landete, traf mich etwas gegen die Brust wie eine Kanonenkugel. Mit einem verblüfften Ächzen wurde ich von der Tischplatte geschleudert und landete auf dem Rücken. Ich spannte die Bauchmuskeln an und kam in einer Rolle rückwärts wieder auf die Beine. Meine Rippen schmerzten. Was war hier los? Da war keine Glaswand, das hätte ich bemerkt. Aber die beiden hatten keinen Finger gerührt …

„Ich glaube, er wollte uns gerade töten“, meinte der Rotschopf überheblich. „Überleg dir das lieber. Hör dir an, was wir dir anbieten.“ Er drückte auf die Tastatur vor ihm und weitere Lampen überall in dem Saal gingen an. Mir stockte für einen Moment der Atem.

Die Halle war mit Panzern gefüllt. Grüne, hässliche Dinger, mit Gesichtern bemalt, und all ihre Rohre waren auf mich gerichtet. Dazwischen standen klobige Roboter aus rostigem Blech, die mich aus seltsam menschlichen Augen ansahen. Sie hatten jeweils den rechten Arm erhoben.

„Wir wollten dir das nicht zeigen, ehe du eingewilligt hast“, erklärte der Jüngere. „Du sollst nicht den Eindruck bekommen, dass wir dir drohen. Wir schicken dich in die Reale Welt zurück, sobald wir deine Antwort haben.“

Vor ihm tauchte ein Wesen in der Luft auf, ein Kanonenball mit Armen und Beinen und einem grimmigen Gesichtsausdruck. Als mich das Ding herausfordernd ansah, wurde es mir klar.

Nebelmonster.

Und ich wusste, dass ich die beiden anhören würde.

Sie erzählten mir Dinge, die meine kühnsten Vorstellungen übertrafen, ganz so, wie sie es versprochen hatten. Es gab diese zweite Welt, und sie wurde von Wesen bevölkert, die ich nur als Nebelmonster kannte. Digimon nannten sie sie, und sie konnten versehentlich ihren Weg in unsere Welt finden. Die beiden Jungen hießen Kentarou und Taneo. Sie hatten sich in einer alten Zitadelle in dieser Welt eingerichtet, um Taneos Traum zu erfüllen.

„Nur jemand, der Macht hat, kann Gerechtigkeit ausüben“, sagte er. Seine Ambitionen straften sein kindliches Aussehen Lügen. „Hier in dieser Welt habe ich Macht. Genug, um euch was davon abzugeben. Wenn wir eine überschaubare Truppe werden, können wir die Dinge hier besser regeln.“

Es war schwer zu glauben, was er alles getan zu haben behauptete. Ich hatte all mein Geschick gebraucht, um auch nur ein Digimon zur Strecke zu bringen, das laut Kentarou noch dazu kein sonderlich starkes gewesen war. Taneo und eine Handvoll anderer Jugendlicher hatten die DigiWelt vor zwölf bösartigen, finsteren Gestalten gerettet. Die anderen hatten diese Welt wieder verlassen, nur er war zurückgeblieben. Hier war er ein Held, konnte die Welt nach seinen Vorstellungen formen. Er konnte jedes Unrecht verhindern, das die Digimon bedrohte, jeden neuen Finsterling, er konnte über andere Gericht halten und von niemandem selbst zur Verantwortung gezogen werden. Soweit ich ihn verstand, stimmte das die obersten Herren der DigiWelt nicht glücklich, daher suchte er nach den Schwertern eines bestimmten Digimons, mit denen er sie auf Abstand halten konnte.

Und mich brauchte er, um gegen seine ehemaligen Freunde vorzugehen, die einzigen, die ihm sonst noch Schwierigkeiten bereiten konnten und es anscheinend auch vorhatten. Er legte mir ihre Namen, Daten und Bilder vor und ging sogar so weit, mich zu fragen, ob ich Skrupel hätte. Wie ich ihn einschätzte, hätte er sich ohne Schwierigkeiten selbst seiner Freunde annehmen können, er hatte die Kapazitäten dazu. Selbst nachdem ich eine Weile für ihn gearbeitet hatte, argwöhnte ich, dass er mich in erster Linie brauchte, weil er trotz allem seine Hände nicht selbst mit dem Blut seiner Freunde beflecken wollte, obwohl er leichtfertig ihr Todesurteil unterschrieben hatte. Ich verstand dieses Verhalten nicht, aber ich hatte es schon oft bei meinen Kunden beobachtet, wenn es um persönliche Dinge ging.

Als ich das Thema auf meine Bezahlung lenkte, lächelte Taneo, und Kentarou grinste. „Ich kann dir kein Geld bieten“, sagte der Junge, „aber dafür etwas anderes. Dazu musst du aber dein DigiVice aufheben.“

Und ich stimmte zu. Das DigiVice, wie er es nannte, konnte mich nicht nur von einer Welt in die andere schicken. Ich konnte damit Fähigkeiten von Digimon abspeichern, immer mehr, mit jedem, das ich tötete, und Taneo ließ durchblicken, dass das dann wohl eine Menge sein würde. Und ich würde die Fähigkeiten als meine eigenen nutzen können, genau wie Taneo und Kentarou es auch konnten, und immer weiter aufsteigen, immer mächtiger werden. Die DigiVices mussten regelmäßig aufgeladen werden, das geschah in der DigiWelt automatisch und konnte durch ein wuchtiges Gerät noch beschleunigt werden, das neben dem Schreibtisch stand.

