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New Reign

Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]
von

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Fast vollzählig


 

Tag 150

 

Er weinte immer noch stumm, als Cody auf die Brücke kam. „Majestät … kann ich Euch noch irgendwie helfen? Armadillomon und ich könnten …“

„Nicht nötig. Du hast genug getan“, sagte Ken mit gebrochener Stimme. In Gedanken war er ganz woanders. Er hatte es tatsächlich befohlen. Er hatte sich als grausamer Tyrann aufgespielt und Nadine sich selbst hinrichten lassen. Fast spürte er wieder, wie Sammys Lebensfunken unter seinen Fingern erlosch. Es war tatsächlich so, als hätte er Nadine getötet. Die echte Nadine, mit eigenen Händen. Ich weiß, dass ich nun bereit bin. Bereit, sogar meine Freunde zu töten, wenn sie mir im Weg stehen.

Und seine Freunde wussten es nun auch. Wussten, dass er skrupellos war, dass sie gut daran taten, ihn als wahnsinnigen Imperator zu fürchten. Er hatte ihnen gezeigt, dass ein Menschenleben ihm nichts bedeutete. Er würde sie niemals mehr davon überzeugen können, dass er all das zu ihrem Wohle tat. In ihren Augen hatte er einen Mord begangen – und er hatte gewollt, dass sie ihn so sahen.

„Cody“, sagte er. „Fürchtest du mich?“

„Ich …“ Der Junge zögerte. „Ihr habt mich befreit.“

„Ich habe dich gefragt, ob du mich fürchtest.“

„Naja … Nein. Ihr habt mir selbst gesagt, dass das nicht nötig ist. Und es immer wieder bewiesen“, sagte er hastig.

Ken seufzte. „Vielleicht war das genau mein Fehler.“ Mit einer Handbewegung entließ er ihn.

 

 

Armadillomon hatte auf dem dunklen Flur auf ihn gewartet. „Und?“, fragte es.

Cody schüttelte den Kopf. „Wir sollen hierbleiben.“

„Von der ganzen Warterei roste ich aber ganz ein“, beklagte sich Armadillomon.

Cody wusste, was es meinte. Er war unendlich froh darüber, seinen Freund zurückzuhaben. Obwohl er ihm eine Heidenangst eingejagt hatte mit seinem Revolver, hatte er das Gefühl, dass er dem Kaiser etwas schuldete. Aber wie sollte er je diese Schuld begleichen? Fürs Erste hatte er die Dinge in der Festung regeln dürfen, und zwar, als der Kaiser mit Fürst Yukio im Westen unterwegs gewesen war. Aber sonst …

„Wie geht es ihm?“

Cody zuckte zusammen. Yukio Oikawa persönlich stand in einer der Türen, die von dem Flur abzweigten. Er sah besorgt aus, aber wie immer, wenn er mit Cody sprach, stahl sich eine herzliche Wärme auf sein Gesicht, die sich dieser nicht erklären konnte.

„Ich … Der Kaiser wirkt sehr beschäftigt.“

„Das ist er immer. Was denkst du über seine Art, beschäftigt zu wirken?“

„Naja, er …“ Cody druckste herum. „Ich will nicht behaupten, dass … Ich meine …“

Ich meine es ernst. Keine Sorge, du kannst frei mit mir sprechen.“

Er holte tief Luft. „Ich habe das Gefühl, dass er sich verändert hat. Seit er von der File-Insel zurück ist. Er träumt öfter vor sich hin, und sogar die schlechtesten Nachrichten lassen ihn kalt. Wisst Ihr, was dort auf der Insel vorgefallen ist?“

Yukio wusste es sicher. Arukenimon hatte es ihm garantiert erzählt. „Ich kann es dir auch nicht sagen“, meinte er nur. „Aber wir müssen den DigimonKaiser jetzt besonders unterstützen. Vor allem diese letzte Aktion wird ihn schwer mitnehmen, fürchte ich.“

Wenn er sich nur unterstützen ließe, dachte Cody. Die Sache mit Datamons Maschine war kaum der Rede wert.

 

 

Ken wartete vor seine Festung, während Ookuwamon die grauen Gestalten zurückbrachte. Das Täuschungsmanöver war ein voller Erfolg gewesen. Es fühlte sich an, als hätte er seine Hände beschmutzt, aber sein Reich war soweit sicher. Obwohl sie ihre Erinnerungen verloren hatten, waren seine Freunde doch nicht bereit gewesen, andere Menschen zu verletzen. Er hatte sie richtig eingeschätzt.

Schweigend trabten die grauen Figuren vom Rücken des Insektendigimons. „Schaff sie mir weg“, befahl Ken und wusste, dass Datamon ihn hörte. „Ich will sie nicht mehr sehen. Aber löse sie nicht auf, vielleicht brauchen wir sie noch.

„Wie Ihr wollt“, sagte das Digimon durch Codys Mund.

Zum Glück hatte er Datamons Potenzial erkannt. Vor allem das seiner Klone. Es brauchte eine echte, menschliche Vorlage, dann konnte es davon genügend Kopien erstellen. Um die Bewegungen so vieler Klone auf einmal koordinieren zu können, hatte es einer enormen Rechenleistung und vor allem Trainingszeit bedurft, doch es hatte schließlich funktioniert. Seine Freunde hatten keinen Verdacht geschöpft.

Damit der menschliche Aufmarsch realistisch wirkte, hatte er Klone verschiedener Größe und verschiedenen Geschlechts gebraucht. Soras Kopie hatte Datamon bei sich gehabt; sie erneut zu klonen war nicht möglich gewesen. Eine Vorlage hatte Oikawa gebildet; sein Klon war der größte gewesen. Ken hatte sein Gesicht unverschleiert gelassen, um seine Menschlichkeit zu betonen. Yukio war unter seinen Feinden nicht sehr bekannt.

Zwei vermummte Klone waren Kopien von Ken selbst gewesen. Er hatte einen eher durchschnittlichen Körperbau, weswegen das nicht weiter aufgefallen war. Ebenso hatte er dem falschen Cody, der sein Gesicht gezeigt hatte, noch einen Zwilling gegeben. Schließlich waren noch zwei Nadines dabei gewesen; eine von ihnen hatte Datamon sich mit dramatischer Inszenierung opfern lassen. Die schwarze Lanze, die sie sich ins Herz gestoßen hatte, hatte aus denselben Datenteilen bestanden wie die Klone, weswegen Nadines Kopie nicht gestorben war wie Tais in Santa Caria. Ken hatte Datamon genau angewiesen, wie es das Blut tropfen lassen musste, um es realistisch zu machen. Immer noch zerrten die anderen Replikate ihren leblosen Körper mit sich. Es war Datamon offenbar viel angenehmer, nur sieben statt acht Menschen zu steuern.

