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Eiszeit

Wichtelgeschichte für White_Angel
von

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Im Zeichen des Neumondes


 

***
 

Die Stadt wirkte, als habe man sie mit einer funkelnden Glasur überzogen. Ein Netz aus Eiskristallen hatte sich in den Asphalt eingewebt, so dass der Verkehr ungewöhnlich bedacht voranschritt und die Menschen sich mit höchster Vorsicht über die vereisten Gehwege wagten. Immer wieder geriet einer unter ihnen ins Wanken und ruderte hastig mit den Armen, um das Gleichgewicht halten zu können oder mit einem dumpfen Knall auf dem gefrorenen Boden zu landen.

Doch all das schien in diesem Moment weit weg. Ihr Seufzen wurde vom Stadtlärm verschluckt, während sie sich mit hängendem Kopf in der Menschenmasse einreihte und ihre Winterstiefel über die glatte Oberfläche schob. Und abermals gab ihr Bauch ein bedrohliches Grummeln von sich und erinnerte sie schmerzlich an ihren fatalen Fehler, den gesamten Inhalt ihres Bentōs bereits zum Frühstück verschlungen und nicht einen Bissen für einen Mittagssnack übrig gelassen zu haben. Nicht einmal die bunten, lockenden Schaufenster, die den Gehweg säumten, konnten sie von dieser Tatsache ablenken. Hinzu kam diese bleierne Müdigkeit, die an ihren Gliedern zerrte, während die beißende Kälte ihr Gesicht bereits in einen tauben Zustand versetzt hatte.

„Meteorologen streiten weiterhin über den Einfluss der extremen Kälte, die sich über die gesamte östliche Hemisphäre ausbreitet und seit Wochen das öffentliche Leben bestimmt“, dröhnte eine monotone Stimme aus einem Elektrogeschäft. Sie gehörte dem Nachrichtensprecher, der auf dem Fernsehbildschirm im Schaufenster zu sehen war.

„Es ist noch immer ungeklärt, was diesen rapiden Temperatureinbruch hervorruft oder wie lange diese „Eiszeit“ noch andauert…“

Sie verzog eine Grimasse, während der Nachrichtensprecher mit Zahlen und Fakten um sich warf und sich über die himmelblaue Krawatte fuhr. Sie hatte die ewigen Diskussionen satt und wollte einfach nur in ihr warmes Heim, wo auch ein Bett auf sie wartete – und Mamoru. Für einen Augenblick verschwand die Kälte und sie strich über ihren Ringfinger. Unter den dicken Wollhandschuhen zeichnete sich der Ring mit dem rosafarbenen Diamanten in Herzform, eingerahmt von silbernen Ornamenten, schwach ab. Er hatte nun schon seit einigen Jahren dort seinen Platz und erinnerte sie an den schönsten Tag ihres Lebens.

Viel war seitdem geschehen und gleichzeitig doch so wenig. Mit dem Sieg über das Chaos und Galaxia war tatsächlich Frieden auf der Erde eingekehrt und die Sailor Kriegerinnen führten endlich das normale Leben, das sie sich immer gewünscht hatten.

Doch so ein Leben war recht zeitintensiv und während Ami ihr Medizinstudium mit eiserner Beharrlichkeit und viel Fleiß in Angriff nahm, hatte Makoto eine Stelle als Floristin in einem Blumengeschäft angetreten und verbrachte jede freie Minute zwischen Blumenerde und Düngemittel. Und auch Rei war mit ihrer Arbeit im Tempel und der anstehenden Hochzeitszeremonie sehr beschäftigt. Selbst wenn sie bereits ein Duzend Mal gedroht hatte, ihre Verlobung mit Yuichiro, dem ehemaligen Tempelgehilfen, aufzulösen.

Minako dagegen hetzte von Casting zu Casting, in der Hoffnung bald den großen Durchbruch als Schauspielerin feiern zu können – unterdessen hielt sie sich als Kellnerin über Wasser, sehr zum Missfallen von Artemis, dem weißen Mondkater, der noch immer auf einem Kissen neben Minakos Bett schlief.