„Mit diesem kleinen Ding ändert sich dein Schicksal“, erklärte Taneo mir. „Du wirst stärker als je zuvor sein, wenn du wieder in die Menschenwelt gehst. All deine Aufträge sollten ein Klacks sein.“ Was mich mehr reizte, war die Tatsache, dass ich damit der Freiheit noch einen Schritt näher kommen würde. Je mehr ein Mensch von sich selbst aus zustandebrachte, desto freier war er. Ich verstand Taneos Intentionen ein Stück weit.

Ich unterzeichnete keinen Vertrag, wie üblich war die Vereinbarung mündlich. Ich würde für Taneo arbeiten, bis er sagte, es sei genug, und das konnte lange dauern. Um Verpflegung in der DigiWelt würde er sich kümmern, und diese Zitadelle sollte fürs erste unser Zufluchtsort sein. Vor dem großen, steinernen Tor, das in eine Gebirgslandschaft führte, wartete ein riesiger, schwebender Felsen. Darin war eine zweite Kommandozentrale eingerichtet, und sie nahmen mich mit auf eine Reise, auf der ich mir ein wenig von der DigiWelt ansehen konnte. Über dem Meer tauchten wir in einen finsteren Strudel, wo Kentarou von einem geisterhaften schwarzen Ungeheuer Daten in mein DigiVice kopierte. Die ersten drei Attacken von vielen, aber ich würde selbst aussuchen können, welche ich benutzte, welche meinem Stil am ehesten entsprachen. Damit war ich offiziell ein Mitglied seiner Gruppe von menschlichen Kämpfern in dieser Welt, die sich die Dunklen nannten. Sie zeigten mir, wie man das DigiVice richtig benutzte, und die Macht, die ich fühlte, als ein roter Energieball aus meiner Handfläche einen ganzen Hügel in Asche verwandelte, war unbeschreiblich. Mit diesen Fähigkeiten gab es kein Kunstwerk mehr, das ich nicht vollbringen konnte.

„Einige der Digimon meiner alten Freunde sind uns entkommen, als wir sie auslöschen wollten“, sagte Taneo, als wir wieder in der Zitadelle waren. „Sie sind auch in der Menschenwelt, also pass gut auf. Wenn du nicht schnell bist, könnten sie auf ein Level digitieren, auf dem sie dir gefährlich werden können.“

„Ich bin schnell“, sagte ich.

Er nickte. „Dann geh und tu deine Arbeit, während ich hier in der DigiWelt den Krieg vorbereite.“

Ich wusste damals nicht, was er damit meinte. Im Nachhinein betrachtet wäre Taneo ein geeigneter Kandidat gewesen, den jemand anders aus dem Weg hätte räumen wollen. Während ich am folgenden Tag meine Ziele zunächst nur auskundschaftete und mir ihre Partner-Monster ansah, entfesselte er böse Digimon, die eine Armee aufbauten, wie er es mit Kentarous Fähigkeiten ebenfalls tat, und überall in der DigiWelt brach der Krieg los. Schon als ich am nächsten Tag in die DigiWelt kam, wurde ich in einen Kampf verwickelt. Alle gemeinsam kämpften wir Dunklen gegen die Digimon, die sich die Scherben der Macht der Finsternis nannten. Dabei lernte ich erstmals den vierten in unserem Bunde kennen, der noch vor mir eingestiegen war. Sein Name war Aki. Ich hatte Besseres zu tun als mich zu entscheiden, ob ich meine neuen Gefährten – von denen ich seit meiner Zeit als Zirkusartist, was ewig lang her zu sein schien, keine mehr gehabt hatte – mochte oder nicht, aber die anderen schienen Aki nicht besonders leiden zu können, und er war in der Tat etwas seltsam, soweit ich das beurteilen wollte. Er war ein eifriger, emotionaler Kämpfer, aber er spielte gern mit seinen Feinden.

An diesem Abend fragte mich Taneo, wie die Beziehung zwischen verschiedenen Assassinen war. Ich erzählte ihm von Kalaschnikow, und dass ich prinzipiell allein arbeitete. Also formulierte er seine Frage etwas konkreter. „Wir haben noch ein freies DigiVice. Die nächsten fünf brauchen noch, ehe sie die Fabrik verlassen werden. Wüsstest du jemanden, der sich uns noch anschließen könnte? Es muss jemand mit einem starken Willen und genügend Mumm sein. Wir brauchen jeden Mann.“

Spontan fiel mir niemand ein, da ich generell wenig über andere Menschen nachdachte, sofern ich sie nicht töten sollte. Dann aber kam die Erinnerung wieder hoch. „Ich wüsste da jemanden“, sagte ich. „Aber es ist kein Mann.“

Ich sagte Taneo alles, was ich über sie wusste, und er war einverstanden. Ich überließ ihm die Kontaktaufnahme und ging auf eine Solo-Mission – anscheinend war einer von Taneos alten Freunden in dem eisigen Gebiet in der Nähe unserer DigiVice-Fabrik gesehen worden. Ich bekam ein mechanisches Digimon, das mich dorthin flog. Der Junge hatte das Labor bereits betreten, aber es war keiner von den Fotos, die Taneo mir gegeben hatte. Sein Digimon wurde zu einem Insekt mit menschlichem Körperbau, und mir fiel es noch schwer, meine Kräfte zu kontrollieren. Bei dem Kampf wurde nicht nur das Digimon, sondern die ganze Fabrik vernichtet. Der Junge entwischte mir irgendwie, und ein Schneesturm kam auf und verwischte seine Spuren.

