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Wahrheit oder Pflicht

von

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Unbezahlbare Missverständnisse

Um die angespannte Stimmung ein wenig zu lockern, packte Hikari Takeru am Arm und schleifte ihn aufgeregt hinter sich her.

„Lasst uns erst mal was essen. Ich bin am Verhungern!"

Die anderen waren natürlich alles andere als abgeneigt, wohingegen Sora sich ernsthaft fragte, ob die Brünette ihren gemeinsamen Plan nicht vielleicht schon wieder abgeschrieben und unter "Ferner liefen" verbucht hatte. Eigentlich sah jener Plan vor, dass sie es sich bei ein paar schönen Partyspielchen auf der Wiese bequem machten. Aber wer weiß. Kari wäre nicht Kari, wenn sie nicht vielleicht noch einen Plan B in der Hinterhand hätte. Ihren Bruder kannte sie schließlich von allen hier am besten. Und mit einer Mahlzeit konnte man bei dem sowieso nichts falsch machen.
 

Ein süßer Duft zog wenig später die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich und trieb ihnen das Wasser im Munde zusammen.

„Oh ja, Crepes!"

Wie magisch von ihnen angezogen, schnellten sie an den mit bunten Lämpchen und Blumen geschmückten Stand, der so wunderbar nach Teig und Zimt duftete. Sie hatten alle Mühe, sich für eine der unzähligen Variationen zu entscheiden.

„Ihr wollt euch ernsthaft was Süßes reinpfeifen?", blickte Taichi die Mädchen ganz vorn am Anfang der Schlange ungläubig an und kassierte dafür sogleich einen gekonnten Schlag in die Seite.

„Hey, das tat weh!", protestierte er, wurde dafür aber sofort von Hikari zur Seite genommen.
 

„Lass doch die Stänkerei. Wenn du so weitermachst, wird das nie was mit eurer Versöhnung! Mimi steht nun mal nicht auf solche Miesepeter, aber das solltest du ja mittlerweile wissen."

Sofort war Tais Laune auf einem Tiefpunkt angekommen, den er nicht für möglich hielt. Warum wusste heute jeder alles besser und meinte, ihn zurechtweisen zu müssen?

„Ich hab eine Idee! Lad sie doch einfach auf einen Crepe ein. So kommt ihr ins Gespräch und könnt vielleicht Frieden schließen."
 

Aus seinem Missmut wurde eine leise Hoffnung, als er den Ausdruck in den Augen der Jüngeren sah. Sie meinte es nur gut und ihm ging es trotz seiner Wut im Bauch auch mächtig auf die Nerven, ständig Zielscheibe der nicht ausgesprochenen Morddrohungen zu werden. Seinen kleinen „Unfall“ aus der Umkleide bereute er nur aus dem einfachen Grund, dass dieser einen Keil zwischen ihn und Mimi trieb. Ansonsten hatte Taichi eher weniger Probleme damit, sie halbnackt gesehen zu haben. Wieso auch? Bei so einem grazilen Körper gab es für sie keinen Anlass, sich zu schämen. Außerdem verstand er ohnehin nicht, warum Mädchen immer so einen Herrmann darum machten, wenn sie mal jemand in Unterwäsche sah. Ist ja nicht so, als würden sie in einem Bikini weniger nackte Haut zeigen. Wo lag also der Unterschied?!
 

„Meinst du wirklich? Und wenn sie mich wieder für einen Widerling hält?"

„Weil du ihr einen Crepe spendierst? Jetzt hör aber auf Tai. Du bist doch sonst nicht so skeptisch. Also hör auf zu diskutieren und versuch es wenigstens. Mehr als schief gehen kanns nicht.“

Einen Moment haderte er noch mit sich und der Idee seiner Schwester. Dann entschloss er sich aber doch dafür und klatschte sich auf beide Wangen. „Dann auf in den Kampf!", sprach er sich in Gedanken selbst Mut zu und wagte sich todesmutig rüber zu den Damen. Hikari blieb etwas ratlos an der Seite stehen und schüttelte den Kopf. Auch wenn sie den Tipp an sich als brauchbar empfand, wusste sie nicht wirklich, ob Taichi die Praxis auch so umsetzte, wie sie sich das vorstellte.

Insgeheim baute sie auf Mimis Geständnis von neulich. Sie war an ihm interessiert. Vielleicht kam sie ihm ja sogar entgegen, sobald sie merkte, dass es ihm wirklich leid tat. Allerdings beschlichen Kari auch leise Zweifel, ob er das echt hinbekam.
 

„Hey, Mimi", begann er. So gut es ging, versuchte er Augenkontakt herzustellen, sah sie doch aus, als wollte sie ihn gleich beißen. Erwartungsvoll stand sie da und wartete wohl auf den Spruch, der das Eis brach. „Du, hör mal... Wegen neulich..."

Sein Herumdrucksen machte die Sache irgendwie nicht besser. „Also... was ich sagen wollte..." Er spürte Hikaris bohrenden Blick an seinem Hinterkopf. Jetzt war nicht die Zeit für so einen Quatsch, wenn er die Wogen wieder glätten wollte.