Da Datamons Maschine die Kleidung der Menschen mitkopierte, hatten sich Ken und Nadine in Unterwäsche scannen lassen müssen, damit ihre Klone dann die enge, graue Kluft anziehen hatten können. Soras Kopie war mit ihrem Königinnenkleid ungelenk genug gewesen.

Ken sah zu, wie die Gestalten in die Festung traten. Fast kamen sie ihm vor wie Zombies, die er geschaffen hatte. Viele seiner Freunde hatten sich dem feindlichen Heer angeschlossen, wie er von Datamon wusste. Um jeden Preis mussten sie am Leben bleiben. Um jeden Preis musste ein weiterer Kampf verhindert werden. Das würde noch kompliziert werden; es würde sicher noch eine Schlacht ungeheuren Ausmaßes geben, in der alles passieren konnte. Außerdem wurde die Zeit für das Spiel knapp.

Sei’s drum. Ich werde einfach immer gut aufpassen müssen. Und sie auch – ich kann sie nicht ständig bemuttern. Bald ist es vorbei. Etwas anderes zählt nicht mehr.

 

 

Die Stimmung im Lager war angespannt und mutlos. T.K. erwartete, dass jeden Augenblick irgendwelche Digimongruppierungen davonlaufen und sich wider ihren Befehl auf die Schwarzturmarmee in der Wüste stürzen würde. Zum Glück geschah das nicht. Entweder waren sie Tai so treu ergeben, oder sie waren klug genug zu wissen, dass sie nicht die geringste Chance gegen all diese seelenlosen Digimon hatten.

Der Lagerplatz der Menschen brauchte lange, um abgebaut zu werden, da jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Davis war voller Wut, Willis voll stummer Resignation. Joe schien erleichtert, dass es zu keinem Kampf gekommen war, aber auch besorgt. Yolei zerbrach sich über etwas den Kopf, da sie jenen immer wieder verständnislos schüttelte. T.K. selbst kam beinahe um vor Zorn. Wie konnte der neue DigimonKaiser es nur wagen? War die Macht der Dunkelheit nun schon so stark, dass er Menschen wie mit Schwarzen Ringen knechten konnte? Hatte es etwas mit der Saat der Finsternis zu tun? Musste er bei seiner Grausamkeit unbedingt noch eins draufsetzen? Nun war ein Mensch gestorben. Nadine … Das war sicher das Mädchen gewesen, dem Oikawa damals die Saat eingepflanzt hatte.

„Ich werde ihm niemals vergeben“, nahm er sich vor. Er hatte es laut gesagt, obwohl er das nicht vorgehabt hatte.

„Wir alle werden es ihm nicht vergeben“, sagte Davis und ballte die Fäuste. „Wir machen ihn fertig! Und so jemand will die DigiWelt beherrschen!“

„Ich verstehe das einfach nicht“, meinte Yolei hilflos.

„Worüber denkst du nach?“, fragte Hawkmon.

„Ich kann mir nicht erklären, warum er plötzlich Menschen umbringt.“

„Warum sollte er nicht? Würde doch zu ihm passen“, meinte Davis bitter, und Willis nickte grimmig.

„Es passt eben nicht!“, beharrte Yolei. „Ich habe schon einmal gegen ihn gekämpft, in der Pyramide, wo wir das DigiArmorEi gefunden haben. Er hat seinen Digimon ausdrücklich den Befehl gegeben, mich und Matt zu verschonen. Er hat Matt sogar vor einem Sturz in die Tiefe gerettet! Und später, als seine Handlanger ihn aus Willis‘ Gewalt befreit hatten, haben sie auch nur unsere ArmorEier gefordert. Sie hätten uns dann ohne Probleme töten oder uns zumindest auch die DigiVices abnehmen können. Es war fast, als wollten sie, dass wir uns im Ernstfall noch verteidigen können. Nur eben nicht gegen ihn.“

„Jetzt, wo du es sagst …“, meinte Davis nachdenklich. „Mich hat er auch schon ein paar Mal kontaktiert. Einmal, um Sora und Tai zu helfen. Aber das kann auch nur eine Masche gewesen sein, damit er sie gefangennehmen kann!“

„Gefangennehmen, ja. Aber er nie jemanden getötet. Selbst Matt hat er nur eingesperrt, als er ihm in die Hände gefallen ist“, sagte Yolei.

„Das beweist doch gar nichts“, meinte Willis hochmütig. „Wahrscheinlich foltert er nur gerne.“

„Matt hat nie erzählt, dass er gefoltert wurde“, gab Davis zu bedenken. „Aber dass das nichts heißen muss, der Meinung bin ich auch. Vielleicht hat er es sich einfach anders überlegt.“

„Ah!“, machte Yolei plötzlich und hob den Zeigefinger. „Dafür ist mir der Name jetzt wieder eingefallen, T.K.“

„Welcher Name?“, fragte er.

„Ken. Du hast mich doch danach gefragt. Ich weiß wieder, wo ich ihn gehört habe. Ich glaube, dieses Wormmon hat den DigimonKaiser so genannt, damals in der Pyramide.“

Irgendetwas in T.K. zerbrach in tausend Scherben. „Was … hast du da gerade gesagt?“, brachte er mühsam über die Lippen. Sein ganzer Körper war erstarrt, wie schockgefrostet, und genauso kalt. „Ein Wormmon?“

Yolei nickte heftig. „Der DigimonKaiser hat versucht mich zu überreden, für ihn zu arbeiten. Dann hat ihn Wormmon mit Ken angesprochen … Ich glaube, es war sein Digimon-Partner.“

Verdammt, das ist doch nicht möglich! Das muss ein schlechter Scherz sein! T.K. konnte nicht mehr an sich halten, er packte Yolei an den Schultern und schüttelte sie. „Konnte das Wormmon digitieren? Wie klang seine Stimme? Hoch und brüchig?“

„He, nur die Ruhe“, beschwerte sie sich. „Was hast du denn auf einmal?“

„Sag schon!“

„Ich … ich kann mich nicht mehr erinnern! Warum ist das denn so wichtig?“

T.K.s Gedanken rasten. Der neue DigimonKaiser trug die Kleidung und das Cape des alten, das hatte er mittlerweile herausgefunden; allerdings hatte er keine krause Perücke auf, sondern glattes, langes Haar. Die vergoldete, getönte Brille verdeckte seine Augen. Das hatten die anderen erzählt, und es war T.K. nur logisch vorgekommen, dass jemand, der sich DigimonKaiser nannte, auch Kens Kleidung von damals nachahmte. Er hatte den neuen Kaiser noch nicht persönlich gesehen, aber es war doch wohl ausgeschossen, dass Ken in seine alte Rolle zurückgefallen war! Oder? Wenn er es sich recht überlegte, durfte ihn in dieser Welt gar nichts mehr wundern. Wenn es wirklich Ken war … T.K. überlief es heiß und kalt.