Taneo war zerknirscht und wütend über den Verlust der Fabrik, aber immerhin hatten wir bereits ein neues Mitglied, als ich kurz vor Mitternacht wieder in der Zitadelle war.

Miyuki sah anders aus als in meiner Erinnerung. Das verängstigte, verweinte Gesicht von damals war einer selbstgefällige Miene gewichen. Nur ihre Lockenpracht erinnerte an das Mädchen von damals.

„Du hast mich also dieser Bande empfohlen?“, fragte sie, nachdem sie mich so gründlich mit ihrem Blick abgetastet hatte, dass es mir unangenehm war. Ein Assassine durfte eigentlich nie so genau betrachtet werden. Ich fragte mich, was Kalaschnikow gesagt hätte, wüsste er von meinem neuen Großauftrag. „Würde mich interessieren, woher du mich kennst.“

Ich sagte es ihr nie.

Taneo verteilte die Aufgaben. Miyuki und Kentarou sollten in der DigiWelt bestimmte Karten ausfindig machen, die er für seine Zwecke brauchte. Dabei galt es gleichzeitig, die Scherben im Auge zu behalten, und unsere Truppen, die Kentarou mit seinen DigiVice-Fähigkeiten steuerte, vor den Digimon der Allianz zu schützen, die sich gegründet hatte, um uns aufzuhalten. Das war vor allem Akis Job. Ich hingegen wollte mich endlich um meine eigentliche Aufgabe kümmern. Also kehrte ich in die Menschenwelt zurück und tat, was ich am besten konnte. Ich tötete, und nie zuvor hatte ich diese Kunst so gut beherrscht.

Den ersten erwischte ich noch in der gleichen Nacht. Ich betrat die Reale Welt durch seinen Computer; dank des DigiVices konnte ich mir den Ort aussuchen, an dem das Weltentor mich ausspuckte. Ich tötete sein Digimon im Halbschlaf, und er selbst fiel dem violetten Stachel zum Opfer, den ich von dem Insektendigimon gescannt hatte und der meinen Zwecken überaus dienlich war. Bis zum nächsten Vormittag erwischte ich noch einen Jungen und ein Mädchen.

Das zweite Mädchen war nicht so einfach zu erwischen. Sie fand heraus, dass etwas mit dreien ihrer Freunde geschehen war, und zählte eins und eins zusammen. Es war beinahe unmöglich, einen Hinterhalt für sie zu legen, und ich schaffte es erst am nächsten Tag. Diesmal pfuschte mir aber ihr Digimon ins Handwerk. Es war ein riesiges Ding, viel mächtiger als die anderen bisher, und irgendwie verschwand es mit dem Mädchen spurlos. Ich suchte nach den beiden, ohne Erfolg. Erst später nannte mir Taneo seine Vermutung, wohin das Digimon sie teleportiert haben könnte.

Zwischendurch brauchte man mich auch in der DigiWelt. Die Scherben standen wieder vor den Toren der Zitadelle, die DigiVices der Dunklen luden sich trotz der einzelnen Ladestation zu langsam für einen längeren Kampf auf. Obwohl Kentarou ein digitales Abwehrnetz um den Berg, in dem die Zitadelle lag, aufgebaut hatte, beschloss Taneo, dass eine fixe Basis für seine Zwecke nicht geeignet war. Wir zogen uns in die Mobile Festung zurück und flogen von dannen. „Wenn die Scherben die Zitadelle einnehmen, wissen wir wenigstens, wo sie sich aufhalten werden, wenn sie haben, was wir brauchen“, sagte unser Anführer.

Das Fortfliegen ähnelte einer Flucht, und abermals mussten wir kämpfen, auch wenn meine Rolle dabei eher eine geringe war. Dafür stellte ich fest, dass ich es noch anstrengender fand, mit Miyuki umzugehen, als mit Aki. Ich hatte lange nicht mehr so direkt mit Menschen zu tun gehabt und fast vergessen, wie lästig auch simple Gespräche sein konnten, und ihre Neckereien waren besonders lästig. „Attentäter sind gefährlich auf kurze Entfernung, oder?“, fragte sie mich nach einem Feuergefecht mit einem Schwarm riesiger Fledermäuse. „Vielleicht solltest du auf Pistolen umsteigen. Ich würde dich sonst spielend leicht in die Tasche stecken.“

Aus ihr war ein echter Waffenfreak geworden. Sie sammelte bereits Pistolen und Gewehre zuhause in der Realen Welt, und in der DigiWelt spezialisierte sie sich auch auf Fähigkeiten, die solcherlei beinhalteten.

Allgemein war es schwierig, gut mit den anderen auszukommen. Taneo befahl, ich gehorchte, doch die anderen nahmen das alles zu wenig ernst. Ich hatte oft das Gefühl, dass sie sich über mich lustig machten. Sollten sie.