„Es tut mir leid!"
 

Aus ihrem Zorn wurde Erstaunen, als ihr Mitschüler sich vor ihr verbeugte. Peinlich berührt schaute sie sich zu allen Seiten um, bevor sie mit ihrer Aufmerksamkeit wieder bei Taichi ankam.

„Es gab da ein paar Missverständnisse und ich denke, du hast einen falschen Eindruck von mir bekommen. Das wollte ich mit dieser Entschuldigung hier richtig stellen, weil ich..." Er zögerte. War das, was ihm hier als erstes einfiel, die beste Option für eine Entschuldigung? Na ja, wie die jüngere Version von ihm eben schon sagte, gab es ja nichts mehr zu verlieren. „Weil ich gerne dein Freund sein würde!!"
 

Sofort waren alle Blicke auf die beiden gerichtet und sowohl Mimi als auch Hikari entglitten augenblicklich jegliche Gesichtszüge, da mit so etwas keiner von ihnen gerechnet hatte.

Wie angewurzelt stand die Brünette da und wusste nicht, was sie machen sollte. Sich einfach umdrehen und so tun, als wäre das nie passiert? Wütend werden und dem Ekel eine runterhauen, wie den Tag in der Umkleide? Nein, dafür klang das viel zu überzeugend, was er da blubberte. Trotzdem änderte das nichts daran, dass sie von allen angestarrt wurde, weil er hier so eine Szene veranstaltete. Unangenehm, auch wenn es Mimi sonst liebte, im Rampenlicht zu stehen.
 

Nach einigen Sekunden, die dem armen Jungen wie Stunden vorkamen, erhielt er endlich seine Antwort.

„Gut, meinetwegen. Dann will ich mal nicht so sein. Wenn das wirklich nur unglückliche Zufälle waren und du kein Unterwäschefetischist bist, werd ich das wohl nur herausfinden, indem ich dir eine Chance gebe."

„Wirklich?!", strahlte er sie an und entlockte ihr damit eine leichte Röte auf den Wangenknochen. „Aber ich bleibe wachsam, kapiert?!"

„Natürlich! Aber wie wär's, wenn ich dir zur Feier des Tages erstmal einen Crepe ausgebe?"

Genau ins Schwarze getroffen. Für solche kleinen Leckereien war sie immer zu haben. „Mit Schokosoße?", fragte sie begeistert und vergaß dabei, dass sie eigentlich hart bleiben wollte. „Kommt sofort!"
 

„Das hat ja super geklappt." Zufrieden probierte Hikari von ihrem Crepe, den ihr Takeru eben in die Hand drückte. Zur Belohnung hielt sie ihm die Tüte auch einmal hin. „Ich hatte auch mit einer neuen Katastrophe gerechnet. Aber man soll sich doch immer überraschen lassen.... Wow, die sind echt lecker", stellte er nach einem Bissen fest. Die Vanillesoße passte perfekt zu dem luftigen Teig.
 

„Ähm... Mimi?"

Fragend schaute sie zu Tai auf, der sich nur verlegen am Hinterkopf kratzte.

„Du kannst mir wohl nicht zufällig noch 200 Yen leihen, oder? Ich hab wohl irgendwie nicht genug dabei."

Diese Feststellung haute seine Freunde beinahe aus den Latschen. Da war also das Fettnäpfchen, das er zuvor so elegant umschiffte.

Auch die Angesprochene guckte ganz schön verdattert aus der Wäsche.

„Keine Sorge, Mimi", beruhigte Yamato sie, „Er ist eigentlich ein netter Junge, das weißt du doch." Zweifelnd schaute sie zu dem Blondschopf. „Du meinst, er ist kein Perversling sondern nur ein totaler Volldepp?"

Erst wollte der Junge abwehrend mit den Händen schütteln, verschränkte dann aber nur die Arme vor der Brust. „Sagen wir... ich hätte es ein wenig freundlicher formuliert."

Typisch Tai. Erst wollte er sie großherrlich einladen und ihr eine Freude mit der Süßspeise machen, blamierte sich dann aber wieder dank der gähnenden Leere in seiner Brieftasche. Die vielen Comics hätte er wohl lieber im Laden stehen lassen und in den Wiederaufbau seiner Freundschaft investieren sollen.
 

Koushiro stand währenddessen etwas belämmert daneben und versuchte die letzten Gesprächsfetzen voreinander zu bekommen. Noch immer ungläubig beobachtete er das ganze Schauspiel und konnte seine Verwunderung gar nicht in Worte fassen. Hatte Taichi gerade tatsächlich...? Er zog die Augenbrauen nach oben, warf das Papier, in das eben noch sein Crepe gehüllt war, in den kleinen weißen Papierkorb und trat dann an die beiden wild diskutierenden Teenager heran.

„Taichi, Mimi?" Sofort hatte er die Aufmerksamkeit des Grüppchens auf sich gezogen. Zeit, sich zu verbeugen. „Ich wünsche euch alles Gute und hoffe, eure Liebe wird niemals vergehen!"

