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Grow Up

Take you to Rio
von

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Zweisamkeit liebt Einsamkeit.

1 Stunde, 34 Minuten und 27 Sekunden. So lange musste ich warten und so lange brauchte Calvin an diesem Morgen im Badezimmer. Nicht einmal meine Mutter verbrachte so viel Zeit im Bad!
 

Unruhig lief ich vor dem Badezimmer auf und ab. Elias wollte heute mir mir ins Kino gehen und ich wollte rechtzeitig fertig sein. Wie es momentan aussah, würden wir heute wohl nie ankommen. Ich stampfte ungeduldig mit den Füßen auf und klopfte an die Tür. Hämmern traf es eher.
 

„Calvin mach hinne!“, brüllte ich angesäuert. „Du bist ein Junge, was brauchst du so lange im Bad?!“
 

Keine Antwort. Dann wurde plötzlich die Tür aufgerissen und Calvin sah mich arrogant an. Missmutig sah ich zu ihm auf.
 

„Ich will nun mal nicht so aussehen wie du.“, meinte er schnippisch und fassungslos sah ich ihn an. Wie konnte er es wagen, so mit mir zu sprechen?!
 

„Weißt du, die lange Zeit im Bad lässt dich auch nicht viel besser aussehen!“, meinte ich wütend und schob ihn zur Seite, lief flink in den Raum und verschloss schnell die Tür hinter mir.
 

Okay, Elias verbrachte morgens auch total viel Zeit im Bad, aber der sah echt toll danach aus. Auch wenn ich eine Weile brauchte, um mich an seinen düsteren Kleidungsstil zu gewöhnen. Das war wirklich nicht einfach. Aber seine Haare waren jetzt so schön wuschelig, früher hatte er sie ganz kurz geschnitten getragen. Und seine Klamotten waren auch eher langweilig, jetzt trug er ganz enge Jeans und Shirts. Wenn er noch etwas zunehmen würde, würde es echt klasse aussehen.
 

Ich betrachtete mich mal wieder vor dem Spiegel. Ausnahmsweise in voller Montur. Ich fuhr mir mit der Hand durch meine gefärbten Haare. Was fand Elias so toll an mir? Sollte er nicht lieber mit einem hübschen Mädchen seine Freizeit verbringen? Wir waren doch nur Kindheitsfreunde. Oder versuchte er wieder so befreundet mit mir zu sein, wie früher? Aber dann würde er mich nicht küssen oder andere Sachen mit mir anstellen, oder?
 

Elias erschien mir um so vieles reifer als ich. Ich war immer noch ziemlich kindlich, regte mich über alles mögliche auf und benahm mich gar nicht wie ein Junge in meinem Alter.
 

Ich seufzte. War es überhaupt okay, so viel Zeit mit Elias zu verbringen? Wenn ich so an das Video dachte, wollte ich ihm nicht so gern Hoffnungen machen. Machte er sich jetzt überhaupt schon Hoffnungen? Wenn ja, wäre das schlecht. Nur für wen? Für mich oder ihn?
 

Ob ich darüber mal mit Abby oder Hanna reden sollte? Irgendwie wollte ich das nicht. Sie würden sich gleich denken, dass sie doch recht gehabt hatten in ihren Vermutungen. Und den Triumph wollte ich ihnen bestimmt nicht überlassen.
 

In letzter Zeit dachte ich einfach zu viel nach, früher hatte ich mir um nichts und niemanden Gedanken gemacht. Das sollte ich vielleicht auch besser wieder tun. Bei meinen Gedanken kam sowieso zurzeit nichts Gescheites raus.
 

Ich machte mich schnell fertig, Katzenwäsche, Zähneputzen, Kleidungswechsel und fertig war ich. Pünktlich auf die Minute stand ich also im Wohnzimmer auf der Matte und von Elias war weit und breit keine Spur zu sehen. Ungeduldig sah ich aus dem Fenster in die Einfahrt. Wo blieb er denn? War ihm etwas dazwischen gekommen? Ich trommelte mit meinen Fingern auf der Glasscheibe herum.
 

„Sam, kannst du das bitte unterlassen? Das geht mir tierisch auf die Nerven! Elias kommt schon noch!“, schnauzte meine Mutter mich an. Ich warf ihr nur einen gekränkten Blick zu. Nur, weil sie heute so schlechte Laune hatte, musste sie mir meine doch nicht auch gleich verderben.
 