Da war es mit Digimon leichter auszukommen. Später, als ich auch in der DigiWelt nach den Karten suchte, erkannte ich das. Sie waren selten so blutrünstig wie Menschen, und wenn man sie töteten, starben sie auf eine elegantere Art und Weise. Auch lebend machten sie mehr her. Es gab hübsche Menschen und hässliche, aber Digimon innerhalb einer Art sahen fast immer gleich aus. Ich lernte das zu schätzen, und es erinnerte mich auch irgendwie an meine eigenen Bemühungen, stets dieselbe Miene zur Schau zu tragen. Menschen hatten mich begafft wie ein Tier. Digimon begafften mich wie einen Menschen. Der Unterschied war zu spüren.
 

Am letzten Tag des Julis kehrte ich in die Reale Welt zurück, um meine Sache zu Ende zu bringen. Von dem Mädchen fehlte noch jede Spur, aber einer war noch übrig. Er hatte allem Anschein nach auch schon einiges über uns und unsere Ziele herausgefunden. Taneo hatte mich gewarnt, dass er ähnliche Computerkenntnisse hatte wie Kentarou, und tatsächlich gelang es mir nicht, seinen PC als Zugang zur Menschenwelt zu benutzen. Aber ich konnte auch anders. Seine Eltern waren außer Haus, als ich einbrach. Mit einer Schwarzen Planetenkraft, der Fähigkeit, die ich aus dem Strudel hatte, wäre es ein Leichtes gewesen, ihn in den Trümmern zu begraben, aber ich wollte diskreter vorgehen, und außerdem hatte ich diese Kraft schon einmal fatal überschätzt. Also versuchte ich die Tür aufzubrechen. Ehe ich sie aufbekam, hörte ich mein Ziel aufgeregt mit jemandem reden, aber ich wusste, dass er allein war. Sein Digimon war in der DigiWelt geblieben und gestorben.

Als ich sein Zimmer betrat, sah ich ihn vor seinem Computer sitzen. Ich führte meinen Auftrag sauber und schmerzlos aus, er leistete kaum Gegenwehr. Dann aber zog der Bildschirm doch meinen Blick an. Ich hatte den Eindruck, noch kurz ein fremdes Gesicht darauf gesehen zu haben, ehe der Junge es weggeklickt hatte. Da ich wusste, dass Kentarou ebenfalls wieder in seine Welt zurückgekehrt war, um einen Überblick über meine Bemühungen zu bekommen, rief ich ihn an. Dank seiner Anleitung und meinem schnellen Verstand konnten wir zurückverfolgen, zu wem der Junge Kontakt hatte. Anschließend speicherte ich dessen Daten, vernichtete alle Beweise in dem Zimmer und ließ Kentarou den Rest herausfinden.

Taneo war nicht erfreut. „Es muss ein anderer DigiRitter sein, mit dem er geredet hat. Ich habe gewusst, dass es noch ältere Generationen gibt.“ Er sah Kentarou und mich mit grimmiger Miene an. „Ich werde sie nicht unterschätzen. Findet heraus, wer mit diesem Typen zusammen in der DigiWelt war.“

Fünf Stunden später hatte Kentarou alles beisammen. Fünf Ziele, im Bedarfsfall auch mehr, hatte es geheißen. So ein Bedarfsfall war eingetreten. Der Computerfreak nannte mir elf neue Ziele und ein optionales. So schnell wie möglich, hieß es. Das alles nahm größere Ausmaße an, als ich mir gedacht hatte, aber ich war darauf vorbereitet. So stand ich noch am selben Abend in den Straßen von Madrid. Ich heuerte mir zwei Untermänner an, für den Fall der Fälle. Wenn man schnell machen sollte, musste man manchmal delegieren. Und ich hatte mir so einiges zusammengespart, das ich für diese große Sache zu opfern bereit war. Kalaschnikow hatte immer davon geredet, die Welt neu zu streichen. Das mochte mir gründlicher mit der DigiWelt gelingen, als er sich je erträumt hatte.

Mein erstes Ziel hatte mit seiner Band einen Auftritt in einer rudimentären Backsteinhalle. Sein Aufenthaltsort war für Kentarou am einfachsten herauszufinden gewesen. Während die Fans jubelten und im schummrigen Licht den Text mitsangen, stand ich in der hintersten Ecke des Konzertsaals an die Wand gelehnt und beobachtete ihn, vergewisserte mich, dass er der richtige war, immerhin zog das flackernde Licht und die Bühnenshow meine visuelle Wahrnehmung in Mitleidenschaft, und er sah auch etwas anders aus als auf dem Foto, das Kentarou ausgegraben hatte, gestylter und verschwitzter. Ich hatte noch nie ein falsches Ziel getötet. Das würde mir auch niemals passieren.

Nach dem Konzert gab ich meinen Handlangern ein Zeichen, und wir lauerten ihm auf. Er war sogar alleine unterwegs, nichts ahnend und auf seinem Handy tippend. Immer noch war ich mir nicht ganz sicher, also schickte ich mein Fußvolk vor. Sie versperrten ihm den Weg und sprachen ihn an, und im Mondlicht wurde meine Unsicherheit zu Gewissheit.