„Als es gestorben ist, klang es schon piepsig“, meinte Willis gelangweilt. „Digitieren konnte es zu einem Stingmon. Was ist so wichtig daran?“

Das konnte alles kein Zufall sein. T.K. verfluchte sich dafür, entsprechende Fragen nicht früher gestellt zu haben. Zu sehr war er mit Karis Leid und seiner eigenen Verzweiflung beschäftigt gewesen. „Gibt es irgendwelche Bilder, wie er ohne Brille aussieht? Oder Stimmaufzeichnungen? Irgendetwas!“

„Yolei und ich haben ihn sogar schon mal in Unterwäsche gesehen. Leider haben wir ihn nicht geknipst, das wäre sicher lustig gewesen“, erklärte Willis grinsend. Er holte einen kleinen Laptop aus seinem Rucksack hervor. „Was seine Stimme angeht, ich glaube, in einem alten Propaganda-Video von ihm spricht er etwas.“ Er durchsuchte seinen Speicher, bis er das entsprechende Video fand. T.K. konnte kaum stillstehen, während sich das entmutigte Heer langsam in Bewegung setzte.

Als der DigimonKaiser auf dem Bildschirm zu sehen war, war sein Haar eigentlich schon Beweis genug: Genau so hatte Ken bei ihrer letzten Begegnung in der Realen Welt ausgesehen. Als er zu seinen Untertanen sprach, löschte es T.K.s letzte Zweifel aus. Das war seine Stimme. Er war es. Ken war der neue DigimonKaiser, der die DigiWelt in Angst und Schrecken trieb, und er war rücksichtsloser, grausamer und erfolgreicher als je zuvor!

„Verdammt!“, schrie er auf. „Verdammt, verdammt!“ Das darf nicht wahr sein! „Den greif ich mir!“ Er riss sein D-Terminal hervor. „DigiArmorEi der Hoffnung, erstrahle!“

„Was hast du vor?“, fragte Yolei blass, als Patamon zu Pegasusmon digitierte.

„Ich werde ihn mir vorknöpfen“, knurrte T.K. „Dieser … dieser Verräter, den kauf ich mir!“ Wofür hatten sie all die Zeit gemeinsam gekämpft? Warum hatte Ken einfach wieder die Seiten gewechselt? Für so schwach hatte er ihn nicht gehalten!

„T.K, bis du sicher?“, fragte Pegasusmons mit majestätischer Stimme, als er bereits auf seinen Rücken kletterte.

„Allerdings. Ich lasse das nicht auf mir sitzen!“, sagte er entschlossen.

„T.K, mach keine Dummheiten!“, rief Davis.

„Sagt Kari nichts davon“, bat er, ohne auf seinen Freund zu hören. „Sagt ihr nur, ich muss etwas nachprüfen! Ich melde mich bei ihr!“ Er würde Kari nicht noch mehr Kummer bereiten. Er würde aus Ken herausprügeln, was er wissen wollte, ihm seine Erinnerungen von früher stattdessen wieder hineinprügeln und ihn an den Haaren in den Kreis der DigiRitter schleifen! Er erinnerte sich, dass Kari von Ken geträumt hatte – warum hatte sie nicht gesehen, dass er die DigiWelt zerstören wollte?

Pegasusmon erhob sich in die Lüfte. Die Rufe seiner alten Freunde konnten T.K.s kochende Wut nicht besänftigen. Mit rauschenden Schwingen flogen sie auf die Wüste zu.

 

 

„Digimon hinter unseren Linien gesichtet“, meldete Hagurumon. „Ein Mensch ist auf seinem Rücken.“

„Bild“, verlangte Ken nur. Auf einem der Monitore tauchte Pegasusmon auf, mit T.K. auf dem Rücken. „So ist das also“, murmelte er. „Er kommt alleine? Die Sache mit den Klonen scheint ihm auf den Magen geschlagen zu haben.“ Aber das war nicht weiter überraschend. T.K. ertrug ziemlich viel, aber wenn ein Tropfen das Fass zum Überlaufen brachte, brach eine wahre Sturzflut daraus hervor.

„Wirst du ihn gefangen nehmen?“, fragte Wormmon, das auf seinem Schoß saß.

„Natürlich. Ein weniger, um den ich mir Sorgen machen muss.“ Er wollte schon einen entsprechenden Befehl geben, als er erkannte, dass T.K. stur an allen Schwarzen Türmen vorbeiflog. Er hatte es wohl eilig, die Festung zu finden. „Auch gut. In der Festung kann ich ihn besser einfangen. Benachrichtigt Arukenimon und bereitete ein Empfangskomitee vor.“

 

 

„Ist es dir auch aufgefallen, T.K?“, fragte Pegasusmon, als sie in Sichtweite des Festlands über das Meer flogen. Sie waren nicht Hals über Kopf aufgebrochen, um direkt die feindliche Armee herauszufordern.

„Ja“, sagte er. „Wenn ich mir die Landschaft hier ansehe … Die Festung scheint genau dort zu liegen, wo sie damals abgestürzt ist.“ Vielleicht ein weiterer Beweis, dass der DigimonKaiser noch derselbe war … „Wie konnte ich nur so blind sein!“, stöhnte er.

„Ich hätte es mir auch nicht träumen lassen“, meinte Pegasusmon. „Niemand von uns könnte sich wohl vorstellen, dass Ken wieder so etwas tun würde.“

Da ihnen die Gegend vage bekannt vorkam, konnten sie immerhin in etwa abschätzen, wo sie nach der Festung suchen mussten, selbst ohne Karte. Auch, wenn bisher so viele Jahre ins Land gezogen waren – es waren Erinnerungen wie die an die aufgehende Morgensonne, die Magnamons Panzer erstrahlen ließ, die sich einem auf ewig in die Erinnerung brannte.