Ich wand meinen Kopf um und wartete weiter auf Elias. Stur sah ich nach draußen. Das Wetter heute sah auch nicht so berauschend aus. Es war leicht bewölkt. Ich wollte aber unbedingt etwas mit meinem Freund unternehmen. Wir mussten in einen Kinderfilm, weil ich noch keine härteren Filme vertrug und mir jedes Mal vor angst beinahe in die Hose machte. Nachts tat ich dann kein Auge zu und krabbelte immer noch manchmal zu meinen Eltern ins Bett, auch wenn es sie beinahe raus warf, da drei Erwachsene dafür einfach zu viel Platz brauchten.
 

„Sam, ihr könnt ja Calvin mitnehmen.“, schlug meine Mutter vor und mir stellten sich die Nackenhaare auf.
 

„Wieso?“, fragte ich sie entsetzt und sah sie mit großen Augen an.
 

„Na, ihr könnt ihm doch mal ein wenig die Gegend zeigen. Und er hat hier ja auch keine Freunde. Es macht sicher Spaß mit mehreren.“, erklärte sie und lächelte.
 

„Aber ich will was mit Elias machen.“, meinte ich enttäuscht. Ich wollte mit ihm allein sein und nicht meinen doofen Cousin an schleppen.
 

„Ins Kino könnt ihr auch zu dritt gehen. Ihr schaut euch nur einen Film an, mehr nicht.“, meinte sie schulterzuckend.
 

Mürrisch schürzte ich meine Lippen. „Vielleicht will er ja gar nicht mitkommen.“, meinte ich erbost.
 

„Mitkommen? Wohin?“, fragte Calvin plötzlich und steckte seinen Kopf ins Wohnzimmer. Er kam zu uns und setzte sich neben meiner Mutter aufs Sofa. Ich sah ihn nur ungnädig von meinem Platz aus an.
 

„Elias und Sam gehen ins Kino. Möchtest du mitgehen?“, wandte sich meine Mutter nun an Calvin. So eine Verräterin! Das hatte sie doch alles genau eingeplant!
 

„Klar, warum nicht? Ich habe heute sowieso nichts zu tun. Der Unterricht beginnt ja erst morgen.“, meinte Calvin freudig.
 

Ich sank in mich zusammen. Hoffentlich würde es noch einmal anfangen zu regnen, und Calvin würde von einem Blitz getroffen werden, oder so. Ich bemerkte Elias und stand hastig auf. Hätte ich wohl lieber mal lassen sollen, denn ich fiel der Länge nach auf den Teppich.
 

„Was wird das?“, fragte Calvin mich ungläubig. Ich sah ihn nur an und streckte ihm einfach die Zunge raus.
 

„Samuel!“, wies meine Mutter mich zurecht.
 

Ich ignoriert sie und rappelte mich auf. Dann rannte ich so schnell ich konnte über den Flur und riss die Tür auf. Meine Freude blieb leider auf der Strecke. Elias hatte ebenfalls ein Anhängsel und so erblickte ich missmutig Lake hinter ihm. Wollten wir nicht etwas alleine unternehmen? Wieso hatte er dann Lake dabei?
 

Enttäuscht sah ich zu Elias. Er sah mich entschuldigend an.
 

„Er stand einfach vor meiner Tür. Ich hatte vergessen Lake zu erzählen, dass wir zwei schon etwas vorhaben.“, erklärte er und fuhr sich verlegen mit der Hand durch die Haare. Ich verzog mein Gesicht zu einer Schnute und ließ beide widerwillig ins Haus eintreten.
 

Meine Mutter kam zu uns in den Flur. „Hallo Elias. Hast du einen Freund mitgebracht? Das ist ja schön. Calvin kommt nämlich auch mit.“, meinte sie erfreut.
 

Nun war es an Elias mich überrumpelt anzusehen. Ich erwiderte seinen Blick angesäuert. Er lächelte leicht, was mich augenblicklich meine Wut vergessen ließ.
 