Ein letzter Test noch. Wenn er reagierte, dann war er es. Er konnte mir nicht mehr entwischen, und sobald Kentarou den Aufenthaltsort der anderen herausgefunden hatte, gab es auch für sie kein Entkommen mehr.

„Was wollt ihr?“, fragte er meine Männer gerade, als ich aus den Schatten trat.

„Yamato Ishida“, sagte ich. Er fuhr herum, starrte mich an – und in seinem Blick erkannte ich, dass er es war. Trotz aller Vorsätze gestattete ich mir ein Lächeln. Ich war kein Akrobat mehr, kein einfacher Attentäter mit einem Gesicht aus Stein. Ich war nun ein Dunkler. „Auch bekannt als Matt, auch bekannt als Yami. Du bist es zweifellos.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lange habe ich diese Geschichte angekündigt, jetzt ist es soweit. Die anderen beiden Kapitel werden länger.
Wie immer, ENS-Wünsche einfach in irgendeiner Form an mich richten :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Digimon müsste zu erkennen gewesen sein ;) Und der Turm stand wirklich beim Historischen Museum; ich bin richtig stolz drauf, das herausgefunden zu haben^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (15)
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Von:  Miliko
2014-07-10T20:14:49+00:00 10.07.2014 22:14
Abend,
ich muss sagen, dass war das beste der drei Kapitel in dieser Geschichte. Warum? Es schloss direkt an Shards an, was mir sehr gut gefiel. Jetzt ist es irgendwie eine Art Prequel ;) Das Einzige, was mich gestört hat, ist das Ende. Du hättest ruhig noch Shards ganz aus Ansatsus Perspektive schreiben können. Das Ende wäre meinetwegen passender gewesen, wenn Ansatsu am Ende gestorben wäre. Hätte zumindest mir nichts ausgemacht, weil das Lesen einfach extrems spannend und abwechslungsreich war und auch so viele Fragen beantwortet hat.
So wurde Ansatsu also ein Dunkler. Mensch selbst Ken kam drin vor.
Aber zum Anfang: Am Anfang erzählst du so aus den Leben eines Auftragkillers. Ob das nun richtig dargestellt ist oder nicht, ist ganz unserer Fantasie überlassen. Heutzutage würde ich das nicht mehr machen wegen NSA und so, aber er hat es ja trotzdem sehr gewitzt dargestellt. Wie schon gesagt mit der NSA hätte er andere Wege suchen müssen, aber zu diesem Zeitpunkt war er ja bereits tot ;)
Was mir besonders gefiel, war mal wieder die Erzählperspektive und zwar besonders, dass du die Ich Perspektive in der Vergangenheit genommen hast. Das hatte irgendetwas sehr verrücktes im positiven Sinne. So als würde er die Geschichte nach seinem Tod erzählen...
Dann kam natürlich Taneo hinzu. Das Ganze fand ich natürlich auch spannend und es stellt sich gleich eine Frage auf: Taneo und Kentarou woher kennen die sich? Vielleicht kam das schon in Shards vor und ich habe es vergessen... Passiert ja manchmal.
Der Weg Ansatsus dahin war auch mal was anderes. Einfach mal durch eine Toilette ein Digivice bekommen ;) Fand ich sehr interessant geschrieben und ich muss zugeben, ich stand da und habe mich gefragt, was das Tamagotchi Ding sein soll. Erst später bin ich auf die ANtwort Digivice gekommen. ;)
Ken kam also auch vor und die Mitstreiter Taneos auch. Auch fand ich gut etwas von der Dynamik der Mitsreiter von Taneo zu erfahren. Aki war wenig beliebt und Miyuki ist Ansatsu auf die Nerven gefallen :) Das war mein kleines Highlight. Was sich liebt, das neckt sich. Ansatsu war mal wieder eiskalt. Er tötet einen und für andere ist das so ein Auftrag wie Zeitung raustragen oder Bus fahren. Morden ist für manche ja auch ein Job....
Dann natürlich kamen die Digirtter und es wurde quasi zu Shards übergeleitet.
Also zusammenfassend: Sehr schöne kurze Ff, die erstens sehr grausam, aber auch wahnsinnig spannend war. Manchmal fühlte ich mich ein wenig wie in einer Game of Thrones Folge ;)
Mach weiter so! Ich warte auf das nächste Glanzstück ;)
Achja einmal hast du statt Klinke "Klinge" geschrieben. Ich glaube am Anfang dieses Kapitels war das ;) Ja, ich muss dich damit ärgern wie immer, aber du musst zugeben, das hast du beim letzten Review vermisst ;)
LG Miliko
PS: Ich hatte das Kleid an, aber nicht beim Schreiben sondern davor ;)
Von:  Miliko
2014-07-07T20:20:37+00:00 07.07.2014 22:20
Hallo,