T.K. sah einige Digimon in der Wüste, doch sie reagierten nicht auf die Eindringlinge. Aufmerksam blickte er sich um. Vor ihnen tauchte die Festung auf wie ein riesiger Felsen inmitten des Dünenmeers. „Sie scheinen uns in der Festung zu erwarten“, stellte Pegasusmon fest.

T.K. schnaubte. „Das sieht ihm ähnlich. Als er damals DigimonKaiser war, war er auch arrogant.“

Obwohl es hier angeblich überall verborgene Fernkampf-Digimon gab, gelangten sie unbehelligt zur Festung. Eine große Öffnung klaffte einladend auf einer Seite auf. Ein Hangar. Langsam wurde es wirklich lächerlich. T.K. wappnete sich für das Schlimmste.

Der Hangar schluckte sie, und ölige Finsternis und der Gestank von Maschinen umgab sie. T.K. saß ab und ging an Pegasusmons Seite tiefer hinein. Dieser Raum war höher und breiter als jener, in dem sie einst gegen Kimeramon gekämpft hatten. Das Licht war ausgeschaltet, und einige der Kisten an den Wänden schienen geradezu Dunkelheit abzusondern: Sie waren kaum zu sehen; außerdem ließen sie T.K. frösteln. Aber vielleicht bildete er sich das Ganze auch nur ein.

Dass es eine Falle war, war ihm klar. Dennoch zuckte er zusammen, als das große Tor sich lautstark schloss. Die gezahnten Flügel glitten langsam genug zu, dass er noch hätte fliehen können, aber deswegen war er schließlich nicht hier. Als sämtliches Licht aus der Wüste ausgesperrt war, flammten endlich die Deckenlampen auf.

Ein gutes Dutzend Digimon trat aus der Deckung hinter Maschinen und Containern. Vor der Sichtluke, die den rötlichen Maschinenraum zeigte, stand jemand, den T.K. nur zu gut kannte.

„Arukenimon“, sagte er düster. „Ich hätte mir gleich denken können, dass du die Türme in Digimon verwandelst.“

„Wie überaus scharfsinnig“, bemerkte die Spinnenfrau abfällig. „Ein kluges Bürschchen wie du weiß dann ja wohl auch sicher, wann es besser die Waffen strecken sollte.“

Diese Worte ließen ihn etwas hoffen. Sie hatten sein Eindringen nicht gleich als Kriegserklärung aufgefasst. „Ich händige euch mein DigiVice aus“, verkündete er. „Ich bin nicht zum Kämpfen hier.“ Jedenfalls nicht gegen euch. „Es gibt keinen Grund, euren Geiseln etwas anzutun.“

„Was? Ach so, die Geiseln. Dann wirf dein Spielzeug mal rüber.“

T.K. nahm das kleine Gerät, das ihm schon so oft das Leben gerettet hatte, in die Hand. „Unter einer Bedingung. Ich will den DigimonKaiser sprechen.“

„Keine Sorge. Dein Freund unterhält sich gern mit seinen Gefangenen. Also gib her.“

Er warf ihr das DigiVice zu, das sie gekonnt auffing. Pegasusmon digitierte zu Patamon zurück.

„Sehr schön. Wenn ihr alle so brav wärt, wäre das alles viel einfacher. Sperrt ihn irgendwo ein, wo er niemanden stört und keine Dummheiten machen kann.“ Der Befehl galt den Digimon, die T.K. und Patamon umzingelt hatten.

„Du hast gesagt, du bringst mich zum DigimonKaiser“, knurrte T.K.

„Ach ja?“ Arukenimon schnaubte. „Keine Sorge, er weiß, dass wir dich festnehmen. Ich kann nur nicht versprechen, dass er in der Stimmung ist, mit dir zu reden. Jetzt schafft sie mir aus den Augen.“

Zwei Starmon traten heran und packten ihn an den Armen, ein weiteres hob Patamon hoch. Die beiden wussten, dass Gegenwehr sinnlos war. T.K. starrte Arukenimon nur hasserfüllt an.

 

 

Die Attacken rauschten durch das Blätterdach, und Keiko presste sich fester gegen den Boden. Der Geruch nach feuchter Erde und Wald drang ihr in die Nase. Mit angehaltenem Atem lauschte sie. Stille. Die Partisane in den Baumwipfeln musste es erwischt haben. Dämliche Garbagemon!

Es raschelte, dann trampelten Digimonfüße durch den Wald. Verdammt, die hatten sicher auch gute Nasen!

Keiko sprang auf und rannte los. Die Schritte, die sie verfolgten, wurden schneller, traten härter auf … Dann sprang sie etwas an und ein Fußtritt warf sie zu Boden. Ächzend wälzte sie sich herum.

Die Vogelvisage eines Kiwimons glotzte sie an. Weiter hinten kamen andere schnelle Digimon aus dem Dickicht, Peckmon und Kokatorimon. „Das Versteckspiel hat ein Ende“, sagte ein BlackAgumon, das der Anführer zu sein schien, wie Keiko verwundert feststellte. „Hast du geglaubt, du könntest dem DigimonKaiser auf Dauer entkommen? Hast du geglaubt, du könntest mir entkommen? Eine Schande, dass ich dich jagen musste.“

„Du musst ja ein sehr wichtiges Rookie-Digimon sein“, spottete Keiko, als die Kokatorimon sie mit ihren Schnäbeln auf die Beine zogen.

„Allerdings. Ich führte unsere Truppen im Kampf um die Pyramide auf dem Stiefel in die Schlacht.“

„Du meinst die Schlacht, die ihr verloren habt“, gab Keiko spitz zurück.

„Dennoch wurde ich dafür zum Ritter geschlagen. Und nun gewinnen wir den Krieg. Seht zu, dass sie keinen Unsinn anstellt. Wir brechen auf.“

 

 

„Ich möchte mich von ganzem Herzen für meine Rettung bedanken, Majestät“, sagte Katherine vornehm und machte einen Knicks.