„Dann eben zu viert.“, meinte er und nickte mir leicht zu. Ich tat es ihm gleich. „Wollen wir dann?“, fragte er. Meine Mutter rief nach Calvin, der auch sofort zu uns kam und Elias und Lake etwas scheu begrüßte. Mit zwei Emos hatte er wohl nicht gerechnet. Auch wenn mir dieses Wort immer noch nichts sagte. Vielleicht sollte ich Elias mal fragen, ob er es mir erklärte?
 

Aber erst mal musste ich diesen ungnädigen Tag überleben, der es gar nicht gut mit mir meinte. Irgendjemand hatte sich da mächtig gegen mich verschworen. Hatte ich irgendetwas angestellt, dass ich so etwas verdient hatte? Wollte irgendjemand Krieg mit mir führen? Schön, den könnte er kriegen! So leicht gab ich mich nicht geschlagen!
 

Mühselig schlüpfte ich in meine Schuhe. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr auf den Kinobesuch. Nicht mit Lake und Calvin an den Hacken. Das würde wahrscheinlich eh kaum Spaß bereiten. Wie sollten ich und Elias dann noch Zeit miteinander verbringen können? Zumal wir eigentlich etwas allein unternehmen wollten.
 

Wir verließen das Haus und fuhren mit der Straßenbahn in die Stadt. Was mich irgendwie störte, war, dass Lake Elias dauernd am Rockzipfel hing. Ich kam gar nicht dazu, mal mit Elias auch nur ein Wort zu wechseln. Enttäuscht ließ ich mich also von Calvin zureden, der schon längst dabei war, alle möglichen Dinge aufzuzählen, die er mir die nächsten Monate beibringen wollte. Konnte er damit nicht morgen anfangen? Meine Stimmung war doch schon längst auf dem Nullpunkt angekommen.
 

Wir liefen quer durch die Stadt, bis wir endlich vor dem Kino ankamen. Lake und Calvin waren ziemlich aufgebracht, dass sie wegen mir, einen harmlosen Kinderfilm ansehen mussten. Geknickt ließ ich ihre Schimpftiraden über mich ergehen.
 

„Wenn ihr keine Lust habt. Könnt ihr euch ja etwas anderes ansehen.“, meinte Elias stur. „Ich werde mir jedenfalls mit Sam diesen Film anschauen!“
 

Lake und Calvin sahen sich nur genervt an. Irgendwie schienen sie sich nicht besonders zu mögen, stellte ich fest. Sie wollten anscheinend auch nicht zusammen etwas machen, also liefen sie ergeben hinter uns her. Elias ging gleich zur Kasse und bezahlte unsere Karten. Dann nahm er mich an der Hand, verschränkte unsere Finger miteinander und lief mit mir voraus zu den Verkäuferinnen, bei denen wir uns erst mal mit lauter Süßigkeiten, Popcorn und Cola ausrüsteten.
 

Wir fanden unsere Plätze und warteten darauf, dass die Werbung hoffentlich bald ihr ende fand. Ich war schon wieder etwas besser drauf, denn ich konnte jetzt neben Elias sitzen.
 

„Tom Sawyer...das Buch dazu habe ich schon ewig nicht mehr gelesen.“, meinte Elias. Ich sah auf, während ich mir schon fleißig Popcorn in den Mund stopfte und dicke Hamsterbacken bekam. Elias lächelte.
 

„Wenn ich meine Finger in die Wangen presse, schießt du dann mit Popcorn auf mich?“, fragte er grinsend. Ich versuchte meine Lippen aufeinander zu pressen und schüttelte heftig den Kopf. So etwas würde ich bei Elias niemals tun!
 

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Calvin schon dabei war Lake zu zutexten. Der war mehr als genervt davon und sah aus, als würde er gleich die Flucht ergreifen. Gut so!
 

„Hey, wo schaust du hin? Hier sitzt ein rattenscharfer Typ vor dir!“, meinte Elias belustigt und zog mein Gesicht zu sich herüber. Ich lief leicht rot an, als sich unsere Blicke trafen.
 

„Ich würde dich ja gerne küssen, aber die Frau hinter dir sieht aus, als würde sie mich köpfen, wenn ich es vor den Augen ihrer kleinen Tochter machen würde.“ Er lachte und ich drehte mich um. Die Frau sah uns mit kraus gezogener Stirn mahnend an, ihre Tochter beobachtete uns interessiert. Ich versuchte mich an einem Lächeln, allerdings ließen meine Hamsterbacken nicht viel zu. Ich drehte mich wieder zu Elias und kaute erst mal ordentlich alles klitzeklein, bis ich mich weiter vollstopfen konnte.
 