ich hatte dir ja versprochen zu kommentieren. Zwar tu ich das jetzt in Deutschland, aber ich kann besser tippen. Mein Laptop blieb nämlich hier. ;)
Ich habe den Anfang dieses Kapitels schon mal gelesen und ich erinnere mich noch, dass zu dieser Zeit, als ich die ersten Zeilen las, der Erfinder des Kalaschnikows Gewehrs, Kalaschnikow, gestorben ist. Ich frage mich, inwieweit das nun Zufall ist ;)
Ich finde das zweite Kapitel sehr spannend. Ich kann mir gut vorstellen, dass aus einem Zirkusartisten, der keine Lust mehr hatte, mehr und mehr ein Attentäter wurde. Ich könnte mir gut vorstellen, wie diese Entwicklung durchlief. An die Perspektive habe ich mich gewöhnt und ich muss sagen, dass ich sie sogar sehr gerne mag. Ansatsus Perspektive ist wirklich komplett emotionslos und kalt. Das soll jetzt überhaupt nicht negativ klingen, aber sie passt so unglaublich gut zu ihm und im Hintergrund habe ich dann immer noch dieses eine Bild, dass er zu diesem Zeitpunkt ja immer noch ein Kind ist, aber gleichzeitig so unglaublich abgebrüht und erfahren klingt.
Ganz besonders spannend fand ich den Absatz mit dem ersten Treffen von Ansatsu und Miyuki. Ich muss zugeben, dass ich zu diesem Zeitpunkt zwar nicht mehr so genau wusste, was passiert war, aber als Ansatsu dieses Mädchen erwähnte, wusste ich sofort:"Das muss Miyuki sein!" ;) Bei der ganzen Szenerie war ich doch schon überrascht wie "brutal" du schreiben kannst ;) Ich hatte kurze Angst, dass es vielleicht in den Adult Bereich abdriften könnte... ;)
Die erste Begegnung mit den Digimon fand ich auch recht gut beschrieben. Erst da habe ich gemerkt, wie jung Ansatsu im Gegensatz zu den Digirittern war. Apropos Digiritter: Bevor ich es wieder vergesse, Taneo wollte damals ja auch die anderen Digirtter töten, aber was war mit Michael, Willis und den anderen internationalen Digirttern? Vllt. habe ich diese Frage schon mal gestellt.
Wie soll ich mir das Tattoo vorstellen? Ist es für einen Attentäter nicht zu auffälig bzw. die schwarze Kleidung ist doch auch sehr auffällig. Natürlich ist es vielleicht eine große Ehre für den toten Kalaschnikow aber auch sehr auffällig gerade für ein junges Kind.
So jetzt kommt das nächste Kapitel ;) Tut mir leid, dass es für meine Verhältnisse doch recht kurz geworden ist, aber ist doch gut für dich ;) Dann war ich doch zufrieden. ;)
LG Miliko
Von:  Juju
2014-05-31T12:32:52+00:00 31.05.2014 14:32
Man, es ist voll spannend. O_O
Endlich habe ich Ansatsus Geschichte mal zu Ende gelesen. Wurde auch mehr als Zeit. xD Shame on me.
Also alles in allem fand ich seine Geschichte echt super, wenn auch sehr emotional und verstörend, aber gerade deshalb ist sie wohl so gut. Irgendwie kann man ihn schon verstehen, wie er zu dem kam, was er macht, aber andererseits ist es natürlich auch so extrem grausam.
Diesen Teil hier fand ich besonders verstörend, wie locker Ansatsu über die DigiRitter spricht, die er umgebracht hat. Als wären es ein paar Ameisen, die er zertreten hat. o_o Und es ist auch toll, die Geschichte, die man ja zum Teil kannte, jetzt mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich habe gerade das starke Bedürfnis, Shards noch einmal zu lesen. xD Vielleicht mache ich das auch.
Also, du merkst, ich weiß nicht so richtig, was ich schreiben soll. Ich finde einfach, du verstehst es super, Spannung aufzubauen und deinen Charakteren Tiefe zu verleihen. Alles wirkt bei dir immer so super durchdacht und als kanntest du dich mit allem aus (was mich gerade im Hinblick auf Auftragsmörder ein wenig beunruhigt...... :D). Erst dachte ich auch: Okay, Auftragsmord über E-Mail abquatschen? xD Aber okay, wenn man es sehr verschlüsselt schreibt... vielleicht geht es dann sogar. Ich glaube, ich sollte echt keine Geschichte schreiben, die in der DigiWelt spielt, einfach weil ich mich mit Computern so fast gar nicht auskenne. Aber die braucht man ja nun mal.
Jedenfalls super. Ich bleibe dir als Leser treu. ;)
Antwort von:  UrrSharrador
18.06.2014 18:01
Mit ewig viel Verspätung - danke für deinen Kommi :)
Gut, dass man seine Entwicklung nachvollziehen kann. Ich muss gestehen, dass ich zuerst nur das "Endprodukt"^^ von Ansatsu im Kopf hatte und mir bei Shards keine Gedanken über seine Vergangenheit gemacht habe, darum freut es mich umso mehr, wenn es dazupasst^^