„Nicht der Rede wert. Erzähl mir lieber, wer du bist und woher du kommst.“

Es war eine schiere Ewigkeit her, seit er das Mädchen aus Soras Gewalt befreit hatte, dennoch hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihr zu sprechen. Nach seiner Rückkehr sollte sie erst auf dem Rosenstein behandelt werden. Dann hatte Nadine ihn schon verraten und er war fortan immer beschäftigt gewesen: seine Flucht und Rückkehr mit Oikawa, die Wiederherstellung der Ordnung in seinem Reich, der schnelle Feldzug gegen Takashi, die Sache mit Tai und dann Sammys Auftauchen.

Nun stand sie vor ihm wie das blühende Leben: Gnadenlos schön, lange, blonde Locken, helle, wache Augen und ein edles, rotes Kleid. Verlegen hatte sie die Hände gefaltet. „Dürfte ich … zuvor die Frage stellen, ob ihr zufällig wisst, wo sich mein Floramon aufhält, Herr?“

Sie sagt tatsächlich Herr zu mir. „Nein.“ Er sagte nicht, ob sie die Fragen nicht stellen durfte oder ob er es nicht wusste. Letzteres traf zu. Und er versprach auch nicht länger, alles daran zu setzen, es wiederzufinden. Chichos‘ Gotsumon hatte er auch noch nicht aufgetrieben. Armadillomon schien eine echte Ausnahme gewesen zu sein. Fast wehmütig dachte er an jenen Tag zurück, als er Cody und Chichos sein Versprechen gegeben hatte. Damals hatte er sich wirklich als Kaiser gefühlt, als einigermaßen guter Kaiser – auch wenn die Dinge nicht so gut gelaufen waren, wie sie jetzt liefen. Aber die DigiWelt war in den letzten Tagen um vieles dunkler geworden. Das Ende des Spiels nahte. „Wir sprechen über dich“, sagte er, um sich abzulenken, und schlug die Beine übereinander. Er saß auf seinem Halbthron im Gesuchsraum, Katherine musste stehen. „Dein Auftreten lässt mich vermuten, dass du adelig bist.“ Oder einfach nur eine reiche Französin.

„Das stimmt nur zur Hälfte, Herr“, sagte sie. Entweder war es die Situation, die ihr unangenehm erschien, oder seine Präsenz. Allein die Dankbarkeit schien sie in diesem Raum zu halten. „Ich lebte lange Zeit bei einem Monzaemon, nördlich des Nebelwaldes. Es war ein Edelfreier, könnte man sagen. Es nannte sich Fürst seiner Ländereien und beschäftigte einige Digimon, doch selbst unterstand es keinem Lehnsherrn.“

Also hätte sich Ken früher oder später einfach zu seinem Lehnsherrn erhoben. Er bedeutete ihr, fortzufahren.

„Eines Tages tauchten Geistdigimon auf unserem Gutshof auf. Monzaemon hatte befürchtet, dass das einst geschehen und uns die Schwarze Königin nicht länger in Ruhe lassen würde. Monzaemon nahm mich mit, um einen guten Eindruck zu machen, und bat um eine Audienz, damit die Sache beigelegt werden konnte.“ Katherine schauderte bei der Erinnerung. „Doch uns erwartete nur Grauen. Dieses schreckliche MetallPhantomon flüsterte der Königin ein, Monzaemon wäre ein Aufständischer. Sie ließ es hinrichten, und mich … Nun, ich …“

„Du durftest dir ihre Folterkammer von innen ansehen“, sagte Ken kühl. Die Geschichte langweilte ihn bereits. Es war genau die Art von Zwist, die Deemon mochte, und Ken hatte bereits zu viel davon gehört. Er hatte Mitleid mit Katherine gehabt, großes Mitleid, damals in der Höllenkammer, als sie fast gestorben war. Unter Einsatz seines Lebens und seiner Glaubwürdigkeit hatte er sie wiederbelebt und alles daran gesetzt, sie gesundzupflegen. Nun war sein Mitleid erschöpft. Sie lebte, und all die traurigen Erinnerungen würden entweder bald verschwinden, oder es ließ sich ohnehin nichts mehr daran rütteln.

Katherine hatte demütig den Kopf gesenkt.

„Was hast du nun vor?“, fragte er.

„Ich …“ Warum nur zögerte sie ständig? „Ich hörte, die Schwarze Königin habe ihr Reich dem Nördlichen Königreich angeschlossen. Ich weiß nicht, ob ich in meine Heimat zurückkehren sollte, immerhin ist es Feindesland für Euch, Majestät …“

Gut mitgedacht. Außerdem ist es nicht deine Heimat. „Ich werde dich für eine Weile hier behalten“, sagte er. Als er ihren erschrockenen Blick sah, zwang er sich hinzuzufügen: „Ich werde dich weder als Geisel noch auf andere politische Art benutzen. Du bleibst hier, weil es der sicherste Ort für dich ist. Glaube mir. Sobald ich einige Dinge geregelt habe, kannst du frei deiner Wege gehen.“

Sie verneigte sich steif. Es war ihr anzusehen, dass ihr diese Aussicht nicht gefiel. Und Ken war vermutlich anzusehen, dass ihm das egal war. „Würdet Ihr wohl die Güte besitzen, nach Floramon Ausschau zu halten? Nur, falls Ihr ihm zufällig begegnen solltet …“

Ken seufzte. Wahrscheinlich war es das Beste, sie zu beruhigen, dann hatte er im Zweifelsfall weniger Ärger mit ihr. „Von mir aus. Ich werde die Floramon in meinem Heer nach dir befragen und auch ansonsten die Augen offenhalten.“

„Ich danke Euch. Darf ich mich empfehlen?“

„Du darfst.“

 

 

Langsam wurde es wieder Abend. Der Sonnenuntergang war blutig rot, wunderschön, als wollte er sie ermahnen, sich ihn genau anzusehen. Vielleicht würden sie nicht mehr viele Sonnenuntergänge erleben … Kari zwang sich, den Gedanken abzuschütteln. So schlimm würde es nicht werden. Wahrscheinlich würden sie sich nur zurückziehen müssen, weil die eroberten Gebiete bald nicht mehr sicher waren.