Und sie selbst? Sie hatte ihren Traumprinzen bekommen.

Doch Mamoru Chiba bestand darauf, dass sie sich nicht nur darauf ausruhte, Ehefrau zu sein.

„Wenn du einmal dieses Land regieren willst, dann musst du lernen Geschicklichkeit und Verstand zu gebrauchen und für dein Volk einzusetzen. Es ist wichtig, dass du dich mit Sachverhalten beschäftigst, sie untersuchst und prüfst“, hatte er ihr gesagt, während sie ihn empört angestarrt hatte. Natürlich stritten sie, doch so sehr sie den Gedanken auch von sich schieben wollte, die Tatsache, dass die Zukunft, von der Chibiusa ihr erzählt und die sie mit eigenen Augen gesehen hatte, unweigerlich nahte, blieb.

Dabei war sie sich nicht einmal sicher, ob sie wirklich über andere herrschen wollte oder eine gute Königin sein konnte. Sie mochte die wiedergeborene Mondprinzessin sein, doch eigentlich war sie nur ein Mädchen, eine Frau, die es mit dem Erwachsenwerden nicht so genau nahm.

Vielleicht hatte sie auch aus diesem Grund eingelenkt und sich für ein Hauswirtschaftsstudium eingeschrieben. Vielleicht war es an der Zeit die Mondprinzessin hinter sich zu lassen und ihr Schicksal als Königin anzunehmen…

Abermals seufzte sie ihr Leid hinaus in die klirrend klare Luft. Außer den Atemwölkchen, die sich durch die Nacht schlängelten, ging auch dieser Seufzer im Tokioter Rauschen unter. Doch ehe sie sich weiter in ihrem Selbstmitleid suhlen konnte, stieß ihre Stirn gegen etwas Hartes. Ihre Füßen gerieten aus dem sicheren Takt und taumelten über die vereisten Pflastersteine, während lange, schlanke Finger sich um ihr Handgelenk schlangen und sie mit eisernem Griff davor bewahrten, auf dem kalten Boden zu landen. Sie blickte in zwei schmale, regengraue Augen, die sie durchdringend musterten. Ein Schaudern überkam sie, während sie sich langsam aufrichtete und den Jungen beobachtete. Er trug einen pechschwarzen Wintermantel und sein Haar war seltsam farblos, während es ihm schlaff in das schmale Gesicht hing. Er reckte das spitze Kinn und eine gewisse Arroganz ließ sich in seinen Bewegungen erahnen. Seine Finger lösten sich von ihrem Handgelenk und sie konnte eine schwarze Sichel auf der Handaußenseite erkennen. Das Halbmond-Tattoo verschwand jedoch so rausch aus ihrem Blickfeld wie es aufgetaucht war und erschrocken richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gesicht des Jungen, der um einiges größer war.

„Danke“, versuchte sie und lächelte, doch er zuckte nur mit den Schultern und verschwand bereits in der Menschenmasse, die über die Straße steuerte, als die Ampel auf Grün umschaltete. Verwirrt versuchte sie das unheimliche und zugleich vertraute Gesicht einzuordnen. Sie konnte jedoch nicht ausmachen, wo sie diesen Jungen schon einmal gesehen hatte – ob sie diesen Jungen schon einmal gesehen hatte.
 


 

***
 

Die Nacht breitete ihren dunklen Mantel unerbittlich über der Stadt aus, während sie auf den Hauseingang des Gebäudekomplexes zutrat, der von einer flackernden Lampe beleuchtet wurde, die schwummrige Schatten auf die Wände warf.

Die Sterne funkelten am Firmament, das ungewöhnlich dunkel war in dieser eiskalten Nacht. Ihre Augen suchten das schützende, silbrige Licht, doch der Mond war mit einem dunklen Schatten überzogen, so dass sich nur seine vagen Umrisse erahnen ließen.

„Neumond“, stellte sie fest und das Schlüsselbund klimperte erwartungsvoll in ihrer Hand. Sie gab dem Drängen nach und die massive, metallenen Eingangstür öffnete sich und gab den Weg in das dunkle, stille Treppenhaus des Appartement-Trakts frei.