Elias strich mir durch die Haare. Ich sah kurz auf und bemerkte seinen Blick. „Was ist?“, fragte ich ihn mit großen Augen.
 

„Nichts. Es ist nur so amüsant, dir beim Essen zuzusehen.“, erklärte er. „Du bist echt niedlich!“
 

Ich knabberte leicht auf meiner Unterlippe. „Ich bin nicht niedlich.“, meinte ich mürrisch. Tierbabys waren niedlich, aber ich doch nicht! Ich war ein Junge. Ich wollte viel lieber cool sein, als niedlich!
 

„Was bist du denn dann?“, fragte er mich leise. Ich überlegte einen Augenblick. Er kraulte mir noch immer den Kopf und ich kam mir vor, als würde er mich als Hundeersatz betrachten. Ich musste jedoch auch zugeben, dass es sich gut anfühlte. Fehlte nur noch, dass ich anfing zu schnurren.
 

„Dein bester Freund.“, meinte ich achselzuckend. Ich sah wieder zu ihm und steckte ihm Popcorn in den Mund. Elias leckte mir kurz über die Finger.
 

„Seinen besten Freund küsst man aber nicht, man bekommt auch keinen Blowjob von ihm.“, erklärte Elias mir. Ich hörte hinter mir ein hysterisches Räuspern und drehte mich zu der Mutter um.
 

„Entschuldigung, aber hier sind kleine Kinder! Könntet ihr euch bitte etwas zügeln? Ansonsten wäre es nett, wenn ihr das Gespräch draußen fortführen würdet!“, sagte sie ernst und duldete keinen Widerspruch. Ergeben nickten wir. Zu unserem Glück begann in dem Moment der Film und so waren alle Parteien abgelenkt.
 

Elias griff nach meiner Hand und küsste kurz meinen Handrücken. Ich beobachtete ihn dabei. Auf den Film konnte ich mich schon gar nicht mehr konzentrieren. Wenn wir nicht beste Freunde waren, was waren wir denn dann? Es bedrückte und verwirrte mich zugleich. Elias schien meine Unaufmerksamkeit zu bemerken und legte mir einen Arm um die Schultern. Ich kuschelte mich an ihn und versuchte mich nun doch mal dem Film meine Aufmerksamkeit zu schenken.
 

Während des Films ging Elias kurz auf die Toilette. Erstaunlicherweise verschwand Lake kurze Zeit später ebenfalls. Was hatte das denn zu bedeuten? Calvin störte es nicht weiter. Er war viel zu sehr in den Film vertieft. So bemerkte er auch nicht, dass ich mich aus dem Staub machte. Ich verließ den Kinosaal und sah mich draußen auf dem Gang um, aber die beiden Jungs waren weit und breit nicht zu sehen. Ich ging zu den Toiletten, in der Hoffnung sie dort anzutreffen. Ich konnte Stimmen hören und wagte es aus irgendeinem Grund nicht einzutreten. So blieb ich vor dem Männerklo stehen und lauschte angespannt. Ich erkannte Elias und Lakes Stimmen, worüber sprachen sie?
 

„Nichts.“, meinte Elias.
 

„Nichts? Das sah mir aber nach mehr als nichts aus!“, wetterte Lake wütend. Wieso war er so aufgebracht?
 

„Reg dich nicht auf. Es ist meine Sache. Es geht dich im Grunde genommen gar nichts an.“, erwiderte Elias seelenruhig. Er schien sich die Hände zu waschen.
 

„Weißt du noch, was bei deiner letzten Affäre raus gekommen ist?! Der Typ war nicht ganz dicht und jetzt bist du mit Sam zusammen. Mit dem stimmt auch irgendwas nicht! Die ziehen dich runter und machen dich kaputt! Willst du das wirklich, dass es wieder so los geht?!“, schimpfte Lake auf ihn ein.
 

Eine Affäre? Elias hatte eine Affäre? Was hieß das? In meinem Gehirn herrschte zu diesem Wort gähnende Leere. Mist. Ausgerechnet dann, wenn man es brauchte, wusste man die Antwort nicht! Ich würde es zu hause nachschlagen müssen.
 