Nur … was stand dann noch im Weg des DigimonKaisers? Es gab nur noch das vereinte Heer, das aus der Wüste zurückgekehrt war. Vielleicht war die Armee des DigimonKaisers auch geschwächter, als sie angenommen hatten, schließlich war Andromons Schlagkraft sicher nicht zu verachten gewesen. Fürsten wie Ebidramon und Wizardmon rekrutierten im Moment schon wieder neue Soldaten aus ihren Städten und Dörfern. Es gab noch genug Digimon, die kämpfen konnten – allerdings fand jeder Datensplitter, der in diesem Krieg gen Himmel flog, seinen Weg in die Stadt des Ewigen Anfangs, die der DigimonKaiser beherrschte. Und dass er selbst genügend Türme für Schwarzturmdigimon bauen konnte, hatte er bereits bewiesen. Wenn Kari nur daran dachte, schien sich die Welt um sie herum zu trüben.

Yolei und Davis hatten von den Ereignissen an der Front erzählt. Dass der DigimonKaiser nun auch Menschen kontrollieren konnte und sie als Geiseln einsetzte. Dass er ein Mädchen namens Nadine getötet hatte … Kari war über sich selbst erstaunt, dass die Geschichte keine Tränen in ihr hatte aufsteigen lassen. Nadine war von der Saat der Finsternis besessen gewesen, aber nachdem Oikawa ihr die daraus entsprungene Blume genommen hatte, war sie wieder ein gewöhnliches Mädchen gewesen. Sie hatte geholfen, MaloMyotismon zu besiegen, und sie war ein DigiRitter geworden …

Kari war dankbar, dass Tai den Rückzug angeordnet hatte, auch wenn sie wusste, dass er sich seither mit der Frage quälte, ob er das Richtige getan hatte. Ihr Bruder hatte auch keine Menschenleben gefährden wollen. Vielleicht waren sie tatsächlich Heuchler, die ein Digimonleben geringer schätzten. Vielleicht hatten sie die letzte Chance auf einen Sieg vertan, denn je länger sie warteten, desto aussichtsloser wurde die Lage. Kari wusste es nicht.

Sie war den halben Tag durch die kalten Gänge von Fort Netwave gestromert und hatte gegrübelt. Sie hatte geglaubt, wenn sie nur in die DigiWelt kommen und Tai unterstützen könnte, würde alles gut werden. Wie naiv sie doch gewesen war. Nichts wurde gut: Die Kämpfe wurden nur noch heftiger, und die Dunkelheit wurde immer stärker. Kari spürte es. Sie meinte sogar die Kälte zu fühlen, die mit jedem Turm, den der Kaiser baute, zunahm.

Am frühen Nachmittag hatte Tai dann verkündet, dass sie eine Krisensitzung in Little Edo abhalten würden. Sora, Kari und Klecks sollten auch dabei sein. Dass T.K. in der Wüste geblieben war, erfuhr sie erst, als die Megadramon sie vor Mimis Pagode absetzten, wo sie sich mit den anderen DigiRittern und den Heerführern trafen. Sie vertraute ihm, aber sie war nicht sicher, ob er selbst noch wusste, was er tat. Der Träger des Wappens der Hoffnung war ihr in letzter Zeit immer düsterer erschienen. Vielleicht stürzte er sich kopfüber ins Unglück – und wenn er es tat, dann für sie.

Kari hatte ihren Streit nicht vergessen. Konnte es sein, dass T.K. sie immer noch liebte? Über ihre Trennung hinweg? Oder wurden diese Gefühle in der Schwärze des Meeres der Dunkelheit einfach stärker, wuchsen mit ihrer und seiner Verzweiflung? Sie selbst wusste nicht, was sie denken sollte. Sie machte sich große Sorgen um ihn, das wusste sie, aber sonst? Die Leere in ihr wuchs. Am Meer hatte sie wenigstens Visionen gehabt und in etwa erkennen können, wie es um die DigiWelt stand. Nun sah sie in ihren Träumen einfach nur schwarz.

Der einzige Lichtblick an diesem Tag war, dass sie Joe wiedersah. Der Älteste ihrer Clique begrüßte sie höflich, schien sich aber nicht damit abfinden zu wollen, nun auf einer Seite in diesem Krieg zu stehen. Tai erklärte grob, dass Schwarzturmdigimon wohl kaum medizinische Hilfe bräuchten und Joe somit keine Wahl hätte.

Auch von Cody hörte sie endlich etwas. Er war in der Gewalt der DigimonKaisers. Das war eine üble Nachricht. „Seltsam“, meinte Tai dazu. „Als sie mich in die Voxel-Stadt brachten, erhielten wir eine Videonachricht. Da sah es so aus, als würde dieser Cody für den DigimonKaiser arbeiten.“

„Sicher nicht freiwillig“, sagte Kari. „Wir müssen ihn befreien!“

„Und wie?“, schnaubte ihr Bruder. „In die Wüste laufen und ihn mit uns zerren?“ Darauf wusste sie keine Antwort. Sie glaubte nur fest daran, dass es eine Möglichkeit gab.

Auch Matt kam pünktlich zur Besprechung. Unter seiner Kleidung lugten immer noch Unmengen an Mullbinden hervor, mit denen seine Wunden verbunden waren. Er kam auf Garurumon und saß auf dem Pagodenvorplatz ab, wo sich die anderen Menschen versammelt hatten.

„Matt“, seufzte Mimi erleichtert, als sie ihn sah. Dann erstarb ihr Lächeln, und sie wich verlegen seinem Blick aus.

Yolei nahm es gelassener. „Der Shogun ist also auch wieder im Land“, meinte sie grinsend.

„Shogun für zwei Tage, wenn wir keine Lösung finden“, brummte Tai ungehalten. Kari wusste nicht, ob er damit zur Sitzung drängte oder ob irgendwie böses Blut zwischen den beiden stand.