Müde erklomm sie die Treppenstufen, als ihr Magen erneut laut aufheulte und das Grummeln durch das Treppenhaus hallte.

Peinlich berührt, presste sie die Hände auf den Bauch und hoffte, dass der Rebell nun Ruhe gab, bis sie ihre Wohnung erreicht hatte.

Ein schmaler Lichtstreif lugte unter ihrer Wohnungstür hervor. Mamoru war bereits zu Hause. Erfreut öffnete sie die Tür und ließ ihre Schuhe an der Schwelle zurück, während sie sich ins Warme drängte und das taube Gefühl aus ihren Wangen langsam wieder verschwand.

Der Duft von kochendem Gemüse waberte durch den Raum und sie konnte die Umrisse ihres Mannes erkennen, der in einer Dampfwolke gehüllt mit einem Kochlöffel hantierte.

Ihr Herz machte einen Sprung. In diesen Momenten wusste sie, dass, wann immer die Zukunft zur Gegenwart würde, er ihr Zuhause war, ihre Stütze, immer und immer.

Und so beunruhigend die Vorstellung auch war, Königin zu sein, so schön war es, ihn als König an ihrer Seite zu wissen.

Ihre Arme schlangen sich um seine Taille.

„Mamo-chan“, säuselte sie und atmete den Duft von Lauch ein. „Ich bin wieder da~a!“

„Gut, dann deck schon mal den Tisch“, gab er zurück, ohne sich umzudrehen oder sie, wie es sich für einen liebenden Ehemann gehörte, gebührend zu begrüßen.

„Szenen einer Ehe, geprägt von der Gefühlskälte des Mannes“, empörte sie sich und runzelte die Stirn, während sie die beiden Reisschalen demonstrativ laut auf der Tischplatte abstellte. Die Essstäbchen klirrten, als sie gegen das Porzellan stießen, doch Mamoru ließ sich, zu ihrem Entsetzen, nicht aus der Ruhe bringen. Vorsichtig trug er den Kochtopf zum Esstisch und legte die Schürze beiseite, bevor er sich setzte und sich etwas Reis in seine Schüssel füllte. Sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht, während er sich über das Schälchen beugte.

Mit verschränkten Armen beobachtete sie ihren Gatten. Sie würde nicht eher mit ihm zu Abend essen, bis er sich für sein unhöfliches, liebloses Verhalten…

Ein lautes Brummen ertönte und ließ sie erstarren.

Mamoru blickte kurz auf, amüsiert und spöttisch zugleich, während ihr das Blut ins Gesicht schoss und sie ihren Magen verfluchte.

Ihre Blick wanderte zum dampfenden Gemüse und den saftigen Reiskörnern und ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Selbst wenn sie gewollt hätte, ließen sich ihre Füße nicht aufhalten und setzten sich in Bewegung, direkt auf den Esstisch mit dem Reis und dem Gemüse zu.

Ohne Mamoru eines Blickes zu würdigen, nahm sie die Reiskelle und füllte ihr Schälchen bis zum Rand. Nur weil er kein Feingefühl besaß, hieß es ja nicht, dass sie verhungern musste, das wäre nicht fair!
 


 

***
 

„Ich habe dir gesagt, du sollst nicht so schlingen!“ Sie verfluchte Mamorus tadelnde Stimme auf der anderen Seite der Badezimmertür, während sie die Spülung betätigte und sich über das Waschbecken beugte. Das kühle Wasser plätscherte über ihre Lippen und hinterließ nasse Spuren auf ihrem Gesicht, während ihr Magen sich langsam beruhigte und der Boden unter ihren Füßen das Drehen einstellte.

Sie lehnte den Kopf zurück und berührte den Wasserhahn, doch dieser bewegte sich kein Stück, sondern verharrte in seiner Position. Das Wasser lief und lief und ganz plötzlich erstarrte es, Eiskristalle wuchsen heran zu einem dichten Netz tauchten das weiße Porzellan in einen unnatürlichen Schimmer aus Frost.