Erst als sich Hikari an ihrem Gebäck verschluckte und Mimi feuerrot anlief, hob Koushiro den Kopf. Die verdatterten Blicke seiner Freunde verrieten ihm, dass er das gerade besser nicht gesagt hätte.
 

Die viele Zeit vorm Computer tat dem Oberschüler anscheinend überhaupt nicht gut. Zumindest im Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation, die gerade anscheinend gänzlich bei ihm scheiterte. Liebe gehörte zu den wenigen Dingen, über die der sonst so wissbegierige Junge rein gar nichts wusste. So kam anscheinend auch diese Fehlinterpretation zustande, durch die er glaubte, Taichi hätte ihr eben ein Geständnis gemacht, statt sich zu entschuldigen.

„Was denn? Ich wollte doch nur nett sein ..."

Schließlich gab sich Sora einen Ruck, die ihn kurzerhand zur Seite nahm und Licht ins Dunkel brachte.

„Er hat ihr nicht seine Liebe gestanden, Izzy. Sie haben sich nur wieder angefreundet."

Sie konnte kaum an sich halten, so witzig fand sie die Situation und das mit jeder Sekunde beschämter werdende Gesicht ihres Freundes trug sein Übriges dazu bei.

„Wobei seine Reaktion ja schon anderes vermuten lässt ...", fügte sie noch hinzu, den Blick zu Taichi gewandt, der etwas bedröppelt von einem zum anderen schaute.

Sora legte die Stirn in Falten und zerrte den zur Tomate mutierten Koushiro wieder zurück zu den anderen, nur damit sich dieser wieder verbeugte und die ganze Sache noch schlimmer machte.
 

„Tut mir leid, dass ich euch so was unterstellt habe. Ich meine, so ganz abwegig ist das gar nicht, aber irgendwie ..."

Je mehr er versuchte, die Sache wieder gerade zu biegen, desto peinlicher wurde es irgendwie.

„Also… ihr wärt ohne Frage ein süßes Paar und so, aber Freunde ist auch gut! Und man kann ja nie..."

„Izzy, ist gut jetzt. Ich denke, sie haben verstanden", beendete Takeru schließlich das Trauerspiel und der Rothaarige suchte händeringend nach einer Möglichkeit, für immer im Erdboden zu versinken. Doch leider, leider tat sich keine Tür oder dergleichen auf. Und so vergrub er nur das noch immer rot angelaufene Gesicht in den Händen und versuchte, so unsichtbar wie möglich zu werden.
 

„Du bist so ein Vollidiot!"

Mit Schmackes haute Mimi dem armen Taichi eine runter. „Aua! Womit hab ich das denn jetzt verdient?", startete er einen Verteidigungsversuch, den sie aber gekonnt abblockte. „Was redest du auch für einen Unsinn? Ist doch klar, dass das jeder in den falschen Hals kriegt! Wie steh ich denn jetzt da?!" Beleidigt drehte sie den Kopf weg und nahm ihm damit auch die letzte Hoffnung, dass die Versöhnung wider Erwarten geglückt war.
 

„Mach dir nichts draus, Tai", wandte sich ihm Yamato zu, der sich neben ihn hockte, nachdem ihm die Knie zu weich wurden, „Das mit der Liebe ist schwerer als es aussieht."

Der Angesprochene zog nur einen Schmollmund und rieb sich den schmerzenden Kopf. „Was für eine Liebe? Ich wollte mich nur entschuldigen..."

„Der Abend ist noch jung. An deiner Stelle würde ich nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Probiers einfach noch mal."

„Du hast leicht reden..."
 

„Das ist wohl schwieriger als vorerst gedacht. Was machen wir jetzt?" Fragend wandte sich Takeru Hikari und Sora zu, die neben ihm standen und schon merklich grübelten. „Keine Sorge. Für solche Fälle tritt Plan B in Kraft. Überlasst das ruhig mir dieses Mal.“
 

Joe, der das Szenario bislang stumm mitverfolgte, konnte sich eher weniger von Soras Tatendrang anstecken lassen. Insgeheim fragte er sich, wieso er nicht einfach zu Hause über seinen Büchern hockte. Er hatte zwar eine Freundin, doch beziehungstechnisch war er ungefähr so versiert wie Koushiro, der sich immer noch für seinen Patzer in Grund und Boden schämte.

Auch wenn er hier nicht viel ausrichten würde, empfand der Brillenträger es doch als netten Zeitvertreib, mal wieder mit seinen alten Kameraden auszugehen.

Ob die Wappenträgerin der Liebe den erhofften Frieden herbeiführen würde? Immerhin schien das so was wie ihr Spezialgebiet zu sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kaninchensklave
2016-03-25T18:20:55+00:00 25.03.2016 19:20
ein Tolles Kap

oh man das hat wohl Izzy (ist leichter zu schreiben) einbdeutig falsch verstanden
doch wenigstens ist schonmal ein ansatz einer versöhnung zu erkennen
es war auch zu einfach das ganze Falsch zu verstehen

ich bin echt auf Plan B gespannt hat Sora vor beide in einem Raum zu sperren
und nicht mehr raus zulassen xD

GVLG


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