„Woher sollte ich das denn bitte wissen? Kann man doch nicht vorher feststellen, wie so'n Typ in Wirklichkeit drauf ist.“, erklärte Elias sich.
 

„Das merkt man doch! Der Typ war dermaßen von aufdringlich! Aber du warst verliebt und hast überhaupt nicht mehr klar sehen können!“
 

Elias war verliebt? In wen? Irgendwie zog sich bei dem Gedanken etwas in meiner Brust zusammen. Nur wieso? Sollte ich mich nicht für Elias freuen? Es war doch ganz natürlich, dass er sich mit anderen Menschen außer mir treffen würde. Er verliebte sich in jemanden und würde heiraten. War doch ganz normal? Moment. Sprachen sie nicht von einem Jungen? Sofort kamen in mir die Videos in Erinnerung. Hatten sie etwa auch solche Sachen miteinander angestellt? Mir wurde plötzlich ganz flau im Magen.
 

„Was hat das alles überhaupt mit Sam zu tun?“, fragte Elias mürrisch.
 

„Das weißt du ganz genau! Du bist in letzter Zeit nur für ihn da und sorgst dich um ihn. An dich und dein Wohlergehen denkst du gar nicht! Genau so lief es auch mit Ryan ab. Du hast nur an ihn gedacht und nicht mehr an dich. Deswegen bist du auch so zusammen gebrochen und bei Sam wird es auch wieder passieren!“, wetterte Lake auf Elias ein.
 

Ryan. So hieß der Junge. Der Junge den Elias liebte. Ich wusste nicht wohin mit meinen neu aufkommenden Gefühlen. Was war das? Es war anders, als meine Eifersucht auf Lake. Von ihm brauchte ich nichts zu befürchten, aber dieser Ryan machte mir ziemliche Sorgen.
 

„Bei Sam ist das was anderes. Wir sind Freunde, seit Kindertagen. Wir sind durch dick und dünn gegangen. Na ja, und dann war da der Unfall...“
 

„Gibst du dir immer noch die Schuld dafür?“, fragte Lake genervt.
 

Ich sank vor der Tür zu Boden. Hieß das Elias war nur so nett und hilfsbereit zu mir, weil er sich mies fühlte? Weil er dachte, er wäre schuld an dem Unfall? Mir stiegen die Tränen in die Augen. Er war also gar nicht an mir interessiert. Er wollte alles wieder bei mir gut machen. Deswegen meinte er auch, wir wären keine besten Freunde mehr. Ich fühlte mich mies und war kurz davor zu heulen.
 

Ich stand hastig auf und machte mich auf den Weg zum Kinosaal. Ich holte vorher noch einmal tief Luft und ging dann zurück zu meinem Platz. Vor Calvin ließ ich mir nichts anmerken. Er bemerkte sowieso nicht, was um ihn herum geschah.
 

Ich starrte auf die riesige Leinwand, aber ich sah den Film nicht. Ich war in Gedanken versunken und wusste nicht, wie ich mich gleich gegenüber Elias verhalten sollte. Sollte ich so tun, als wäre nichts geschehen? Sollte ich ihn besser darauf ansprechen, dass ich das Gespräch belauscht hatte?
 

Nach einigen Minuten kamen Elias und Lake zurück. Ich sah nicht auf, sondern starrte weiterhin auf die Leinwand. Elias schien nichts zu bemerken. Er legte mir den Arm wieder über die Schultern und zog mich näher an sich. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, auch wenn es mir schwer fiel. Ich wollte einfach nur nach Hause. Meine Stimmung war dahin. Ich habe Dinge erfahren, die ich gar nicht wissen wollte. Was war denn nur passiert? Waren 12 Jahre wirklich so eine lange Zeit? Was mich am traurigsten machte, war, dass ich Elias im Grunde genommen überhaupt nicht kannte. Er war anders, als früher. Er war nicht mein Elias. Und auch wenn Abby meinte, ich sollte ihn so nehmen wie er war. Es fiel mir schwer.
 

„Elias, ich möchte nach Hause.“, flüsterte ich ihm ins Ohr. Er sah mich kurz überrascht an. Er wusste ja auch nicht, was mit mir los war.
 