„Mamoru!“ Ihre Stimme klang schrill, während sie einen Schritt zurückwich und beobachtete, wie das Eis wuchs und über den Waschbeckenrand lugte.

Ihre Hände suchten blind nach dem Türgriff, während sie auf das Eisspektakel starrte, das sich an den Fließen hinaufschlängelte. Rückwärts stolperte sie aus dem Bad und stieß gegen Mamoru, der mit aufgerissenen Augen auf die Wohnungstür starrte. Sie folgte seinem Blick, während sich ihre Fingerspitzen zaghaft berührten.

Ein dichter Teppich aus weißen Eiskristallen fraß sich durch die Maserung und ließ das Holz unter dem Druck des gefrorenen Wassers bersten.

Und plötzlich wurde alles in einen goldenen Lichthauch getaucht und das einzige, was sie spürte, war Mamorus Hand.
 


 

***
 

Zur selben Zeit strich Makoto Kino über einen Strauß Rosen, die sie in einer Vase im Schaufenster platzieren wollte. Sie wusste den Dornen dieser Blumen geschickt auszuweichen und strich sanft über die seidig roten Blüten. Als sie auf die Straße blickte und sah, wie der Brunnen urplötzlich Eisfontänen spie. Erschrocken ließ sie das Blumenbündel fallen, das daraufhin klirrend zu Boden ging. Als Makoto an ihren Füßen herabblickte, sah sie, wie die Blumen in tausende Scherben zersprungen waren und dann wurde alles um sie herum in einen Goldschimmer getaucht und der Boden unter ihren Füßen löste sich auf.

Minako Aino war gerade von einem Vorsprechen zurückgekehrt und schmunzelte, als sie Luna und Artemis zusammengerollt auf einem Kissen vorfand. Die beiden Mondkatzen schienen sie nicht bemerkt zu haben, doch als Minako ihnen über das Fell streichen wollte, bemerkte sie, die Eiszapfen die an den Schnurbarthaaren klebten und fuhr erschrocken zurück. Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, riss sie ein Strudel aus goldenem Licht von den Füßen.

Nervös kniete Rei Hino vor dem Feuer und schloss die Augen. Sie hatte schon den gesamten Tag ein mulmiges Gefühl gehabt, das nicht mit der herannahenden Hochzeit zu tun hatte. Als die Wärme des Feuers plötzlich nachließ und Rei die gefrorenen Flammen sah, wusste sie das sie recht hatte. Das goldene Licht überrumpelte sie daher nicht besonders.

Als Ami Mizuno die Blutproben überprüfen wollte, gefror ihr buchstäblich das Blut in den Adern und der goldene Wirbelsturm überraschte sie, noch bevor sie die Situation analysieren konnte.

Haruka Tenoh fluchte, als sie die festgefrorenen Bremsklötze begutachtete, während Michiru Kaioh die Stirn runzelte und Setsuna Meiho unruhig auf dem Rücksitz hin und her rutschte. Nur Hotaru Tomoe schien gelassen, als das Licht die vier erfasste.
 


 

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Emerald_Phoenix
2012-02-03T00:25:28+00:00 03.02.2012 01:25
> Nur Hotaru Tomoe schien gelassen, als das Licht die vier erfasste.
Mein Lieblingssatz aus diesem Kapitel. Fehlte eigentlich nur noch, dass sie seelenruhig vor sich hin trällert. ^^ Sehr schönes, anschauliches Kapitel. Besonders gefallen hat mir der letzte Teil des Kapitels, in dem du beschreibst, wie die Kriegerinnen den Beginn der Eiszeit auf ihre Weise erleben. Die Situationen passen ja auch sehr gut zu den einzelnen Charakteren.
Von:  Kaninchensklave
2012-02-01T17:48:34+00:00 01.02.2012 18:48
ein weiters tolles Kap

ich frage mich blos wer der Junge Mann war der Bunny geholfen hat
tja und wiee s zurzeit aussieht war die einzige die nicht überrascht wasr Hotaru diefreut sich ja auch das es bald so weit ist und Ihre beste Freundin geboren wird ;D
warum sollte dann auch Angst haben


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