Haha^^ Vielleicht liest irgendwann aber auch zufällig ein echter Auftragsmörder die FF und denkt sich dann, wtf, der Typ hat ja keine Ahnung XD
Also danke nochmal :)
Von:  Juju
2014-04-12T13:14:38+00:00 12.04.2014 15:14
SO! Nun lese ich ENDLICH mal das hier zu Ende. Zeit wurde es. :D
Man, was dieser Kalaschnikow erzählt... das ist wirklich nichts für schwache Ohren. Ich glaube, Menschen mit angeknackster Psyche lassen sich durch so eine Argumentation tatsächlich zu so etwas überreden. Aber ich fand es sehr gut geschrieben, wie Ansatsu den Jungen getötet hat. Es kam so plötzlich, aber das hat sehr gut unterstrichen, dass Ansatsu eben schon das glaubt, was dieser Typ ihm erzählt. Und Töten als Kunst mit Zeichnen oder Bildhauerei vergleichen ist sehr... krass. xD
Die Zeit der "Lehre" ist auch sehr schön beschrieben. Ich kann mir sehr gut Ansatsus Leben mit Kalaschnikow vorstellen, wie sie durch die Gegend reisen und Menschen töten. Das mit dem Politiker in Frankreich war schon sehr cool, wenn natürlich auch beängstigend. xD Erinnert mich ein bisschen an Illuminati irgendwie.
Oh Gott, das war wohl der krasseste Teil der Geschichte. "Im Sommer, kurz bevor ich zwölf wurde,..." O_O Mein Gott, ich hatte total vergessen, dass er ja noch ein Kind ist.
Was Ansatsu da in Mexiko beobachtet hat, war auch ziemlich krass. Du hast die ganze Szenerie super beschrieben, ich konnte mir gut vorstellen, wie abgefuckt alles ist. Und ich habe mir schon gedacht, dass das kleine blonde Mädchen Miyuki ist. Sie hat wirklich Schlimmes erlebt, mir ist ganz anders geworden bei dieser Szene. :( Aber es war interessant, wie ich auf einmal Mitleid mit Miyuki hatte und mich für sie gefreut habe, dass ihre Familie nun gerettet war. :D Manchmal braucht man einfach einen Perspektivwechsel.
Aha aha, seine erste Begegnung mit einem Digimon war also Nanimon. Es war cool, dass das mit den Ereignissen der alten Digiritter verknüpft war und kurz darauf der Kampf zwischen den Digirittern und den Digimon erwähnt wurde. Und die Kampfszene war wieder mal sehr toll beschrieben, aber etwas anderes erwarte ich von dir auch nicht. :D
Hui, ich hatte schon befürchtet, dass Kalaschnikow jetzt von ihm verlangt, ihn umzubringen. Mich würde mal interessieren, ob Ansatsu wirklich Trauer empfunden hat. Er wirkt ja mittlerweile sehr abgestumpft.
So und wieder einmal wundere ich, dass du so etwas wie das hier schreibst und dich gleichzeitig für meine Geschichten interessierst. :D Das passt irgendwie nicht zusammen. xP
Antwort von:  UrrSharrador
17.04.2014 13:37
Danke für dein Kommi :)
Ich hab mich da mit dem Alter selbst ein wenig erschrocken^^ Er musste ja am Ende ungefähr 16 sein, also musste er anfangs entsprechend jung sein ... Wobei man so junge Leute vielleicht sowieso eher auf diese Bahn bekommt.
Freut mich, dass du mit der eigentlichen "Gegenseite" auch sympathisieren konntest^^ Ich versuch ja immer dieses Gut-Böse-Klischee zu durchbrechen^^
Ich glaube schon, dass er getrauert hat, nur innerlich halt. Schließlich war Kalaschnikow bis dahin alles, was er hatte.
Haha, dasselbe könnte ich von dir sagen XD Wobei diese FF schon relativ kaltblütig ist. Die kommenden Digimon-FFs werden nicht so arg ;)
Von:  fahnm
2013-11-25T22:01:06+00:00 25.11.2013 23:01
Hammer Kapi
Antwort von:  UrrSharrador
28.11.2013 16:12
Danke^^
Von:  EL-CK
2013-11-25T09:10:27+00:00 25.11.2013 10:10
OMFG das Kapitel ist der Wahnsinn (so wie die gesamte Story)...
Jetzt ist irgendwie alles klar - z.B. was Ansatsu angeht. Was nicht heissen soll dass ich deine Charas nicht mehr sehen will ;-)
Ich bin schon auf neues von dir gespannt...
Antwort von:  UrrSharrador
28.11.2013 16:13
Danke für dein Kommi, freut mich, dass es dir so gut gefallen hat :D
Von:  DigiDestined
2013-11-24T23:40:09+00:00 25.11.2013 00:40
Holla, holla, holla. Auch hier ein großés Sorry. Ich habe es doch tatsächlich geschafft, diese FF irgendwie zu überlesen. o.O
Nun gut, seis drum. Jetzt kommt der Kommi. :D
Am Anfang wieder ein Dankeschön für die ENS, ohne die ich wahrscheinlich erst sehr viel später auf das neue Kapitel aufmerksam geworden wäre.