„Aber der Film...?“
 

Ich sah ihn stumm an. Dann nickte er und wandte sich kurz um, um Calvin etwas zuzuflüstern. Der nickte und sprach Lake an. Lake sah uns angepisst an, nickte aber. Elias griff nach seiner Jacke und meiner Hand und zog mich dann hinter sich her aus dem Kino.
 

Es war frischer als vorhin und ich beschloss meine Jacke überzuziehen. Elias tat es mir gleich und ergriff dann meine Hand. Der Tag hatte gerade erst angefangen, aber es sah schon ziemlich nach Regen aus. Hoffentlich kamen wir noch vor dem Schauer zu hause an?
 

Während wir stumm die Straße hinunter liefen, um zur Straßenbahn zu gelangen, betrachtete ich meine Hand in der von Elias. Mir fiel auf, dass sie anders war. Nicht so eine raue Männerhand, wie die von meinem Vater. Eher zierlich, aber doch immer noch die Hand eines Jungen. Mir war auf einmal nicht mehr danach, seine Hand zu halten. Nur wieso?
 

Wir kamen an der Station an und mussten feststellen, dass es noch eine Weile dauern würde, bis die nächste Bahn kam. Wir hatten unsere nämlich um ein paar Minuten verpasst. Also setzten wir uns auf die Bänke und ich versteckte meine Hände sofort in meinen Jackentaschen. Aber auch so kam ich nicht von Elias weg, denn er rutschte näher an mich heran, so dass sich unsere Schultern und Beine berührten.
 

Ich sah stur geradeaus, auf die Straße. Gab ja auch wirklich viel zu sehen. Beton, weiße Streifen auf der Straße, eine todesmutige fette Taube und ab und an mal ein Auto, dass an uns vorbei fuhr. Ich gähnte und plötzlich spürte ich ein Gewicht auf meiner Schulter. Ich drehte mich um und sah, dass Elias seinen Kopf auf meiner Schulter abgelegt hatte. Er war auf einmal so nahe. Ich betrachtete seine geschlossenen Augen. Er sah so friedlich aus. Am liebsten würde ich ihm durch die fluffigen Haare streichen, aber ich tat es nicht. Meine Hände blieben an ihrem Platz. Als wäre nichts geschehen, sah ich wieder auf die Straße zurück.
 

Nach einiger Zeit kam unsere Bahn. Elias hatte es wirklich fertig gebracht einzuschlafen. Der konnte wohl wirklich überall schlafen. Mir fiel ein, dass er in der ersten Nacht bei mir, auch sofort eingeschlafen war. Ich musste an den Gedanken, was wir damals angestellt hatte, breit grinsen. Elias bemerkte es nicht, da ich vor ihm einstieg. Wir setzten uns ganz nach hinten und ich pflanzte mich direkt vor das Fenster. Erste Regentropfen prasselten leicht, kaum hörbar gegen das Glas. Ich sah zu, wie einzelne Tropfen sich selbstständig machten und die Scheibe herunterliefen.
 

Jetzt waren Elias und ich endlich allein und es war einfach nur doof. Nichts lief so, wie ich mir den heutigen Tag vorgestellt hatte. Wer auch immer sich gegen mich verschworen hatte, er oder sie, hatte diesen Krieg wohl gewonnen. Und ich hatte mich nicht einmal richtig gewehrt, sondern den tödlichen Stich auch noch mehr oder weniger zugelassen. Als hätte ich regelrecht darauf gewartet. Wo war mein Kampfgeist? Wieso ließ er mich ausgerechnet heute im Stich?
 

Ich schluckte. Ich hatte nicht den Mut Elias auf sein Gespräch mit Lake anzusprechen. Ich kam mir so erbärmlich vor. Immer riss ich meine Klappe weit auf, aber wenn es mal nötig war, brachte ich keinen einzigen Ton über meine Lippen. Ehrlich gesagt, hatte ich auch keinen blassen Schimmer, wie ich es angehen sollte, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen, mich zu blamieren oder es so zu gestalten, dass es nicht in einem Streit enden würde.
 

Ich wollte wirklich gerne mit Elias befreundet sein. Wieso sah er das nicht genau so wie ich? Ich konnte mich nicht mal an meinen Unfall erinnern. Wieso konnte er es dann nicht einfach auf sich beruhen lassen? Ich nahm ihm doch gar nichts übel! Ich wollte einfach nur meine Zeit mit ihm verbringen.
 