Matt trat auf Mimi zu und räusperte sich. Es wirkte, als hätte er sich lange auf diesen Moment vorbereitet. „Weißt du … Ich glaube, für den Shogun bin ich nicht gemacht. Wir wissen beide, dass wir nur politische Gründe hatten. Alles hat sich inzwischen geändert. Wenn wir uns nie begegnet wären, wäre der DigiWelt sicher viel Leid erspart geblieben.“ Sein Blick glitt zu Michael, der Mimi bisher nicht von der Seite gewichen war. „Von mir aus können wir unsere Ehe annullieren.“

Kari hatte erwartet, dass Mimi in Freudenstürme ausbrechen würde, aber sie zog eine Schnute. „Du willst dich also einfach so aus der Affäre ziehen und mir Little Edo ganz allein überlassen? Du wolltest unbedingt die Truppen meines Vormunds, jetzt trag auch die Verantwortung dafür!“

„Verantwortung? Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug gegen den DigimonKaiser kämpfen“, meinte Matt mit zusammengebissenen Zähnen. „Aber ein Land regieren kann und will ich nicht.“

„Es gibt da jemand anderen, der das Land gern wieder regieren würde“, erklärte Tai ungehalten. „Den DigimonKaiser. Könnten wir dann zur Sache kommen, um zu diskutieren, wie wir ihn davon abhalten, hier gleich wieder einzufallen?“

Die Stimmung war bedrückt wie nach der Sache mit Andromons Heer. Die Freude über ihren raschen Vorstoß war verpufft wie Rauch. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass der DigimonKaiser derart unbesiegbar war. Yolei zeigte ebenfalls ihren Unmut. Sie erzählte Kari, dass sie den Gekomon versprochen hätte, Musyamon würde sich nicht an ihnen rächen. Dabei war Musyamon nur ein kleiner Fisch gewesen im Vergleich zu ihrem wahren Feind …

Sie versammelten sich alle in der großen Halle, Mimi auf dem Kissen des Shoguns, Michael zu ihrer Rechten, Matt links. Die anderen nahmen im Schneidersitz in einem breiten Halbkreis auf dem Boden Platz: Kari und Klecks als Repräsentanten der Schattenwesen-Divermon, Sora als eine Königin, deren Volk vielleicht nie zu ihr zurückkehren würde, Yolei und Joe. Vom Nördlichen Königreich Tai, den sie nun Drachenkönig nannten, Davis, Frigimon, Agunimon, Angemon und ein KaiserLeomon – das zweite sammelte ebenfalls neue Kämpfer. Auch Izzy bekam Kari nun wieder persönlich zu Gesicht. Er hatte seine Computeranlagen aufgegeben und war mit Tentomon hergekommen. Neben ihm saß ToyAgumon. Kari spürte einen Stich im Herzen, als sie daran dachte, dass sie nun alle bis auf Cody, T.K. und Ken versammelt waren.

Dann war da noch Willis, der sich in eine Ecke zurückgezogen hatte und aussah, als interessierte ihn das alles nicht. Kari hatte ihn als fröhlichen Jungen in Erinnerung – dieser Willis hier war bestenfalls herablassend. Er wirkte, als würde er sowieso nicht mit einem Sieg rechnen und stattdessen lieber allein umherziehen, um die Gebiete des DigimonKaisers zu terrorisieren. Vielleicht war das auch der einzige Weg, noch Widerstand zu leisten …

„Dann fangen wir an“, sagte Tai und verschränkte die Arme. „Zuerst will ich Königin Mimi danken, dass wir die Besprechung hier abhalten können. Hat irgendjemand Vorschläge, was wir weiter tun sollen? Wir haben noch ungefähr einen, bestenfalls zwei Tage, bevor uns das Heer aus dem Westen erreicht. In der Kaiserwüste wartet ein zweites Heer, und wenn sie gleichzeitig angreifen, können wir uns schlecht verteidigen. Außerdem hat der DigimonKaiser Geiseln und kann Menschen kontrollieren. Irgendwelche Ideen?“ Er wandte sich erwartungsvoll Izzy zu.

„Schwierig“, meinte der Rotschopf. Für Kari hörte es sich an, als wollte er aussichtslos sagen. „Ich habe etliche Nachrichten des DigimonKaisers aufgezeichnet. Er benützt wieder seine herkömmlichen Kommunikationswege, obwohl er weiß, dass wir sie abhören. Das bedeutet, dass er sich seiner Sache sehr sicher ist.“ Als er die mutlosen Blicke bemerkte, fügte er schnell hinzu: „Allerdings gewinnen wir so auch ein bisschen Einblick in seine Pläne. Wir wissen nicht, wie groß sein Heer im Westen ist, aber er scheint es für nicht schlagkräftig genug zu halten. Ich bin sicher, er vereint seine Streitkräfte, um uns mit einem einzigen Schlag zu vernichten. Er rekrutiert nämlich in all den eroberten Gebieten wieder Digimon, von der Felsenklaue bis nach Chinatown. Sie haben Befehl, sich zwischen der Stiefelbucht und der Kaktuswüste zu versammeln. Wir haben etwas Zeit gewonnen, nur leider können wir nicht sagen, wann er losschlagen will. Sicherheitshalber sollten wir unsere Schätzung von zwei sicheren Tagen nicht revidieren.“

Tai nickte. „Danke. Wir könnten also versuchen, zur Felsenklaue zu marschieren und die Armee zu zerschlagen, noch während sie sich neu formiert?“

„Wenn wir das tun, wird er mit den Schwarzturmdigimon aus Nordosten kommen“, warf Michael ein. „Dann liegt das ganze Shogunat auf einem Silberteller.“

Tai zog finster die Augenbrauen zusammen.

Willis seufzte nur. Kari spürte wieder, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Ihr wurde um eine Winzigkeit schwerer ums Herz, als unterdrückte etwas die Kraft, die ihr das Wappen des Lichtes verleihen sollte. In den letzten Tagen hatte sie dieses Gefühl regelmäßig verspürt, und mittlerweile war sie sich sicher, woher es kam: Ein neuer Schwarzer Turm war gebaut worden, irgendwo in der DigiWelt, und verbreitete die Macht der Dunkelheit.

Und in dem Moment geschah es.

Willis sprang erschrocken auf, als es in seiner Jackentasche zu leuchten begann. Auch die anderen stießen überraschte Rufe aus, als reihum ihre DigiVices reagierten. Die meisten sprangen ebenfalls auf die Füße.

„W-wisst ihr, was das zu bedeuten hat?“, fragte Davis.

Selbst Kari verneinte. Aber sie hoffte auf etwas Gutes. Der Schauder saß ihr noch im Genick.

Willis hatte mittlerweile sein ArmorEi hervorgeholt. Es glühte ebenfalls, nicht weiß wie ihre DigiVices, sondern golden. Als er die Hand öffnete, schwebte es von alleine davon und in die Mitte des Raumes. Mit angehaltenem Atem verfolgten sie, wie es dort langsam zu Boden sank. Etwas wie in allen Regenbogenfarben schillernde Schneeflocken stob auf, dann sandte jedes der DigiVices einen Lichtstrahl auf das Ei. Es wurde so hell, dass sie sich geblendet abwenden mussten.