Hm... es ist überaus interessant zu sehen, wie die Gegenseite denkt und handelt. Matt´s Empfindungen und Handlungen kenne ich ja schon, aber dies jetzt auch bei Anatsu zu sehen ist schön. Du hast das alles wieder einmal glänzend getroffen. Taneo und Co. sind auch nachvollziehbar und mir nun sogar ein wenig symphatisch (frag mich bitte nicht warum LOL).

Alles in allem ist die komplette FF wieder einmal ein kleines Meisterwerk, wie ich finde. Du hast wirklich verständlich und überhaupt nicht zu überdreht beschrieben, wie Anatsu zu dem wurde, was er in Shards ist. Respekt! Die Zusammentreffen mit den einzelnen Charakteren waren alle sehr spannend. Tja, so kann das alles zusammenhängen. ^^

Freue mich schon darauf, mehr von Dir zu lesen!

GLG, DD
Antwort von:  UrrSharrador
28.11.2013 16:14
Danke für dein Kommi :) Freut mich, wenn auch die Antagonisten irgendwie sympathisch werden, auf so was arbeite ich ja auch immer hin XD
lg
Von:  DigiDestined
2013-11-16T16:14:30+00:00 16.11.2013 17:14
Nabend,

ja, das Digimon war zu erkennen. Kann mich nur nicht mehr an seinen Namen erinnern. Ich weiß aber, dass dieses Digimon auch in den Reihen von Myotismon zu finden war.
Nun ja, das gehört nicht hier hin. ^^
Wie immer ein sehr schönes und nachvollziehbares Kapitel. Die Beschreibung der Ereignisse war wirklich klasse, mal wieder ziehe ich meinen Hut vor Dir. Das Schicksal der japanischen Familie hat mich wahrlich ziemlich mitgenommen.
Macht auf jedenfall Lust auf mehr, bin gespannt wie es im dritten und letzten Kapitel zu geht.

LG, DD
Antwort von:  UrrSharrador
20.11.2013 00:36
Danke für dein Kommi :) Gut, dass man es erkannt hat, ich glaube, so detailliert hab ich noch nie ein Digimon beschrieben XD
lg
Von:  EL-CK
2013-11-16T13:26:46+00:00 16.11.2013 14:26
Das Kapitel ist dr hamma...
So richtig mitreissend...nicht nur das zusammentreffen mit dem Digimon sondern auch die Geschichte mit Miyuki... frei mich schon aufs nächste Kapitel..
Antwort von:  UrrSharrador
20.11.2013 00:35
Danke für dein Kommi :)
Von:  Juju
2013-11-15T15:43:00+00:00 15.11.2013 16:43
So, jetzt hab ich das erste Kapitel auch mal gelesen. :)
Wie immer, einfach toll. Ich liebe deinen Schreibstil so sehr, er ist so angenehm zu lesen, ohne Fehler, ohne Verwirrung, ohne dass ich das Gefühl habe, dass irgendwas viel zu schnell geht. Ich hoffe, du verstehst, was ich damit meine. ;)
Ich finde es sehr spannend, wo genau deine bösen Charaktere herkommen und dieser Part über Ansatsu hat mir schon mal gut gefallen. Was ich von diesen ganzen Zirkussen (ist das wirklich die Mehrzahl von Zirkus? :D) halten soll, weiß ich immer nicht so richtig. Für die Tiere kann das eigentlich nur schlecht sein und für die Menschen hm... weiß nicht. Die Kinder werden ja praktisch dzau verdonnert, ihr Leben in der Zirkusgemeinschaft zu verbringen und Akrobaten oder was auch immer zu werden. Also insofern finde ich Ansatsus Schicksal schon schlimm genug. Und dann stirbt auch noch seine Mutter, die einzige Person, die hier als ihm wichtig beschrieben wird. Echt traurig. Lässt du ihn in seiner Geschichte seinen Vater finden? Ich wünsche mir jetzt irgendwie etwas Gutes für ihn, aber ich weiß ja eigentlich, dass er jung sterben wird. ;_;
Dieser russische Mann ist ja mal mehr als verdächtig. Bin wirklich gespannt, wohin er Ansatsu mitnimmt, denn es ist ja klar, dass er sich auf ihn einlassen wird. Er hat schließlich nicht so viel zu verlieren.
Ich mag übrigens diese ganzen Vergleiche, die du immer so mit einbaust. Du verstehst es wirklich, etwas so zu schreiben, dass wir Leser es uns vorstellen können und mitgerissen werden. <3
Ach und zum Titel der Story: Das "Dunkler" stört mich da, weil es sonst so eine schöne Alliteration gewesen wäre. xD Aber okay, es ist ja eine essentielle Beschreibung von ihm.
Ich hoffe, es geht bald weiter. Machst du das auch noch für die anderen Dunklen?
Ach übrigens, ich mag das Charakterbild. Er sieht voll cool aus. :D
Antwort von:  UrrSharrador
20.11.2013 00:34
Danke für dein Kommi :) Freut mich wieder mal, dass dir meine FF gefällt XD
Nein, er wird seinen Vater nicht treffen. Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen^^
Danke, da mit dem Vergleichen hab ich in dem Kapitel ziemlich rumgespielt^^ Später werden sie weniger, irgendwie.
Ich weiß, mich hat das D von Dunkler auch gestört, aber iwie konnte ich da nichts anderes nehmen :,D
Das nächste Kapitel ist schon online und das letzte kommt dieses Wochenende :) Ansatsu wird aber der einzige sein, zu dem ich so einen Spin-Off mache, die anderen, die noch übrig sind, werden in Grundzügen dann in Twelve (temporärer Name^^) behandelt ;)
Ich finde das Bild auch super :D Ist übrigens der gleiche Charakter wie der "Ansatsu" im Shards-Trailer, nur hab ich seinen Mantel passend eingefärbt^^


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