Ich bemerkte ein zupfen an meiner Jacke und drehte Elias meinen Kopf zu. Er hakte sich bei mir unter und lehnte sich näher an mich heran. Er lächelte mich so lieb an, dass ich am liebsten alles vergessen wollte. Wieso bin ich ihm nur nachgelaufen? Dann wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Das war alles nur Lakes schuld! Jedes Mal, wenn er auftauchte, gab es nichts als ärger!
 

„Ich komm noch mit zu dir, okay?“ Elias Stimme holte mich zurück aus meiner Gedankenwelt, die inzwischen für meinen Geschmack viel zu große Ausmaße angenommen hatte. Früher hatte ich mir um nichts Gedanken gemacht, jetzt tat ich es schon bei der kleinsten Veränderung. Ich wusste nur nicht, ob das gut oder schlecht war.
 

„Okay.“, erwiderte ich unwillig. Man schien es mir anzumerken, denn Elias sah mich prüfend an.
 

„Was ist dir denn plötzlich für eine Laus über die Leber gelaufen?“, fragte er. „Liegt es daran, dass Calvin und Lake mitgekommen sind? Oder am Film? Du wolltest plötzlich so schnell nach Hause. Wirst du krank?“ Er wollte meine Stirn befühlen, aber ich stieß seine Hand genervt weg.
 

„Ich bin nicht krank!“, maulte ich. Elias sah mich weiterhin unerbittlich an. Da konnte er lange warten, bis ich mal etwas von mir geben würde. In der Hinsicht war ich ein echter Dickschädel.
 

„Na, dann eben nicht.“, meinte er eingeschnappt. Er stand auf und ich bekam Panik, bis ich bemerkte, dass wir unsere Haltestelle erreicht hatten. Ich stand hastig auf und lief Elias hinterher.
 

„Warte!“, rief ich ihm zu, als er schon ein kleines Stück voraus gegangen war. Er drehte sich zu mir um. Diesen Blick kannte ich nicht von ihm. Es machte mir irgendwie angst, wie er mich ansah.
 

„Wir haben uns immer alles erzählt, weißt du noch?“ Ich starrte ihn nur an. „Ich habe ja nichts dagegen, wenn du etwas für dich behalten möchtest. Das kann ich ja auch verstehen, dass man jemandem nicht alles erzählen möchte. Aber ich dachte...“, er brach ab. „Vergiss es!“
 

Elias drehte sich wieder um und ging weiter. Ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Was war das denn jetzt? Ich rannte Elias hinterher und hielt ihn am Jackenärmel fest. Abrupt bliebt er stehen und ich prallte gegen ihn. Er sah zu mir herunter und ich starrte direkt in seine dunklen Augen. Ich schluckte und sah ihn nervös an. Dann fasste ich all meine Mut zusammen.
 

„Wer ist Ryan?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Inan
2012-03-12T20:50:51+00:00 12.03.2012 21:50
Armes Sam, zuviel denken versaut einem schon viel~
Mal schauen, was Elias jetzt sagt, er hat ja keine Wahl, er hat Sam ja gerade erst vorgehalten, dass sie sich alles erzählen >.<
Und hey, soo unwissend ist der Kleine ja auch nicht mehr, was eine Affäre ist, kann er ja googeln und irgendwann findet er bestimmt auch den Button, mit dem er den Browserverlauf löschen kann, damit seine Mum nicht rausfindet, dass er unversehens seinen ersten Porno geguckt hat xD
Super Kapitel :3
Von:  JamieLinder
2012-03-12T12:49:05+00:00 12.03.2012 13:49
Na komm Elias, erzähl mal, wer ist Ryan ?! ;D
Bin ich mal gespannt wie Elias das Sam erklären will.xD
Vorallem wenn er bemerkt, das Sam keine Ahnung von ganichts hat...
xD
Es war ein sehr interessantes Kapitel.=3
Allerdings hatte ich mich gewundert, wie ich aufeinmal von Seita 3 auf Seite 11 gelandet bin...v.v
Ich sauge die Kapitel in mir auf..*saug*
Und sie schmecken verdammt lecker!=3

Weiter schreiben, weiter schreiben, weiter schreiben!!!*_*
BITTE. <3



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