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Henkerslied

Die Wahrheit über H. Abernathy
von

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Ein Ausdruck der Liebe

Heute ist mein Geburtstag. An diesem Tag bin ich siebzehn Jahre alt geworden. Vor etwa acht Monaten fanden die letzten Spiele statt. Bald sind die nächsten dran. Die Zeit rennt. Sie rennt.

Mein Morgen beginnt, indem ich eine Kanne Kaffee fülle und einen Schuss Alkohol hinzu kippe. Der bittere Geschmack ist schon seit Langem vergangen.

Hier trinke ich die ersten zwei Tassen.

Leicht erhitzt, leicht frierend mache ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer und nehme dort auf dem Sessel Platz, um den Fernseher zu beobachten. Gerade wird eine lange Rede vom Präsidenten gehalten. Ich nehme die nächste dampfende Tasse in Angriff und starre eisern auf die Bilder vor meinen Augen.

Das hier ist nicht nur mein Geburtstag. Mir ist klar, dass dieses Datum nicht ohne Grund ausgewählt wurde. Alles andere wäre völlig untypisch für das Kapitol.

Das Geschirr klirrt, wann immer ich die Tasse auf ihren Untersatz zurückstelle. Dieses Geräusch macht mich unruhig. Alle paar Sekunden muss ich mich anders hinsetzen.

Die Worte, die dort gesprochen werden, sind für mich nahezu unerheblich. Wichtig sind die Gesichter, die ich sehe.

Auf einem großen Platz wird eine aus Holz geschaffene Bühne gezeigt. Nichts Spektakuläres, sie ist ganz schlicht gehalten. Das Entscheidende ist das, was sich auf der Bühne befindet.

Was in den nächsten Sekunden geschieht, ist die Konsequenz aus meiner Entscheidung, die schon vor Wochen fiel. Nächte habe ich mich gefragt, ob es die richtige ist, bis ich mir schließlich sicher war. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.

Die Finger meiner linken Hand zittern wieder. Sofort schnappt meine rechte Hand danach und drückt fest zu. Solange, bis das Schlottern irgendwann nachlässt.

Ich sehe bronzefarbenes Haar und ein Gesicht, das keine Freude zeigt. Viel mehr eines, das nicht darauf schließen lässt, dass es jemals so etwas wie Freude zeigen konnte. Meine Entscheidung ist die einzig richtige. Ich hatte gar keine andere Wahl. Auch wenn ich innerhalb der Distrikte zu einer Art Verräter gekürt wurde. Das interessiert mich nicht. Weil mich die Leute nicht interessieren. Mich interessiert das hier.

Nur noch ein paar Schritte, ein paar müde Worte, dann geht alles ganz schnell vorüber. Die Klappe fällt und die Schlinge zieht sich zu. Ein Geräusch, das in dem tosenden Applaus völlig erstickt wird. Noch nie hatte ich jemanden, den ich meinen Freund nennen konnte.

Liam war nur eine Zuflucht für mich. An einen Freund habe ich niemals gedacht. Sonst wäre ich nicht so egoistisch gewesen.

Mein Gesicht sinkt in meine Hände, als Snow wieder das Wort ergreift und seinen Untertanen Mut zuspricht. Seinen Marionetten, deren Schlinge auch jederzeit zugezogen werden könnte. Aber das bemerken sie nicht.

»Das Kapitol hat wieder einmal bewiesen, dass wir allein die Macht besitzen. Daran kann niemand etwas rütteln. Ich verspreche euch, dass sich daran niemals etwas verändern wird.«

Kurz ist es still in meinem Zimmer, während den Worten aus dem Fernseher Beifall geklatscht wird. Dann schleicht sich ein müdes Lächeln auf meine Lippen.

»Als ob Versprechen etwas für die Ewigkeit wären.«



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