Als die Lichtflut verebbt war, wagte Kari einen Blick. Über dem goldenen Ei war eine Gestalt aufgetaucht. Sie riss die Augen auf. Waren ihre Gebete erhört worden?

„Es freut mich, so viele von euch hier versammelt zu wissen, DigiRitter“, sagte Gennai.

Die anderen starrten den Mann in der weißen Kutte an. Davis fand als Erster die Sprache wieder. „Wer … wer seid Ihr? Und wen meint Ihr mit DigiRitter?“

Gennai sah ihn ernst an. „Die DigiRitter seid ihr. Menschen, dazu auserwählt, unsere Welt vor der Finsternis zu retten.“ Sein Blick glitt weiter zu Kari. „Ich bin Gennai, und ich bin hier, um euch zu helfen, den DigimonKaiser zu besiegen.“

 
 

Your wicked manners start to remind us of the man we used to know

All the rain and fire starts before the show

With thunder and lightning you fill your heart that wasn’t whole

To the surface

(Celesty – Lord of Mortals)
 


 


 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Zum Glück gibt es noch Gennai, nicht wahr? ;)
Tag 150 ... Mir fällt gerade auf, dass das Spiel schon ungefähr fünf Monate läuft O.o Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Juju
2018-06-23T13:33:06+00:00 23.06.2018 15:33
Fast vollzählig, ja endlich! Zeit wurde es, dass alle DigiRitter zusammenkommen.
Und über Gennais Auftauche freue ich mich gerade nicht. -.- Aber von vorn.
Ha, also doch. Es waren nicht die echten Menschen, sondern Klone. Gut, wie du das hier alles erklärst. Ken ist wirklich gerissen. Da kopiert er einfach sich und Nadine jeweils zweimal, damit es möglichst viele Menschen werden. xD Und Cody war ja auch zweimal dabei. Und Oikawa noch. Hach, ich finde ja wirklich, er ist super intelligent. Bzw du, du bist ja der Kopf hinter dieser Geschichte. xD Aber ich finde wirklich, dass Ken auf einmal doch ziemlich gleichgültig, ja sogar kalt wirkt. Das mit Catherine war irgendwie echt krass und es hat mich traurig gemacht, diese Szene zu lesen. Irgendwo kann man ja verstehen, dass er einfach so viel um die Ohren hat und diesen Krieg gewinnen will, dass da nicht mehr viel Platz für ewiges Mitleid bleibt. Aber hallo, die Arme wurde gefoltert. Und sie möchte Floramon wiederhaben und er hat aber irgendwie gar keinen Bock, überhaupt nebenbei nach Floramon Ausschau zu halten. Dabei hat er vor kurzem ja wirklich noch alles aufs Spiel gesetzt, um sie alle zu retten. Wahrscheinlich würde er das in seinem aktuellen Gemütszustand nicht mehr tun. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass da noch was dahintersteckt. Vielleicht hat Deemon Besitz von ihm ergriffen oder so? Immerhin kommt Deemon ja von Dämon und Dämonen besetzen doch Menschen. Hm... ich bin wirklich gespannt, wie sich Ken noch entwickelt. Aber vielleicht hat er auch einfach nur keinen Bock mehr und will es nur noch beenden. :D
Puhhh und dann die Szene, wie T.K. endlich herausfindet, dass Ken der DigimonKaiser ist. Das hast du mal wieder klasse beschrieben, ich konnte seinen Schock praktisch spüren. :D Wie er immer noch mehr Beweise wollte, weil er es einfach nicht wahrhaben wollte, dass es wirklich Ken ist. Eigentlich war es ja schon klar, dass es nur DER Ken sein kann, als es hieß, der DigimonKaiser heißt Ken und hat ein Wormmon. Aber klar, T.K. hat natürlich gehofft, dass das nur ein Irrtum ist. Sein Reaktion daraufhin finde ich wirklich prima und passend. Da macht er sich echt auf, um Ken zu verprügeln. :D Ich saß hier und habe ihn angefeuert. Also vielleicht nicht verprügeln, aber wenigstens reden und alles aufklären. xD Ahhh hoffentlich gelingt ihm das. Ich hatte ja gehofft, Ken persönlich würde ihn empfangen, aber stattdessen kommt Arukenimon daher und wirft ihn erst mal in den Kerker. <_<
Hm Keiko taucht auch mal wieder auf... was war sie nochmal? Keine Fürstin oder sowas oder? Anscheinend wird sie jetzt auch zu Ken gebracht.
Ah und dann noch das Treffen der anderen. Matt ist auch wieder da. *_* Der hatte ja jetzt echt lang Funkstille. Aber sie sind nach wie vor alle voller Hass auf Ken und Tai und Matt scheinen sich immer noch zu streiten. Ich mag übrigens Tais Kommentare. Er will endlich zu Potte kommen und die anderen haben nichts Besseres zu tun, als ihre persönlichen Probleme zu klären, obwohl Ken ihnen schon im Nacken sitzt. xD Und Matt erwähnt einfach mal so ganz nebenbei, dass sie die Ehe auch wieder annullieren könnten. Was sind das für Zustände? :D Hach ich frage mich, ob sie sich nach dem Spiel noch an alles erinnern können. Ich gehe einfach mal davon aus, dass Ken am Ende gewinnt. :P
So und dann, in dem Moment, in dem keiner eine Lösung für die Zukunft hat, taucht plötzlich Gennai auf und will helfen. -.- Ich hoffe, er weiß, was Deemon treibt. Nicht, dass am Ende Deemon hinter Gennai steckt. Wie auch immer, ich freue mich gerade nicht über sein Auftauchen. Bin sehr skeptisch. Na mal schauen, wie es weitergeht und wie das Gespräch zwischen Ken und T.K. verläuft. Ich hatte ja gehofft, du packst es noch in dieses Kapitel, aber das wäre wahrscheinlich zu viel geworden.
Von:  EL-CK
2017-09-04T16:07:26+00:00 04.09.2017 18:07
Erstmal bin ich froh, dass ich meine Gummibärchen-Bazooka wieder wegpacken kann...
So jetzt ist also TK bei Kein (oder hakt so gut wie) und Genai aufgetaucht... Oder ist er's evtl gar nicht....
WOW schon 150 Tage.... Das ist lange...
Antwort von:  UrrSharrador
04.09.2017 20:32
Danke auch hier für den Kommi! Ja, wie schnell doch die Zeit vergeht ^^'


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